Leitsatz (amtlich)

Der Erstattungsbetrag nach § 11 Abs. 2 AStG ist bei einem der Einkommensteuer unterliegenden Steuerpflichtigen in der Weise zu ermitteln, daß der Einkommensteuer, die sich unter Einbeziehung des Hinzurechnungsbetrags ergeben hat, die Einkommensteuer gegenübergestellt wird, die sich ergeben hätte, wenn lediglich der um die Gewinnanteile gekürzte Hinzurechnungsbetrag in das zu versteuernde Einkommen einbezogen worden wäre.

 

Normenkette

AStG § 11 Abs. 2

 

Verfahrensgang

FG München

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist an der W-GmbH in Y/Schweiz beteiligt.

Für das Kalenderjahr 1972 ergab sich aus der Beteiligung ein Hinzurechnungsbetrag gemäß § 10 Abs. 1 des Außensteuergesetzes (AStG) in Höhe von 51 250 DM. Der Einkommensteuerbescheid 1972 wies bei einem Gesamtbetrag der Einkünfte in Höhe von 312 526 DM eine Einkommensteuerschuld vor Abzug der Steuerabzugsbeträge in Höhe von 123 105 DM und nach Abzug Steuerabzugsbeträge in Höhe von 109 161 DM aus.

Im Kalenderjahr 1974 bewirkte die W-GmbH Ausschüttungen i. S. des § 11 Abs. 1 AStG in Höhe von 35 756 DM.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -- FA --) verminderte im Rahmen des Einkommensteuerbescheides 1974 die Einkommensteuerschuld der Klägerin gemäß § 11 Abs. 2 AStG um 14 071 DM. Den Betrag ermittelte das FA --ausgehend von einem Vomtausendsatz für die Erstattung der für frühere Hinzurechnungsbeträge entrichteten Einkommensteuer von 697 -- wie folgt: Auf den Hinzurechnungsbetrag entfallende Einkommensteuer

51 250 DM x 123 105 DM = 20 188 DM

312 526 DM

davon zu erstatten 697/1000:

20 188 DM x 697/1000 = 14 071 DM.

Eine entsprechende Berechnung stellte das FA für die Erstattung der Ergänzungsabgabe an.

Mit der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage wandte sich die Klägerin gegen die Berechnungsmethode des FA und machte für das Streitjahr 1974 einen Erstattungsbetrag von 18 902 DM an Einkommensteuer und 567 DM an Ergänzungsabgabe geltend. Sie ging dabei davon aus, daß auf den Hinzurechnungsbetrag im Kalenderjahr 1972 eine Einkommensteuer von 27 118 DM und eine Ergänzungsabgabe von 813 DM entfalle. Dies ergäbe bei einem Vomtausendsatz von 697 einen Erstattungsbetrag von 18 902 DM an Einkommensteuer und 567 DM an Ergänzungsabgabe. Die auf den Hinzurechnungsbetrag entfallende Einkommensteuer ermittelte die Klägerin, indem sie den Einkommensteuerbescheid 1972 vom 2. Oktober 1974, in dem der Hinzurechnungsbetrag nicht berücksichtigt war, dem geänderten Einkommensteuerbescheid 1972 vom 26. August 1977 gegenüberstellte, der den Hinzurechnungsbetrag miterfaßte. Für ihre Berechnungsmethode berief sich die Klägerin auf die in der Literatur vertretene Ansicht zu § 11 Abs. 2 AStG (vgl. Flick/Wassermeyer/Becker, Kommentar zum Außensteuergesetz, § 11 Anm. 37; Hellwig in Littmann, Das Einkommensteuerrecht, 13. Aufl., § 11 AStG Rdnr. 3, und Wöhrle, Außensteuergesetz, § 11 Anm. 2). Nach dieser Ansicht wird die auf den Hinzurechnungsbetrag i. S. des § 10 Abs. 1 AStG entfallende Einkommensteuer in der Weise ermittelt, daß die Einkommensteuer, die ohne den Hinzurechnungsbetrag angefallen wäre, der Einkommensteuer gegenübergestellt wird, die unter Einbeziehung des Hinzurechnungsbetrags anfiel.

