Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Behandlung schwebender Geschäfte bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens

 

Leitsatz (NV)

Schwebende Geschäfte, mit deren Erfüllung noch von keiner Seite begonnen wurde, sind in der Vermögensaufstellung nicht anzusetzen. Hat bei einem schwebenden Geschäft der zur Sachleistung Verpflichtete die ihm obliegende Leistung noch nicht erbracht, der Gläubiger dieser Leistung aber bereits gezahlt, so ist der Teilwert der Sachleistungsverpflichtung bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens in gleicher Höhe zu bemessen wie die empfangene Vorauszahlung. Die Verpflichtung zur Sachleistung ist nicht mit dem ,,Steuerwert" der zu leistenden Sache anzusetzen; dies gilt auch dann, wenn das schwebende Geschäft auf Übertragung von Grundbesitz gerichtet ist.

 

Normenkette

BewG §§ 95, 98a, 103, 109 Abs. 1, § 10

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, wie sich ein von der Klägerin, Revisionsklägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin) mit der Stadt A (Stadt) am 12. Februar 1980 abgeschlossener Kaufvertrag (Vertrag) bei der Feststellung des Einheitswerts des Betriebsvermögens auf den 1. Januar 1981 auswirkt.

Der Vertrag sollte aus Gründen städtebaulicher Gestaltung im Rahmen von Sanierungsmaßnahmen nach dem Städtebauförderungsgesetz (StBauFG) die Stillegung des Gewerbebetriebs der Klägerin in der Stadtmitte ermöglichen. Zu diesem Zweck verkauften die Klägerin, ihr persönlich haftender Gesellschafter B sowie eine weitere KG, deren alleiniger Geschäftsführer ebenfalls B war, ihre im Sanierungsbereich belegenen ,,Grundstücke nebst allen aufstehenden Gebäuden, baulichen Anlagen und fest eingebauten Installationen sowie Außenanlagen". Nach § 2 des Vertrags sollte die Klägerin dafür als Entschädigung einen Gesamtbetrag von 1 864 000 DM erhalten, der sich aus 69 750 DM für das Grundstück, aus 1 259 490 DM für den Wert der Gebäude und der Außenanlagen, aus 473 239 DM für ,,sonstige Kosten der Verlagerung" und aus 61 521 DM Umsatzsteuer zusammensetzte.

Die Entschädigung war nach § 3 des Vertrags bis zum Jahre 1983 in Teilbeträgen zahlbar. Nach § 5 des Vertrags blieb die Klägerin bis zur Inbetriebnahme des Neubauvorhabens, ,,längstens jedoch bis zum 31. 3. 1982" im Besitz ihrer Betriebsstätte. Spätestens zu diesem Zeitpunkt sollten die verkauften Grundstücke in das Eigentum der Stadt übergehen. Hinsichtlich der Entschädigung verpflichtete sich die Klägerin zusammen mit den anderen Verkäufern, den Gesamtbetrag in die im Gewerbegebiet vorgesehene Neubaumaßnahme zu investieren.

Die Klägerin stellte ihren wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb Mitte 1981 ein. Die ihr gehörenden Grundstücke wurden im Dezember 1981 auf die Stadt übertragen. Diese hatte bis zum 31. Dezember 1980 einen Teilbetrag von 445 749 DM an die Klägerin gezahlt.

Nach einer Betriebsprüfung im Jahre 1983 vertrat der Beklagte, Revisionsbeklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) die Ansicht, daß bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens auf den 1. Januar 1981 nicht nur die bis dahin geleistete Anzahlung, sondern die gesamte Kaufpreisforderung anzusetzen sei. Als Schuldposten seien die im Vertrag vereinbarte Umsatzsteuer von 61 521 DM und die noch offene Sachleistungsverpflichtung auf Übertragung der Grundstücke sowie der Maschinen und Anlagen mit ihrem steuerlichen Wert von zusammen 393 191 DM zu berücksichtigen. Außerdem sei als weitere Verbindlichkeit ein Betrag von 112 638 DM anzusetzen, da die Klägerin mit der Veräußerung ihres Betriebes die Verpflichtung eingegangen sei, an die ,,Gesellschaft zur Wirtschaftsförderung" eine entsprechende Vergütung zu zahlen. Das FA berücksichtigte damit auf dem Vertrag beruhende Verpflichtungen von insgesamt 567 350 DM und stellte dementsprechend den Einheitswert des Gewerbebetriebs der Klägerin auf den 1. Januar 1981 auf 1 809 000 DM fest.

