Entscheidungsstichwort (Thema)

Fehlerhafter Prozeßvollmachtsnachweis; Ausschlußfrist

 

Leitsatz (NV)

1. Hat das FG die durch einen Bevollmächtigten erhobene Klage durch Prozeßurteil als unzulässig abgewiesen, weil die Prozeßvollmacht nicht ordnungsgemäß (Fotokopie statt Original) nachgewiesen wurde, so kann der Mangel der Vollmacht im Revisionsverfahren behoben werden, wenn bereits vor Erlaß des Prozeßurteils eine schriftliche Vollmacht ausgestellt war und eine Ausschlußfrist nach § 62 Abs. 3 Satz 3 FGO nicht wirksam gesetzt worden ist.

2. Eine Ausschlußfrist nach § 62 Abs. 3 Satz 3 FGO ist dann nicht wirksam gesetzt worden, wenn die Aktenverfügung nicht unterschrieben wurde und wenn dem Adressaten nicht eine vom Richter unterschriebene Urschrift, sondern eine Ausfertigung bekanntgegeben worden ist.

 

Normenkette

FGO § 62 Abs. 3, § 120 Abs. 2 S. 2

 

Verfahrensgang

FG Rheinland-Pfalz

 

Tatbestand

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) erhoben Klage gegen den Einkommensteuerbescheid 1991 des Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt -- FA --). Der Klageschrift war keine Prozeßvollmacht beigefügt. Dem Prozeßbevollmächtigten wurde vom Vorsitzenden des zuständigen Senats des Finanzgerichts (FG) mit Schreiben vom 30. November 1994 aufgegeben, innerhalb einer Ausschlußfrist eine schriftliche Prozeßvollmacht der Kläger vorzulegen. Die dem Schreiben zugrundeliegende Aktenverfügung ist nicht unterschrieben.

Der Prozeßbevollmächtigte reichte innerhalb der Ausschlußfrist eine von ihm anwaltlich beglaubigte Fotokopie der Vollmachtsurkunde vom 25. November 1994 ein.

Das FG wies die Klage als unzulässig ab, weil innerhalb der Ausschlußfrist keine wirksame Prozeßvollmacht vorgelegt worden sei; eine Ablichtung der Originalvollmacht entspreche nicht den gesetzlichen Anforderungen.

Die Kläger haben mit ihrer innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Urteils eingegangenen Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision die Originalvollmacht vom 25. November 1994 vorgelegt. Sie machen mit der Revision geltend, das FG habe gegen seine Hinweispflicht nach § 76 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) verstoßen. Wären sie auf die Notwendigkeit, die Prozeßvollmacht im Original vorzulegen, hingewiesen worden, hätten sie dem sofort entsprochen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

I. Die Revision ist zulässig. Zwar muß die Revision nach § 120 Abs. 2 Satz 2 FGO einen "bestimmten Antrag" enthalten. Dies bedeutet entgegen der Auffassung des FA aber nicht, daß er ziffernmäßig oder sonst bis ins einzelne genau formuliert sein muß. Ein förmlicher Antrag ist entbehrlich, wenn sich aus der Revisionsbegründung eindeutig ergibt, inwieweit sich der Revisionskläger durch das angefochtene Urteil beschwert fühlt und er eine Änderung erstrebt (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 11. November 1983 III R 25/77, BFHE 140, 289, BStBl II 1984, 187, 188).

Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt. Der Revisionsbegründung ist eindeutig zu entnehmen, daß die Kläger die Aufhebung des angefochtenen Prozeßurteils und eine Sachentscheidung begehren. In der Sache selbst waren -- wie das FA selbst im Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde im Schriftsatz vom 31. Oktober 1995 vorgetragen hat -- lediglich die Absetzungen für Abnutzung von den Anschaffungskosten eines Computers streitig. In der Revisionsbegründung machen die Kläger ausdrücklich geltend, daß eine Sachentscheidung zu ihren Gunsten ergehen müsse, da der Computer ausschließlich für berufliche Zwecke genutzt werde.

II. Die Revision der Kläger ist auch begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO). Der Mangel, daß die Prozeßvollmacht im Klageverfahren nicht im Original vorgelegt worden ist, ist im Revisionsverfahren durch Einreichung der Originalvollmacht geheilt worden.

1. Das FG ist rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, daß der nach § 62 Abs. 3 Satz 1 FGO erforderliche Nachweis der Bevollmächtigung nur durch die Vorlage der schriftlichen Vollmacht im Original geführt werden kann (vgl. BFH-Urteile vom 28. November 1995 VII R 63/95, BFHE 179, 5, BStBl II 1996, 105; vom 14. März 1996 IV R 44/95, BFHE 179, 569, BStBl II 1996, 319). Im Streitfall hat die Originalvollmacht dem FG bis zum Erlaß des Prozeßurteils nicht vorgelegen. Der Prozeß bevollmächtigte der Kläger hat dem FG lediglich eine beglaubigte Fotokopie der Vollmachtsurkunde vom 25. November 1994 überreicht. Dies reicht nicht aus.

