Leitsatz (amtlich)

1. Ein Arbeitnehmer wohnt auch dann am Beschäftigungsort im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 5 EStG 1967, wenn er in der Umgebung der politischen Gemeinde wohnt, in der sich seine Arbeitsstätte befindet, und von hier aus zur Arbeitsstätte fährt.

2. Bei einem Arbeitnehmer, bei dem Mehraufwendungen wegen doppelter Haushaltsführung berücksichtigt werden, können unter den Voraussetzungen des Abschn. 24 Abs. 5 LStR 1966 daneben Mehraufwendungen für Verpflegung wegen regelmäßiger mehr als zwölfstündiger Abwesenheit von der Wohnung anerkannt werden.

 

Normenkette

EStG 1967 § 9 Abs. 1 Nr. 5; LStDV 1968 § 20 Abs. 2 Nr. 3; LStR 1966 Abschn. 24 Abs. 5

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Steuerpflichtige) ist verheiratet. Seine Familienwohnung befindet sich in L. Daneben hat er in D., welches 146 km von L. entfernt liegt, ein möbliertes Zimmer für monatlich 75 DM gemietet. Von dieser Unterkunft aus fährt er mit seinem Pkw täglich zum 24 km entfernten Ort K., wo er als Platzarbeiter beschäftigt ist.

Mit dem Antrag auf gemeinsamen Lohnsteuer-Jahresausgleich machte der Steuerpflichtige für das Jahr 1967. Verpflegungsmehraufwendungen wegen regelmäßiger mehr als zwölfstündiger Abwesenheit von der Wohnung sowie Mehraufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung als Werbungskosten geltend. Der Beklagte und Revisionskläger (FA) erkannte die Verpflegungsmehraufwendungen wegen langer Abwesenheit von der Wohnung an, lehnte aber die Anerkennung der Kosten für doppelte Haushaltsführung als Werbungskosten ab, weil der Steuerpflichtige das möblierte Zimmer in D. und nicht am Beschäftigungsort genommen habe. Der Einspruch blieb erfolglos.

Die Klage hatte Erfolg. Das FG führte aus: Der Mehraufwand für doppelte Haushaltsführung sei zwar bis 1966 weder im EStG noch in der LStDV als typisches Beispiel für Werbungskosten aufgezählt. Gleichwohl hätten ihn Rechtsprechung und Verwaltung in zunehmendem Maße als Werbungskosten anerkannt. Für die erforderliche Abgrenzung gegenüber den Kosten der privaten Lebensführung im Sinne von § 12 Nr. 1 EStG hätten die älteren Fassungen der LStR in Abschn. 26 darauf abgestellt, ob die Zweitwohnung aus zwingenden persönlichen Gründen benötigt worden sei oder nicht. Erst durch Art. 1 Nr. 2b bb StÄndG 1966 (BGBl I 1966, 702, BStBl I 1967, 2) seien die Mehraufwendungen einer doppelten Haushaltsführung in § 9 Abs. 1 Nr. 5 EStG aufgenommen worden. Diese ab 1967 gültige Fassung bedeute eine Erweiterung der Anerkennung als Werbungskosten. Auf die Zumutbarkeit eines Umzugs und die Gründe, aus denen der Arbeitnehmer den doppelten Haushalt führe, komme es nicht mehr an; vielmehr liege eine doppelte Haushaltsführung immer vor, "wenn der Arbeitnehmer außerhalb des Ortes, in dem er einen eigenen Hausstand unterhält, beschäftigt ist und auch am Beschäftigungsort wohnt". Unter Beschäftigungsort sei nicht nur, wie das FA meine, die politische Gemeinde zu verstehen. Nach § 1 Abs. 2 StAnpG sei bei der Anwendung der Steuergesetze die Entwicklung der Verhältnisse zu berücksichtigen. Der BFH habe mehrfach, insbesondere aber in seinem Urteil VI 219/64 vom 18. Februar 1966 (BFH 86, 39, BStBl III 1966, 386), in dem er die Aufwendungen für Familienheimfahrten in erweitertem Maße als Werbungskosten anerkannt habe, auf den Wandel der Volkswirtschaft und die Änderung der Lebensverhältnisse der Arbeitnehmer hingewiesen. Durch die Konzentration der Industrie in den Großstädten, die wachsende Ausrichtung der kleineren Gemeinden auf größere Nachbarorte, die zunehmende Motorisierung und die Schwierigkeiten auf dem Wohnungsmarkt seien weitere Wege von der Wohnung zur Arbeitsstätte immer mehr üblich und möglich geworden. Besonders auch in den großen Industriezentren gingen die Städte ineinander über und bildeten verkehrs- und wirtschaftspolitisch eine Einheit. Der Gesetzgeber habe dieser Entwicklung seit 1955 dadurch Rechnung getragen, daß er die Fahrten zum Arbeitsplatz ohne Rücksicht auf die politischen Grenzen der Gemeinden bis zu einer Entfernung von 40 km als Werbungskosten anerkannt habe. Ebensowenig könnten die politischen Gemeindegrenzen bei der Auslegung des Begriffs "Beschäftigungsort" entscheidend sein. Eine solche Auslegung würde zu so willkürlichen Ergebnissen führen, daß z. B. der Arbeitnehmer einer am Stadtrand gelegenen Betriebstätte, um den Werbungskostenabzug zu erhalten, seine Zweitwohnung nicht in einer unmittelbar benachbarten Gemeinde nehmen dürfe, wohl aber am entgegengesetzten viel weiter entfernten Ende der Stadt. Eine derartig enge Auslegung des Gesetzes könne der Gesetzgeber auch nicht beabsichtigt haben, weil sie den bei der Auslegung zu berücksichtigenden Wertentscheidungen des GG (vgl. Art. 2, 11 und 12) zuwiderlaufen würde. Mit dem StÄndG 1966 sollten die Voraussetzungen für die Anerkennung einer doppelten Haushaltsführung erweitert, aber nicht eingeengt werden.

