Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Ablaufhemmung der Verjährung von Steueransprüchen gegenüber beschränkt Stpfl. auf Grund einer Quellensteuerprüfung

 

Leitsatz (NV)

1. Ein Haftungsanspruch für nichtabgeführte Kapitalertragsteuer (§ 44 Abs. 5 Satz 2 EStG 1969) kann nicht mehr geltend gemacht werden, wenn der Steueranspruch (Nachforderungsanspruch) gegen den Steuerschuldner verjährt ist. Dies gilt auch dann, wenn der Steuerschuldner beschränkt einkommensteuerpflichtig ist.

2. Eine Betriebsprüfung i. S. des § 162 Abs. 10 Satz 1 AO erstreckt sich nur auf solche Steueransprüche, die sich gegen die Person richten, bei der die begonnene Betriebsprüfung durchgeführt wird.

3. Von der Beachtung der Voraussetzungen des § 149 AO kann nicht deshalb abgesehen werden, weil die Haftung die Kapitalertragsteuer betrifft, die eine beschränkt stpfl. Person schuldete.

 

Normenkette

EStG 1969 § 44 Abs. 5; AO §§ 143, 146a Abs. 3, §§ 149, 160-161, 162 Abs. 10

 

Verfahrensgang

FG Hamburg

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) war bis zum Mai 1966 eine unabhängige Aktiengesellschaft (AG). Ihre Aktien wurden nach Mai 1966 im wesentlichen von der T-Corp. (USA) erworben. Am 1. November 1966 schlossen die T-Corp. und die Klägerin einen Beherrschungsvertrag, durch den die Klägerin in die T-Corp. eingegliedert wurde. In der Folgezeit wurde die Klägerin von der T-Inc., einer Schwestergesellschaft der T-Corp., mit Mineralölerzeugnissen beliefert. Den Lieferungen lag ein schriftlicher Vertrag vom 25. 8. 1967 zugrunde, der schon ab dem 1. 1. 1967 angewendet und bis Ende 1969 nicht geändert wurde. Nach dem Vertrag sollte jeweils der Kaufpreis maßgebend sein, den der Verkäufer zum 1. eines jeden Monats an der sog. Löschstelle festsetzte.

In der Zeit vom 7. 12. 1970 bis zum 27. 6. 1977 wurde bei der Klägerin eine Außenprüfung durchgeführt, die den Veranlagungszeitraum 1963 bis 1969 umfaßte und sich auch auf den Steuerabzug vom Kapitalertrag erstreckte. Der Prüfung lag eine Prüfungsanordnung vom 7. Dezember 1970 zugrunde, die gegen die Klägerin gerichtet war. Unter demselben Datum richtete der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) Prüfungsanordnungen an die T-Ltd. (Prüfungszeitraum: 1967 und 1968) und an die T-Corp. (Prüfungszeitraum: 1966 bis 1969) zu Händen von S, per Adresse der Klägerin. Die letztgenannte Prüfungsanordnung umfaßte als Prüfungsgebiete die Umsatzsteuer (ohne Umsatzsteuervergütungen) und die Körperschaftsteuer. In der Anordnung hieß es außerdem, der Prüfer werde auch auf Sachverhalte achten, die für andere Steuern (z. B. Erbschaftsteuer, Grunderwerbsteuer und Wechselsteuer) von Bedeutung sein könnten. Die Prüfungsanordnung wurde dem S übergeben, der damals Leiter der Steuerabteilung der Klägerin war. Dabei soll Einverständnis darüber bestanden haben, daß die gegen die Klägerin gerichteten Prüfungshandlungen auch als gegenüber den in der Anlage zu einem Prüfungsvermerk aufgeführten Tochter- und Enkelgesellschaften der Klägerin gelten sollten und es zur Verjährungsunterbrechung von Steueransprüchen gegenüber diesen Gesellschaften weiterer Prüfungshandlungen nicht mehr bedürfe. In der genannten Anlage ist auch die T-Corp. erwähnt.

Nach der Darstellung des FA erging die an die T-Corp. gerichtete Prüfungsanordnung nur ,,vorsichtshalber", weil nicht auszuschließen war, daß sich bei der Prüfung Anhaltspunkte zum Erlaß von Steuerbescheiden gegenüber der T-Corp. ergaben. Tatsächlich ergaben sich solche Anhaltspunkte jedoch nicht. Ein Betriebsprüfungsbericht wurde für die T-Corp. nicht abgefaßt.

