Leitsatz (amtlich)

1. Der Importwarenabschlag kommt nur in Betracht, wenn das Wirtschaftsgut, das niedriger als mit dem sich nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG ergebenden Wert bewertet werden kann, in der Bilanz des Steuerpflichtigen auszuweisen und ausgewiesen ist.

2. Nur der Gattung und der Menge nach bezeichnete - nicht durch Konnossement repräsentierte - Ware, deren Auslieferung der Käufer verlangen, über die er jedoch nicht ohne Mitwirkung seines Lieferanten verfügen kann, ist nicht in den Warenbestand des Käufers aufzunehmen.

2. Es bleibt dahingestellt, ob schwimmende oder rollende Ware vom Augenblick des Gefahrüberganges auf den Käufer an in dessen Bilanz ausgewiesen werden darf.

2. Ob die Ermächtigung des § 51 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. m, Doppelbuchst. aa EStG 1961 mit Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG vereinbar ist, bleibt offen.

 

Normenkette

EStG §§ 5, 6 Abs. 1 Nr. 2, § 51 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. m Doppelbuchst. aa; EStDV § 80; GG Art. 80 Abs. 1 S. 2

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin - eine GmbH - begehrte aus Anlaß der Körperschaftsteuerveranlagung 1962, ihr den Importwarenabschlag gemäß § 80 Abs. 1 Nr. 1 EStDV zu gewähren. Das Finanzamt (FA) versagte ihr nach einer Betriebsprüfung die zunächst gewährte Vergünstigung. Einspruch und Klage sind erfolglos geblieben (vgl. Entscheidungen der Finanzgerichte 1969 S. 243).

Nach den Feststellungen des FG hat das FA anläßlich der Betriebsprüfung ermittelt, daß die Klägerin in ihrer Bilanz zum 31. Dezember 1962 Waren (Rohkaffee) ausgewiesen hat, die sich teils auf dem Wege zum Bestimmungshafen (schwimmende Ware) befanden und teils im Inland gelagert waren. Die Lagerware befand sich auf Lagern in A und B und in geringem Umfang noch am Kai. Die vom Importeur noch vor dem Jahresende ausgestellten Rechnungen tragen, soweit sie sich auf die Lagerware beziehen, den Vermerk "ab Lager A" oder "frei A" und hinsichtlich der schwimmenden Ware den Zusatz "cif A" und "Die Konnossemente werden wir für Sie bis zur Abwicklung treuhänderisch verwalten".

Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr bisheriges Begehren weiter.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision ist unbegründet.

I. In der Revisionsinstanz ist von Amts wegen zu prüfen, ob die Voraussetzungen für die auf § 222 Abs. 1 Nr. 1 AO gestützte Berichtigungsveranlagung vorliegen (Urteil des BFH V 134/65 vom 20. Juni 1968, BFH 93, 209, BStBl II 1968, 755). Gemäß § 222 Abs. 1 Nr. 1 AO findet u. a. eine Berichtigungsveranlagung statt, wenn neue Tatsachen bekanntwerden, die eine höhere Veranlagung rechtfertigen. Das FG hat nicht ausdrücklich festgestellt, daß dem FA erstmals durch die Betriebsprüfung bekanntgeworden ist, daß die umstrittenen Waren am 31. Dezember 1962 teils im Inland auf den Namen des Importeurs gelagert, teils auf dem Wege vom Abladezum Bestimmungshafen waren. Doch ergibt sich dies aus dem Zusammenhang der Darstellung im angefochtenen Urteil. Dort ist ausgeführt, daß die erwähnten Umstände bei einer Betriebsprüfung festgestellt worden sind und daß das beklagte FA den Körperschaftsteuerbescheid 1962 aufgrund der erwähnten Prüfungsfeststellungen geändert hat.

Die festgestellten neuen Tatsachen führen auch zu einer höheren Veranlagung. Aus ihnen ergibt sich, daß die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Begünstigung gemäß § 80 Abs. 1 Nr. 1 EStDV nicht erfüllt sind. Unter diesen Umständen kann für die Entscheidung über die Revision dahingestellt bleiben, ob die Ermächtigung des § 51 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. m, Doppelbuchst. aa EStG, auf die § 80 EStDV gestützt ist, mit Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG vereinbar ist (verneinend der gegenstandslos gewordene Beschluß des BFH IV 294/63 U vom 9. September 1965, BFH 83, 514, BStBl III 1965, 686, BStBl III 1966, 138).

