Leitsatz (amtlich)

1. Bei der Bemessung des Teilwerts beweglicher Anlagegüter in der Eröffnungsbilanz eines Betriebserwerbers darf nicht auf die tatsächlichen Anschaffungskosten des Rechtsvorgängers abgestellt werden, wenn die Wiederbeschaffungskosten solcher Wirtschaftsgüter inzwischen erheblich gestiegen waren.

2. Bei der Schätzung des Wiederbeschaffungswerts (Teilwerts) abnutzbarer Anlagegüter kann von den z. B. aus branchenüblichen Preislisten ersichtlichen Neupreisen gleicher Güter ausgegangen werden. Diese sind um den Alters- und Abnutzungsgrad der Wirtschaftsgüter entsprechende AfA zu vermindern.

 

Normenkette

EStG 1960 § 6 Abs. 1 Nrn. 1, 7

 

Tatbestand

Streitig ist bei der einheitlichen Gewinnfeststellung für den Veranlagungszeitraum 1960, inwieweit bei dem Erwerb eines Betriebes ein Teil des Kaufpreises auf Betriebs- und Geschäftsausstattung und auf den Firmenwert entfiel (§ 6 Abs. 1 Nrn. 1, 2, 6, Abs. 2, § 7 EStG 1960).

Revisionsklägerin ist eine KG. Sie erwarb am 1. April 1959 ein Fotogeschäft. Zu dem erworbenen Betriebsvermögen gehörte eine Betriebs- und Geschäftsausstattung, die die KG in der Eröffnungsbilanz mit 47 218 DM bewertete. Auf diesen Posten nahm sie im Streitjahr Abschreibungen in Höhe von 31 080 DM vor. Davon entfielen auf geringwertige Wirtschaftsgüter (§ 6 Abs. 2 EStG) 25 768 DM und auf Absetzungen für Abnutzung (AfA) bei den sonstigen Wirtschaftsgütern 5 312 DM.

Das FA war der Auffassung, daß die KG die genannten Wirtschaftsgüter überbewertet habe. Es kürzte die Anschaffungskosten um insgesamt 21 800 DM (46 v. H.), da es der Auffassung war, daß der Teilwert der Betriebs- und Geschäftsausstattung höchstens 25 400 DM betragen habe, wie sich an Hand der von der Rechtsvorgängerin der KG tatsächlich aufgewendeten Anschaffungskosten ergebe. Dementsprechend setzte das FA die Abschreibungen herab. Dadurch ergaben sich Gewinnerhöhungen von insgesamt 14 250 DM. In dem Umfange, in dem das FA die Anschaffungskosten der Betriebs- und Geschäftsausstattung kürzte, erhöhte es den Ansatz für den erworbenen Firmenwert, den die KG in ihrer Eröffnungsbilanz mit 15 000 DM angesetzt hatte.

Die Sprungberufung blieb ohne Erfolg. Das FG führte aus, daß die von der KG angesetzten Anschaffungskosten für die Betriebs- und Geschäftsausstattung, gemessen an den von ihrer Rechtsvorgängerin aufgewendeten Anschaffungskosten, überhöht seien. Die Veräußerer hätten in den Jahren seit dem 1. Januar 1950 insgesamt rund 52 000 DM für Wirtschaftsgüter der Betriebs- und Geschäftsausstattung aufgewendet, und zwar rund 26 200 DM für geringwertige Wirtschaftsgüter und 25 700 DM für andere abnutzbare Wirtschaftsgüter. In den Jahren 1957 bis 1959 hätten die entsprechenden Aufwendungen insgesamt nur 11 400 DM betragen. Das Hauptgewicht der Anschaffungen habe somit vor dem Jahre 1957 gelegen. Die vom FA vorgenommene Bewertung sei angemessen. Das gelte auch dann, wenn man die anhaltende Preissteigerung berücksichtige. Ein Firmenwert von 41 800 DM, der sich bei der anderweitigen Verteilung des Gesamtkaufpreises ergebe, liege angesichts der Ertragslage des übernommenen Betriebes im Rahmen des Üblichen. Es handle sich um eine seit dem Jahre 1929 bestehende stadtbekannte Firma.