Mit der Revision beantragt der Revisionskläger (FA) Aufhebung der Vorentscheidung und Abweisung der Klage. Das FG verkenne den Begriff der doppelten Haushaltsführung im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 5 EStG (§ 20 Abs. 2 Nr. 3 LStDV). Unter "Beschäftigungsort" im Sinne dieser Vorschrift sei die politische Gemeinde zu verstehen, innerhalb derer der Arbeitnehmer seine Tätigkeit ausübe. Vom Wortlaut des Gesetzes abzuweichen, bestehe kein Anlaß; denn der Begriff des Beschäftigungsortes müsse eindeutig bestimmbar sein. Das sei nur der Fall, wenn hierunter die politische Gemeinde verstanden werde, innerhalb derer die Arbeitnehmertätigkeit ausgeübt werde. Außerdem führe die Zubilligung des begehrten Werbungskostenbetrages zu einer unzutreffenden Besteuerung. Nach Abzug der vom FG anerkannten Beträge als Werbungskosten bleibe nur ein unverhältnismäßig geringer Arbeitslohn übrig, der zu versteuern wäre. Von 9 731 DM Arbeitslohn habe das FG nämlich einen Freibetrag für Werbungskosten von 7 097 DM anerkannt. Ferner verkenne das FG den Begriff der Werbungskosten, wenn es dem Steuerpflichtigen neben den Aufwendungen für doppelte Haushaltsführung einen Betrag für Beköstigung infolge mehr als zwölfstündiger Abwesenheit von der Wohnung als Werbungskosten zubillige. Denn die Kosten für Beköstigung seien durch die Anerkennung eines Betrages für Mehraufwendungen bei doppelter Haushaltsführung abgegolten. Insoweit billige das FG dem Steuerpflichtigen doppelten Ersatz seiner Aufwendungen zu.

Der Revisionsbeklagte (Steuerpflichtige) beantragt Zurückweisung der Revision.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Prüfung der Revision ergibt folgendes:

