Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundstücksgeschäfte eines Branchenkundigen sind in der Regel gewerblich

 

Leitsatz (NV)

Ein gewerblicher Grundstückshandel ist regelmäßig anzunehmen, wenn ein Steuerpflichtiger, der aufgrund seiner sonstigen Erwerbstätigkeit über Kenntnisse und Beziehungen auf dem Bau- und Grundstücksmarkt verfügt, innerhalb von 51/2 Jahren oder weniger vier Grundstücke veräußert, die ihm jeweils nur bis zu drei Jahren gehört haben.

 

Normenkette

EStG § 15; GewStG § 2; GewStDV § 1

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) war Geschäftsführer einer Baugesellschaft und nach deren Umwandlung in eine Aktiengesellschaft deren Vorstand. Die Baugesellschaft ist auf dem Gebiet der Immobilienkapitalanlagen, Immobilienverwaltung, Baubetreuung, schlüsselfertige Bauausführungen, Grundstücksbeschaffung sowie Finanzierung tätig. Neben seiner Tätigkeit als Geschäftsführer bzw. Vorstand erzielt der Kläger u. a. Einkünfte als selbständiger Finanzberater sowie aus der Vermietung seines nicht unerheblichen Grundbesitzes. Die Finanzberatung umfaßte die Finanzierungsberatung beim Erwerb von Grundvermögen, die Vermittlung von Bausparverträgen, Versicherungen und sonstige Provisionsgeschäfte.

In den Jahren 1973 bis 1978 erwarb bzw. bebaute der Kläger 13 Grundstücke, von denen er in den Jahren 1975 bis 1979 vier wieder veräußerte, und zwar

- 2-Zimmerwohnung, Erwerb am 29. Mai 1973, Veräußerung am 30. Juni 1975;

- 4-Zimmerwohnung, Erwerb am 24. Dezember 1974, Veräußerung am 27. Dezember 1976;

- 1-Zimmerwohnung sowie Tiefgarage, Erwerb am 28. Juni 1976, Verkauf am 7. August 1978;

- Garagengrundstück (fünf Garagen), Erwerb am 22. Juni 1976, Veräußerung am 6. Juni 1979.

Die Bebauung des überwiegend fremdfinanzierten Grundvermögens erfolgte vielfach im Bauherrenmodell. Der Kläger ordnete die vorstehenden Grundstücksgeschäfte seinem Privatvermögen zu und erklärte die durch die Veräußerung erzielten Überschüsse nicht als Einkünfte.

Aufgrund einer beim Kläger durchgeführten Außenprüfung kam der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) zu dem Ergebnis, daß die vier vorerwähnten Grundstücksgeschäfte wegen ihres Umfangs sowie des sachlichen Zusammenhangs eine Betätigung im Rahmen der vom Kläger gewerblich ausgeübten Finanzberatung sei und erhöhte die erklärten Gewinne 1975 um den aus der Wohnung 1 erzielten Veräußerungsgewinn, 1977 um den aus der Wohnung 2 erzielten Veräußerungsgewinn und 1978 um den aus der Wohnung 3 erzielten Veräußerungsgewinn. Er erließ nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) geänderte Bescheide. Nach erfolglosem Einspruch gab das Finanzgericht (FG) der Klage statt. Mit seiner Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts. Das FA beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Das FA hat die Einkommensteuerbescheide 1975, 1977 und 1978 zwischenzeitlich mehrmals, zuletzt durch Bescheide vom 21. Januar 1986 geändert. Die Beteiligten haben diese Bescheide durch übereinstimmende Erklärungen zum Gegenstand des Verfahrens gemacht (§ 68 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Sie haben weiter übereinstimmend erklärt, daß durch die Änderungen die tatsächlichen Grundlagen des Streitstoffes nicht berührt worden sind.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Klageabweisung (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO).

1. Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, daß die positiven Merkmale des § 1 Abs. 1 Satz 1 der Gewerbesteuer-Durchführungsverordnung - GewStDV - (heute § 15 Abs. 2 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes - EStG -) nämlich eine mit Gewinnerzielungsabsicht vorgenommene selbständige nachhaltige Betätigung, die sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt, vorliegen. Die Auffassung des FG, im Streitfall sei die Grenze der Vermögensverwaltung nicht überschritten, ist mit der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) nicht vereinbar.

2. Das FG geht zwar zutreffend davon aus, daß für die Abgrenzung der privaten Vermögensverwaltung vom gewerblichen Grundstückshandel entscheidend ist, ob nach dem Gesamtbild der Umstände des Einzelfalles unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung die Nutzung von Grundbesitz durch Fruchtziehung aus zu erhaltender Substanz (dann Vermögensverwaltung) oder die Ausnutzung von Wertänderungen bei der Vermögenssubstanz durch Umschichtung im Vordergrund steht (BFH-Entscheidung vom 8. Juli 1982 IV R 20/78, BFHE 136, 252, BStBl II 1982, 700, m. w. N.).

