Entscheidungsstichwort (Thema)

Umsatzsteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Die wirtschaftliche Betrachtungsweise läßt es zu, eine Materialbeistellung bei Vorliegen aller übrigen Voraussetzungen auch dann anzunehmen, wenn der vom Auftraggeber zur Verfügung gestellte Stoff gegen gleichartigen und gleichwertigen Stoff ausgetauscht wird.

 

Normenkette

UStG § 1 Ziff. 1, §§ 3, 3/1, § 3/4; UStDB §§ 2, 8; UStG § 3/9

 

Tatbestand

Die Revisionsbeklagte (Steuerpflichtige - Stpfl. -) stellt für Stahlwerke Kokillen her. Diese Kokillen werden aus einem Spezialgemisch gegossen. Zu dem Gußeisen werden metallische und nichtmetallische Einsatzstoffe verwendet. Die metallischen Einsatzstoffe bestehen zum Teil aus Kokillenschrott. Nach den Abreden, die zwischen der Stpfl. und den Stahlwerken bestehen, stellen die Stahlwerke bei Bestellung der Kokillen jeweils ... v. H. des Gewichts in Altkokillen zur Verfügung. In dem Preis der Neukolillen ist der Wert des Kokillenschrotts mit dem gleichen Betrag enthalten, mit dem der beigestellte Schrott verrechnet wird. Da gelegentlich neuer Kokillen auch von Stahlwerken bestellt werden, die der Stpfl. keine alten Kokillen überlassen, muß die Stpfl. auch noch Kokillenschrott von Dritten erwerben. Der aus den Altkokillen hergestellte Kokillenschrott und der erworbene Kokillenschrott werden nicht getrennt gelagert und verarbeitet. Es bestehen für den Schrott auch keine besonderen Gütemerkmale.

Streitig ist, ob hinsichtlich der von den Stahlwerken zur Verfügung gestellten Altkokillen eine echte Materialbeistellung vorliegt oder ob ein Tausch mit Baraufgabe anzunehmen ist.

Die Stpfl. hat den Kokillenpreis bei der Umsatzbesteuerung um den vereinbarten Wert der angelieferten Altkokillen gekürzt und die gekürzten Beträge als Entgelt angegeben. Sie ging dabei davon aus, daß die einzelnen Stahlwerke die Altkokillen nicht geliefert, sondern nur beigestellt hätten.

Die Behandlung wurde bei einer im November 1960 durchgeführten Betriebsprüfung beanstandet. Der Prüfer vertrat die Auffassung, daß eine echte Materialbeistellung nicht vorliege, weil die Stpfl. bei der Herstellung der Kokillen das zur Verfügung gestellte Material ausgetauscht habe und ein solcher Materialaustausch mit dem Wesen der Materialbeistellung nicht vereinbar sei.

Das Finanzamt (FA) schloß sich der Auffassung des Prüfers an und führte für den abgekürzten Veranlagungszeitraum Januar 1960 eine Veranlagung durch, in der die Kokillenumsätze der Stpfl. als Tauschgeschäfte mit Baraufgabe behandelt und die erklärten Umsätze um den Wert der Altkokillen erhöht wurden.

