Entscheidungsstichwort (Thema)

Verneinung freiberuflicher Tätigkeit bei einem Fahrschulbetrieb

 

Leitsatz (NV)

1. Voraussetzung für die Annahme eigenverantwortlicher Unterrichtstätigkeit i. S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG ist, daß die für diese Tätigkeit charakteristische persönliche Beziehung des Unterrichtenden zum Schüler hergestellt wird.

2. Aus einer Rechtsvorschrift abzuleitende Obersätze lassen sich für die Anwendung der Vorschrift auch solchen gerichtlichen Entscheidungen entnehmen, deren Sachverhalt mit dem zu beurteilenden Fall nicht in jeder Einzelheit übereinstimmt, sofern die Obersätze die Gemeinsamkeiten betreffen, nicht die Unterschiede.

3. Soweit gegen den festgestellten Sachverhalt keine zulässige und begründete Verfahrensrüge erhoben worden ist, kann das Revisionsgericht nur anhand des festgestellten Sachverhalts prüfen, ob das angefochtene Urteil auf zutreffender oder unzutreffender Rechtsanwendung beruht.

4. Die Beweiswürdigung wie sonstige Elemente der tatsächlichen Feststellung können nur mit der Begründung in Zweifel gezogen werden, daß sie entweder ein nach den Denkgesetzen oder allgemeinen Erfahrungssätzen unmögliches Ergebnis erbracht hätten, insbesondere in sich widersprüchlich seien, oder daß in Beziehung auf das bei der richterlichen Überzeugungsbildung zu beachtende Verfahren Rechtsnormen nicht oder nicht richtig angewendet worden seien.

 

Normenkette

EStG § 18 Abs. 1 Nr. 1; GewStG § 2 Abs. 1 Sätze 1-2, §§ 14, 16; UStG 1967/1973 § 12 Abs. 2 Nr. 5

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger), der die Fahrlehrererlaubnis und die Fahrschulerlaubnis besitzt, ist Inhaber einer Fahrschule. Im Streitjahr (1977) beschäftigte er . . . Fahrlehrer sowie weitere sog. Abendfahrlehrer, und zwar . . . Fahrlehrer in einem Zeitraum von . . . Monaten, . . . Fahrlehrer für . . . Monate und . . . weitere für . . . Monate. Im kaufmännischen Bereich waren für den Kläger . . . Arbeitnehmer tätig. Die Fahrschule nimmt jährlich ca. . . . bis . . . neue Fahrschüler auf. Die Zahl der Fahrprüfungen beträgt etwa . . . im Jahr. Zur selben Zeit durchlaufen ca. . . . bis . . . Fahrschüler die Ausbildung. Jeder Schüler erhält ca. . . . bis . . . Fahrstunden.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das FA) stellte bzw. setzte mit Gewerbesteuermeßbescheid (GewSt-Meßbescheid) und Gewerbesteuerbescheid (GewSt-Bescheid) 1977 vom . . . 1980 einen einheitlichen GewSt-Meßbetrag von . . . DM und dementsprechend eine GewSt-Schuld von . . . DM fest. Außerdem setzte das FA mit Umsatzsteuer-Bescheid 1977 (USt) vom . . . 1980 - unter Anwendung des normalen Steuersatzes - die USt 1977 auf . . . DM fest.

Mit der nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage machte der Kl. geltend, er übe mit der Fahrschule eine freiberufliche Tätigkeit aus. Dementsprechend unterhalte er keinen Gewerbebetrieb. Die von ihm bewirkten Umsätze hätten gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 5 UStG 1967/1973 nur mit dem ermäßigten Steuersatz zur USt herangezogen werden dürfen.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit der Begründung ab, durch sein die ESt 1977 betreffendes Urteil vom selben Tage sei entschieden worden, daß der Kl. mit dem Betrieb der Fahrschule keine freiberufliche (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG), sondern eine gewerbliche Tätigkeit ausgeübt habe (§ 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG). Auf die Begründung dieses Urteils werde hingewiesen. Da der Kl. einen Gewerbebetrieb unterhalten habe, unterliege er der GewSt (§ 2 Abs. 1 Satz 1 GewStG). Demnach beständen gegen die Rechtmäßigkeit des GewSt-Meßbescheides und GewSt-Bescheides keine Bedenken. Entsprechendes gelte für den USt-Bescheid. Der Kl. könne die USt-Vergünstigung des § 12 Abs. 2 Nr. 5 UStG 1967/1973 nicht in Anspruch nehmen, da er nicht Angehöriger eines freien Berufes i. S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG sei. Das FA habe die Umsätze des Kl. deshalb zutreffend mit dem allgemeinen Steuersatz (§ 12 Abs. 1 UStG 1967/1973) zur USt herangezogen.

