Leitsatz (amtlich)

Behauptet ein Kläger, der gegen einen Grunderwerbsteuerbescheid Anfechtungsklage erhoben hat, daß der strittige Grundstückserwerb inzwischen rückgängig gemacht worden sei, so darf er den hieraus folgenden Anspruch auf Aufhebung des Steuerbescheides im Wege des Verpflichtungsantrages in dem anhängigen finanzgerichtlichen Verfahren geltend machen, wenn für diesen Anspruch alle Prozeßvoraussetzungen erfüllt sind.

 

Orientierungssatz

1. Eine Sprungverpflichtungsklage i.S. des § 45 Abs. 1 FGO (vgl. dazu BFH-Beschluß vom 21.1.1985 GrS 1/83) setzt voraus, daß das FA zuvor einen Antrag auf Erlaß eines entsprechenden Verwaltungsaktes durch Verwaltungsakt abgelehnt hat.

2. NV: Die Anwendung des § 9 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 GrEStG Nordrhein-Westfalen (Rettungserwerb) erfordert, daß das mit einem Pfandrecht belastete Grundstück durch den Grundpfandgläubiger erworben wird. Diese Voraussetzungen sind grundsätzlich dann nicht erfüllt, wenn eine GbR, die als selbständiger Rechtsträger gilt, ein Grundstück erwirbt, ohne selbst Grundpfandgläubigerin zu sein. Nicht ausreichend ist es, daß die Gesellschafter der GbR Grundpfandgläubiger sind. Etwas anderes läßt sich auch nicht aus dem BFH-Urteil vom 28.1.1981 II R 146/75 herleiten.

 

Normenkette

FGO §§ 44, 45 Abs. 1, § 67; GrEStG 1983 § 16; GrEStG NW § 9 Abs. 1; GrEStG NW § 9 Abs. 3

 

Tatbestand

Die Klägerin ist eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) mit drei Gesellschaftern, die am 20.August 1982 gegründet worden ist. Die drei Gesellschafter kauften durch notariell beurkundeten Vertrag vom 26.August 1982 "im Rechtsverhältnis einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts" ein bebautes Grundstück.

++/ Verkäufer war der Konkursverwalter über das Vermögen der 1980 in Konkurs gegangenen Grundstückseigentümerin, einer KG. Im Grundbuch war zu diesem Zeitpunkt ein Zwangsversteigerungsvermerk eingetragen.

Soweit die eingetragenen Grundschulden Fremdgrundschulden waren, standen sie vor Abschluß des Kaufvertrages der X Bank und der Y Bank zur Sicherung von Forderungen zu. Die der Y Bank zustehende Forderung betrug rd. ... DM, die von einem der Gesellschafter der Klägerin, nämlich der A GmbH, abgelöst wurde. Die Y Bank trat aus diesem Anlaß die ihr zustehenden Grundschulden am 27.August 1982 an die A GmbH ab. /++

Gegen die Festsetzung der Grunderwerbsteuer durch das beklagte Finanzamt (FA) legte die Klägerin Einspruch ein ++/ und machte geltend, daß der Erwerbsvorgang gemäß § 9 Abs.3 des früheren Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) in der in Nordrhein-Westfalen geltenden Fassung von der Grunderwerbsteuer befreit sei. Im einzelnen trug sie vor:

Die A GmbH habe der späteren Gemeinschuldnerin 1979 ein Darlehen in Höhe von ... DM gegeben und dabei als Treuhänderin für Z gehandelt. Dieses Darlehen sei u.a. durch Abtretung der der späteren Gemeinschuldnerin zustehenden Ansprüche auf Rückgewähr der der Y Bank eingeräumten Grundschulden gesichert worden. Daraus folge, daß die A GmbH Grundpfandgläubigerin i.S. des § 9 Abs.5 GrEStG gewesen sei.

Für die Darlehensforderungen hätten sich die beiden anderen Gesellschafter der Klägerin in Höhe von jeweils von 15 v.H. selbstschuldnerisch verbürgt. Die Bürgschaftsübernahme sei erfolgt, weil die Bürgen zu 15 v.H. als stille Gesellschafter an der Gemeinschuldnerin beteiligt gewesen seien. Die A GmbH und die beiden Bürgen hätten sich am 20.August 1982 zu einer GbR zusammengeschlossen, um die gegen die Gemeinschuldnerin bestehenden Darlehensansprüche bestmöglich realisieren zu können. /++

Durch seine Einspruchsentscheidung ermäßigte das FA die Grunderwerbsteuer, ++/ erkannte aber das Vorliegen der Voraussetzungen für einen steuerbegünstigten Rettungserwerb nicht an. /++

Mit ihrer Klage hat die Klägerin die Aufhebung des angefochtenen Bescheides in der Gestalt der Einspruchsentscheidung beantragt.