Mit der Sprungberufung hatte die Stpfl. Erfolg. Das Finanzgericht (FG) lehnte zunächst eine Anwendung des § 8 UStDB auf den vorliegenden Sachverhalt ab. Im Umsatzsteuerrecht sei jedoch allenthalben der wirtschaftliche Wille der Beteiligten entscheidend. Es sei deshalb den Interessen und Erwägungen nachzugehen, die bei der Durchführung des Geschäfts maßgebend gewesen seien. Während einerseits der Stpfl. daran gelegen gewesen sei, Kokillenschrott zu erhalten, um den Bestellungen der Stahlwerke nachkommen zu können, habe anderseits bei den Stahlwerken keine Neigung bestanden, die Altkokillen schlechthin zu veräußern. Der Kokillenschrott sei Mangelware und hätte bei steigenden Preisen zu einer Erhöhung der Bezugspreise für neue Kokillen geführt. Würde der Kokillenschrott getrennt gelagert, so würden keine Bedenken bestehen, eine echte Materialbeistellung anzunehmen. Eine getrennte Lagerung und ein getrenntes Vergießen könnten jedoch aus technischen und wirtschaftlichen Gründen nicht durchgeführt werden. Eine Trennung sei auch nicht erforderlich, weil besondere Güteklassen nicht bestünden. Die Geschäfte würden außerdem durch veränderte Preise für den Kokillenschrott nicht beeinflußt. Daß die Stpfl. bei dem nicht getrennten Lagern und Vergießen die unbeschränkte Verfügungsmacht an dem Kokillenschrott erlangt habe, könne nicht anerkannt werden. Es sei der Stpfl. verwehrt, über den Kokillenschrott frei zu verfügen. Der noch nicht verwendete Schrott werde auch in den Beständen der Stahlwerke geführt. Die Verhältnisse lägen ähnlich wie bei einem Pachtvertrag, bei dem das Warenlager am Ende des Vertrags wieder zurückgegeben werden müsse. Es bestünden deshalb weder in rechtlicher noch in wirtschaftlicher Hinsicht Bedenken, eine Materialbeistellung anzunehmen. Dieser Beurteilung stünden auch die Urteile des Bundesfinanzhofs (BFH) V 157/55 U vom 17. Januar 1957 (BStBl 1957 III S. 92, Slg. Bd. 64 S. 241) und V 197/55 vom 25. August 1960 (Steuerrechtsprechung in Karteiform - StRK -, Umsatzsteuergesetz, § 1 Ziff. 1, Rechtspruch 145) nicht zwingend entgegen.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Rb. des Vorstehers des FA, die gemäß § 184 Abs. 2 FGO als Revision zu behandeln ist. Sie wird auf unrichtige Anwendung des besehenden Rechts gestützt. Es bestünden grundsätzlich keine Bedenken, einen neuen Sonderfall des Tausches zu schaffen, der letzten Endes auf eine Netto-Besteuerung hinauslaufe und deshalb systemwidrig sei. Wenn ein Austausch des Materials zugelassen werde, würden auch Arbeitskräfte und andere Leistungen ausgetauscht werden können. Es liege im Interesse der Klarheit, die bisherigen Merkmale der Materialbeistellung beizubehalten. Die Auswirkungen, die sich ergeben könnten, seien nicht übersehbar. Im übrigen habe das FG die zur echten Materialbeistellung ergangenen Grundsätze in den genannten Urteilen des BFH und die umsatzsteuerrechtliche Betrachtungsweise bei der Verpachtung eines gewerblichen Betriebs nicht richtig angewendet. Im Umsatzsteuerrecht sei jeder Leistungsaustausch einzeln zu beurteilen. Es könne deshalb von einer Erhaltung der Substanz hinsichtlich der hingegebenen Kokillen keine Rede sein. Die Substanz gehe verloren und werde von der Herstellerfirma ersetzt, und zwar nach ihrem Belieben. Die Freiheit in der Verfügung über das Altmaterial sei eine wesentliche Bedingung für den vereinbarten Leistungsaustausch. Auch nach bürgerlichem Recht gehe das Eigentum an dem Kokillenschrott auf die Stpfl. über. Da die Vertragsparteien nichts Unmögliches, nämlich die Identität des Materials, verlangen und erwarten könnten, beinhalte die vertraglich eingeräumte Austauschbefugnis gleichzeitig die Verschaffung der Verfügungsmacht. Die Stpfl. verfüge, wenn nicht schon bei der Lagerung, so doch spätestens mit der Verwendung über den Kokillenschrott. Die Verschaffung der Verfügungsmacht sei aber bei der Materialbeistellung ein objektives Kriterium für die Abgrenzung vom vollen Leistungsaustausch. Man könne den Wirkungsgrad der umsatzsteuerrechtlichen Verfügungsmacht nicht durch subjektive obligatorische Abreden nach Belieben ändern. Der Vergleich mit der Verpachtung sei bedenklich, weil der Verpächter nach Ablauf der Pachtzeit den Gegenstand wieder zurückhaben wolle und die Verpachtung eines Betriebs ein einheitlicher wirtschaftlicher Vorgang sei. Im vorliegenden Fall habe man es mit Lieferungen zu tun. Die Regeln des § 8 UStDB seien nur auf Werkleistungen, nicht aber auf Lieferungen und die Materialbeistellung anwendbar. Es wurde der Antrag gestellt, die Entscheidung des FG aufzuheben und die Berufung als unbegründet zurückzuweisen. Hilfsweise wurde beantragt, den Bundesminister der Finanzen zu beteiligen.