Hiergegen richtete sich die mit Einwilligung des FA erhobene Sprungklage der Klägerin, mit der sie eine Herabsetzung des Einheitswerts um 1 297 000 DM auf 512 000 DM begehrte. Dieser Betrag ergibt sich, wenn bei der mit Ausnahme der Auswirkungen aus dem Kaufvertrag unstreitigen Einheitswertberechnung lediglich die von der Stadt erhaltene Anzahlung als Schuldposten abgesetzt wird.

Das Finanzgericht (FG) hat der Klage zum Teil stattgegeben. Es hat den Einheitswert für den Gewerbebetrieb der Klägerin auf den 1. Januar 1981 auf 1 250 000 DM festgestellt. Dabei folgte das FG bezüglich des von der Klägerin angegriffenen Ansatzes der Kaufpreisforderung einerseits und der Sachleistungsverpflichtung andererseits der bewertungsrechtlichen Behandlung des FA. Das FG berücksichtigte jedoch zusätzlich die in § 10 des Vertrags festgelegte Reinvestierungsverpflichtung der Klägerin, die es nach Maßgabe des Urteils des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 26. Februar 1971 III R 31/68 (BFHE 102, 94, BStBl II 1971, 452) in Anlehnung an die für Fabriken maßgebende Wertzahl von 70 v. H. nach § 2 Abs. 1 A Nr. 1 der Verordnung zur Durchführung des § 90 des Bewertungsgesetzes (BewG) vom 2. September 1966 (BGBl I 1966, 553, BStBl I 1966, 885) i. d. F. vom 25. Februar 1970 (BGBl I 1970, 216, BStBl I 1970, 252) mit 30 v. H. der Gesamtentschädigung von 1 864 000 DM auf 559 200 DM schätzte.

Sowohl die Klägerin als auch das FA haben Revision eingelegt.

Die Klägerin rügt die Verletzung der §§ 95, 97, 98 a, 106 und 109 BewG. Sie hält an ihrem Klageantrag fest und macht geltend, daß im Streitfall ein schwebendes Geschäft vorliege, dessen Schwebezustand nicht durch die Anzahlung der Stadt beendet werde. Damit entfalle aber der Ansatz der vollen Kaufpreisforderung beim Betriebsvermögen, da sie ihre Verpflichtungen noch nicht (auch nicht teilweise) erfüllt habe.

Das FA rügt die Verletzung der §§ 95, 103 und 109 BewG und macht geltend, daß das FG zu Unrecht eine Reinvestierungsverpflichtung nach Maßgabe des BFH-Urteils in BFHE 102, 94, BStBl II 1971, 452 als zusätzlichen Schuldposten angesetzt habe; denn dieses Urteil sei durch die BFH-Urteile vom 30. März 1977 II R 143/66 (BFHE 122, 152, BStBl II 1977, 556) und vom 3. März 1978 III R 7/76 (BFHE 125, 75, BStBl II 1978, 398), wonach der auf ein Grundstück gerichtete Sachleistungsanspruch mit dem Einheitswert zu bewerten sei, überholt. Damit scheide der Ansatz einer Schuld in Höhe der Differenz zwischen den Bauaufwendungen für das neu errichtete Gebäude und dessen gemeinem Wert aus.

 

Entscheidungsgründe

1. Auf die Revision der Klägerin wird die Vorentscheidung aufgehoben. Der Einheitswert für den Gewerbebetrieb der Klägerin wird auf den 1. Januar 1981 entsprechend dem Klageantrag auf 512 000 DM festgestellt.