Das Finanzgericht (FG) gab mit dem in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1979, 89 veröffentlichten Urteil der Klage statt und ließ die Revision gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zu.

Mit der Revision rügt das FA Verletzung des § 11 Abs. 2 AStG und beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Die Revision ist unbegründet.

 

Entscheidungsgründe

1) Die §§ 7 bis 14 AStG erstrecken die Steuerpflicht unbeschränkt Steuerpflichtiger auf bestimmte Einkünfte ausländischer Gesellschaften, d. h. von Gesellschaften, die weder Sitz noch Geschäftsleitung im Geltungsbereich des AStG haben (Hinzurechnungsbesteuerung). Nach § 7 Abs. 1 AStG setzt die Hinzurechnungsbesteuerung voraus, daß an der ausländischen Gesellschaft unbeschränkt Steuerpflichtige zu mehr als der Hälfte beteiligt sind und daß die ausländische Gesellschaft für die Einkünfte als Zwischengesellschaft anzusehen ist. Als Zwischengesellschaft gilt die ausländische Gesellschaft hinsichtlich der Einkünfte, die nicht aus den in § 8 Abs. 1 und 2 AStG aufgeführten Tätigkeiten stammen und außerdem einer niedrigen, d. h. unter 30 v. H. liegenden (vgl. § 8 Abs. 3 AStG), Besteuerung unterliegen. Die Einkünfte der ausländischen Gesellschaft werden dabei dem einzelnen Steuerpflichtigen mit dem Teil zugerechnet, der auf die ihm zuzurechnende Beteiligung am Nennkapital der ausländischen Gesellschaft entfällt (§ 7 Abs. 1 AStG). Die Ermittlung und Erfassung des hinzuzurechnenden Betrags ist in § 10 AStG geregelt. § 11 Abs. 1 und Abs. 2 AStG sehen Korrekturen der Folgen der Hinzurechnung vor, wenn die ausländische Gesellschaft an den unbeschränkt Steuerpflichtigen Gewinnanteile ausschüttet. § 11 Abs. 1 AStG regelt den Fall, daß der unbeschränkt Steuerpflichtige Gewinnanteile in dem Kalenderjahr bzw. Wirtschaftsjahr bezieht, in dem der Hinzurechnungsbetrag gemäß § 10 Abs. 2 AStG anzusetzen ist und die Gewinnanteile den Hinzurechnungsbetrag nicht übersteigen. § 11 Abs. 2 AStG auf dessen Auslegung es im Streitfall ankommt, greift ein, wenn der unbeschränkt Steuerpflichtige von der ausländischen Gesellschaft Gewinnanteile bezieht, die den Hinzurechnungsbetrag übersteigen, der in dem Kalenderjahr bzw. Wirtschaftsjahr zu erfassen ist, in dem die Gewinnanteile anfallen. Die Vorschrift sieht dabei eine Erstattung der Steuern vor, die für die vorangegangenen vier Kalender- bzw. Wirtschaftsjahre auf Hinzurechnungsbeträge entrichtet wurden.