Dem in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag auf Beteiligung des Bundesministers der Finanzen konnte der Senat nicht entsprechen. Es handelt sich in dem vorliegenden Fall um eine reine Rechtsfrage. Dem Bundesminister der Finanzen war bekannt, daß dieses Rechtsmittelverfahren durchgeführt wird. Er hätte sich gemäß § 287 Ziff. 2 AO und § 122 Abs. 2 FGO rechtzeitig vor der mündlichen Verhandlung beteiligen können. Der Senat hielt es deshalb nicht für geboten, den Bundesminister der Finanzen von sich aus zum Beitritt aufzufordern.

 

Entscheidungsgründe

In der Sache kann der Revision nicht entsprochen werden.

Eine Materialbeistellung liegt vor, wenn der Auftraggeber, der einen Gegenstand herstellen läßt, einen Teil des Hauptstoffes zur Verwendung bei der Herstellung des Gegenstands zur Verfügung stellt und der herstellende Unternehmer den beigestellten Stoff abredegemäß dazu verwendet. Von einer Materialbeistellung kann nur gesprochen werden, wenn der Unternehmer ebenfalls einen Teil des Hauptstoffes beschafft. Sie setzt deshalb das Vorhandensein einer Werklieferung voraus. Der Auftraggeber läßt bei dem Unternehmer ein Werk herstellen. Die Vertragsparteien vereinbaren, daß der Auftraggeber einen Teil des Hauptstoffs zur Verfügung stellt und der Unternehmer diesen Stoff bei der Herstellung des Werks verwendet. Die wirtschaftlichen Gründe, die den Auftraggeber zur Beistellung des Materials veranlassen, können verschieden sein. Er will den von ihm zur Verfügung gestellten Stoff in der Weise verwendet wissen, daß der Unternehmer ihn im Rahmen der auszuführenden Werklieferung bearbeitet oder verarbeitet. Er will diesen Stoff nicht liefern, so daß der Unternehmer nicht beliebig über den Stoff verfügen kann. Der Unternehmer berechnet daher auch für seine Leistung ein Entgelt, aus dem der beigestellte Stoff ausgeklammert ist. Das kann in der Weise geschehen, daß der Wert des beigestellten Stoffs in das Entgelt überhaupt nicht einberechnet wird oder aber so, daß von dem vereinbarten Gesamtpreis der Wert des beigestellten Stoffs in der Höhe abgesetzt wird, in der er im Gesamtpreis enthalten ist. Der Reichsfinanzhof (RFH) und der BFH haben in ständiger Rechtsprechung die Auffassung vertreten, daß in einem solchen Fall der beigestellte Stoff in den Leistungsaustausch nicht einzubeziehen ist. Diese Beurteilung hat ihren Grund darin, daß der Auftraggeber dem Hersteller die Verfügungsmacht an dem beigestellten Stoff nicht verschaffen will und der Hersteller diesen Stoff im Rahmen der von ihm durchgeführten Werklieferung lediglich bearbeitet. Für den Begriff der Materialbeistellung ist deshalb erforderlich, daß der herstellende Unternehmer den beigestellten Stoff bei der Herstellung verwendet.