1. Der Senat tritt den grundsätzlichen Ausführungen der Vorentscheidung bei, wenn auch mit einem gewissen Vorbehalt. Das FG hat zutreffend ausgeführt, daß die Frage der Berücksichtigung von Mehraufwendungen für doppelte Haushaltsführung erstmals mit dem Zweiten Gesetz zur Überleitung der Haushaltswirtschaft des Bundes in eine mehrjährige Finanzplanung (StÄndG 1966, a. a. O.) gesetzlich geregelt wurde. Zur Begründung hierfür wurde von der Bundesregierung lediglich ausgeführt, zur Herbeiführung einer eindeutigen Rechtsgrundlage scheine es erforderlich, eine gesetzliche Regelung zu treffen (Bundesratsdrucksache Nr. 410/66 zu Art. 1 Nr. 2). Bisher bestand nur eine Regelung im Verwaltungswege (vgl. Abschn. 26 LStR 1966 und frühere), die auf Arbeitnehmer beschränkt war. Mit der angeführten gesetzlichen Regelung wurde nicht nur der Anwendungsbereich auf andere Steuerpflichtige erweitert (vgl. § 4 Abs. 5 vorletzter Satz EStG 1967); vielmehr fielen auch die bisherigen einengenden Voraussetzungen für die Anerkennung der bezeichneten Mehraufwendungen als Werbungskosten fort. Insbesondere spielt die Zumutbarkeit des Umzuges oder einer täglichen Rückkehr an den Ort des eigenen Hausstands keine Rolle mehr. Eine doppelte Haushaltsführung liegt nunmehr nach § 9 Abs. 1 Nr. 5 EStG 1967 stets vor, wenn der Arbeitnehmer außerhalb des Ortes, in dem er einen eigenen Hausstand unterhält, beschäftigt ist und am Beschäftigungsort wohnt. Ob mit dieser Definition der doppelten Haushaltsführung schlechthin jeder Fall einer doppelten Haushaltsführung als "Werbungskostenfall" anzuerkennen ist, erscheint dem Senat allerdings zweifelhaft. Wie die übrigen in § 9 Abs. 1 EStG 1967 ausdrücklich aufgeführten Aufwendungen stehen auch die hier in Betracht kommenden Aufwendungen unter dem Grunderfordernis des § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG, nämlich dem der Veranlassung durch das Arbeitsverhältnis; außerdem erhebt sich auch hier wie bei allen Aufwendungen, die zugleich die Lebenshaltung berühren, die Frage der Abgrenzung. Doch kann dies hier dahingestellt bleiben. Für den Streitfall spielen die Bedenken keine Rolle.

Wenn nach der zitierten Definition gefordert wird, daß der Arbeitnehmer "am Beschäftigungsort wohnt", so ist dieses Erfordernis aus Abschn. 26 Abs. 1 LStR 1966 übernommen. Es ist dem Revisionskläger zuzugeben, daß es bei einer rein am Gesetzeswortlaut orientierten Auslegung naheliegt, unter "Beschäftigungsort" die politische Gemeinde zu verstehen, in der die Arbeitsstätte des Ar-beitnehmers liegt. Trotzdem vermag der Senat in Übereinstimmung mit dem FG dieser Auffassung nicht zu folgen.

§ 1 Abs. 1 und 2 StAnpG schreiben vor, daß die Steuergesetze auszulegen sind. Dabei sind die Volksanschauung, der Zweck und die wirtschaftliche Bedeutung der Steuergesetze und die Entwicklung der Verhältnisse zu berücksichtigen. Auslegung bedeutet Klarstellung des Sinnes einer Rechtsnorm. Diese Klarstellung des Sinnes ist erforderlich, weil die Wortfassung der Rechtsnorm oftmals den Inhalt des Gesetzes nur unvollkommen zum Ausdruck bringt. Jede Auslegung hat selbstverständlich vom Wortlaut der Rechtsnorm auszugehen; sie darf aber hierbei nicht stehenbleiben. Maßgebend ist vielmehr der im Wortlaut des Gesetzes in seinem Sinnzusammenhang ausgedrückte Gesetzeszweck (Entscheidungen des BVerfG - BVerfGE 1, 299 [312] -, BFH-Urteil II 56/65 vom 28. April 1970, BFH 99, 255, BStBl II 1970, 597).

Es wurde bereits hervorgehoben, daß bei der Übernahme der Regelung über die Berücksichtigung von Mehraufwendungen für doppelte Haushaltsführung in das EStG der Begriff "Wohnen am Beschäftigungsort" aus Abschn. 26 LStR übernommen wurde. Er findet sich in dieser Bestimmung seit langer Zeit (vgl. Abschn. 26 LStR 1952). Im Erlaß des RdF vom 6. Dezember 1930 (RStBl 1930, 782) in dem, soweit ersichtlich, erstmals die Abzugsfähigkeit von Mehraufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung anerkannt wurde, wird schon davon gesprochen, daß der Arbeitnehmer, weil er nicht täglich heimkehren könne, an seinem "Arbeitsort" einen Hausstand einrichten müsse. Der Gebrauch des Wortes "Beschäftigungsort" oder "Arbeitsort" stammt also offensichtlich aus einer Zeit, als es üblich war, an diesem Ort zu wohnen. Während in früherer Zeit die Arbeitnehmer ihre Wohnung vorwiegend in der Nähe der Arbeitsstätte hatten, Arbeitsort und Wohnort also normalerweise zusammenfielen, fallen sie heute aus mancherlei Gründen immer mehr auseinander. Die Hauptgründe hat die Vorentscheidung in Übereinstimmung mit dem Urteil des Senats VI 219/64 (a. a. O.) zutreffend hervorgehoben.