Die Außenprüfung bei der Klägerin ergab folgendes: Bis zum 31. August 1969 wurden die der Klägerin von der T-Inc. berechneten Preise auf der Grundlage der sog. Posted Prices Karibische See ermittelt. Ab September 1969 wurde das Preissystem umgestellt. Fortan wurde nach den Rotterdam-Low-Preisen berechnet, die im Vergleich zu den Posted Prices Karibische See niedriger lagen. Auf der Basis der Rotterdam-Low-Preise wurde auch eine zeitnähere Preisberechnung durchgeführt. Dies bedeutete für die Klägerin eine Überprüfung aller ihr in 1969 in Rechnung gestellten Preise und eine Gutschrift der zuviel belasteten Beträge. Die Gutschrift belief sich auf . . . DM. Die Klägerin verbuchte sie als Betriebseinnahme.

Das FA sah in dem Preisnachlaß die Rückgewähr einer verdeckten Gewinnausschüttung, die die Klägerin in 1969 über die T-Inc. an die T-Corp. geleistet habe. Es erließ am 12. Juli 1979 einen Haftungsbescheid gemäß § 5 der Kapitalertragsteuer-Durchführungsverordnung (KapStDV) gegenüber der Klägerin u. a. für die auf die verdeckten Gewinnausschüttungen entfallende Kapitalertragsteuer und Ergänzungsabgabe 1969. Der auch heute noch im Streit befangene Teil der Haftungsschuld für Kapitalertragsteuer betrug 25 v. H. von . . . DM = . . . DM. Die Ergänzungsabgabe betrug . . . DM.

Gegen den Haftungsbescheid legte die Klägerin Einspruch ein, der jedoch ohne Erfolg blieb. Nach Klageerhebung hob das FA den Haftungsbescheid vom 12. Juli 1979 in der Fassung der Änderung vom 27. September 1979 und der Einspruchsentscheidung vom 6. Oktober 1981 bezüglich der weiteren Haftungsschulden durch Änderungsbescheid vom 8. August 1984 auf und setzte die Haftungsschulden auf die o. g. Beträge herab. Im Umfang der Teilrücknahme erklärten die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt.

Die Klage hatte Erfolg. Die Vorentscheidung ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1985, 407 veröffentlicht.

Mit seiner vom Finanzgericht (FG) zugelassenen Revision rügt das FA die Verletzung der §§ 43 Abs. 1, 44 Abs. 5, 50 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) 1969 und der §§ 146 a Abs. 3, 149 der Reichsabgabenordnung (AO) i. V. m. Art. 97 des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung (EGAO).

Das FA beantragt, das Urteil des FG Hamburg vom 4. Dezember 1984 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Sie war deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Der Senat unterstellt - wie das FG - zugunsten des FA, daß die Klägerin im Jahre 1969 unangemessen hohe Preise für die Belieferung mit Produkten an die T-Inc. zahlte. In Höhe des unangemessenen Teils der Kaufpreiszahlungen sind dann verdeckte Gewinnausschüttungen der Klägerin an die T-Corp. anzunehmen, die ihrerseits den erhaltenen Vorteil an die M weiterleitete, von wo aus das Geld bzw. die Forderung bei der T-Inc. eingelegt wurde. Dazu verweist der Senat auf die Ausführungen des Großen Senats des Bundesfinanzhofs (BFH) in dessen Beschluß vom 26. Oktober 1987 GrS 2/86 (BFHE 151, 523, 540, 541, BStBl II 1988, 348, unter C.II.1. a und 2. b).

2. Aus der Sicht der T-Corp. stellte sich die verdeckte Gewinnausschüttung als ein besonderer Vorteil i. S. des § 6 Abs. 1 Satz 1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) 1968 i. V. m. § 20 Abs. 2 Nr. 1 EStG dar (vgl. BFH-Urteile vom 4. Juli 1984 I R 195/81, BFHE 142, 38, BStBl II 1984, 842; vom 22. Oktober 1986 I R 107/82, BFHE 148, 507, BStBl II 1987, 293). Da die T-Corp. weder Sitz noch Geschäftsleitung im Inland hatte, war sie mit den genannten Einkünften im Inland nur beschränkt steuerpflichtig (§ 2 Abs. 1, § 6 Abs. 1 Satz 1 KStG 1968 i. V. m. § 49 Abs. 1 Nr. 5 EStG 1969). Die Körperschaftsteuer gilt durch den Steuerabzug vom Kapitalertrag als abgegolten (§ 20 Abs. 1 KStG 1968 i. V. m. § 50 Abs. 4 EStG 1969). Die Kapitalertragsteuer ist ihrerseits gemäß § 20 Abs. 1 KStG 1968 i. V. m. § 43 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 3 EStG zu erheben. Dabei können die Vorschriften eines Doppelbesteuerungsabkommens (DBA) zu beachten sein (vgl. BFH-Urteil vom 22. Oktober 1986 I R 261/82, BFHE 148, 143, BStBl II 1987, 171).

