Leitsatz (amtlich)

1. Die Führung der Geschäfte eines Unternehmensverbandes durch einen Rechtsanwalt ist keine berufstypische Tätigkeit und unterliegt dem allgemeinen Steuersatz.

2. Ist mit der Führung der Verbandsgeschäfte eine rechtsberatende und rechsbesorgende Tätigkeit verbunden, kann der Rechtsanwalt insoweit unter bestimmten Voraussetzungen die Steuerermäßigung nach § 12 Abs. 2 Nr. 5 UStG 1967 in Anspruch nehmen.

 

Normenkette

UStG 1967 § 12 Abs. 2 Nr. 5; BRAO §§ 1-3; RBerG Art. 1 §§ 6-7

 

Tatbestand

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Rechtsanwälte in Anwaltsozietät. Sie schlossen im Jahre 1969 mit zwei in der Rechtsform eines eingetragenen Vereins geführten Unternehmensverbänden Verträge, denen zufolge die Sozietät ab 1. Juli 1969 bzw. ab 1. Januar 1971 die Geschäftsführung des jeweiligen Vertragspartners übernahm, welche jeweils durch einen namentlich benannten Angehörigen der Sozietät ausgeübt werden sollte. Die Sozietät hatte den Unternehmensverbänden dazu auch ihre Büroräume und -einrichtungen sowie Hilfskräfte zur Vornahme der Schreibarbeiten und der Finanz- und Beitragsbuchhaltung zur Verfügung zu stellen. Im Rahmen der übernommenen Verpflichtungen hat sie auch Aufgaben der Werbung und der public relations erfüllt sowie Organisationsaufgaben abgewickelt. Für die gegenüber den Verbänden erbrachte Tätigkeit erhielt die Sozietät jeweils eine Monatspauschale.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) versagte den Klägern die für diese Tätigkeit beanspruchte Steuerermäßigung nach § 12 Abs. 2 Nr. 5 des Umsatzsteuergesetzes (UStG 1967). Das Finanzgericht (FG) hat die Klage, mit der die Kläger ihr Begehren weiterverfolgen, mit der Begründung abgewiesen, die Sozietät habe keine für einen Rechtsanwalt berufstypische Tätigkeit entfaltet (vgl. Entscheidungen der Finanzgerichte 1980 S. 47 - EFG 1980, 47 -; Umsatzsteuer-Rundschau 1981 S. 11 - UStR 1981, 11 -).

Mit der Revision machen die Kläger geltend, von der Steuerermäßigung des § 12 Abs. 2 Nr. 5 UStG 1967 würden alle Leistungen erfaßt, die ein Freiberufler als solcher erbringe. Es komme nach dem Wortlaut der Vorschrift nicht darauf an, ob sie für den ausgeübten freien Beruf charakteristisch seien. Der Rechtsanwalt sei demgemäß nicht nur mit seinen typischen anwaltschaftlichen Leistungen begünstigt, sondern mit allen Leistungen, die er in standesrechtlich zulässiger Weise als Angehöriger der Rechtsanwaltschaft erbringe. Entscheidend sei demnach allein, daß die anwaltliche Tätigkeit vom Auftragnehmer als Anwalt ausgeführt werden oder aufgrund eines Auftrages, der wegen der Qualifikation des Auftragnehmers als Anwalt erteilt worden sei.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Kläger führt zur Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils.

1. Die zum Kreis der nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zahlenden Angehörigen freier Berufe können nur für ihre berufstypischen Umsätze die Steuerermäßigung des § 12 Abs. 2 Nr. 5 UStG 1967 in Anspruch nehmen (vgl. zuletzt BFH-Beschluß vom 19. Februar 1980 V B 50/79, BFHE 132, 351). Der Rechtsanwalt ist Organ der Rechtspflege, übt einen freien Beruf aus, betreibt kein Gewerbe und ist der berufene Berater und Vertreter der Rechtsuchenden in allen Rechtsangelegenheiten (§§ 1 bis 3 der Bundesrechtsanwaltsordnung - BRAO -). Das Berufsbild des Rechtsanwalts wird somit maßgeblich geprägt von der ihm zugewiesenen Aufgabe, in allen Rechtsangelegenheiten eigenverantwortlich Rechtsrat zu erteilen und für Rechtsuchende deren Rechtsangelegenheiten zu besorgen (vgl. zuletzt Beschluß des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 17. Januar 1977 AnwZ (B) 23/76, BGHZ 68, 62).