Wie das FG festgestellt hat, liegen im vorliegenden Fall die sämtlichen Merkmale einer Materialbeistellung mit Ausnahme der Materialidentität vor. Die Stpfl. war beauftragt, Neukokillen herzustellen. Zwischen der Stpfl. und den Stahlwerken war vereinbart, daß die Stahlwerke Altkokillen zur Verwendung bei der Herstellung von Neukokillen zur Verfügung stellen. Die Stpfl. sollte über die Altkokillen bzw. den daraus gewonnenen Kokillenschrott nicht frei verfügen können. In dem Entgelt für die Neukokillen war der Kokillenschrott mit dem gleichen Wert enthalten, mit dem er den Stahlwerken in Anrechnung gebracht wurde. Der noch nicht verrechnete Schrott wurde in den Beständen der Auftraggeber geführt. Die Beistellung war auch wirtschaftlich begründet. Die Stahlwerke konnten das bei ihnen angefallene Altmaterial auf diese Weise nutzbringend verwerten und brauchten für die Neukokillen keinen Preis aufzuwenden, in dem der Kokillenschrott mit einem höheren Marktpreis enthalten gewesen wäre. Hätte die Stpfl. die Altkokillen bzw. den Kokillenschrott getrennt gelagert und vergossen, so hätte auch nach der Auffassung des FA eine Materialbeistellung angenommen werden können. Es ist demnach allein die Frage zu prüfen, ob der Materialaustausch der Annahme einer Materialbeistellung entgegensteht.

Seitens der Stpfl. ist in diesem Zusammenhang immer wieder auf die Vorschrift des § 8 UStDB, die einen Materialaustausch zuläßt, hingewiesen worden. Dieser Hinweis ist insofern berechtigt, als auch in den Fällen des § 8 UStDB der Auftraggeber dem herstellenden Unternehmer Material zur Verfügung stellt und dieser Vorschrift der Gedanke zugrunde liegt, daß bei vertretbaren Sachen Stoffe gleicher Art und Güte ausgetauscht werden können. § 8 UStDB ist jedoch auf die Fälle der Materialbeistellung nicht anwendbar. Diese Vorschrift kann, wie der Senat wiederholt ausgesprochen hat, nur auf reine Werkleistungen Anwendung finden (vgl. BFH-Urteile V 110/55 S vom 17. Januar 1957, BStBl 1957 III S. 82, Slg. Bd. 64 S. 215; V 32/57 U vom 10. September 1959, BStBl 1959 III S. 435, Slg. Bd. 69 S. 469; V 298/59 S vom 3. Mai 1962, BStBl 1962 III S. 265, Slg. Bd. 74 S. 719). Sie geht auf die Rechtsprechung zur Umtauschmüllerei zurück. Es soll in der rechtlichen Beurteilung keinen Unterschied machen, ob der Bauer, der seinen Weizen zur Mühle fährt, das Vermahlen seines Weizens abwartet, oder ob er sich alsbald eine entsprechende Menge Weizenmehl geben läßt, das aus anderem Weizen hergestellt wurde. Voraussetzung ist allerdings, daß nur ein Mahllohn entrichtet wird. Wirtschaftlich gesehen handelt es sich in einem solchen Fall, auch wenn der Weizen ausgetauscht wird, um eine Werkleistung. Der Vorgang wird so beurteilt, als ob der Bauer das Vermahlen seines Weizens abgewartet hätte. Der Austausch gegen einen anderen Weizen wird als belanglos angesehen. Ein Mahllohn muß gewährt worden sein, weil der Inhalt der Werkleistung in einer Arbeitsleistung besteht, der allein ein Werklohn entspricht. Die Vorschrift des § 8 UStDB beruht hiernach auf der wirtschaftlichen Betrachtungsweise. Der Sachverhalt wird so beurteilt, als ob die Merkmale der Werkleistung erfüllt wären, obwohl der hingegebene Stoff ausgetauscht worden ist. Auf die Materialbeistellung kann § 8 UStDB nicht angewendet werden, weil es sich bei der Materialbeistellung nicht um einen Fall der Werkleistung, sondern um einen Fall der Werklieferung handelt. Von der Werkleistung unterscheidet sich die Werklieferung dadurch, daß sie Elemente der Lieferung und der Werkleistung enthält. Daraus ergibt sich, daß ihre Gegenleistung nicht in einem reinen Werklohn bestehen kann. Eine Anwendung des § 8 UStDB muß daher ausscheiden.