3. Die Klägerin hielt von den (hier unterstellten) verdeckten Gewinnausschüttungen weder Kapitalertragsteuer ein noch führte sie sie ab. Deshalb haftete sie gemäß § 44 Abs. 5 Satz 2 EStG 1969. Ein Haftungsbescheid konnte ihr gegenüber jedoch nur unter den Voraussetzungen des § 149 AO erlassen werden, d. h. bei Erlaß des Haftungsbescheides durfte die Steuerschuld gegenüber der T-Corp. noch nicht verjährt sein. Dazu hat das FG in einer den erkennenden Senat bindenden Weise festgestellt (§ 118 Abs. 2 FGO), daß der der Haftung zugrunde liegende Tatbestand von der Klägerin schon in 1969 verwirklicht wurde. Zwar erging der Haftungsbescheid erst am 12. Juli 1979. Auf ihn ist dennoch § 149 AO anzuwenden. Dies ergibt sich im Umkehrschluß aus Art. 97 § 11 Abs. 1 EGAO. Danach ist § 191 Abs. 5 der Abgabenordnung (AO 1977) nur dann anzuwenden, wenn der haftungsbegründende Tatbestand nach dem 31. Dezember 1976 verwirklicht worden ist. Folglich ist auf vor dem 1. Januar 1977 verwirklichte Haftungstatbestände § 149 AO anzuwenden. Soweit nach § 149 AO auf Verjährungsvorschriften zurückgegriffen werden muß, sind die der AO anzuwenden (Art. 97 § 10 Abs. 1 Satz 2 EGAO). Danach begann die Verjährungsfrist für die Steuerschuld der T-Corp. mit Ablauf des 31. Dezember 1969 (§ 145 Abs. 1 AO). Die Verjährungsfrist lief am 31. Dezember 1974 ab (§ 144 Abs. 1 AO).

4. Die Verjährung der Steueransprüche gegen die T-Corp. wurde vor dem 31. Dezember 1974 nicht unterbrochen (§ 147 AO). Ihr Ablauf war auch nicht gehemmt (§ 146 a AO).

a) Im Streitfall kommt nur eine Ablaufhemmung gemäß § 146 a Abs. 3 AO und auch diese nur in der Alternative des Beginns mit einer Betriebsprüfung vor Ablauf der Verjährungsfrist in Betracht. Dies setzt voraus, daß die am 7. Dezember 1970 bei der Klägerin begonnene Betriebsprüfung sich auf den Steueranspruch gegenüber der T-Corp. erstreckte. Auf welche Steueransprüche sich eine Betriebsprüfung in der Zeit vor dem 1. Januar 1977 erstrecken konnte, ist in § 162 Abs. 10 Sätze 1 und 2 AO geregelt. Nach § 162 Abs. 10 Satz 1 AO durfte nur geprüft werden, wer Bücher oder Aufzeichnungen zu führen hatte. Der entsprechende Personenkreis ergibt sich aus §§ 160 Abs. 1, Abs. 2 und 161 Abs. 1 AO. Danach unterlagen - abgesehen von dem in § 160 Abs. 2 AO genannten Personenkreis - nur Unternehmer der Betriebsprüfung. Aus der Sicht des deutschen Steuerrechts war die T-Corp. kein Unternehmer. Sie fiel nicht unter § 16 der Körperschaftsteuer-Durchführungsverordnung (KStDV) 1968, weil sie nicht nach den Vorschriften des Handelsgesetzbuches (HGB) zur Führung von Büchern verpflichtet war. Aus der Beteiligung an der Klägerin erzielte sie ,,nur" Einkünfte aus Kapitalvermögen i. S. des § 6 Abs. 1 Satz 1 KStG 1968 i. V. m. § 49 Abs. 1 Nr. 5 und § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG (vgl. BFH-Urteil vom 28. März 1984 I R 129 /79, BFHE 141, 131, BStBl II 1984, 620). Die T-Corp. fiel auch nicht unter § 160 Abs. 2 AO, weil sie für die Veranlagungszeiträume vor 1969 im Inland nicht veranlagt wurde. Damit waren die Voraussetzungen des § 162 Abs. 10 Satz 1 AO nicht erfüllt.

