Entscheidungsstichwort (Thema)

Bestimmtheit des Revisionsantrags - Kein Verlustrücktrag im Gewerbesteuerrecht

 

Leitsatz (NV)

1. Dem Erfordernis der Bestimmtheit des Revisionsantrags (§ 120 Abs. 2 Satz 2 FGO) ist genügt, wenn sich aus der Revisionsbegründung das Prozeßbegehren des Revisionsklägers unzweideutig ergibt.

2. Die Regelung, nach der eine Verlustverrechnungsmöglichkeit nach § 10 a GewStG auf den Fall des Verlustvortrags beschränkt ist, verstößt nicht gegen die Verfassung (Anschluß an BFH-Urteil vom 31. Juli 1990 I R 62/86, BFHE 161, 570, BStBl II 1990, 1083).

 

Normenkette

FGO § 120 Abs. 2 S. 2; GewStG § 10a

 

Verfahrensgang

FG Baden-Württemberg

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war in den Jahren 1984 bis 1986 als selbständiger Versicherungsvertreter tätig. Aus dieser Tätigkeit erzielte er Gewerbeerträge in Höhe von . . . DM im Jahre 1984, . . . DM im Jahre 1985 und ./. . . . DM im Jahre 1986. Für das Streitjahr 1984 setzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) den einheitlichen Gewerbesteuermeßbetrag auf . . . DM fest.

Mit der hiergegen - gemäß § 45 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ohne Vorverfahren erhobenen - Klage begehrte der Kläger, den Gewerbeverlust des Jahres 1986 auf das Jahr 1984 zurückzutragen und den Gewerbesteuermeßbetrag 1984 auf 0 DM festzusetzen. Er vertrat sinngemäß die Auffassung, es stelle einen Verstoß gegen die Gleichmäßigkeit der Besteuerung dar, daß ein Gewerbeverlust nach § 10 a des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) nur im Wege eines Verlustvortrags, nicht aber durch Verlustrücktrag berücksichtigt werden könne. Ebenso wie im Einkommensteuerrecht (§ 10 d des Einkommensteuergesetzes - EStG -) müsse auch im Gewerbesteuerrecht die Möglichkeit eines zweijährigen Verlustrücktrags gewährt werden.

Die Klage wurde abgewiesen.

Mit seiner vom Finanzgericht (FG) wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zugelassenen Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts.

 

Entscheidungsgründe

1. Die Revision ist zulässig.

Der Kläger hat zwar - entgegen der Vorschrift des § 120 Abs. 2 Satz 2 FGO - keinen ,,bestimmten" Revisionsantrag gestellt. Das Fehlen eines solchen Antrags bedeutet indessen nicht in jedem Fall, daß der Revision eine Zulässigkeitsvoraussetzung fehlt. Auf einen förmlich gestellten Antrag kann vielmehr verzichtet werden, wenn sich aus der Revisionsbegründung das Prozeßbegehren des Revisionsklägers unzweideutig ergibt (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 11. November 1983 III R 25/77, BFHE 140, 289, BStBl II 1984, 187). Demgemäß sind auch im Streitfall keine für den Kläger nachteiligen Folgen daraus zu ziehen, daß er keinen ausdrücklichen Antrag gestellt hat; denn aus seinem Vorbringen ergibt sich eindeutig, daß er die Aufhebung der Vorentscheidung und - ebenso wie im Klageverfahren - durch einen Verlustrücktrag eine Berücksichtigung des von ihm im Jahre 1986 erlittenen Gewerbeverlusts bei der Gewerbesteuermeßbetragsfestsetzung 1984 erreichen will.

2. Die Revision ist nicht begründet. Das FG hat zu Recht angenommen, daß sich die Gewährung eines Verlustrücktrags nicht auf die Vorschrift des § 10 a GewStG stützen läßt, dem FG ist auch darin beizupflichten, daß die gesetzliche Versagung eines Verlustrücktrags nicht verfassungswidrig ist.

a) Nach § 10 a Satz 1 GewStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung wird der maßgebende Gewerbeertrag um die Fehlbeträge gekürzt, die sich bei der Ermittlung des maßgebenden Gewerbeertrags für die fünf vorangegangenen Erhebungszeiträume nach den Vorschriften der §§ 7 bis 10 GewStG ergeben haben, soweit die Fehlbeträge nicht bei der Ermittlung des Gewerbeertrags für die vier vorangegangenen Erhebungszeiträume berücksichtigt worden sind.

Die Berücksichtigung von Gewerbeverlusten durch den Vortrag von ,,Fehlbeträgen", d. h. von Verlusten, die sich aus der Gewinnermittlung nach entsprechenden Hinzurechnungen und Kürzungen ergeben haben, stellt eine Ausnahme von dem Grundsatz dar, daß die Gewerbesteuer nach dem Ergebnis eines Besteuerungsabschnitts (,,Erhebungszeitraum" = Kalenderjahr; § 14 Abs. 2 Sätze 1 und 2 GewStG) festgesetzt wird. Die Regelung des § 10 a GewStG enthält eine Verlustverrechnungsmöglichkeit allerdings nur für diejenigen Steuerpflichtigen, die zunächst einen Gewerbeverlust und im Folgezeitraum einen positiven Gewerbeertrag erzielen. Für den umgekehrten Fall, daß zunächst positive Gewerbeerträge und sodann Gewerbeverluste entstehen, sieht das Gesetz keine Ausgleichsmöglichkeit vor; einen ,,Verlustrücktrag", wie er für das Einkommensteuerrecht vorgesehen ist (vgl. § 10 d EStG), kennt das Gewerbesteuerrecht nicht. Die Ausdehnung des einkommensteuerrechtlichen Verlustrücktrags auf das Gewerbesteuerrecht hat der Gesetzgeber bewußt abgelehnt, weil im Fall seiner Einführung - anders als beim Verlustvortrag - die hebeberechtigte Gemeinde nicht nur auf Gewerbesteuereinnahmen zu verzichten hätte, sondern auch bereits vereinnahmte (und möglicherweise schon verausgabte) Gewerbesteuern wieder zurückzahlen müßte (Lenski / Steinberg, Gewerbesteuergesetz, § 10 a Tz. 1 a; Söffing, Finanz-Rundschau 1976, 209).

Hiernach gibt es für die vom Kläger angestrebte Verrechnung der von ihm im Jahre 1986 erzielten Gewerbeverluste bei der Festsetzung des Gewerbesteuermeßbetrags für 1984 keine Rechtsgrundlage.

b) Die Regelung, nach der eine Verlustverrechnungsmöglichkeit nach § 10 a GewStG auf den Fall des Verlustvortrags beschränkt ist, verstößt nicht gegen die Verfassung. Der erkennende Senat schließt sich in diesem Punkt der Rechtsauffassung des I. Senats des BFH an, die dieser in seinem Urteil vom 31. Juli 1990 I R 62/86 (BFHE 161, 570, BStBl II 1990, 1083) zur Verfassungsmäßigkeit des § 10 a GewStG vertreten hat.

 

Fundstellen

Haufe-Index 417437

BFH/NV 1991, 766

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