In ihrer Rechtsbeschwerde beantragt die KG die Aufhebung der Vorentscheidung und anderweitige einheitliche Gewinnfeststellung. Sie macht unrichtige Rechtsanwendung geltend. Die vom FA vorgenommene und vom FG gebilligte Bewertung der Betriebs- und Geschäftsausstattung verstoße gegen den Grundsatz der Einzelbewertung. Dagegen habe sie, die KG - wie schon in der Vorinstanz vorgetragen -, die in 166 Einzelpositionen erfaßten 348 Wirtschaftsgüter je für sich, ausgehend von den Wiederbeschaffungskosten unter Berücksichtigung des tatsächlichen Zustandes und der Möglichkeit einer unterbrechungslosen Betriebsfortführung bewertet. Dabei habe sie sich des deutschen Fotokatalogs 1960/1961 bedient. Die sich danach ergebenden Preise hätten auch schon für den Übernahmestichtag 1. April 1959 zugrunde gelegt werden können. Sehe man von den üblichen Einrichtungsgegenständen ab, so ergäben sich für die verbleibenden typischen Wirtschaftsgüter des Fotoeinzelhandels mit Labor Neupreise von insgesamt 29 805 DM, wogegen sie, die KG, in der Eröffnungsbilanz nur 16 430 DM angesetzt habe. Eine weitere pauschale Kürzung um 46 v. H., wie das FG sie billige, sei nicht gerechtfertigt. Die Gesellschafter der KG seien erfahrene Fachleute, daher komme ihrer Individualschätzung größere Bedeutung zu als einer Pauschalwertermittlung. Weder im Veranlagungs- noch im steuergerichtlichen Verfahren seien der tatsächliche Zustand der einzelnen Wirtschaftsgüter und der Betrag der tatsächlichen Wiederbeschaffungskosten geprüft worden. Eine Kollektivbewertung sei unzulässig. Für eine Aufstockung des Firmenwerts sei nach alledem kein Raum gewesen.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die als Revision zu behandelnde Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.

1. Bei dem entgeltlichen Erwerb eines Betriebes sind die Wirtschaftsgüter mit dem Teilwert, höchstens mit den Anschaffungs- oder Herstellungskosten anzusetzen (§ 6 Abs. 1 Nr. 7 EStG). In einem Falle wie dem vorliegenden, bei dem unter den Teilwerten liegende Bilanzansätze nicht in Betracht kommen - für niedrigere Anschaffungskosten ist nichts ersichtlich oder dargetan - sind also die Teilwerte maßgebend. Der Teilwert erworbener Wirtschaftsgüter ist bei dem Erwerber begrifflich derselbe wie derjenige, der sich im Zeitpunkt der Betriebsveräußerung für den Veräußerer ergab. Denn das Gesetz bestimmt den Teilwert als den Betrag, den ein den Betrieb im ganzen fortführender Erwerber im Rahmen des Gesamtkaufpreises für das einzelne Wirtschaftsgut ansetzen würde (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 EStG; vgl. dazu Urteil des BFH VI 226/64 vom 15. Juli 1966, BFH 86, 699, BStBl III 1966, 643). Deshalb ist für die Bemessung des Teilwerts in einer vom Betriebserwerber aufzustellenden Eröffnungsbilanz von den gleichen Grundsätzen auszugehen, die für den Ansatz von Teilwerten in Jahresbilanzen und damit auch für die Schlußbilanz des Veräußerers maßgebend wären.

Zunächst sind die von der Rechtsprechung aufgestellten Teilwert-Vermutungen von Bedeutung. Es besteht die Vermutung, daß der Teilwert abnutzbarer Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens den tatsächlichen Anschaffungskosten abzüglich der AfA entspricht (vgl. BFH-Urteile I 80/57 U vom 26. August 1958, BFH 67, 382, BStBl III 1958, 420; I 311/60 S vom 11. Juli 1961, BFH 73, 537, BStBl III 1961, 462). Insofern war es folgerichtig, daß das FA bei der Prüfung der Bilanzansätze für die Betriebs- und Geschäftsausstattung auf die von der Veräußerin aufgewendeten tatsächlichen Anschaffungskosten dieser Wirtschaftsgüter zurückging. Doch wird die Vermutung, daß die tatsächlichen Anschaffungskosten abzüglich der AfA den Wiederbeschaffungskosten entsprächen, durch den Nachweis von Preissteigerungen auf dem Beschaffungsmarkt entkräftet. Solche Preissteigerungen lagen, wie das FG selbst hervorhob, im Streitfall vor. Bei der Schätzung der Teilwerte der einzelnen Wirtschaftsgüter muß deshalb, was das FG nicht tat, die Erhöhung dieser Wiederbeschaffungskosten angemessen berücksichtigt werden. Da für die hier erworbenen gebrauchten Wirtschaftsgüter Marktpreise nicht vorhanden waren, ist für die Schätzung der Wiederbeschaffungskosten von den Neuwerten auszugehen, die nach Maßgabe des Alters- und des Abnutzungsgrades der Wirtschaftsgüter um die entsprechenden AfA zu vermindern sind (vgl. Urteil des RFH VI A 265/27 vom 30. Juni 1927, RStBl 1927, 196). Der sich so ergebende Altwert (Reproduktions-Altwert) kann mangels anderer für die Schätzung geeigneter Anhaltspunkte als Wiederbeschaffungswert und damit als Teilwert der gebrauchten Wirtschaftsgüter angesehen werden. Hieraus ergibt sich, daß die KG mit Recht den Listenpreisen für neue Wirtschaftsgüter ihrer Branche Bedeutung beigemessen hat. Die Listenpreise boten einen wichtigen Anhalt für die Schätzung der gestiegenen Wiederbeschaffungskosten, obschon sie nicht genau die Preisverhältnisse des Jahres 1959, sondern der Jahre 1960/1961 wiedergeben. Diese Zeitdifferenz ist durch einen angemessenen Abschlag zu berücksichtigen. Da die vom FA vorgenommene und vom FG gebilligte Schätzung jedenfalls nicht das Hauptgewicht auf die Ermittlung der tatsächlichen Anschaffungskosten der Rechtsvorgängerin der KG hätte legen dürfen, muß die Vorentscheidung aufgehoben werden.