b) Zwar wurde der Personenkreis, bei dem eine Betriebsprüfung durchgeführt werden durfte, durch § 162 Abs. 10 Satz 2 AO erweitert. Die Erweiterung betrifft aber nur sog. Lohnsteueraußenprüfungen, d. h. Betriebsprüfungen, die bei einem Arbeitgeber durchgeführt wurden und der Aufklärung der Verhältnisse der Arbeitnehmer dienten, die im Dienste des Arbeitgebers standen oder gestanden hatten. Die klare und enge Fassung der Vorschrift schließt ihre Ausweitung auf die Betriebsprüfung anderer Quellensteuerabzüge aus.

c) Aus dem Charakter des § 162 Abs. 10 Satz 2 AO als einer Ausnahmevorschrift hat die Rechtsprechung gefolgert, daß sich eine Betriebsprüfung i. S. des § 162 Abs. 10 Satz 1 AO nur auf solche Steueransprüche erstreckt, die sich gegen die Person richten, bei der die begonnene Betriebsprüfung durchgeführt wird (vgl. BFH-Urteile vom 6. Mai 1975 VII R 109 /72, BFHE 116, 2, BStBl II 1975, 723; vom 8. Oktober 1976 VI R 251/74, BFHE 120, 324, BStBl II 1977, 223; vom 24. April 1979 VIII R 64/77, BFHE 128, 139, BStBl II 1979, 744; vom 7. August 1980 II R 119/77, BFHE 131, 437, BStBl II 1981, 409). Für diese Auffassung spricht einmal die erklärte Absicht des Gesetzgebers (vgl. dazu BTDrucks IV /2442, S. 13 und BFH in BFHE 116, 2, BStBl II 1975, 723), durch das Gesetz zur Änderung der Reichsabgabenordnung und anderer Gesetze (AOÄG) vom 15. September 1965 (BGBl I 1965, 1356, BStBl I 1965, 643) im Interesse der Rechtssicherheit absolute Gewißheit über den Ablauf von Verjährungsfristen zu schaffen. Diese Absicht setzt Klarheit darüber voraus, wem gegenüber eine Betriebsprüfung durchgeführt wird. Zum anderen folgt die von der Rechtsprechung vertretene Auffassung aber auch aus dem Wortlaut des § 146 a Abs. 3 AO. Wenn nämlich das Hinausschieben des Beginns der Betriebsprüfung auf Antrag des Steuerpflichtigen als ein die Ablaufhemmung der Verjährung auslösendes Ereignis zu behandeln ist, dann kann dieser Antrag vernünftigerweise nur von dem Steuerpflichtigen gestellt werden, bei dem die Betriebsprüfung angeordnet wurde. Entsprechend kann die Wirkung der Ablaufhemmung der Verjährung auch nur gegenüber dieser Person und nicht gegenüber unbeteiligten Dritten eintreten.

d) Zwar kann der erkennende Senat auf Grund der tatsächlichen Feststellungen des FG nicht ausschließen, daß das FA gegenüber der T-Corp. in rechtswidriger Weise eine Betriebsprüfung anordnete und die Anordnung bestandskräftig wurde. Jedoch würde auch die (hier unterstellte) Bestandskraft einer entsprechenden Anordnung für sich genommen den Eintritt der Ablaufhemmung der Verjährung nicht begründen. Es fehlt dann immer noch an dem Beginn einer Betriebsprüfung, die sich gegen die T-Corp. richtete und deren Einkünfte aus Kapitalvermögen mitumfaßte. Wenn - wie unter 4. c. dargelegt - davon auszugehen ist, daß die Betriebsprüfung sich nur auf Steueransprüche erstrecken konnte, die sich gegen die Person richteten, bei der die Betriebsprüfung durchgeführt wurde, dann konnte auch der Beginn der Betriebsprüfung den Ablauf der Verjährung nur gegenüber der Person hemmen, bei der mit der Betriebsprüfung begonnen wurde. Dies entspricht dem BFH-Urteil vom 17. Juli 1985 I R 214/82 (BFHE 144, 333, BStBl II 1986, 21). Danach ist unter der Anordnung einer Betriebsprüfung die Regelung zu verstehen, durch die dem betroffenen Steuerpflichtigen im Einzelfall aufgegeben wird, Prüfungshandlungen der Finanzbehörde in dem in der Anordnung näher umschriebenen Umfang zu dulden. Entsprechend besteht die Betriebsprüfung in dem Dulden von Prüfungshandlungen durch den Steuerpflichtigen. Ein solches Dulden wird aber nur dem Steuerpflichtigen abverlangt, bei dem die Betriebsprüfung durchgeführt wird. Dritte mögen zwar die Folgen der Betriebsprüfung spüren, wenn Prüfungsergebnisse (Kontrollmaterial) auch ihnen gegenüber ausgewertet werden. Deshalb müssen sie jedoch keine Prüfungshandlungen dulden; sie müssen nur die Auswertung der Prüfungsergebnisse in der Form geänderter Steuerbescheide gegen sich gelten lassen und ggfs. die Steuerbescheide anfechten. Aus dem BFH-Urteil vom 7. August 1980 II R 119/77 (BFHE 131, 437, BStBl II 1981, 409) folgt nichts anderes. Das Urteil betrifft eine besondere Rechtsfrage aus dem Bereich des Kapitalverkehrsteuergesetzes (KVStG) 1959. Die Entscheidung ist auf andere Steuerrechtsgebiete nicht übertragbar.