Während des finanzgerichtlichen Verfahrens ist durch privatschriftlichen Vertrag vom 1.November 1983 die Aufhebung des Kaufvertrages vom 26.August 1982 vereinbart und am 1.Dezember 1983 ein neuer notariell beurkundeter Kaufvertrag abgeschlossen worden, durch den nunmehr die beiden Gesellschafter, die Bürgschaft geleistet haben sollen, das Grundstück in GbR kauften. Die Klägerin hat im finanzgerichtlichen Verfahren die Meinung vertreten, daß der Steuerbescheid jedenfalls wegen der Rückgängigmachung des Erwerbsvorganges aufgehoben werden müsse. Das FA hat dem widersprochen.

Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen. Es hat die Klage insoweit als unzulässig angesehen, als die Klägerin ihren Klageantrag auf § 17 GrEStG gestützt hat, im übrigen sei die Klage unbegründet.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist unbegründet.

1. Der erkennende Senat beurteilt die von den drei Gesellschaftern (in GbR) erhobene Klage und die entsprechende Revision als von der GbR erhoben (vgl. hierzu das Senatsurteil vom 11.Februar 1987 II R 103/84, BFHE 149, 12, BStBl II 1987, 325).

2. Der Senat folgt dem FG darin, daß der Antrag der Klägerin, den Steuerbescheid wegen Rückgängigmachung des Erwerbs aufzuheben, im vorliegenden Fall unzulässig war.

Der Senat ist allerdings der Auffassung, daß ein Kläger unter bestimmten Voraussetzungen die während des finanzgerichtlichen Verfahrens eintretende Rückgängigmachung eines Erwerbs noch in diesem Verfahren geltend machen darf, wobei es unerheblich ist, ob bereits § 16 GrEStG 1983 oder noch der frühere § 17 GrEStG anzuwenden ist. Der Anspruch aus § 17 GrEStG bzw. § 16 GrEStG 1983 tritt als ein weiterer (gegenläufiger) Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis i.S. des § 37 Abs.1 der Abgabenordnung (AO 1977) selbständig neben den Steueranspruch (vgl. Schultze/Förger, Grunderwerbsteuer-Kommentar, Bundesrecht, 4.Aufl., § 17 Tz.1), über den regelmäßig gesondert entschieden wird (vgl. das Senatsurteil vom 9.November 1983 II R 71/82, BFHE 140, 13, BStBl II 1984, 446). Hieran hat sich nach Auffassung des Senats auch durch das neue GrEStG 1983 nichts geändert (anderer Meinung Boruttau/Egly/Sigloch, Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 12.Aufl., § 16 Tz.327). Es ist nicht ersichtlich, daß die geänderte Fassung der Vorschrift (vgl. hierzu BTDrucks 9/2114) bewirken sollte, daß die Rückgängigmachung eines Erwerbsvorganges von Amts wegen in ein wegen der Anfechtung des Steuerbescheids anhängiges finanzgerichtliches Verfahren einzubeziehen sei. Der Senat bleibt deshalb dabei, daß das prozessuale Anliegen in diesem Falle durch die Verpflichtungsklage in der Gestalt der Vornahmeklage zu verfolgen ist (vgl. BFHE 140, 13, BStBl II 1984, 446).

Der Kläger darf allerdings einen entsprechenden prozessualen Anspruch im Wege der Klageänderung nach § 67 der Finanzgerichtsordnung (FGO) neu in einen Anfechtungsprozeß einführen (so auch Hofmann, Kommentar zum Grunderwerbsteuergesetz, 5.Aufl., § 16 Tz.9), wenn der Beklagte einwilligt oder das Gericht dies für sachdienlich hält. Zu den Fällen der Klageänderung gehören auch die Fälle, in denen im Wege der Klagehäufung ein weiterer Klagegegenstand in das Verfahren eingeführt wird, hier: im Sinne der eventuellen Klagenhäufung (vgl. Gräber, Finanzgerichtsordnung, 2.Aufl., § 67 Tz.6).

Dies ändert aber nichts daran, daß auch hinsichtlich der geänderten (neuen) Klage alle Prozeßvoraussetzungen vorliegen müssen. Das bedeutet im vorliegenden Fall, daß wegen des Anspruchs aus § 17 GrEStG bzw. § 16 GrEStG 1983 regelmäßig das außergerichtliche Rechtsbehelfsverfahren abgeschlossen sein muß (vgl. § 44 Abs.1 FGO), ehe der entsprechende prozessuale Anspruch in das Verfahren eingeführt werden darf. Daran fehlt es im vorliegenden Falle.