2. Neben dieser das Berufsbild des Rechtsanwalts prägenden Berufsaufgabe stehen andere Tätigkeiten, mit denen Rechtsanwälte am Erwerbsleben teilnehmen. Hier stellt sich jeweils die berufs- und standesrechtliche Frage, ob diese Tätigkeiten mit dem durch das vorbezeichnete Berufsbild geprägten Verständnis vom Beruf eines Rechtsanwalts und dem Ansehen der Anwaltschaft vereinbar sind. Nach den vom BGH entwickelten Grundsätzen ist zwar nicht jede außerjuristische, auch nicht jede kaufmännische (insbesondere auch nicht jede verwaltende) Tätigkeit mit dem Berufsbild eines Rechtsanwalts unvereinbar, wohl aber eine solche kaufmännische Tätigkeit, durch welche der Betreffende erwerbswirtschaftlich mit dem Streben nach Gewinnerzielung nach außen hin in Erscheinung tritt (vgl. zuletzt Beschluß des BGH vom 16. Oktober 1978 AnwZ (B) 18/78, BGHZ 72, 282 mit Nachweis der Rechtsprechung).

3. Berufsständische Vereinigungen von der Art der Wirtschafts- und Unternehmensverbände, für welche die Kläger tätig geworden sind, benötigen zur Verfolgung und Förderung der berufsständischen Interessen ihrer Mitglieder durchweg einen Verwaltungsapparat, der die laufenden Verbandsgeschäfte erledigt. Sie beschäftigen daher in erster Linie einen Verbandsgeschäftsführer. An ihn werden je nach Größe und Aufgabenstellung des Verbandes bestimmte berufliche Anforderungen gestellt. Aus diesem Grunde werden vorzugsweise Volljuristen (in leitender oder untergeordneter Position zur Unterstützung des Geschäftsführers) beschäftigt, da die Wahrnehmung der Verbandsaufgaben durchweg die Erledigung von Rechtsangelegenheiten mehr oder minder großen Umfanges einschließt und oft auch spezielle Rechtskenntnisse auf Teilgebieten des Rechts erfordert. Diese Erledigung von Rechtsangelegenheiten für den Verband (auch im Auftreten nach außen in dessen Namen) ist, sofern die von dem Geschäftsführer oder einem anderen Angestellten des Verbandes erledigt wird, von den einschränkenden Regelungen des Rechtsberatungsgesetzes (RBerG) vom 13. Dezember 1935 (RGBl I 1945, 1478, BGBl III 303, 12) nicht betroffen, mithin nicht erlaubnisbedürftig (Art. 1 § 6 RBerG). Auch können die vorgenannten Personen nach Art. 1 § 7 RBerG den Mitgliedern des Verbandes erlaubnisfrei Rat und Hilfe in Rechtsangelegenheiten gewähren, soweit diese im Aufgabenbereich des Verbandes liegen.