Mit der Revision beantragt der Kl. unter Aufhebung der Vorentscheidung den GewSt-Meßbescheid und den GewSt-Bescheid 1977 ersatzlos aufzuheben sowie den USt-Bescheid 1977 dahin zu ändern, daß die Umsätze des Fahrschulbetriebes dem ermäßigten Steuersatz unterworfen werden. Zur Begründung macht er geltend, das FG habe materielles Recht verletzt, indem es den Betrieb der Fahrschule nicht als freiberufliche Tätigkeit gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG, sondern als gewerbliche Tätigkeit gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG eingeordnet habe. Hierdurch sei er zu Unrecht zur GewSt herangezogen worden. Außerdem sei wegen der Nichtanerkennung der freiberuflichen Tätigkeit die USt mit dem allgemeinen Steuersatz gemäß § 12 Abs. 1 UStG 1967/1973 errechnet worden. Insoweit liege ein Verstoß gegen § 12 Abs. 2 Nr. 5 UStG 1967/1973 vor.

Zur weiteren Begründung der Revision werde, um Wiederholungen zu vermeiden, auf die Ausführungen in der Revisionsbegründungsschrift vom selben Tage gegen das Urteil des FG in der ESt-Sache 1977 verwiesen. Dort habe er dargelegt, daß die Voraussetzungen für die Anerkennung der freiberuflichen Tätigkeit gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG erfüllt seien.

Das FA ist der Revision entgegengetreten.

Die vom Kl. in der ESt-Sache 1977 eingelegte Revision wurde vom Senat durch Beschluß vom 7. November 1985 V R 88/85 als unzulässig verworfen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Kl. ist unbegründet; sie war zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO). Das angefochtene Urteil verletzt nicht revisibles Recht (vgl. § 118 Abs. 1 FGO), insbesondere nicht den § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG.

1. Das FG hat im angefochtenen Urteil die Klage sowohl zur Festsetzung der USt 1977 als auch zur Feststellung eines einheitlichen GewSt-Meßbetrages 1977 und zur Festsetzung der GewSt 1977 abgewiesen. In beiderlei Hinsicht kommt es auf die Auslegung und Anwendung des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG an, dessen Verletzung durch das FG vom Kl. gerügt wird.

a) Bei der Festsetzung der USt 1977 wäre der ermäßigte Steuersatz gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 5 UStG 1967/1973 nur dann anzuwenden gewesen, wenn es sich bei den besteuerten Umsätzen um Leistungen des Klägers aus einer Tätigkeit als Angehöriger eines freien Berufes i. S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG gehandelt hätte.

b) Die Feststellung eines einheitlichen GewSt-Meßbetrags 1977 und die Festsetzung der GewSt 1977 (vgl. §§ 14 und 16 GewStG) haben zur Voraussetzung, daß der Betrieb des Klägers einen Gewerbebetrieb i. S. des § 2 Abs. 1 Sätze 1 und 2 GewStG darstellt, worunter ein gewerbliches Unternehmen i. S. des EStG zu verstehen ist. Ein Gewerbebetrieb läge unter den gegebenen Umständen dann nicht vor, wenn der Kläger mit seiner Fahrschule Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit i. S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG erzielt hätte (vgl. Glanegger / Güroff, Gewerbesteuergesetz, § 2 Anm. 88).

2. Entgegen der Ansicht des Kl. hat das FG in seiner Entscheidung § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG nicht fehlerhaft ausgelegt und angewendet.

a) Die im angefochtenen Urteil enthaltenen Entscheidungsgründe in Verbindung mit den in Bezug genommenen Entscheidungsgründen des die ESt 1977 betreffenden Urteils ergeben, daß das FG eine selbständig ausgeübte unterrichtende Tätigkeit grundsätzlich als freiberufliche Tätigkeit ansieht, und zwar auch dann, wenn sich der Unterrichtende der Mithilfe fachlich vorgebildeter Arbeitskräfte bedient, vorausgesetzt, daß er auf Grund eigener Fachkenntnisse leitend und eigenverantwortlich tätig wird (vgl. § 18 Abs. 1 Nr. 1 Sätze 2 und 3 EStG). Hinsichtlich des Merkmals der Eigenverantwortlichkeit ist das FG unter Hinweis auf einschlägige Rechtsprechung des BFH (BFH-Urteile vom 25. Oktober 1963 IV 373/60 U, BFHE 77, 750, BStBl III 1963, 595; vom 29. Juli 1965 IV 61/65 U, BFHE 83, 154, BStBl III 1965, 557; vom 11. September 1968 I R 173/66, BFHE 93, 468, BStBl II 1968, 820; vom 13. Dezember 1973 I R 138/71, BFHE 111, 105, BStBl II 1974, 213; vom 25. November 1975 VIII R 116/74, BFHE 117, 247, BStBl II 1976, 155) zu dem Ergebnis gelangt, Voraussetzung für die Annahme eigenverantwortlicher Unterrichtstätigkeit sei, daß die für diese Tätigkeit charakteristische persönliche Beziehung des Unterrichtenden zum Schüler hergestellt wird. Diese Voraussetzung sei erfüllt, wenn der betreffende Steuerpflichtige selbst unterrichtet. Aber auch ein regelmäßiges Eingreifen des Schulleiters in den Unterricht anderer Lehrkräfte, d. h. das Mitgestalten solcher Unterrichtsveranstaltungen, könne dazu beitragen, eine derartige Beziehung zu begründen. In einem solchen Falle könne das Mitwirken des Schulleiters ebenfalls dem Unterricht den Stempel seiner Persönlichkeit aufdrücken.