Diese Entwicklung der Verhältnisse hat u. a. zu einer immer weitergehenden Berücksichtigung der Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte und der Familienheimfahrten bei doppelter Haushaltsführung geführt. Zum ersteren Fall sei darauf hingewiesen, daß das StÄndG 1971 die bisherige 40-km-Grenze beseitigt hat. Zum letzteren Fall sei auf die im Urteil des Senats VI 219/64 (a. a. O.) dargestellte Entwicklung hingewiesen. Diese Entwicklung der Verhältnisse muß auch bei der Auslegung des Begriffs "Beschäftigungsort" in § 9 Abs. 1 Nr. 5 EStG berücksichtigt werden. Dabei handelt es sich nicht, wie das FA irrigerweise annimmt, um die Entwicklung der Verhältnisse seit dem Inkrafttreten des StÄndG 1966, sondern seit der Zeit, zu der der Begriff des "Beschäftigungsorts" oder "Arbeitsorts" erstmals in die Regelung über die Berücksichtigung von Mehraufwendungen für doppelte Haushaltsführung aufgenommen wurde. Dieser Zeitpunkt liegt, wie dargestellt wurde, lange zurück. Arbeitnehmer mit nur einem Haushalt wohnen weitgehend nicht in der politischen Gemeinde, in der ihre Arbeitsstätte liegt. Ebenso nehmen Arbeitnehmer, die außerhalb des Ortes, in dem sie einen eigenen Hausstand unterhalten, beschäftigt sind, ihre zweite Wohnung weitgehend nicht in der politischen Gemeinde, in der sie beschäftigt sind. Bei diesen Arbeitnehmern sind aber die Mehraufwendungen für doppelte Haushaltsführung ebenso Werbungskosten wie bei denjenigen Arbeitnehmern, die ihre zweite Wohnung in der politischen Gemeinde unterhalten, in der sich ihre Arbeitsstätte befindet. Es würde zu nicht vertretbaren Ungleichmäßigkeiten führen, wenn diese beiden Gruppen von Arbeitnehmern infolge einer engen Auslegung des Begriffs "Beschäftigungsort" verschieden behandelt würden. Einen ins Auge springenden Fall einer Ungleichmäßigkeit hat das FG (übereinstimmend mit Herrmann-Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, § 9 EStG Anm. 36, Stichwort "Doppelter Haushalt" Nr. 5) angeführt. Ein weiterer Fall ist der, daß durch eine Änderung der Gemeindegrenzen die bisher selbständige Gemeinde, in der der Arbeitnehmer wohnt, mit der Gemeinde, in der sich seine Arbeitsstätte befindet, zusammengelegt wird. Wirtschaftlich ändert sich für den Arbeitnehmer hierdurch nichts; es ist nicht einzusehen, warum ihm allein aus diesem Grunde entgegen der bisherigen Handhabung nunmehr Mehraufwendungen für doppelte Haushaltsführung anerkannt werden sollten. Der umgekehrte Fall würde eintreten, wenn infolge einer Änderung der Gemeindegrenzen die Wohnung des Arbeitnehmers nunmehr in einer anderen Gemeinde liegt als seine Arbeitsstätte.

Solche Ungleichmäßigkeiten lassen sich nur vermeiden, wenn man als "Beschäftigungsort" nicht nur die politische Gemeinde ansieht, in der die Arbeitsstätte des einen doppelten Haushalt führenden Arbeitnehmers liegt, sondern auch deren Umgebung. Fährt der Arbeitnehmer aus einer in der Umgebung gelegenen anderen Gemeinde täglich zu seiner Arbeitsstätte, so ist es so anzusehen, als ob er am "Beschäftigungsort" wohnte. Dabei ist es unerheblich, ob dies aus zwingenden unabwendbaren Gründen geschieht (z. B. weil der Arbeitnehmer - wie im Streitfall vom Revisionsbeklagten behauptet - in der politischen Gemeinde der Arbeitsstätte keine geeignete Unterkunft zu einem annehmbaren Preis finden konnte) oder ob ihn andere Gründe hierzu veranlaßt haben. Ein "Wohnen am Beschäftigungsort" wird mit dem FG nur dann nicht mehr anzunehmen sein, wenn bei der Wahl des Wohnortes offenbar die Lage der Familienwohnung eine maßgebende Rolle gespielt hat, so wenn sich die Zweitwohnung des Arbeitnehmers an einem Ort befindet, der näher zum Ort der Familienwohnung als zur Arbeitsstätte gelegen ist und an dem andere Arbeitnehmer, die ihre Arbeitsstätte in der gleichen politischen Gemeinde haben wie der einen doppelten Haushalt führende Arbeitnehmer, üblicherweise nicht wohnen. In einem solchen Fall würde § 12 Nr. 1 EStG unter Umständen eine Anerkennung von Mehraufwendungen für doppelte Haushaltsführung ausschließen.