4. Will ein Rechtsanwalt in der beschriebenen Weise für einen Verband und seine Mitglieder tätig werden, stößt er auf Grenzen, die vom Berufsrecht gezogen sind. Da der Rechtsanwalt seine Tätigkeit in einem freien Beruf auszuüben hat (§ 2 Abs. 1 BRAO), kann er eine rechtsberatende und rechtsbesorgende Tätigkeit für den Verband nicht in abhängiger Stellung als Angestellter des Verbandes ausüben. Es ist mit dem Beruf eines Rechtsanwalts weiterhin unvereinbar daß er in abhängiger Stellung den Mitgliedern des Verbandes Rechtsrat erteilt, da der Verband nicht den anwaltschaftlichen Standespflichten unterworfen ist und das berufsbildprägende Erfordernis der Eigenverantwortlichkeit im Verhältnis zum Ratsuchenden nicht gewahrt ist (vgl. Beschlüsse des BGH vom 20. Januar 1975 AnwZ (B) 6/74, BGHZ 63, 377 und vom 10. November 1975 AnwZ (B) 14/75, BGHZ 65, 241). Diese strengen Anforderungen gelten auch für die mittelbare Rechtsberatung (Erteilung von Rechtsrat für den Mandanten eines Dritten), und zwar unabhängig davon, ob der Erteilende des Rechtsrats dem Dritten in abhängiger Stellung verbunden ist oder dem Dritten aufgrund eines Werkvertrages (Beratungsvertrages) zuarbeitet. Entscheidend ist dabei, daß der Rechtsraterteilende hier nicht eigenverantwortlich dem Ratsuchenden gegenübertritt, sondern als Ausführender eines anderen fungiert (vgl. BGHZ 63, 377). Soweit es § 47 Abs. 3 der Standesrichtlinien für die Ausübung des Anwaltsberufes (Stand: 21. Juni 1973) für standesrechtlich zulässig erachtet, daß Rechtsanwälte mit einem Verband für die Beratung der Mitglieder eine Pauschalvergütung vereinbaren dürfen, setzt dies nach der Rechtsprechung des BGH voraus, daß in Fällen dieser Art ein Mandatsverhältnis zwischen Rechtsanwalt und Verbandsmitglied begründet und damit die Eigenverantwortlichkeit des Rechtsanwalts gewahrt ist. Es wird in diesen Fällen für standesrechtlich zulässig erachtet, daß diese Tätigkeit durch einen Anteil des vom Verband gezahlten Beratungspauschalhonorars vergütet wird.

Sofern sich der Rechtsanwalt in ein standesrechtlich nicht erlaubtes Abhängigkeitsverhältnis begibt oder er dem Erfordernis der eigenverantwortlichen anwaltlichen Tätigkeit nicht genügt, fehlen seinem Tätigwerden die wesentlichen Merkmale, die für das Berufsbild eines Rechtsanwalts bestimmend sind. Mag auch seine Tätigkeit in diesen Fällen dem Inhalt nach Erteilung von Rechtsrat oder Rechtsbesorgung sein, muß ihr jedoch aus vorbezeichneten Gründen die Einordnung als berufstypische Leistung versagt bleiben.

5. a) Die Tätigkeit eines Rechtsanwaltes als Geschäftsführer eines Verbandes ist unter Berücksichtigung dieser standesrechtlichen Gegebenheiten zu würdigen. Die eigentliche Geschäftsführertätigkeit (Erledigung der anfallenden Verwaltungsarbeiten) ist - auch wenn sie nicht im (standeswidrigen) Angestelltenverhältnis, sondern auf der Basis eines werkvertragsähnlichen Verhältnisses ausgeübt wird - keine berufstypische Tätigkeit eines Rechtsanwalts. Dies gilt auch bezüglich der Vorhaltung eines Verwaltungsapparates mit sachlichen und personellen Mitteln. Es gilt ferner für die im Rahmen der Verwaltungstätigkeit anfallende Bearbeitung von Rechtsfragen, die mit der Ausübung der Geschäftsführerfunktion untrennbar verbunden ist (z. B. arbeitsrechtliche Auseinandersetzungen mit einem Verbandsangestellten sowie schuldrechtliche Streitigkeiten aus Geschäftsbeziehungen des Verbandes). Ausnahmen hiervon ergeben sich aus Abschnitt c. Insoweit ist die Tätigkeit des Rechtsanwaltes (als Verbandsgeschäftsführer) nicht durch die Erteilung von Rechtsrat und Rechtsbesorgung geprägt. Die Wahrnehmung der Geschäftsführung ist als Tätigkeit sui generis für den Beruf des Rechtsanwaltes untypisch.