Das FG hat eine Anwendbarkeit des § 8 UStDB auf die Materialbeistellung ebenfalls abgelehnt. Es ist jedoch auf Grund wirtschaftlicher Betrachtungsweise bei dem gegebenen Sachverhalt zu der Annahme einer Materialbeistellung gekommen. Diese Beurteilung gibt zu einer Beanstandung keinen Anlaß. Bei der rechtlichen Beurteilung eines Sachverhalts ist von seinem wirtschaftlichen Gehalt auszugehen. Es kommt deshalb im vorliegenden Fall entscheidend darauf an, welche wirtschaftliche Bedeutung dem Austausch des Materials zukommt. Das FG hat dazu unwidersprochen festgestellt, daß Güteklassen für den Kokillenschrott nicht bestehen. Es handelt sich bei den von den einzelnen Stahlwerken zur Verfügung gestellten Altkokillen um Stoffe gleicher Art und Güte. Aus diesem Grund waren die Stahlwerke auch damit einverstanden, daß der von ihnen angelieferte Schrott nicht getrennt gelagert und vergossen zu werden brauchte. Es war für sie belanglos, welcher Kokillenschrott verwendet wurde. Gleichwohl war der Wille auf eine Verwertung des beigestellten Altmaterials bei der Herstellung der Neukokillen gerichtet. Davon, daß sie das Altmaterial der Stpfl. zur unbeschränkten Verfügung hätten übergeben wollen, kann schon deshalb keine Rede sein, weil sie gar nicht "liefern" wollten. Es wäre denkbar gewesen, das beigestellte Material getrennt zu lagern und daraus jeweils für das anliefernde Werk Neukokillen herzustellen. Technische und wirtschaftliche Gründe erlaubten es jedoch nicht, die Geschäfte in dieser Weise abzuwickeln. Es wäre unwirtschaftlich und unter den gegebenen tatsächlichen Verhältnissen nicht zumutbar gewesen, das angelieferte Altmaterial für jedes Stahlwerk getrennt zu verarbeiten. Bei dieser Sachlage konnte das FG zu der Annahme kommen, daß der gegebene Sachverhalt wirtschaftlich eine Materialbeistellung darstellt. Anhaltspunkte, die gegen eine solche Beurteilung sprechen würden, sind nicht vorgetragen worden.

Ist hiernach eine Materialbeistellung anzunehmen, so kann der Frage der Verschaffung der Verfügungsmacht keine entscheidende Bedeutung mehr zukommen. Die wirtschaftliche Betrachtungsweise läßt es zu, den Sachverhalt so zu beurteilen, als ob die Stpfl. die hingegebenen Altkokillen bei der Herstellung der gelieferten Neukokillen verwendet hätte. Auch in den Fällen des § 8 UStDB bedurfte es einer Fiktion, um bei dem dort gegebenen Sachverhalt eine Werkleistung annehmen zu können. Der Betriebsverpachtung liegt ein anders gearteter Sachverhalt zugrunde. In dem Urteil des BFH V 157/55 U vom 17. Januar 1957 (a. a. O.) weicht der Sachverhalt in wesentlichen Punkten von dem vorliegenden ab. Das gilt vor allem für die getroffenen Vereinbarungen und die Interessen der Beteiligten. Wie sich aus dem Urteil ergibt, war zwischen den Mitgliedern der Interessengemeinschaft und der steuerpflichtigen Arbeitsgemeinschaft eine Beistellung der Magnesitbrocken nicht vereinbart. Das wirtschaftliche Interesse der Mitglieder erschöpfte sich im Bezug der neuen Magnesitsteine. Die Preisstellung der Arbeitsgemeinschaft war so, als ob die Steine ausschließlich aus Magnesitbrocken hergestellt worden wären, die die Arbeitsgemeinschaft aus der Stahlindustrie aufgekauft hatte. Eine Materialbeistellung konnte daher auch bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise schon aus diesen Gründen nicht angenommen werden. Soweit dem Urteil des BFH V 197/55 vom 25. August 1960 (a. a. O.) eine gegenteilige Auffassung entnommen werden kann, hält der Senat daran nicht fest.