e) Im Streitfall besteht für die Annahme, es sei am 7. Dezember 1970 mit einer Nachschau gegenüber der T-Corp. bei der Klägerin begonnen worden, kein Raum. Die T-Corp. war für Zwecke des deutschen Steuerrechts nicht verpflichtet, Bücher oder Aufzeichnungen zu führen. Sie verfügte auch im übrigen über keine Gegenstände oder Einrichtungen im Inland, die das Objekt einer Nachschau hätten sein können. Damit scheitert die Annahme des Beginns einer Nachschau bereits an dem Vorhandensein eines dafür geeigneten Objektes. Das FA wollte Einkünfte der T-Corp. durch eine Betriebsprüfung bei der Klägerin ermitteln, weil - wie sie selbst in der Revisionsbegründung (Seiten 15 und 22/23) ausführt - sie nur dort ermittelt werden konnten. Löst aber die Betriebsprüfung nur eine Ablaufhemmung der Verjährung gegenüber der Klägerin aus, so hätte die Verjährung gegenüber der T-Corp. mit einer anderen Maßnahme unterbrochen oder gehemmt werden müssen.

5. Von der Beachtung der Voraussetzungen des § 149 AO kann nicht deshalb abgesehen werden, weil der Streitfall die Haftung für Kapitalertragsteuer betrifft, die die T-Corp. als beschränkt Steuerpflichtige schuldete. § 149 AO stellt allgemein auf die Verjährung von Ansprüchen gegen den Abgabepflichtigen ab. Insoweit unterscheidet die Vorschrift nicht, ob der Abgabepflichtige unbeschränkt oder beschränkt steuerpflichtig ist bzw. ob die Abgabeschuld in einem Quellensteuerabzug, einer Vorauszahlung oder einer Abschlußzahlung besteht. Die fehlende Unterscheidung zwingt dazu, alle genannten Fälle gleich zu behandeln.

Ferner stellt § 44 Abs. 5 Satz 1 EStG 1969 klar, daß der Gläubiger der Kapitalerträge - hier also: die T-Corp. - der Steuerschuldner der Kapitalertragsteuer ist. Damit ist er zugleich Abgabepflichtiger i. S. des § 149 AO. Im Streitfall konnte die T-Corp. bis zum 31. Dezember 1974 wegen ihrer Kapitalertragsteuerschuld als Steuerschuldner in Anspruch genommen werden. Das FA hätte ihr gegenüber einen Nachforderungsbescheid gemäß § 44 Abs. 5 Satz 3 Nr. 1 EStG 1969 erlassen können, weil sie wußte, daß die Klägerin von den (hier unterstellten) verdeckten Gewinnausschüttungen keine Kapitalertragsteuer einbehalten hatte. Damit bestand gegenüber der T-Corp. ein Anspruch i. S. des § 149 AO, der i. S. des § 143 AO der Verjährung unterlag.

6. § 149 AO ist unbeschadet der Tatsache zu beachten, daß in der Praxis die Haftung des Schuldners der Kapitalerträge Vorrang vor der Nachforderung gegenüber dem Gläubiger der Kapitalerträge hat. Dazu verweist der erkennende Senat auf den Wortlaut der Vorschrift einerseits und sein Urteil in BFHE 148, 507, BStBl II 1987, 293, andererseits. Er hält an der in dem zuletzt genannten Urteil vertretenen Auffassung fest.

 

Fundstellen

Haufe-Index 416580

BFH/NV 1990, 433

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