Gleichwohl kann das Prozeßurteil des FG keinen Bestand haben. Der Gemeinsame Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes hat nämlich mit Beschluß vom 17. April 1984 GmS-OGB 2/83 (Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1984, 389) entschieden, daß eine Heilung des Mangels der Vollmacht im Rechtsmittelverfahren dann möglich ist, wenn eine schriftlich erteilte Vollmacht bereits vor Erlaß des Prozeßurteils der Vorinstanz ausgestellt worden war (vgl. auch BFH-Urteil vom 4. Juli 1984 II R 188/82, BFHE 142, 3, BStBl II 1984, 831).

Im Streitfall ist durch Vorlage der Originalvollmacht vom 25. November 1994 nachgewiesen worden, daß die schriftliche Prozeßvollmacht bereits vor Erlaß des Prozeßurteils vom 21. August 1995 erteilt worden war. An der Echtheit der Originalurkunde -- deren beglaubigte Fotokopie der Prozeßbevollmächtigte dem FG im Klageverfahren mit Schreiben vom 5. Dezember 1994 übersandt hatte -- bestehen keine Zweifel. Der Prozeßbevollmächtigte hat die Originalvollmacht mit der Beschwerdeschrift gegen die Nichtzulassung der Revision beim FG eingereicht. Auf den Inhalt dieses Schriftsatzes ist in der Revisionsbegründung unter Beifügung einer beglaubigten Abschrift Bezug genommen worden. Damit ist der Mangel der Vorlage der schriftlichen Original-Prozeßvollmacht im Revisionsverfahren geheilt worden.

2. Allerdings tritt eine Heilung des Mangels der Vorlage der schriftlichen Original- Prozeßvollmacht -- vorbehaltlich einer eventuellen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 56 FGO -- dann nicht ein, wenn eine Ausschlußfrist nach § 62 Abs. 3 Satz 3 FGO -- früher Art. 1 § 1 des Gesetzes zur Entlastung der Gerichte in der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit -- wirksam gesetzt und ungenutzt verstrichen war (BFH-Urteil in BFHE 142, 3, BStBl II 1984, 831; BFH-Beschluß vom 21. Juli 1989 VIII R 16/85, BFH/NV 1990, 252; BFH-Urteil vom 6. September 1989 II R 62/86, BFH/NV 1990, 447). Im Streitfall ist im Schreiben des Vorsitzenden vom 30. November 1994 an den Prozeßbevollmächtigten eine Ausschlußfrist nicht wirksam gesetzt worden.

Eine Ausschlußfrist ist nur dann wirksam gesetzt worden, wenn die Aktenverfügung von dem Vorsitzenden bzw. Berichterstatter des für die Bearbeitung der Sache zuständigen Senats bzw. von dem zuständigen Einzelrichter mit vollem Namen und nicht nur mit einer Paraphe unterschrieben ist (BFH- Urteile vom 14. April 1983 V R 4/80, BFHE 138, 21, BStBl II 1983, 421; vom 30. März 1988 I R 140/87, BFHE 153, 388, BStBl II 1988, 836, 838; vom 11. November 1987 I R 15/84, BFH/NV 1989, 41). Wird dem Adressaten die vom Richter unterschriebene Verfügung in Urschrift bekanntgegeben, ist die Fristsetzung auch wirksam, wenn das bei den FG-Akten verbleibende Exemplar der richterlichen Verfügung lediglich mittels Handzeichen abgezeichnet worden ist (BFH-Urteil vom 14. Juni 1984 I R 152/81, BFHE 141, 455, BStBl II 1984, 841).

Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht erfüllt. Denn dem Prozeßbevollmächtigten ist das Schreiben vom 30. November 1994 nicht in Urschrift, sondern als Aus fertigung übersandt worden. Die Aktenverfügung vom 30. November 1994, auf der dieses Schreiben beruht, trägt keine Unterschrift.

Deshalb ist im Streitfall nicht mehr entscheidungserheblich, ob den Klägern nach den Grundsätzen, die der IV. Senat des BFH im Urteil in BFHE 179, 569, BStBl II 1996, 319 aufgestellt hat, wegen der Fristversäumung Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 56 FGO zu gewähren wäre.

3. Da der Mangel der fehlenden Originalvollmacht geheilt worden ist, war das Prozeßurteil der Vorinstanz aufzuheben. Die Sache ist entgegen der Auffassung des FA nicht im Sinne einer Abweisung der Klage als unbegründet spruchreif. Denn ob Aufwendungen für die Anschaffung eines Computers als Werbungskosten abgezogen werden könnten, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles. Das FG hat zu dieser Frage bisher noch keine tatsächlichen Feststellungen getroffen. Es wird dies im zweiten Rechtsgang nachzuholen haben.

 

Fundstellen

Haufe-Index 421711

BFH/NV 1997, 135

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