2) Das FG ging für das Streitjahr 1974 zu Recht von einem Erstattungsbetrag von 18 902 DM Einkommensteuer und 567 DM an Ergänzungsabgabe aus. Das FG ermittelte den Betrag an Einkommensteuer, der für das Kalenderjahr 1972 auf den Hinzurechnungsbetrag gemäß § 10 Abs. 1 AStG entrichtet wurde, in der Weise, daß es die Einkommensteuer für das Kalenderjahr 1972, die sich unter Einbeziehung des Hinzurechnungsbetrags ergab, der Einkommensteuer gegenüberstellte, die sich ohne den Hinzurechnungsbetrag ergeben hätte. Der Wortlaut des § 11 Abs. 2 AStG läßt zwar auch die Auslegung zu, als auf den Hinzurechnungsbetrag entfallende Einkommensteuer den Betrag anzusehen, der sich ergibt, wenn man auf die angefallene Einkommensteuer das Verhältnis des Hinzurechnungsbetrags zum Gesamtbetrag der den Hinzurechnungsbetrag einschließenden Einkünfte anwendet. Bei einer derartigen Auslegung käme es im Rahmen des § 11 Abs. 2 AStG im Falle eines der Einkommensteuer unterliegenden Steuerpflichtigen lediglich zur Erstattung der Einkommensteuer, die aufgrund des im Kalenderjahr der Hinzurechnung maßgebenden durchschnittlichen Steuersatzes auf den Hinzurechnungsbetrag entfiel. Die vom FG zugrunde gelegte Auslegung führt demgegenüber im Falle eines der Einkommensteuer unterliegenden Steuerpflichtigen häufig zu einem höheren Erstattungsbetrag als er sich aufgrund dieser Auslegung des Gesetzes ergeben würde. Nach der vom FG angewandten Methode entfällt auf den Hinzurechnungsbetrag oftmals eine höhere Einkommensteuer als sich bei Anwendung des durchschnittlichen Steuersatzes auf den Hinzurechnungsbetrag ergäbe. Aufgrund der Progression im Einkommensteuertarif ändert sich meist der Steuersatz, je nachdem die Einkommensteuer mit oder ohne Hinzurechnungsbetrag ermittelt wird.

Die Auslegung durch das FG entspricht dem Gesamtzusammenhang, in dem die Vorschrift des § 11 Abs. 2 AStG steht. Aus § 11 Abs. 1 AStG ergibt sich, daß der Gesetzgeber, soweit der Hinzurechnungsbetrag und die Gewinnanteile sich in einem Kalenderjahr bzw. Wirtschaftsjahr decken, die Wirkung eintreten läßt, die der Auslegung des § 11 Abs. 2 AStG durch das FG entspricht. Für diesen Fall mindert sich das Einkommen des Kalenderjahres, in dem die Hinzurechnung vorzunehmen ist, um den von der ausländischen Gesellschaft bezogenen Gewinnanteil; dies führt oftmals nicht nur zu einer Entlastung von der Einkommensteuer, die aufgrund des maßgebenden durchschnittlichen Steuersatzes auf den Hinzurechnungsbetrag entfällt, sondern zu einer höheren Entlastung, weil sich der Steuersatz durch die Minderung des Einkommens um die bezogenen Gewinnanteile ermäßigt. Der Gesamtzusammenhang der Vorschriften des § 11 Abs. 1 und Abs. 2 AStG ergibt nicht, daß der Gesetzgeber diesen für den Steuerpflichtigen günstigen Effekt (Auswirkung der Korrektur auf die Steuerprogression) für den Fall ausschließen wollte, daß die Gewinnanteile nicht in dem Kalenderjahr des Hinzurechnungsbetrags bezogen werden, sondern in dem nachfolgenden Zeitraum. Die einzige Einschränkung für die dann mögliche Erstattung besteht nach dem Wortlaut des § 11 Abs. 2 AStG darin, daß nur Gewinnanteile zu einer Erstattung berechtigen, die innerhalb eines bestimmten Zeitraums nach dem Kalenderjahr bezogen werden, in dem der Hinzurechnungsbetrag erfaßt wird. Eine weitergehende Einschränkung des sich aus § 11 Abs. 1 AStG ergebenden Grundsatzes ist aus dem Wortlaut des § 11 Abs. 2 AStG nicht zu entnehmen.

3) Der vom FG vertretenen Auffassung kann nicht entgegengehalten werden, daß die Erstattung gemäß § 11 Abs. 2 AStG nicht im Rahmen einer Wiederaufrollung der Veranlagung des Kalenderjahres durchgeführt wird, in dem die zu korrigierende Hinzurechnung vorgenommen wurde. Der Erstattungsbetrag muß aufgrund einer fiktiven Veranlagung des Kalenderjahres ermittelt werden, in dem die die Erstattung auslösende Hinzurechnung vorgenommen wurde, ohne daß die Besteuerung dieses Kalenderjahres berührt wird (sog. Schattenveranlagung). Daraus folgt noch nicht, daß der Gesetzgeber von der vom FA vertretenen Berechnungsmethode ausging. Auch bei der Berechnungsmethode, der sich der Senat anschließt, ist es nämlich möglich, die Erstattung aufgrund einer Schattenveranlagung des Kalenderjahres zu berechnen, in dem der Hinzurechnungsbetrag angesetzt wurde.