II. Gemäß § 80 Abs. 1 Nr. 1 EStDV, der aufgrund § 6 Abs. 1 Satz 1 KStG in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. September 1961 (BGBl I, 1722) und des § 15 Nr. 2 KStDV in der Fassung der Bekanntmachung vom 6. Juni 1962 (BGBl I, 412) auch bei der Veranlagung zur Körperschaftsteuer anzuwenden ist, können Steuerpflichtige, die den Gewinn aufgrund ordnungsmäßiger Buchführung nach § 5 EStG ermitteln, u. a. die in der Anlage 3 zur EStDV bezeichneten Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens statt mit dem sich nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG ergebenden Wert mit einem Wert einsetzen, der bis zu 20 v. H. unter den Anschaffungskosten oder dem niedrigeren Börsen- oder Marktpreis (Wiederbeschaffungspreis) des Bilanzstichtages liegt; Rohkaffee ist in Nr. 5 der Anlage 3 zur EStDV (Verzeichnis der Wirtschaftsgüter im Sinne des § 80 Abs. 1 Ziff. 1) aufgeführt. Eine Voraussetzung für die Anwendung des Abs. 1 ist, daß sich das Wirtschaftsgut am Bilanzstichtag im Geltungsbereich des Gesetzes befunden hat; im Falle der Inanpruchnahme des Bewertungsabschlages nach Abs. 1 Nr. 1 genügt es, wenn sich das Wirtschaftsgut zwar am Bilanzstichtag noch nicht in dem bezeichneten Gebiet befunden hat, jedoch nachweislich zur Einfuhr in dieses Gebiet bestimmt gewesen ist (Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 der Bestimmung).

1. Der Bewertungsabschlag gemäß § 80 Abs. 1 Nr. 1 EStDV kommt nur in Betracht, wenn das Wirtschaftsgut, das niedriger als mit dem sich nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG ergebenden Wert bewertet werden kann, in der Bilanz des Steuerpflichtigen auszuweisen und ausgewiesen ist. Dies ergeben der Wortlaut und der Zweck der Vorschrift. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4, Satz 1, 2. Halbsatz EStDV steht dieser Auslegung nicht entgegen (Urteil des BFH IV 158/65 vom 14. Juli 1966, BFH 87, 67, BStBl III 1967, 20). Diese Bestimmung regelt nicht die Bilanzierungsfähigkeit von Wirtschaftsgütern. Sie erweitert lediglich die im 1. Halbsatz des Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 aufgestellte Voraussetzung für die Gewährung des Abschlages, daß sich das (dem Steuerpflichtigen zuzurechnende) Wirtschaftsgut am Bilanzstichtage im Geltungsbereich des EStG befunden habe. Hierbei versteht es sich von selbst, daß Wirtschaftsgut im Sinne des § 80 Abs. 1 Nr. 1 EStDV nur sein kann, was in der Anlage 3 zur EStDV bezeichnet ist (BFH-Urteil IV 158/65, a. a. O.).

In dem angefochtenen Urteil findet sich eine Äußerung, aus der geschlossen werden kann, das FG verlange für die Bilanzierungsfähigkeit von Waren mindestens mittelbaren Besitz.

Diese Bemerkung ist insoweit mißverständlich, als sie in dieser Allgemeinheit in dem Sinn verstanden werden könnte, daß die Bilanzierungsfähigkeit eines körperlichen Wirtschaftsgutes an Kriterien des bürgerlichen Rechts zu messen sei. Damit würde indessen verkannt, daß gemäß § 5 EStG (§ 6 Abs. 1 KStG) das Betriebsvermögen anzusetzen ist, das nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung auszuweisen ist. Hierfür kommt es - wie die Revision mit Recht ausführt - auf die wirtschaftliche Zugehörigkeit des Wirtschaftsguts zum Vermögen des Kaufmannes an. Dies hat jedoch auch das FG trotz der erwähnten mißverständlichen Formulierung, die allerdings nur auf den Streitfall bezogen ist, nicht verkannt. Denn die angefochtene Entscheidung beruht auf der Erwägung, daß die Klägerin am Bilanzstichtage weder über die Lagerware noch über die schwimmende Ware frei habe verfügen können. Die tatsächlichen Feststellungen, die von der Revision nicht angegriffen sind, lassen den Schluß zu, daß die Klägerin zwar Anspruch auf die Auslieferung von Rohkaffee hatte, der Verkäufer aber noch nicht das seinerseits Erforderliche zur Erfüllung der Kaufverträge getan hatte. Um Zugriff zu dem gekauften Rohkaffee zu bekommen, war die Klägerin stets auf Mitwirkungshandlungen des Importeurs angewiesen.

