Leitsatz (amtlich)

Als Wareneinzelhandel im Sinne des § 17 GewStG 1950 (Zweigstellensteuer) ist auch die Lieferung von Zeitschriften und Zeitungen durch Zeitungsunternehmen an Einzelabnehmer anzusehen.

 

Normenkette

GewStG 1950 § 17; GewStDV 1950 § 30

 

Tatbestand

Der Sitz der Beschwerdeführerin (Bfin.) ist A. Dort befindet sich die Leitung des Unternehmens. In B. unterhält die Bfin. eine Betriebstätte in Gestalt einer Druckerei und einer Redaktion. In dieser Betriebstätte wird eine gesonderte Ausgabe der von der Bfin. herausgegebenen Tageszeitung hergestellt und vertrieben. Das Stadtsteueramt B. hat die Bfin. mit Bescheiden vom 21. Dezember 1955 für die Jahre 1951-1953 mit dem Teil des Zerlegungsanteils an dem einheitlichen Gewerbesteuermeßbetrag, der auf den von dieser Betriebstätte unterhaltenen Einzelhandel entfällt, zu einer gemäß § 17 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) erhöhten Gewerbesteuer (Zweigstellensteuer) herangezogen. Die Bfin. ist der Auffassung, daß ihre Betriebstätte nicht der Zweigstellensteuer unterliege, da der Handel mit Zeitungen nach den Gewerbesteuer-Richtlinien (GewStR) 1938, 1940 und 1943 für die Zweigstellensteuer nicht als Einzelhandel gelte. Im Verfahren gemäß § 212c der Reichsabgabenordnung (AO) hat das Finanzgericht die Zweigstellensteuerpflicht der Bfin. bejaht. Auf die Sprungberufung der Bfin., mit der eine Reihe von weiteren Einwendungen gegen die Zweigstellensteuerpflicht erhoben worden sind, hat das Finanzgericht die Entscheidung des Finanzamts mit der Maßgabe bestätigt, daß die Bfin. nur mit dem Teil des auf die Stadl B. entfallenden Zerlegungsanteils der Zweigstellensteuer unterliege, der auf den Einzelhandel dieser Betriebstätte entfalle.

Das Finanzgericht hat zu den einzelnen Einwendungen der Bfin. im wesentlichen ausgeführt:

Im Sinne von § 17 GewStG in Verbindung mit § 30 der Gewerbesteuer-Durchführungsverordnung (GewStDV) 1950 sei die Bfin. als Einzelhandelsunternehmerin anzusehen, weil sie ihre Zeitungen nicht nur im Großhandel im Sinne des § 11 Abs. 1 der Durchführungsbestimmungen zum Umsatzsteuergesetz (UStDB) absetze. Zeitungen stellten im Sinne dieser Bestimmungen eine Ware dar. Daraus, daß nach den früheren GewStR der Handel mit Zeitungen nicht als Einzelhandel habe gelten sollen, könne die Bfin. für ihren Standpunkt nichts herleiten. Diese Anordnung sei für die Zeit ab 1. Januar 1951 nicht mehr anwendbar. Sie sei in die GewStR 1951 und 1955 nicht übernommen worden. Daß sich ein Gewohnheitsrecht aus der Verwaltungsübung entwickelt habe, könne nicht anerkannt werden. Auch § 30 Abs. 4 des Reichspressegesetzes vom 7. Mai 1874 stehe der Erhebung im Sinne der Heranziehung von Zeitungsunternehmen zur Zweigstellensteuer nicht entgegen, weil es sich bei dieser Besteuerung nicht um eine der Presse als solcher auferlegte Sondersteuer handle. Aus der Befreiung der Lieferung von Druckerzeugnissen von der mit § 58 UStDB eingeführten Zusatzsteuer (§ 58a Ziff. 12 UStDB) könnten für die Zweigstellensteuer des Gewerbesteuerrechts keine Folgerungen gezogen werden. § 30 Abs. 1 Satz 2 GewStDV komme bei der Bfin. nicht in Betracht, da nach ihren Angaben die Einzelumsätze der Betriebstätte in B. ein Hundertstel des Gesamtumsatzes der Bfin. überschritten hätten.