Ausnahmsweise ist allerdings auch eine Sprungverpflichtungsklage i.S. des § 45 Abs.1 FGO möglich (vgl. zur Sprungverpflichtungsklage den Beschluß vom 21.Januar 1985 GrS 1/83, BFHE 143, 112, BStBl II 1985, 303). Die Sprungverpflichtungsklage setzt aber voraus, daß das FA zuvor einen Antrag auf Erlaß eines entsprechenden Verwaltungsaktes durch Verwaltungsakt abgelehnt hat. Das ist hier nicht der Fall. Die Klägerin hat vielmehr ihren behaupteten Anspruch sofort beim FG geltend gemacht, ohne daß zuvor eine Entscheidung des FA über diesen Anspruch herbeigeführt worden ist. Auch die schriftlichen Äußerungen des FA gegenüber dem FG zu dieser Frage beinhalten keinen ablehnenden Verwaltungsakt. Unter diesen Umständen hat es das FG im Ergebnis zu Recht abgelehnt, über einen Anspruch aus § 17 GrEStG bzw. § 16 GrEStG 1983 zu entscheiden.

++/ 3. Ein Rettungserwerb i.S. des § 9 Abs.3 i.V.m. Abs.1 GrEStG liegt schon deshalb nicht vor, weil nicht die Klägerin, sondern allenfalls ihre Gesellschafter Grundpfandgläubiger waren. Ob die Gesellschafter Grundpfandgläubiger waren, kann deshalb offenbleiben.

Die Anwendung der genannten Vorschrift erfordert, daß das mit einem Pfandrecht belastete Grundstück durch den Grundpfandgläubiger erworben wird. Diese Voraussetzungen sind grundsätzlich dann nicht erfüllt, wenn eine GbR, die als selbständiger Rechtsträger gilt, ein Grundstück erwirbt, ohne selbst Grundpfandgläubigerin zu sein. Nicht ausreichend ist es, daß die Gesellschafter der Klägerin nach ihrer Behauptung Grundpfandgläubiger gewesen sind. Denn die Klägerin ist nicht mit ihren Gesellschaftern identisch.

Etwas anderes läßt sich auch nicht aus dem Senatsurteil vom 28.Januar 1981 II R 146/75 (BFHE 133, 83, BStBl II 1981, 484) herleiten. Wie der Senat bereits ausgesprochen hat (vgl. das Urteil vom 26.Oktober 1982 II R 9/81, BFHE 137, 94, BStBl II 1983, 141), betrifft das genannte Urteil einen Sonderfall, dessen Voraussetzungen jedenfalls im vorliegenden Fall nicht vorliegen. Dort hatten sich mehrere Personen, die als Kommanditisten für die Zahlung einer Gesellschaftsschuld eine Garantie abgegeben hatten, zu einer GbR zusammengeschlossen, um als solche das betroffene Grundstück zu ersteigern. Für diesen Sonderfall war der Senat der Meinung, daß auf das Vorliegen der Personenidentität zwischen Erwerber und Grundpfandgläubiger verzichtet werden kann. Dies gilt jedoch nur, wenn die mehreren zu einer GbR zusammengeschlossenen Personen aus demselben Rechtsgrund als Grundpfandgläubiger anzusehen sind und damit übereinstimmende Interessen vertreten.

Im vorliegenden Fall ist der Sachverhalt ein anderer. Wenn man der Auffassung der Klägerin folgt, so ist die A GmbH deshalb Grundpfandgläubigerin gewesen, weil die spätere Gemeinschuldnerin die ihr wegen der für die Y Bank bestellten Grundschulden zustehenden Grundschuldrückgewähransprüche abgetreten hat. Die A GmbH ist somit eine Gläubigerin der späteren Gemeinschuldnerin gewesen. Im Gegensatz zu ihr waren die beiden Mitgesellschafter nach der Behauptung der Klägerin Bürgen und somit neben der späteren Gemeinschuldnerin Schuldner hinsichtlich der Darlehensforderung. Die Interessen der A GmbH und der beiden anderen Gesellschafter waren demgemäß nicht gleichgerichtet. Die A GmbH stand auf der Gläubigerseite, die beiden anderen Gesellschafter auf der Schuldnerseite. Das Interesse der Bürgen bestand vor allem darin, daß die A GmbH ohne ihre Inanspruchnahme als Bürgen befriedigt wurde, während es der A GmbH nur darauf ankommen konnte, durch den Hauptschuldner oder durch die Bürgen ggf. durch Verwertung der Sicherheiten befriedigt zu werden. Für den Fall eines derartigen Interessengegensatzes zwischen den verschiedenen Gesellschaftern der Klägerin, die im Ergebnis allenfalls nur darin übereinstimmten, daß niemand von ihnen Schaden erleiden möge, hält es der Senat nicht für gerechtfertigt, von der Notwendigkeit des Vorliegens der Personenidentität zwischen dem Erwerber und dem Grundpfandgläubiger abzusehen. /++

 

Fundstellen

Haufe-Index 62587

BFH/NV 1989, 47

BStBl II 1989, 981

BFHE 158, 11

BFHE 1990, 11

BB 1989, 2249-2249 (L1)

DB 1989, 2520 (S)

HFR 1990, 36 (LT)

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