2. Hinsichtlich der sogenannten Lagerware steht fest, daß diese Ware durch den Importeur auf dessen Namen eingelagert war und der für die Klägerin bestimmte Rohkaffee auch nicht als für die Klägerin bestimmt bezeichnet oder in sonstiger Weise ausgesondert war. Das FG hat weiter festgestellt, daß die Klägerin Rohkaffee von den Lagergesellschaften nur abrufen konnte, wenn der Importeur eine entsprechende Partie und Menge des auf seinen Namen gelagerten Rohkaffees freigegeben hatte; die umstrittene Ware habe die Klägerin erst nach dem Bilanzstichtag abgerufen. Hinsichtlich der am Kai lagernden Ware ist das FG aufgrund der Darstellung der Klägerin davon ausgegangen, daß diese Ware nach dem Stichtag ebenfalls auf Lager gegangen, also nicht vorher in die Verfügungsgewalt der Klägerin gelangt sei. Hieraus hat das FG den möglichen Schluß gezogen, vor der Aussonderung bestimmt bezeichneter Mengen Rohkaffee habe keine Verfügungsmacht der Klägerin bestanden; der umstrittene Rohkaffee könne daher nicht als Vermögen der Klägerin aktiviert werden.

Die hiergegen gerichteten Einwendungen der Klägerin greifen nicht durch. Sie meint, da zwischen dem Importeur und ihr Einverständnis über die Art und Weise der Verfügung über die Ware bestanden habe, habe die Klägerin jederzeit nach Erteilung der Rechnungen - also auch schon vor dem Bilanzstichtag - "die gekaufte Ware abdisponieren, bei ihr Proben ziehen und sie für sich zurücklegen lassen" können. Die Klägerin habe eine unbeschränkte Zugriffsmöglichkeit auf die gekaufte Lagerware gehabt; diese Ware habe sich am Bilanzstichtag wirtschaftlich bereits in ihrer Hand befunden.

Damit verkennt die Klägerin, daß ihr nach ihrer eigenen Darstellung nur die Ansprüche auf Erfüllung der Kaufverträge zustanden. Zu ihrem Vermögen konnten die gekauften Rohkaffeemengen schon deshalb nicht gehören, weil die von ihr gekauften verschiedenen Partien Rohkaffee Teil des vom Importeur gelagerten oder für diesen abgeladenen und am Kai befindlichen Rohkaffees waren. Das FG weist mit Recht darauf hin, daß die gekaufte Ware noch nicht konkretisiert war. Erst wenn die der Klägerin zustehende Menge Rohkaffee für sie aus einer größeren Menge ausgesondert war, konnte ihr der Rohkaffee als Vermögenswert zugerechnet werden. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte sie nur einen Anspruch gegen den Verkäufer, ihr den gekauften Rohkaffee zur Verfügung zu stellen.

3. Auch die sogenannte schwimmende Ware war nicht zu aktivieren. Die Klägerin hat ihre Klage insoweit darauf gegründet, daß der Importeur als Treuhänder für sie die die entsprechenden Waren repräsentierenden Konnossemente (§ 650 HGB) gehalten habe. Die Treuhandvereinbarung über die Konnossemente verschaffe ihr zwar kein Eigentum; dies sei im Hinblick auf den Eigentumsvorbehalt auch nicht vorgesehen gewesen. Kraft des Treuhandvertrages habe sie aber mittelbaren Mitbesitz an den Konnossementen und dadurch auch an der durch diese repräsentierten Ware erhalten.

Für die Entscheidung über die Revision kann dahingestellt bleiben, ob ein Treuhandverhältnis nur dann in Betracht kommt, wenn der Treugeber das Treugut unmittelbar aus seinem Vermögen dem Treuhänder überläßt, nicht aber, wenn jemand als mittelbarer Stellvertreter von einem Dritten einen Gegenstand für Rechnung und im Interesse eines anderen erwirbt (vgl. die Nachweise bei Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 31. Aufl., Einführung vor § 929 BGB Anm. 7 D). Selbst wenn man entgegen der herrschenden Meinung die Begründung eines - von der Klägerin nicht näher bezeichneten - Treuhandverhältnisses auch in der Weise für möglich hält, daß der mittelbare Stellvertreter das Treugut von einem Dritten für Rechnung und im Interesse eines anderen erwirbt, war die schwimmende Ware zum 31. Dezember 1962 nicht als Vermögen der Klägerin aktivierungsfähig. Ein solches Treuhandverhältnis konnte schon deshalb nicht bestehen, weil die Klägerin den Rohkaffee nach ihrer eigenen Darstellung, die sich das FG zu eigen gemacht hat, vom Importeur gekauft hat. Hätte ein Treuhandverhältnis der dargestellten Art bestanden, so wären die Rechtsbeziehungen zwischen ihr und dem Importeur als Geschäftsbesorgung und nicht als Kaufgeschäfte zu qualifizieren. Der Verkäufer ist hinsichtlich der Erfüllung ihm aus dem Kaufvertrag obliegenden Pflichten kein Treuhänder.