Mit ihrer Rechtsbeschwerde (Rb.) hält die Bfin. an ihren grundsätzlichen Einwendungen gegen die Heranziehung zur Zweigstellensteuer fest. In ihren Ausführungen stellt sie die folgende Überlegung besonders heraus: In § 17 Abs. 2 GewStG sei als Beispiel für eine Betriebstätte die "Fabrikationszweigstelle mit Ladengeschäft" angeführt. Danach sei Voraussetzung für die Erhebung der Zweigstellensteuer, daß die Betriebstätte im öffentlichen Verkehr Einzelhandel betreibe. Dies müsse für ihre Betriebstätte in B. verneint werden, weil dort kein Verkaufsladen unterhalten werde. Die Belieferung ihrer festen Abonnenten könne einem Zeitungsverkauf im Laden nicht gleichgesetzt werden. Der in den früheren GewStR enthaltene Satz, daß der Handel mit Zeitungen für die Zweigstellensteuer nicht als Einzelhandel gelte, bringe danach eine zutreffende Auslegung des § 17 GewStG zum Ausdruck. Einen Milderungserlaß, zu dem keine Veranlassung bestanden habe, stelle dieser Satz keineswegs dar, wie denn auch keine Anhaltspunkte dafür gegeben seien, daß er als solcher gedacht sei.

 

Entscheidungsgründe

Auch die Rb. vermag nicht zum Erfolg zu führen.

Daraus, daß in den GewStR 1938, 1940 und 1943 zu § 17 GewStG bestimmt war, daß der Handel mit Zeitungen für die Zweigstellensteuer nicht als Wareneinzelhandel gelte, kann die Bfin. für ihren Standpunkt nichts gewinnen. Diese Anweisung, die sich in den GewStR seit 1950 nicht mehr findet, kann man mit der Bfin. als eine Auslegung des Gesetzes ansehen. Die früheren Richtlinien enthalten bei dieser Bestimmung keinen Hinweis auf § 13 AO. Es sind auch keine Billigkeitsgründe für die Anordnung erkennbar. Es fehlen deshalb die Voraussetzungen für eine Billigkeitsmaßnahme nach § 13 AO. Im einzelnen siehe das Gutachten des Obersten Finanzgerichtshofs I D 6/49 S vom 27. August 1949 (Slg. Bd. 54 S. 376). Sollte es sich aber um eine politische Maßnahme gehandelt haben, so können ihr für die Zeit nach dem Zusammenbruch des totalen Staates keine Wirkungen zugeschrieben werden.

Das Finanzgericht hat mit Recht ein Gewohnheitsrecht abgelehnt, das sich aus einer jahrelang geübten Verwaltungsübung gebildet hätte. Zu der umstrittenen Frage, ob sich im Steuerrecht ein für die Rechtsprechung verbindliches Gewohnheitsrecht bilden könne (Hinweis auf den Aufsatz von Kruse in Steuer und Wirtschaft 1959 S. 210 ff.), braucht nicht abschließend Stellung genommen zu werden. Für eine communis opinio als Wurzel des Gewohnheitsrechts genügt nicht, daß die Verwaltungsspitze eine Anweisung trifft, die von den nachgeordneten Verwaltungsstellen längere Zeit befolgt wird. Im Ergebnis würden auf diese Weise entgegen den Grundsätzen des demokratischen Rechtsstaates Verwaltungsanweisungen zu Rechtsnormen erhoben.