Die Teilabwicklung des von der Klägerin und der Stadt abgeschlossenen Vertrags hat sich zum Feststellungszeitpunkt 1. Januar 1981 auf die Einheitsbewertung des Betriebsvermögens wie folgt ausgewirkt:

a) Den mit dem Abschluß des Vertrags für den Verkauf der ,,Grundstücke nebst allen aufstehenden Gebäuden, baulichen Anlagen und fest eingebauten Installationen sowie Außenanlagen" entstandenen Anspruch der Klägerin in Höhe von insgesamt 1 864 000 DM hatte die Stadt bis zum 31. Dezember 1980 insoweit erfüllt, als sie im Jahre 1980 einen Teilbetrag von 445 749 DM geleistet hat. Der verbleibende Entschädigungsanspruch der Klägerin betrug damit noch 1 418 251 DM. Dem standen zu diesem Zeitpunkt die - dem Grunde nach unter den Beteiligten unstreitigen - Verpflichtungen der Klägerin zur Übereignung der veräußerten Grundstücke, zur Zahlung des Betrags von 112 638 DM an die Gesellschaft zur Wirtschaftsförderung und der Umsatzsteuer in Höhe von 61 521 DM sowie die von der Klägerin geltend gemachte Reinvestierungsverpflichtung gegenüber. Damit lag am Bewertungsstichtag 31. Dezember 1980 (s. § 106 Abs. 2 BewG) ein auf die Übertragung von Grundbesitz und andere Leistungen gerichtetes schwebendes Geschäft vor, bei dem die zur Sachleistung verpflichtete Klägerin die ihr obliegende Leistung noch nicht erbracht hatte.

b) Schwebende Geschäfte sind gegenseitige Verträge, die noch nicht erfüllt sind. Der Schwebezustand wird erst beendet, wenn die Sach- oder Dienstleistungsverpflichtung erbracht ist (Woerner, Finanz-Rundschau - FR - 1984, 489 f. und Steuerberater-Jahrbuch - StBJb - 1984/85, 179; Groh, Betriebs-Berater - BB - 1988, 27; Schmidt, Einkommensteuergesetz, 9. Aufl., § 5 Anm. 45 b). Obwohl schwebende Geschäfte Forderungen und Schulden begründen, werden sie steuerbilanzrechtlich nicht erfaßt, weil einerseits davon ausgegangen wird, daß sie sich gleichwertig gegenüberstehen und andererseits das Vorsichtsprinzip es gebietet, das Ergebnis eines schwebenden Geschäfts erst zu erfassen, wenn das Geschäft abgewickelt ist (Woerner, BB 1988, 769, 771). Aus dem Umstand, daß nicht realisierte Gewinne nicht zu einer Vermögensänderung führen können, folgt für die Einheitsbewertung des Betriebsvermögens, daß schwebende Geschäfte, mit deren Erfüllung noch von keiner Seite begonnen wurde, in der Vermögensaufstellung nicht erfaßt werden. Dies widerspricht nicht § 98 a BewG, denn das schwebende Geschäft wird insoweit als ein einheitliches Wirtschaftsgut angesehen.

Hat bei einem gegenseitigen Vertrag der nicht zur Sach- oder Dienstleistung Verpflichtete die ihm obliegende (Geld-) Leistung teilweise oder ganz erbracht, so tritt bei ihm an die Stelle des Vermögensabgangs die Forderung auf die Gegenleistung und beim Empfänger der Leistung die Verpflichtung zur Gegenleistung. Der trotzdem noch bestehende Schwebezustand des gegenseitigen Vertrags bewirkt jedoch, daß dadurch bei keiner der Vertragsparteien eine Vermögensänderung (Erhöhung oder Ermäßigung) eintritt, auch wenn sich das Vermögen nunmehr anders zusammensetzt. Deshalb sind der Teilwert der Forderung des Vorausleistenden und der Teilwert der Schuld des Empfängers der Vorausleistung in gleicher Höhe zu bemessen wie die erbrachte oder empfangene Vorausleistung. Dies führt insbesondere bei Verträgen mit einer Vielzahl von Leistungsverpflichtungen, deren Einzelwert mangels genauer Aufteilung und Zuordnung in den vertraglichen Vereinbarungen häufig nur schwer zu ermitteln ist, zu einem zutreffenden Ergebnis (vgl. auch die Ländererlasse zur Bewertung von Sachleistungsansprüchen und Sachleistungsverpflichtungen bei Werklieferungsverträgen über Grundstücke mit noch zu errichtenden Gebäuden; z. B. Erlaß des Finanzministeriums Baden-Württemberg vom 14. Juni 1983 S 3250 - 1/77, Deutsche Steuer-Zeitung / Eildienst - DStZ/E - 1983, 300).