2. Es ist auch nicht zu beanstanden, daß das FG, als es die Mehraufwendungen für doppelte Haushaltsführung anerkannte, nicht zugleich die Berücksichtigung von Aufwendungen für Mehrverpflegung infolge regelmäßiger mehr als zwölfstündiger Abwesenheit von der Wohnung (Abschn. 24 Abs. 5 LStR und die dort angeführte BFH-Rechtsprechung) ablehnte. Beide Arten von Aufwendungen haben einen verschiedenen Anlaß, nämlich im ersten Fall die Führung eines doppelten Haushalts, im zweiten Fall die übermäßig lange Abwesenheit von der Wohnung, in diesem Fall der Zweitwohnung. Die Mehraufwendungen wegen langer Abwesenheit entstehen also nicht "aus Anlaß einer doppelten Haushaltsführung", sondern nur gelegentlich der doppelten Haushaltsführung und fallen somit nicht unter § 9 Abs. 1 Nr. 5 EStG. Die Pauschbeträge des Abschn. 26 LStR gelten nur den unter üblichen Bedingungen erwachsenden Mehraufwand einer doppelten Haushaltsführung ab. Neben diesen Aufwendungen können auch bei einem einen doppelten Haushalt führenden Arbeitnehmer Aufwendungen wegen besonders langer Abwesenheit von der Wohnung (Zweitwohnung) als Werbungskosten berücksichtigt werden. Die Berücksichtigung dieser Aufwendungen ist bewußt stark typisiert (vgl. die Regelung in Abschn. 24 Abs. 5 LStR, die auf den Ergebnissen der Rechtsprechung des BFH beruht). Eine Unterscheidung zwischen Arbeitnehmern, die nur einen Haushalt führen und solchen, die einen doppelten Haushalt führen, würde den Zwecken der auf eine Vereinfachung gerichteten Pauschalierung und Typisierung nicht entsprechen.

3. Trotzdem hat der Senat Bedenken, die geltend gemachten Aufwendungen ohne weiteres anzuerkennen. Wie die Dinge liegen, hätte das FG die geltend gemachten Aufwendungen wie auch die Behauptung des doppelten Haushalts nicht ungeprüft übernehmen dürfen. Das FA hat zutreffend darauf hingewiesen, daß zwischen dem Arbeitslohn des Steuerpflichtigen und den Aufwendungen ein offenbares Mißverhältnis besteht. Es stellt sich die berechtigte Frage, ob der Steuerpflichtige Aufwendungen in dieser Höhe tatsächlich geleistet hat. Außerdem erscheint es zweifelhaft, ob überhaupt eine doppelte Haushaltsführung vorliegt, diese also nicht nur der Form nach besteht. Werbungskosten sind zwar die (notwendigen) Mehraufwendungen, die durch eine doppelte Haushaltsführung entstehen; Mehraufwendungen entstehen aber nur dann, wenn der Arbeitnehmer auch wirklich durch eine doppelte Haushaltsführung belastet ist, also nach Aufnahme der auswärtigen Beschäftigung auch weiterhin die Kosten des Familienhaushalts trägt oder doch zu ihnen einen wesentlichen Beitrag leistet. Angesichts des geringen Betrages, der dem Steuerpflichtigen nach Leistung der geltend gemachten Aufwendungen - unterstellt, daß er sie tatsächlich geleistet hat - von seinem Arbeitslohn verbleibt, muß es zweifelhaft erscheinen, ob er einen solchen Beitrag zu den Kosten des Familienhaushalts geleistet hat.

Die Sache war an das FG zurückzuverweisen, das die zur Aufklärung der dargelegten Zweifel erforderlichen Feststellungen zu treffen haben wird.

Der Revisionskläger hat mündliche Verhandlung beantragt. Es erschien dem Senat zweckmäßig, einen Vorbescheid zu erlassen (§ 159 Abs. 2 Satz 2 FGO).

 

Fundstellen

Haufe-Index 69741

BStBl II 1972, 134

BFHE 1972, 506

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