4) Für die Auffassung des FA kann auch nicht § 34 c des Einkommensteuergesetzes (EStG) herangezogen werden. Dies würde den unterschiedlichen Zielen, denen die Vorschriften des § 34 c EStG und des § 11 Abs. 2 AStG dienen, nicht gerecht.

§ 34 c Abs. 1 Satz 2 EStG sieht vor, die deutsche Steuer auf die ausländischen Einkünfte, hinsichtlich deren eine Anrechnung ausländischer Steuern erfolgen soll, in der Weise zu ermitteln, daß die sich bei der Veranlagung des zu versteuernden Einkommens (einschließlich der ausländischen Einkünfte) ergebende deutsche Einkommensteuer im Verhältnis der ausländischen Einkünfte zum Gesamtbetrag der Einkünfte aufgeteilt wird. Die Berechnungsmethode erklärt sich aus dem Zweck des § 34 c EStG. Dieser geht nicht dahin, die ausländischen Einkünfte von jeder Steuer freizustellen. Es soll vielmehr nur eine Doppelbelastung mit deutscher und ausländischer Steuer vermieden werden, indem die auf die ausländischen Einkünfte entfallende ausländische Steuer auf die auf die ausländischen Einkünfte entfallende deutsche Steuer angrechnet wird. Dies entspricht der aus dem angloamerikanischen Rechtskreis übernommenen Anrechnungsmethode, die die früher im kontinentaleuropäischen Rechtskreis gültige sog. Freistellungsmethode abgelöst hat (vgl. Herrmann/Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, § 34 c EStG Anm. 1). Der Anrechnungsmethode entspricht es, die auf die ausländischen Einkünfte entfallende deutsche Steuer -- so wie in § 34 c Abs. 1 Satz 2 EStG geschehen -- anhand des für das zu versteuernde Einkommen (unter Einschluß der ausländischen Einkünfte) maßgebenden durchschnittlichen Steuersatzes zu ermitteln; denn die Anrechnungsmethode geht grundsätzlich von der Erfassung der ausländischen Einkünfte durch die deutsche Steuer aus, womit auch die ausländischen Einkünfte dem durchschnittlichen Steuersatz unterliegen.

Die Regelung in § 34 c Abs. 1 Satz 2 EStG kann im Rahmen des § 11 Abs. 2 AStG keine Anwendung finden. In § 11 Abs. 2 AStG findet sich keine entsprechende vom Gesetz vorgeschriebene Berechnungsmethode. Außerdem würde die Berechnungsmethode des § 34 c Abs. 1 Satz 2 EStG dem Zweck des § 11 Abs. 2 AStG widersprechen, wie er sich aus dem Gesamtzusammenhang, in dem die Bestimmung steht, ergibt. Der Zweck der Bestimmung besteht -- wie ausgeführt -- gerade darin, den Hinzurechnungsbetrag, soweit er sich mit bezogenen Gewinnanteilen deckt, von der Deutschen Steuer freizustellen.

Der Senat folgt mit dieser Auslegung der in der Literatur überwiegend vertretenen Auffassung (vgl. z. B. Flick/Wassermeyer/Becker, a. a. O., § 11 Anm. 37; Hellwig in Littmann, a. a. O., 13. Aufl., § 11 AStG Rdnr. 3, und Wöhrle, a. a. O., § 11 Anm. 2) und lehnt die gegenteilige Ansicht des Bundesministers der Finanzen in Tz. 11.2.3 und Tz. 18.15.2 des Einführungsschreibens zum Außensteuergesetz vom 11. Juli 1974 (BStBl I 1974, 442) und von Blümich/Falk (Einkommensteuergesetz, § 11 AStG Rdnr. 18) ab.

 

Fundstellen

Haufe-Index 74453

BStBl II 1983, 14

BFHE 1983, 359

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