Entscheidungsstichwort (Thema)

Werbungskosten bei Einsatzwechseltätigkeit mit Unterkunft am Ort der Einsatzstelle

 

Leitsatz (NV)

Hat ein Arbeitnehmer an einer auswärtigen wechselnden Einsatzstelle eine Unterkunft genommen, so kann er wählen, ob er die Aufwendungen für sämtliche Fahrten mit dem Kfz zwischen seiner Heimat wohnung und der Einsatzstelle nach den Grundsätzen der Einsatzwechseltätigkeit (tatsächliche Fahrtkosten für die ersten drei Monate) oder die notwendigen Mehraufwendungen nach den Grundsätzen der doppelten Haushaltsführung (nur eine Familienheimfahrt pro Woche, Unterkunftskosten, Verpflegungsmehraufwendungen) als Werbungskosten geltend machen will.

 

Normenkette

EStG § 9 Abs. 1 Sätze 1, 3 Nr. 5

 

Verfahrensgang

Niedersächsisches FG

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Monteur und seit August des Streitjahres 1987 verheiratet. Er wohnt in Ostfriesland. Im Streitjahr 1987 war er auf acht verschiedenen Baustellen, vorwiegend in Süddeutschland, beschäftigt.

Der Arbeitgeber des Klägers erstattete diesem die Aufwendungen für Übernachtung, Verpflegungsmehraufwand und teilweise Fahrtkosten steuerfrei. Der Kläger machte seine Aufwendungen für die Fahrten zwischen seinem Wohnort in Ostfriesland und dem jeweiligen Einsatzort nach den für Dienstreisen geltenden Grundsätzen (Pauschbetrag von 0,42 DM/km) -- unter Berücksichtigung der Erstattung des Arbeitgebers -- in Höhe von ... DM als Werbungs kosten bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamtamt -- FA --) erkannte demgegenüber als Fahrtkosten nur die Aufwendungen an, die bei Familienheimfahrten im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung zu berücksichtigen sind.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt und erkannte Fahrtkosten zu den auswärtigen Baustellen unter Anwendung des für Dienstreisen geltenden Pauschbetrages (0,42 DM/km) an.

Das FA macht zur Begründung seiner vom FG zugelassenen Revision eine unrichtige Anwendung des § 9 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) geltend und trägt vor: Die Ansicht des FG, bei einer Beschäftigung an ständig wechselnden Einsatzstellen mit Übernachtung am Einsatzort seien die Fahrten von der Wohnung zu den Einsatzstellen nach Dienstreisegrundsätzen anzusetzen, entspreche zwar der Verwaltungsauffassung bis einschließlich 1986. Die Neufassung der Lohnsteuer- Richtlinien 1987 (LStR 1987) folge in Abschn. 27 Abs. 3 der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs -- BFH -- (Urteil vom 3. Oktober 1985 VI R 129/82, BFHE 145, 513, BStBl II 1986, 369), wonach verheiratete Arbeitnehmer, die auf ständig wechselnden Einsatzstellen beschäftigt seien und an der Einsatzstelle eine zweite Wohnung unterhielten, die Voraussetzungen einer doppelten Haushaltsführung i. S. des § 9 Abs. 1 Nr. 5 EStG erfüllten. Dies gelte sowohl für den Verpflegungsmehraufwand als auch für die Fahrtkosten (Abschn. 27 Abs. 3 i. V. m. Abs. 1 LStR 1987). Nach Abschn. 24 Abs. 5 Satz 6 ff. LStR 1987 bestehe für den Arbeitnehmer ein Wahlrecht, ob er Fahrten zwischen der auswärtigen Tätigkeitsstelle und der Familienwohnung als Familienheimfahrten (wöchentlich einmal mit 0,36 DM je Entfernungskilometer) oder Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte mit 0,42 DM je gefahrenen Kilometer (Abschn. 24 Abs. 5 Satz 1 i. V. m. Abs. 4 Nr. 3 LStR 1987) ansetzen wolle. Im Streitfall habe der Kläger sein Wahlrecht zugunsten einer doppelten Haushaltsführung ausgeübt. Denn anderenfalls hätte sein Arbeitgeber die gezahlten Auslösungsbeträge für Verpflegung und Übernachtung als steuerpflichtigen Arbeitslohn erfassen müssen. Der Kläger könne nicht die vorteilhaften Regelungen der doppelten Haushaltsführung für Unterkunft und Verpflegung und zusätzlich die Fahrtkosten nach Dienstreisekostengrundsätzen beanspruchen (vgl. BFH-Urteil vom 9. Juni 1988 VI R 85/85, BFHE 154, 59, BStBl II 1988, 990). Auf jeden Fall hätte das FG auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung prüfen müssen, ob der Ansatz des Pauschbetrages von 0,42 DM/km im Hinblick auf die Fahrleistung von über 60 000 km für das Streitjahr zu einer unzutreffenden Besteuerung geführt habe.