Es ist ferner zutreffend davon ausgegangen, daß bei der Entscheidung der Frage, ob eine Vermögensnutzung oder eine substantielle Wertausnutzung vorliegt, der Anzahl der veräußerten Objekte und dem zeitlichen Zusammenhang zwischen Grundstückserwerb und Grundstücksveräußerung eine besondere Bedeutung zukommt. Es hat jedoch die sonstige berufliche Tätigkeit des Klägers in einer unzutreffenden Weise gewürdigt.

a) Aus der Rechtsprechung des BFH ergibt sich, daß bei Steuerpflichtigen, die beruflich den Bau- und Grundstücksgeschäften nahestehen, eher ein gewerblicher Grundstückshandel anzunehmen ist als bei anderen Steuerpflichtigen. Der Grund dafür besteht darin, daß neben der Zahl der veräußerten Grundstücke und dem zeitlichen Zusammenhang zwischen Anschaffung und Veräußerung auch der Umfang der ergriffenen Verwertungsmaßnahmen bei der Gesamtbildbetrachtung zu berücksichtigen ist und daß Steuerpflichtige, die beruflich den Bau- und Grundstücksgeschäften nahestehen, solche Verwertungsmaßnahmen wegen ihrer Kenntnisse und Beziehungen auf dem Bau- und Grundstücksmarkt häufig nicht ergreifen müssen. Dabei kann es keinen Unterschied machen, ob der betreffende Steuerpflichtige seine Kenntnisse und Beziehungen aufgrund einer selbständigen Tätigkeit, einer gewerblichen Tätigkeit oder einer nichtselbständigen Tätigkeit erlangt hat. Eine Beschränkung auf selbständige und gewerbliche Tätigkeiten wäre mit dem Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung nicht zu vereinbaren.

b) Nach diesen Grundsätzen durfte das FG nicht zu dem Ergebnis kommen, daß der Verbindung des Klägers zum gewerblichen Grundstückshandel aufgrund seiner ausgeübten Erwerbstätigkeit bei der Beweiswürdigung kein entscheidendes Gewicht beizumessen sei; denn nach den Feststellungen des FG war der Kläger aufgrund seiner selbständigen und unselbständigen ausgeübten Berufstätigkeit mit den regionalen Grundstücksverhältnissen wohl vertraut und hat aufgrund dieser Kenntnisse und Beziehungen die Wohnungen verkauft.

c) Wie sich aus den vom FA angeführten BFH-Urteilen vom 15. Dezember 1971 I R 49/70 (BFHE 104, 178, BStBl II 1972, 291) und vom 29. März 1973 I R 153/71 (BFHE 109, 431, BStBl II 1973, 661) ergibt, ist regelmäßig dann ein gewerblicher Grundstückshandel anzunehmen, wenn ein Steuerpflichtiger, der aufgrund seiner sonstigen Erwerbstätigkeit über Kenntnisse und Beziehungen auf dem Bau- und Grundstücksmarkt verfügt, innerhalb von 51/2 Jahren oder weniger vier Grundstücke veräußert, die ihm jeweils nur bis zu drei Jahren gehört haben. Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall vor.

3. a) Der Senat kann es unter diesen Umständen dahingestellt sein lassen, ob die vom FG vertretene Auffassung zutreffend ist, daß bei Steuerpflichtigen, die keine Erwerbstätigkeit im vorbezeichneten Sinn ausüben, die Veräußerung von vier Objekten jedenfalls dann nicht zur Annahme einer gewerblichen Tätigkeit führt, wenn die verkauften Objekte sowohl zahlenmäßig als auch wertmäßig gegenüber dem sonstigen Grundbesitz des betreffenden Steuerpflichtigen nur eine geringe Bedeutung haben. Jedenfalls steht bei einem Steuerpflichtigen, der einer der Bau- und Grundstücksbranche nahestehenden Erwerbstätigkeit nachgeht, eine solche geringe Bedeutung der verkauften Objekte der Annahme eines gewerblichen Grundstückshandels nicht entgegen.

b) Der Senat braucht auch nicht dazu Stellung zu nehmen, ob der Kläger aufgrund seiner Tätigkeit als Geschäftsführer oder Vorstand einer Baugesellschaft einen eigenen gewerblichen Grundstückshandel betreiben durfte oder nicht; denn die steuerliche Beurteilung einer Tätigkeit ist nicht davon abhängig, ob sie arbeitsrechtlich zulässig ist.

c) Entgegen der Auffassung des Klägers konnte er nach den von ihm dargestellten Verwaltungsanweisungen nicht davon ausgehen, daß eine gewerbliche Tätigkeit erst bei der Veräußerung von mehr als sechs Objekten vorliege; denn wie er selbst vorträgt, hat die Finanzverwaltung stets die Auffassung vertreten, daß auch bei der Veräußerung von sechs oder weniger Objekten eine gewisse Vermutung für die Gewerblichkeit bestehe, wenn der Steuerpflichtige eine gewerbliche oder selbständige Tätigkeit ausübe, die ihm bei Grundstücksgeschäften zugute komme. Das ist nach den Feststellungen des FG bereits hinsichtlich der Tätigkeit des Klägers als selbständiger Finanzberater der Fall.

4. Da über die Höhe des Veräußerungsgewinns offensichtlich kein Streit besteht, konnte der Senat die Vorentscheidung aufheben und die Klage abweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 414993

BFH/NV 1987, 440

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