Die Verpflichtung zur Sachleistung aufgrund des noch schwebenden Geschäfts ist auch nicht mit dem ,,Steuerwert" der zu leistenden Sache zu bewerten, und zwar auch dann nicht, wenn das gegenseitige Geschäft auf Übertragung von Grundbesitz gerichtet ist. Der Senat hält für den Bereich der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens und der Vermögensteuer an der bisherigen Rechtsprechung zur Bewertung von Sachleistungsverpflichtungen bzw. -ansprüchen des früher für diese Rechtsmaterien zuständigen III. Senats (vgl. Urteil in BFHE 125, 75, BStBl II 1978, 398) nicht mehr fest (vgl. auch schon Senatsurteile vom 6. Dezember 1989 II R 103/86, BFHE 159, 542, BStBl II 1990, 434, und vom 6. März 1990 II R 63/87, BFHE 159, 555, BStBl II 1990, 504). Er sieht im Hinblick auf die Systematik des Bewertungsrechts, wonach Sachleistungsansprüche im Betriebsvermögen nach § 109 Abs. 1 i. V. m. § 10 BewG mit dem Teilwert - im sonstigen Vermögen mit dem gemeinen Wert (§ 9 i. V. m. § 17 Abs. 3 Satz 1 BewG) - anzusetzen sind, keinen zwingenden Grund, den bei der Bewertung des Grundbesitzes nach den Wertverhältnissen vom 1. Januar 1964 ermittelten Einheitswert über den eigentlichen Bewertungsgegenstand hinaus auf Sachleistungsverpflichtungen und -ansprüche zu übertragen. Dies ließe sich nach Auffassung des erkennenden Senats nur rechtfertigen, wenn dadurch im Ergebnis die Besteuerung des Sachleistungsgläubigers und des Sachleistungsverpflichteten im Hinblick auf die bestehende Unterbewertung des Grundbesitzes zu einem gerechteren Ergebnis führte. Denn für den Bereich des Betriebsvermögens und des sonstigen Vermögens führt jedenfalls die Bewertung des Sachleistungsanspruchs oder der Sachleistungsverpflichtung mit dem für den zu leistenden Gegenstand maßgebenden Steuerwert im Endergebnis zu keiner gerechteren steuerrechtlichen Lösung, sondern lediglich zu einer vorzeitigen Verschiebung der steuerlichen - belastenden oder entlastenden - Folgen, bevor das gegenseitige Geschäft abgewickelt ist (vgl. hierzu Moench, Deutsches Steuerrecht - DStR - 1978, 567, 570; Brosch, BB 1983, 241; Horschitz / Groß, Bewertung und Vermögensteuer, 10. Aufl., S. 321; Moench / Glier / Knobel / Werner, Bewertungs- und Vermögensteuergesetz, Kommentar, 1989, § 12 BewG Anm. 4 bis 7; Martin, Der Betrieb - DB - 1990, 1536). Über die Bewertung einseitiger Forderungen und Verpflichtungen (z. B. Vermächtnisanspruch auf Übertragung eines Grundstücks) kann der Senat anläßlich dieses Streitfalls nicht entscheiden.

c) Daraus folgt für den Streitfall, daß bei der Einheitsbewertung des gewerblichen Betriebs der Klägerin auf den Feststellungszeitpunkt 1. Januar 1981 zur Erfassung der vermögensmäßigen Folgen des bis zu diesem Zeitpunkt teilweise erfüllten Kaufvertrags anstelle der noch offenen Ansprüche und Verpflichtungen lediglich die von der Stadt auf den vereinbarten Kaufpreis / Entschädigung von 1 864 000 DM geleistete Anzahlung von 445 749 DM als Schuldposten anzusetzen ist.

d) Die Sache ist spruchreif. Der Senat entscheidet deshalb in der Sache selbst. Da die Klägerin im übrigen keine Einwendungen gegen die Ermittlung des Betriebsvermögens erhoben hat, ergibt sich folgende Berechnung des Einheitswerts: . . .

Damit wird dem Klageantrag der Klägerin in vollem Umfang entsprochen. Die Revision des FA erweist sich deshalb als unbegründet.

 

Fundstellen

Haufe-Index 422844

BFH/NV 1992, 443

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