b) Der Rechtsanwalt kann aber neben seiner Verwaltungstätigkeit als Geschäftsführer des Verbandes diesem auch Rechtsrat erteilen oder für ihn eine rechtsbesorgende Tätigkeit entfalten. Dieser Fall ist in erster Linie gegeben, wenn der Rechtsanwalt für den Verband (mit entsprechender Vollmacht versehen) in einem Anwaltsprozeß auftritt oder gegenüber Behörden und Dritten - falls er seine Vertretungsbefugnis aus seiner Eigenschaft als Rechtsanwalt ableitet (und wegen Erteilung eines besonderen Auftrags auch ableiten kann) - als solcher auftritt und dies nachweisbar (auch gegenüber dem Finanzamt) durch den Besitz einer besonderen Vollmacht ausweist. Daraus folgt zugleich, daß das Auftreten gegenüber Behörden und Dritten in der Eigenschaft als Verbandsgeschäftsführer die Voraussetzungen einer frei beruflichen Rechtsanwaltstätigkeit nicht erfüllt, denn der Rechtsanwalt will hier nicht als solcher (mit den sich daraus für ihn ergebenden haftungsrechtlichen Konsequenzen) auftreten.

c) Soweit der Rechtsanwalt im Rahmen des ihm vom Verband erteilten "Mandats Geschäftsführung" rechtsberatend und rechtsbesorgend für den Verband tätig wird, kommt es darauf an, ob die Erledigung von Rechtsangelegenheiten untrennbar mit der ihm zugewiesenen Aufgabe als Verbandsgeschäftsführer verbunden ist (vgl. dazu oben Abschnitt a). Das ist zu verneinen, soweit der Rechtsanwalt für sein Tätigwerden mit dem Verband ein besonderes Mandatsverhältnis begründet, also diese Tätigkeit einvernehmlich gezielt aus der Geschäftsführertätigkeit herausgelöst wird. Ein solches besonderes Mandatsverhältnis kommt jedoch nur für solche rechtliche Angelegenheiten in Betracht, die nach Umfang oder Gewicht aus der Geschäftsführungstätigkeit herausfallen. Für den Nachweis dieser Voraussetzung genügt die bloße Vorlage einer Vollmacht nicht.

6. Die dargestellte Abtrennung des nichtbegünstigten Bereichs der Geschäftsführertätigkeit von der begünstigten freiberuflichen Tätigkeit als Rechtsanwalt schließt nicht aus, daß beide Tätigkeiten im Wege einer Pauschalvergütung abgegolten werden. Es ist insoweit zu fordern, daß das Pauschalhonorar für die begünstigte Beratungstätigkeit (gegenüber dem Verband und ggf. auch den Mitgliedern) in Übereinstimmung mit § 53 der Richtlinien für die Ausübung des Anwaltsberufs gesondert ausgewiesen wird und der Anforderung genügt, in einem angemessenen Verhältnis zur Leistung des Rechtsanwalts zu stehen. Wegen der Regelung für Fälle der Prozeßführung und Zwangsvollstreckung ist auf den Absatz 2 des vorbezeichneten § 53 der Standesrichtlinien hinzuweisen.

7. Die Sache ist nicht spruchreif, da die tatsächlichen Feststellungen des FG den Inhalt der von den Klägern in Sozietät ausgeübten Geschäftsführungstätigkeit nicht näher kennzeichnen und daher nicht die Entscheidung ermöglichen, ob die Kläger unter den oben genannten Voraussetzungen teilweise eine begünstigte, rechtsberatende und rechtsbesorgende Tätigkeit als Rechtsanwalt unter Beachtung des Standesrechts ausgeübt haben (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Inwieweit im vorliegenden Falle eine nachträgliche Aufteilung in begünstigte und nichtbegünstigte Umsätze noch möglich ist, vermag der Senat angesichts des Fehlens jeglicher tatsächlicher Feststellungen nicht zu entscheiden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 413629

BStBl II 1981, 545

BFHE 1981, 234

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