Das Vorliegen der Eigenverantwortlichkeit hat das FG im Hinblick darauf verneint, daß die Erteilung theoretischen und praktischen Unterrichts seitens des Kl. nur gering gewesen sei und daß der Kl. auch nicht regelmäßig in den Unterricht anderer Lehrkräfte eingegriffen habe; dies ist vom FG näher dargelegt worden.

b) Angesichts dessen können die Revisionsangriffe des Kl. keinen Erfolg haben.

aa) Das FG hat § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG nicht unzutreffend interpretiert. Es ist bei der Auslegung der Vorschrift, insbesondere bei der Auslegung des Tatbetandsmerkmales der Eigenverantwortlichkeit, der ständigen BFH-Rechtsprechung gefolgt (vgl. die Rechtsprechungshinweise unter II. 2. a; siehe auch BFH-Urteil vom 1. April 1982 IV R 130/79, unter 3, BFHE 136, 86, BStBl II 1982, 589). Hiervon geht auch der Kl. im wesentlichen aus. Er macht mit seiner Revision zwar geltend, die zur Begründung der angefochtenen Entscheidung angeführte BFH-Rechtsprechung treffe mit Ausnahme des BFH-Urteils in BFHE 111, 105, BStBl II 1974, 213 nicht den vorliegenden Fall. Damit hat der Kläger aber keine Anhaltspunkte dafür vorgebracht, daß das FG bei der Auslegung des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG unzutreffende Obersätze der Vorschrift entnommen habe; hierfür besteht auch im übrigen kein Anhalt. Der Kl. will, genaugenommen, beanstanden, daß die den zitierten Entscheidungen zugrundeliegenden Sachverhalte überwiegend mit dem vorliegenden Streitfall nicht vergleichbar seien, insbesondere nicht die Unterrichtserteilung beträfen. Damit läßt sich jedoch nicht fehlerhafte Rechtsanwendung begründen. Aus einer Rechtsvorschrift abzuleitende Obersätze lassen sich für die Anwendung der Vorschrift auch aus solchen Entscheidungen entnehmen, deren Sachverhalte mit dem zu würdigenden Fall nicht in jeder Einzelheit übereinstimmen. Dies allerdings hat zur Voraussetzung, daß die Obersätze die Gemeinsamkeiten betreffen, nicht die Unterschiede. Hiergegen hat das FG nicht verstoßen.

bb) Soweit der Kl. im Rahmen der Auseinandersetzung mit den Feststellungen des FG neue Tatsachen vorträgt (z. B. Hinweis auf wöchentlich stattfindende Fahrlehrerbesprechungen und auf das Vorhandensein schriftlicher Ausbildungsanweisungen), versagt die vom Kl. allein erhobene materiell-rechtliche Rüge. Das Fehlen entsprechender Feststellungen hätte nur mit einer - vom Kläger nicht vorgebrachten - Verfahrensrüge bemängelt werden können. Soweit gegen den festgestellten Sachverhalt keine zulässige und begründete Verfahrensrüge erhoben worden ist, kann das Revisionsgericht nur anhand des festgestellten Sachverhalts prüfen (vgl. § 118 Abs. 2 FGO), ob das angefochtene Urteil auf zutreffender oder unzutreffender Rechtsanwendung beruht (vgl. BFH-Beschluß vom 5. November 1968 II R 118/67, BFHE 94, 116, BStBl II 1969, 84).

cc) Im übrigen rügt der Kl., daß das FG bei der Beweiswürdigung im angefochtenen Urteil zu einem anderen Ergebnis hätte kommen sollen. Insoweit kann die Revision keinen Erfolg haben, weil die Beweiswürdigung wie sonstige Elemente der tatsächlichen Feststellung nur mit der Begründung in Zweifel gezogen werden kann, daß sie entweder ein nach den Denkgesetzen oder allgemeinen Erfahrungssätzen unmögliches Ergebnis erbracht habe, insbesondere in sich widersprüchlich sei, oder daß in Beziehung auf das bei der richterlichen Überzeugungsbildung zu beachtende Verfahren Rechtsnormen nicht oder nicht richtig angewendet worden seien (vgl. BFH-Beschluß in BFHE 94, 116, BStBl II 1969, 84). Derartige Revisionsrügen hat der Kläger nicht vorgebracht.

 

Fundstellen

Haufe-Index 417294

BFH/NV 1991, 848

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