Das FA beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Klage gegen den vom Kläger zum Gegenstand des Verfahrens gemachten, teilweise vorläufigen Einkommensteuerbescheid für 1987 vom 18. November 1991 abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen und anstelle der vom FA in dem zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Bescheid anerkannten Werbungskosten in Höhe von ... DM solche in Höhe von ... DM zu berücksichtigen.

Er ist der Ansicht, in Fällen der wechselnden doppelten Haushaltsführung seien die tatsächlichen Fahrtkosten jedenfalls dann anzuerkennen, wenn die Einsatzstelle mehr als 120 km bzw. mehr als 180 km von der Wohnung entfernt sei.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --). Das FG hat zu Unrecht angenommen, der Kläger könne im Rahmen seiner Einsatzwechseltätigkeit neben der steuerfreien Erstattung der Aufwendungen für Unterkunft und Verpflegung die tatsächlichen Pkw-Fahrtkosten als Werbungskosten (§ 9 Abs. 1 Satz 1 EStG) geltend machen. Der Kläger hat vielmehr ein Wahlrecht, ob er entweder die Fahrtkosten, die nach den für die Einsatzwechseltätigkeit geltenden Grundsätzen berechnet werden, oder aber Mehraufwendungen wegen doppelter Haushaltsführung nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG als Werbungskosten abziehen will.

Die Beteiligten und das FG gehen zutreffend davon aus, daß der Kläger seine Arbeit auf wechselnden Einsatzstellen aus geübt hat. Die vom Kläger ausgeübte Einsatzwechseltätigkeit hat die Besonderheit aufgewiesen, daß er nicht arbeitstäglich von seinem Lebensmittelpunkt zur jeweiligen Einsatzstelle gefahren ist, sondern auf den jeweiligen Einsatzstellen (Baustellen) bzw. in deren Nähe übernachtet hat. Der Senat hat mit Urteil vom 10. Oktober 1994 VI R 2/92 (BFHE 175, 553, BStBl II 1995, 137) an seiner bisherigen Rechtsprechung (vgl. Urteil in BFHE 154, 59, BStBl II 1988, 990) festgehalten. Danach kann der Steuerpflichtige mit einer regelmäßigen, dauerhaften Arbeitsstätte und einer Wohnung sowohl am Beschäftigungsort als auch an einem davon abweichenden Lebensmittelpunkt wählen, ob er Aufwendungen für sämtliche Fahrten mit dem Pkw zwischen Wohnung und Arbeitsstätte nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG oder die notwendigen Mehraufwendungen aus Anlaß der doppelten Haushaltsführung nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG geltend macht. Für den Fall der doppelten Haushaltsführung im Rahmen einer Einsatzwechseltätigkeit kann nichts anderes gelten. Dabei kann der Steuerpflichtige, wenn er sich für den Abzug der Fahrtkosten entscheidet, bei Einsatzstellen außerhalb des üblichen Wohneinzugsbereichs innerhalb der ersten drei Monate die tatsächlichen Kosten abziehen (vgl. Abschn. 24 Abs. 4 Nr. 3 LStR 1987). Wegen der Einzelheiten der Begründung dieser Rechtsauffassung wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf das Urteil in BFHE 175, 553, BStBl II 1995, 137 Bezug genommen. Die vom Kläger gewünschte weitergehende Differenzierung ist mit den in diesem Urteil aufgestellten Grundsätzen nicht vereinbar.

Die Vorentscheidung ist von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen und deshalb aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif. Dem Kläger ist Gelegenheit zu geben, sein Wahlrecht auszuüben. Entscheidet sich der Kläger für die Besteuerung nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG, so kann es nur dann bei dem zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Bescheid vom 18. November 1991 verbleiben, wenn das FA nachweist, daß die Voraussetzungen für eine Herabsetzung der Werbungskosten des Klägers von ... DM in der Einspruchsentscheidung vom 21. November 1988 auf ... DM durch die Bescheide vom 26. Juni 1990 und 18. November 1991, d. h. für eine Änderung zu Lasten des Klägers, vorgelegen haben. Sollte der Kläger es vorziehen, für die jeweils ersten drei Monate auf einer Einsatzstelle die tatsächlichen Fahrtkosten geltend zu machen, so wird ein geldwerter Vorteil in Höhe der ihm von seinem Arbeitgeber steuerfrei erstatteten Aufwendungen für Übernachtung und Verpflegung -- oder ggf. der entsprechenden Sachwerte -- als Arbeitslohn zu erfassen sein (§ 8 Abs. 1, § 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG). Denn anderenfalls hätte der Kläger bezüglich der Fahrtkosen die Vorteile nach den Grundsätzen der Fahrt zwischen Wohnung und wechselnden Einsatzstellen und behielte außerdem die Vorteile des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG.

 

Fundstellen

Haufe-Index 420629

BFH/NV 1995, 775

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