Die Zweigstellensteuer gemäß § 17 GewStG, der alle Wareneinzelhandelsunternehmen im Sinne dieser Vorschrift unterliegen, ist, wie das Finanzgericht bereits ausgeführt hat, keine die Presse belastende Sondersteuer. Die Zeitungsunternehmen sind nicht, wie hinsichtlich der Zusatzsteuer im § 58 Ziff. 12 UStDB, von der Zweigstellensteuer befreit worden.

Schließlich treffen die Ausführungen der Bfin. nicht zu, daß sie durch ihre Betriebstätte in B. Lieferungen im Einzelhandel nicht tätige, bzw. nur in einem Umfang von weniger als ein Hundertstel ihres Gesamtumsatzes (§ 30 Abs. 1 Satz 2 GewStDV 1950). Die Bfin. liefert zu einem wesentlichen Teil ihre Zeitungen an feste Abonnenten. Soweit die Abonnenten nicht gewerbliche Unternehmer sind, die die Zeitungen zu gewerblichen oder beruflichen Zwecken verwenden, handelt es sich dabei nicht um Lieferungen im Großhandel, sondern um solche im Einzelhandel. Ob die Bfin. die Übersendung der Zeitungen an ihre Abonnenten durch die Post oder durch Hilfskräfte vornehmen läßt, macht keinen Unterschied, sofern nur der Lieferungsvertrag von der Bfin. unmittelbar mit den Abonnenten geschlossen ist. Darauf, ob diese Hilfskräfte (Kolporteure und Zeitungsausträger) selbständige Gewerbetreibende oder unselbständig in das Unternehmen der Bfin. eingegliedert sind (Hinweis auf die Entscheidung des Reichsfinanzhofs V A 243/36 vom 26. Februar 1937, RStBl 1937 S. 493, und die Entscheidung des Bundesfinanzhofs V 86/55 U vom 12. Januar 1956, BStBl 1956 III S. 119, Slg. Bd. 62 S. 322) kommt es nicht an, da sie die Belieferung der Abonnenten als Erfüllungsgehilfen ihres Dienstherrn ausführen. Anders liegt es, soweit sie als Unternehmer die Zeitungen von der Bfin. zur gewerblichen Weiterveräußerung an ihre Abnehmer erworben haben sollten.

Die Bfin. läßt in B. eine gesonderte Ausgabe ihrer Zeitung durch eine eigene Druckerei und Redaktion herstellen und von dort aus vertreiben, wie sie denn auch dem Finanzamt mitgeteilt hat, daß die Löhne, die sie ihren dort im Einzelhandel beschäftigten Betriebsangehörigen gezahlt hat, sich im Jahre 1954 und in dem hier fraglichen Vorjahr auf X-tausend DM belaufen haben. Daß die Bfin. in B. zum Vertrieb ihrer Zeitung kein Ladengeschäft unterhalten hat, ist belanglos. Lediglich als Beispiel für eine unter § 17 Abs. 1 GewStG fallende Betriebstätte, die nur zum Teil den dort bezeichneten Zwecken dient, ist in dem Klammerzusatz im Abs. 2 die "Fabrikationszweigstelle mit Ladengeschäft" angeführt. In tatsächlicher Beziehung hat das Finanzgericht bindend und von der Bfin. auch unwidersprochen festgestellt, daß die Lieferungen im Einzelhandel ihrer Betriebstätte in B. hiernach ein Hundertstel des Gesamtumsatzes des Unternehmens und damit die im § 30 Abs. 1 Satz 2 GewStDV 1950 gezogene Grenze überschreiten.

In dem Verfahren gemäß § 212 c AO geht es nur darum, festzustellen, zu welchem Teil die fragliche Betriebstätte der Bfin. der Zweigstellensteuer unterliegt. Es erübrigte sich daher für das Finanzgericht, weitere Feststellungen über die Höhe der von der Bfin. in dieser Betriebstätte bewirkten Einzelhandelslieferungen zu treffen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 409396

BStBl III 1959, 336

BFHE 1960, 195

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Finance Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge