Entscheidungsstichwort (Thema)

Promotionskosten als Werbungskosten

 

Leitsatz (amtlich)

1. Promotionskosten sind steuerlich in der Regel nicht als Werbungskosten, sondern gemäß § 10 Abs.1 Nr.7 EStG wie Ausbildungskosten zu berücksichtigen. Dies gilt auch dann, wenn die Promotion für das jeweilige Berufsziel erforderlich ist. Es ist unerheblich, ob die Promotion vor oder nach Eintritt in das Berufsleben erfolgt.

2. Ein zum Werbungskostenabzug führendes Promotionsdienstverhältnis liegt nur vor, wenn die Anfertigung der Promotion ausschließlicher oder wesentlicher Vertragsgegenstand ist.

 

Normenkette

EStG § 9 Abs. 1 S. 1, § 10 Abs. 1 Nr. 7

 

Tatbestand

I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Veterinär und wurde in den Streitjahren 1982 und 1983 zusammen mit seiner Ehefrau zur Einkommensteuer veranlagt. Ab Oktober 1982 wurde der Kläger beim Schlachthof in S angestellt. In dem hierzu geschlossenen Dienstvertrag heißt es unter dem Punkt 5, Nebenabreden: "Die Befähigung für den tierärztlichen Staatsdienst wird in den nächsten 3 Jahren erworben." Hierbei gilt nach § 18 Abs.2 der Zulassungs-, Ausbildungs- und Prüfungsordnung für den amtstierärztlichen Dienst in Bayern --ZAPO/vet-- (Gesetz und Verordnungsblatt --GVBl-- 1978, 619), daß einem Bewerber die Prüfungszulassung versagt werden soll, wenn er zur Führung des akademischen Grades "doctor med. vet." nicht berechtigt ist. Nachdem der Kläger im Jahre 1983 seine Promotion erfolgreich abgeschlossen hatte, nahm er ab 1.September 1984 als Veterinärreferendar an einem 15-monatigen Vorbereitungslehrgang zum Erwerb der Befähigung für den tierärztlichen Staatsdienst teil.

Die als Werbungskosten geltend gemachten Promotionskosten in Höhe von 2 281 DM für 1982 sowie 4 759 DM für 1983 berücksichtigte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) lediglich als Sonderausgaben mit den Höchstbeträgen von jeweils 900 DM jährlich.

Zur Begründung seiner hiergegen erhobenen Klage führte der Kläger aus, die geltend gemachten Promotionskosten seien als Werbungskosten anzuerkennen. Er habe nicht promoviert, um eine Verbesserung seines gesellschaftlichen Ansehens zu erreichen, sondern weil er auf Grund der Bestimmung in seinem Arbeitsvertrag in Verbindung mit der maßgeblichen Prüfungsordnung zum Abschluß der Promotion gezwungen worden sei. Ohne Erwerb des Doktortitels sei er Gefahr gelaufen, sein Anstellungsverhältnis bei der Stadt nach Ablauf von drei Jahren zu verlieren. Die Promotion sei somit Bedingung für Abschluß und Aufrechterhaltung seines Arbeitsverhältnisses gewesen.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Zwar seien Promotionsaufwendungen regelmäßig als Berufsausbildungskosten der allgemeinen Lebensführung zuzurechnen. Dies gelte nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) jedoch dann nicht, wenn sich die Dienstverpflichtung eines Steuerpflichtigen auf die Erlangung der Doktorwürde beziehe. Diese Voraussetzung läge im Streitfall vor. Zwar habe sich die Dienstpflicht des Klägers nicht ausdrücklich darauf bezogen, ein Promotionsstudium durchzuführen. Aus den tatsächlichen Umständen (Verpflichtung im Arbeitsvertrag, die Befähigung für den tierärztlichen Staatsdienst nachzuholen sowie Schreiben des Innenministeriums über die Promotionspflicht) ergebe sich jedoch, daß ein längerfristiges Arbeitsverhältnis bei der Stadt S von der Durchführung der Promotion abhängig gewesen sei. Wenn die Wahl eines bestimmten Berufszweiges eine Promotion notwendig voraussetze, sei den damit verbundenen Aufwendungen Werbungskostencharakter zuzuerkennen.

Gegen dieses Urteil wendet sich das FA mit der vom FG zugelassenen Revision. Es macht geltend, die Promotion sei nicht auf die Erhaltung und Sicherung der Anstellung als Veterinär gerichtet gewesen, sondern habe langfristig auf eine spätere Neueinstellung als Amtstierarzt mit anderem Aufgabenkreis gezielt.

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision des FA ist begründet. Das FG hat zu Unrecht die Promotionskosten des Klägers als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zum Abzug zugelassen, denn die Aufwendungen des Klägers sind gemäß § 10 Abs.1 Nr.7 des Einkommensteuergesetzes (EStG) wie Ausbildungskosten anzusehen, die im Streitfall --wie vom FA gewährt-- lediglich zu einem Sonderausgabenabzug bis zu 900 DM jährlich führen können.

1. Das EStG unterscheidet zwischen den als Werbungskosten abziehbaren Aufwendungen, die durch den Beruf des Steuerpflichtigen veranlaßt sind (§ 9 Abs.1 EStG), und Aufwendungen für die Lebensführung, die grundsätzlich unter das Abzugsverbot fallen (§ 12 Abs.1 EStG), soweit sie nicht ausnahmsweise als Sonderausgaben oder außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen sind. Da § 10 Abs.1 Nr.7 EStG Aufwendungen für die Berufsausbildung dem Sonderausgabenbereich zuordnet, folgt hieraus, daß nach dem gesetzgeberischen Leitbild (vgl. BTDrucks V/3430, S.8) Kosten für den Erwerb des für den Beruf typischen Könnens, das seinerseits erst die Grundlage einer zukünftigen Lebensstellung bildet, nicht als Werbungskosten abziehbar sind.

2. Nach der typisierenden Rechtsprechung des BFH (zuletzt Senatsurteil vom 27.März 1991 VI R 52/88, BFHE 164, 272, BStBl II 1991, 637) sind Promotionskosten in aller Regel dem Bereich der Berufsausbildung zuzuordnen. Denn mit der Promotion erbringt der Doktorand den Nachweis, daß er --über das allgemeine Studienziel hinaus-- in seinem Fachgebiet zu einer selbständigen wissenschaftlichen Leistung befähigt ist (so z.B. § 94 des Gesetzes über die wissenschaftlichen Hochschulen des Landes Nordrhein-Westfalen, GVBl-NW 1979, 926). Wegen der Nähe der Promotion zur akademischen Ausbildung erscheint es dem Senat sachgerecht, Promotionsaufwendungen steuerlich gemäß § 10 Abs.1 Nr.7 EStG wie Ausbildungskosten zu behandeln (ebenso v. Bornhaupt, Die Abgrenzung von Ausbildungs- und Fortbildungskosten, Juristenzeitung 1972, 497).

3. Dem vom Kläger hervorgehobenen Umstand, daß im Streitfall die Promotion für die Befähigung zum amtstierärztlichen Dienst zwingend notwendig war und nicht aus privaten Motiven durchgeführt wurde (ebenso wie bei der Promotion von wissenschaftlichen Assistenten mit dem Berufsziel Hochschullehrer, vgl. BFH- Urteile vom 29.November 1984 IV R 267/82, nicht veröffentlicht; vom 7.August 1967 VI R 88/66, BFHE 90, 26, BStBl III 1967, 777, und vom 20.September 1957 VI 7/56 U, BFHE 65, 498, BStBl III 1957, 424), kommt keine entscheidende Bedeutung zu. Auch die sonstige Schulausbildung des Klägers --wie z.B. das Abitur-- war für seine Anstellung als Amtstierarzt zwingend notwendig, ohne daß deshalb der Werbungskostenabzug eröffnet wäre. Im übrigen würde man bei einer Differenzierung danach, ob die Dissertation für das vom Steuerpflichtigen angegebene Berufsziel notwendig oder nur nützlich erschiene, zu einer nicht mehr mit dem Gebot der Rechtssicherheit vereinbaren Kasuistik gelangen.