2. Bei der vom FG erneut vorzunehmenden Schätzung der Teilwerte der erworbenen Wirtschaftsgüter und der auf ihr beruhenden Ermittlung der Abschreibungen nach § 6 Abs. 2 EStG und der AfA nach § 7 Abs. 1 EStG muß allerdings der von der KG angewandte weitere Bewertungsgesichtspunkt außer Betracht bleiben, daß die KG sich durch den Erwerb der spezifischen Branche-Gegenstände, die einen hohen Anteil der gesamten Betriebs- und Geschäftsausstattung ausgemacht hätten (63 v. H.), die Möglichkeit einer unterbrechungslosen Betriebsfortführung verschafft habe. Denn eine mit dieser Erwägung begründete Erhöhung der Wertansätze ist mit dem Teilwert-Begriff in Verbindung mit dem Grundsatz der Einzelbewertung (§ 6 Abs. 1 EStG) nicht vereinbar. Die noch vom RFH vertretene Auffassung, daß bei sogenannten betriebsarteigenen Wirtschaftsgütern der Teilwert über den gewöhnlichen Wiederbeschaffungskosten liegen könne und an einer sich aus dem ebengenannten Grunde ergebenden höheren Rentabilität des erworbenen Betriebes teilnehme, hat der BFH aufgegeben (vgl. Urteile IV 469/51 U vom 15. Mai 1952, BFH 56, 436, BStBl III 1952, 169; I 117/54 U vom 11. Oktober 1955, BFH 62, 27, BStBl III 1956, 11; I 118/55 U vom 3. Juli 1956, BFH 63, 135, BStBl III 1956, 46). Es handelt sich insoweit um Umstände, die nicht bei der Bewertung der einzelnen Wirtschaftsgüter zu Buche schlagen dürfen, sondern die den Geschäftswert erhöhen.

3. Es bestehen keine rechtlichen Bedenken dagegen, in Höhe der Kürzungen, die sich bei der nach den vorstehenden Grundsätzen vorzunehmenden Bewertung der Betriebs- und Geschäftsausstattung ergeben werden, den Bilanzansatz für den Firmenwert aufzustocken. Denn Mehraufwendungen, die nicht auf einzelne Wirtschaftsgüter entfallen, sind grundsätzlich als auf den Geschäftswert gemacht anzusehen (vgl. BFH-Urteil I 229/59 U vom 11. Oktober 1960, BFH 71, 695, BStBl III 1960, 509). Es ist unstreitig, daß ein Firmenwert bestand und bezahlt wurde. Die KG selbst hatte in der Eröffnungsbilanz vom 1. April 1959 einen Betrag von 15 000 DM angesetzt. Streitig war lediglich die Höhe des Firmenwerts. Bei seiner Bemessung muß auch berücksichtigt werden, daß es sich, wie das FG hervorhob, um ein seit 30 Jahren bestehendes stadtbekanntes Geschäft handelte und der Firmenwert somit nicht nur auf persönlichen Momenten, sondern in erheblichem Maße auch auf objektbezogenen Faktoren beruhte.

 

Fundstellen

Haufe-Index 68886

BStBl II 1970, 205

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