Hiervon abgesehen kommt die Aktivierung der am Bilanzstichtage noch schwimmenden Ware - worauf das FG mit Recht hingewiesen hat - aus dem gleichen Grunde nicht in Frage, aus dem dies hinsichtlich der Lagerware zu verneinen ist. Für die Entscheidung über die Revision kann dahingestellt bleiben, ob schwimmende oder rollende Ware vom Augenblicke des Gefahrüberganges auf den Käufer an (auch wenn noch nicht mittels Konnossements, Frachtbriefs usw. darüber verfügt werden kann) stets in dessen Warenbestand aufgenommen, also bilanzmäßig ausgewiesen werden darf (vgl. Adler-Düring-Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Aktiengesellschaft, 3. Aufl., § 129 Rdnr. 37; 4. Aufl.. § 149 Rdnr. 41). Im Streitfall sind keine Tatsachen festgestellt, die den Schluß zulassen, daß die Gefahr (§ 243 Abs. 2 BGB) hinsichtlich der schwimmenden Ware am Bilanzstichtage auf die Klägerin übergegangen gewesen sei. Weder aus den tatsächlichen Feststellungen noch aus dem Vortrage der Klägerin kann entnommen werden, daß etwa durch Vereinbarung einer Sammelsendung (vgl. hierzu Staudinger-Weber, Bürgerliches Gesetzbuch, 11. Aufl., § 243 Rdnr. 47, und Kommentar der Reichsgerichtsräte zum BGB, 11 Aufl., § 243 Anm. 22) oder eine sonstige Vereinbarung die Gefahr hinsichtlich des von der Klägerin gekauften Kaffees vor dem Bilanzstichtage auf diese übergegangen sei.

Der der Klägerin auszuliefernde Rohkaffee war jeweils eine dem Gewicht nach bezeichnete Teilmenge der von dem Importeur auf dem Seewege eingeführten Partien Rohkaffee gleicher Beschaffenheit. Als nur der Gattung nach und durch das Gewicht als unabgeschiedener Teil einer (dem Käufer) nicht bekannten Menge gattungsmäßig bezeichneter Ware ist der gekaufte Rohkaffee nicht hinreichend individualisiert, um als Gegenstand des wirtschaftlichen Verkehrs Teil des Vermögens der Klägerin zu sein. Dies ist erst in dem Augenblick möglich, in dem der von der Klägerin gekaufte Rohkaffee aus der Gesamtladung Rohkaffee gleicher Beschaffenheit erkennbar ausgesondert wird. Das FG hat festgestellt, daß eine solche Aussonderung - die etwa durch Numerierung der einzelnen Säcke oder auf andere Weise sichtbar gemacht worden wäre - nicht erfolgt ist.

Unter diesen Umständen braucht nicht geprüft zu werden, ob der Importeur im Besitz aller Konnossemente für schwimmende Ware war, deretwegen die Klägerin die Vergünstigung des § 80 Abs. 1 Nr. 1 EStDV begehrt. Schließlich ist es auch unerheblich, ob der Importeur im Hinblick auf (auf ihn lautende) Konnossemente, die sich auf von ihm eingekaufte - gemäß § 643 Nr 8 HGB nach Art, Maß, Zahl oder Gewicht, Merkzeichen und äußerlich erkennbare Verfassung und Beschaffenheit bezeichneten - Güter bezogen, mit der Klägerin ein Treuhandverhältnis über einen Teil dieser (nicht bestimmt bezeichneten) Güter begründen konnte, das geeignet gewesen wäre, diesen Teil der Güter als der Klägerin gehörende Wirtschaftsgüter zu qualifizieren.

 

Fundstellen

Haufe-Index 413145

BStBl II 1972, 563

BFHE 1972, 344

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