4. Im Streitfall können die Promotionsaufwendungen auch nicht deshalb als Werbungskosten abgezogen werden, weil die Promotion erst zu einem Zeitpunkt vom Kläger abgeschlossen wurde, als dieser bereits Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit als angestellter Tierarzt erzielte. Denn nach ständiger --vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) gebilligter-- Rechtsprechung würde es gegen den Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung verstoßen, denjenigen, der bereits in das Berufsleben eingetreten ist und die Promotion nachholt, steuerlich besser zu stellen im Vergleich zu demjenigen, der --wie im Regelfalle-- unmittelbar nach Abschluß seines Studiums promoviert. Allein der Zeitpunkt der Promotion kann für die steuerliche Einordnung nicht maßgebend sein (BFH-Urteile vom 10.Dezember 1971 VI R 112/70, BFHE 104, 197, BStBl II 1972, 251; in BFHE 90, 26, BStBl III 1967, 777; vom 7.August 1967 VI R 63/67, BFHE 90, 34, BStBl III 1967, 779; vom 16.März 1967 IV R 266/66, BFHE 89, 511, BStBl III 1967, 723; in BFHE 65, 498, BStBl III 1957, 424; BVerfG- Beschlüsse vom 10.Dezember 1973 1 BvR 348/73, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1974, 170; vom 8.Januar 1968 1 BvR 660/67, Der Betrieb 1968, 331; vom 31.März 1969 1 BvR 5/89, Betriebs-Berater 1969, 748).

5. Allerdings können Promotionskosten nach der neueren Rechtsprechung des BFH (Urteile vom 7.August 1987 VI R 60/84, BFHE 150, 435, BStBl II 1987, 780, und in BFHE 164, 272, BStBl II 1991, 637) dann als Werbungskosten anzuerkennen sein, wenn das Promotionsvorhaben selbst unmittelbar Gegenstand eines Dienstverhältnisses ist. Zwar ist auch in diesem Falle die Promotion auf die Schaffung einer beruflichen Grundlage ausgerichtet. Das Promotionsvorhaben dient hier jedoch selbst und unmittelbar der Einkunftserzielung, so daß die hiermit zusammenhängenden Aufwendungen gemäß § 9 EStG zum Abzug zuzulassen sind. Das FG hat für die Annahme eines Promotionsdienstverhältnisses zu Unrecht die Absicht des Klägers als ausreichend angesehen, die Befähigung für den amtstierärztlichen Dienst durch die Promotion zu erlangen. Wie der Senat bereits in BFHE 164, 272, BStBl II 1991, 637 für den Fall eines wissenschaftlichen Mitarbeiters der Universität entschieden hat, reicht es für ein Promotionsdienstverhältnis nicht aus, wenn das Promotionsvorhaben lediglich Voraussetzung für die Einstellung des Mitarbeiters ist und das Entgelt für die Erbringung anderweitiger Dienstleistungen gewährt wird. Erforderlich ist vielmehr, daß die Pflicht, zu promovieren, ausschließlicher oder wesentlicher Gegenstand des Dienstverhältnisses ist. Daran fehlt es, wenn --wie im Streitfall-- die Durchführung der Promotion selbst nicht Gegenstand einer Dienstverpflichtung aus dem Arbeitsvertrag ist. Der Kläger wurde nicht für das Promovieren bezahlt. Die arbeitsvertragliche Nebenverpflichtung, eine bestimmte Ausbildung --hier: die Befähigung zum amtstierärztlichen Dienst durch Ableistung des Veterinär-Referendardienstes nebst Promotion-- nachzuholen, um den Kläger möglicherweise nach erfolgreichem Abschluß der Ausbildung als Amtstierarzt anstellen zu können, macht die Promotion nicht selbst zum Gegenstand des Dienstverhältnisses.

6. Weil das FG von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen ist, war das Urteil aufzuheben. Da die Sache spruchreif ist, war die Klage abzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 64260

BFH/NV 1993, 6

BStBl II 1993, 115

BFHE 169, 193

BFHE 1993, 193

DB 1993, 72-73 (LT)

DStR 1993, 49 (KT)

DStZ 1993, 90 (KT)

HFR 1993, 69 (LT)

StE 1992, 703 (K)

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