Auch die grundsätzlichen Bedenken des Revisionsklägers können nicht dazu führen, den vorliegenden Sachverhalt anders zu beurteilen als seinem wirtschaftlichen Inhalt entspricht. Die Umsatzsteuer ist eine Steuer, die wirtschaftliche Vorgänge erfaßt. Im Umsatzsteuerrecht kommt deshalb der wirtschaftlichen Betrachtungsweise eine besondere Bedeutung zu. Die wirtschaftliche Betrachtungsweise muß aber auch zugunsten des Stpfl. angewendet werden. Die Vorschriften der §§ 6 und 8 UStG sind Beispiele dafür. Was aber für die Lieferungen und Leistungen gilt, muß auch für die Materialbeistellung gelten, die zwar keinen Steuertatbestand darstellt, aber den Umfang des Leistungsaustausches mitbestimmt. Die Anerkennung eines Materialaustausches entspricht deshalb in dem vorliegenden Fall den allgemeinen Grundsätzen des Umsatzsteuerrechts und ist nicht, wie der Revisionskläger meint, systemwidrig. Es kann auch nicht gesagt werden, daß sie in ihrer Auswirkung zu einer Netto- Besteuerung führe. Der Senat hat die Materialbeistellung in seinem Grundsatzurteil V 117/53 S vom 30. Oktober 1953 (BStBl 1953 III S. 366, Slg. Bd. 58 S. 196) gegen eine unberechtigte Inanspruchnahme in den Fällen abgegrenzt, in denen der Werkunternehmer an der Beschaffung des Stoffes mitgewirkt hat. Eine sinnvolle Abgrenzung wird vom Senat auch für die Fälle für erforderlich gehalten, in denen der Unternehmer das vom Auftraggeber hingegebene Material austauscht. Es muß sich aus dem Sachverhalt klar und eindeutig ergeben, daß die übrigen Voraussetzungen einer Materialbeistellung vorliegen. Das wird nicht der Fall sein, wenn der hingegebene Stoff auch zur Herstellung anderer als der bestellten Gegenstände verwendet wird oder der beauftragte Unternehmer den bestellten Gegenstand nicht selbst herstellt. Es muß sichergestellt sein, daß der hingegebene Stoff vereinbarungsgemäß bearbeitet oder verarbeitet wird. Aus dem gleichen Grund wird bei fehlender Materialidentität eine Materialbeistellung auch nicht angenommen werden können, wenn der beauftragte Unternehmer mit dem hingegebenen Stoff oder dem daraus gewonnenen Zwischenprodukt Handel treibt. Die bloße Vereinbarung einer Materialbeistellung kann für die Annahme einer Materialbeistellung nicht genügen. Der Austausch selbst muß wirtschaftlich geboten sein. In dem vorliegenden Fall hat die Stpfl. die von den Stahlwerken zur Herstellung von Neukokillen hingegebenen Altkokillen ausschließlich zur Herstellung von Neukokillen verwendet. Sie hat weder mit Altkokillen noch mit dem daraus gewonnenen Kokillenschrott gehandelt. Da sie die Neukokillen selbst hergestellt hat, lagen auch für die Auftraggeber klar übersehbare Verhältnisse vor. Das Entgelt für die Neukokillen war so berechnet, wie das für eine Materialbeistellung verlangt werden muß. Es handelte sich außerdem bei dem hingegebenen und ausgetauschten Material um Material gleicher Art und Güte, so daß der Austausch für die Beteiligten belanglos war. Für den Austausch lagen auch beachtliche wirtschaftliche Erwägungen vor. Technische und wirtschaftliche Gründe haben es nicht zugelassen, das von den einzelnen Auftraggebern hingegebene Material für die herzustellenden Neukokillen zu verwenden. Alle diese Gründe haben dazu geführt, den Sachverhalt wirtschaftlich als Materialbeistellung zu behandeln. Es mag sein, daß sich bei der Prüfung der Frage, ob auf die Materialidentität verzichtet werden kann, im Einzelfall gewisse Abgrenzungsschwierigkeiten ergeben können. Das kann jedoch kein Grund sein, einen Materialaustausch in jedem Falle abzulehnen.

Die Revision war hiernach als unbegründet zurückzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 411989

BStBl III 1966, 257

BFHE 1966, 128

BFHE 85, 128

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