Entscheidungsstichwort (Thema)

Entstehen von Säumniszuschlägen

 

Leitsatz (NV)

1. Selbst ein dem Steuerschuldner mitgeteilter Vollstreckungsaufschub kann seit der Geltung der AO 1977 das Entstehen von Säumniszuschlägen nicht hindern.

2. Die Mitteilung des FA in einer Verfügung über die Ablehnung eines Stundungsantrags, es werde von der Erhebung von angefallenen Säumniszuschlägen absehen, ist als Zusicherung eines Erlasses, nicht aber als Hinausschieben der Fälligkeit zu werten.

 

Normenkette

AO 1977 §§ 222, 240, 258

 

Verfahrensgang

FG Nürnberg

 

Tatbestand

Da zwischen dem Kläger und Revisionskläger (Kläger) und dem Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA -) über die Verwirkung von Säumniszuschlägen Streit bestand, setzte das FA die Säumniszuschläge in mehreren Anrechnungsbescheiden fest:

Abrechnungbescheid (wegen Einkommensteuer 1972, 1974, 1975,

vom 31. Januar 1980 Ergänzungsabgabe 1972, 1974

und Stabilitätszuschlag 1974) 3 386 DM

Abrechnungsbescheid

vom 14. April 1980 (wegen Umsatzsteuer 1974/75) 493 DM

Abrechnungsbescheid (wegen Umsatzsteuer 1971, 1973 bis 1975

vom 24. Juni 1980 und 1977) 2 502 DM

Abrechnungsbescheid (wegen Einkommensteuer 1972 bis 1977)

vom 24. Juni 1980 18 919 DM.

Die Höhe der streitigen Säumniszuschläge war zwischen den Beteiligten unstreitig.

Die den abgerechneten Säumniszuschlägen zugrunde liegenden Steuern waren in der Zeit von 1977 bis 1979 fällig geworden. Der Kläger zahlte die Steuern nicht bis zu den in den jeweiligen Steuerbescheiden festgelegten Fälligkeiten. Er stellte vielmehr Stundungsanträge, die vom FA abgelehnt wurden. Ebensowenig wurde eine Aussetzung der Vollziehung verfügt. In den Verfügungen, durch die die Stundungsanträge abgelehnt wurden, setzte das FA keine neuen Fälligkeitstermine. Es teilte dem Kläger lediglich mit, daß es von der Erhebung der - kraft Gesetztes - angefallenen Säumniszuschläge absehen werde, wenn er bis zu einem bestimmten Termin die rückständigen Steuern begleiche. Bis zur Entscheidung über die beantragten Stundungen sah die Vollstreckungsstelle des FA von Beitreibungsmaßnahmen gegen den Kläger wegen dieser Steuern ab.

Der Einspruch des Klägers gegen die Abrechnungsbescheide blieb erfolglos. Die daraufhin erhobene Anfechtungsklage wies das Finanzgericht (FG) mit Urteil vom 22. November 1983 als unbegründet ab. Während des Klageverfahrens hob das FA den Abrechnungsbescheid vom 14. April 1980 in voller Höhe und den Abrechnungsbescheid vom 31. Januar 1980 in Höhe von 3 188 DM auf und ermäßigte den die Einkommensteuer betreffenden Abrechnungsbescheid vom 24. Juni 1980 um 6 027 DM.

Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts und macht vorsorglich einen Verfahrensmangel geltend.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet; sie war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Die Abrechnungsbescheide des FA vom 24. Juni 1980 sind rechtmäßig. Bei einem Streit über die Frage, ob Säumniszuschläge entstanden sind, entscheidet die Finanzbehörde durch Abrechnungsbescheid i.S. des § 218 Abs. 2 der Abgabenordnung - AO 1977 - (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 15. März 1979 IV R 174/78, BFHE 127, 311, BStBl II 1979, 429).

1. Nach § 240 Abs. 1 AO 1977 ist für jeden angefangenen Monat der Säumnis ein Säumniszuschlag von 1 v. H. des rückständigen Steuerbetrags verwirkt, wenn eine Steuer nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstages entrichtet wird. Zwar kann die Fälligkeit durch Stundung (§ 222 AO 1977) hinausgeschoben werden. Eine solche Stundung wurde aber im Streitfall nicht gewährt. Vielmehr wurde der Antrag des Klägers auf Stundung der den Säumniszuschlägen zugrunde liegenden Steuern von den Finanzbehörden endgültig abgelehnt.

Nach dem Milderungserlaß des Bundesministers der Finanzen (BMF) vom 15. Februar 1971 IV B l - S 1295 - 2/71 (BStBl I 1971, 121) hat die zuständige Finanzbehörde im allgemeinen eine Frist zur Entrichtung der rückständigen Steuern zu bewilligen, wenn eine Stundung vor Fälligkeit beantragt, aber nach Fälligkeit abgelehnt wird. Ob eine solche Frist von den Finanzbehörden hätte gewährt werden müssen und welchen Einfluß dies dann auf die Steuerfestsetzung gehabt hätte, kann im Streitfall dahinstehen. Da die Finanzbehörden dem Kläger eine solche Frist nicht gewährt haben, konnte sie die Fälligkeit der rückständigen Steuern und damit das Entstehen von Säumniszuschlägen nicht beeinflussen.

Allein in der Untätigkeit der Vollstreckungsstelle des FA bis zur Entscheidung über die beantragten Stundungen ist noch kein Aufschub der Vollstreckung gemäß § 258 AO 1977 zu sehen. Zu Recht hat aber das FG von weiteren Ermittlungen des Verhaltens der Vollstreckungsstelle abgesehen, denn selbst ein dem Kläger mitgeteilter Vollstreckungsaufschub hätte das Entstehen der Säumniszuschläge nicht hindern können. Es handelt sich hierbei um eine ausschließlich auf das Vollstreckungsverfahren beschränkte Maßnahme, welche die Steuerforderung und ihre Fälligkeit unberührt läßt (BFH-Urteile vom 14. Mai 1987 X R 26/81, Steuerrechtsprechung in Karteiform, Abgabenordnung, § 240 Rechtsspruch 9; in BFHE 127, 311, BStBl II 1979, 429, und vom 23. Mai 1985 V R 124/79, BFHE 143, 512, 515, BStBl II 1985, 489).

Während der Geltung der Reichsabgabenordnung (AO) vertrat die Rechtsprechung die Auffassung, dem vom FA verfügten und dem Steuerpflichtigen mitgeteilten Vollstreckungsaufschub (§ 333 AO) komme stundungsgleiche Wirkung zu (Urteil in BFHE 143, 512, BStBl II 1985, 489). Bei dieser Beurteilung konnten Säumniszuschläge - ab Gewährung des Vollstreckungsaufschubs - nicht entstehen. Zu Recht ist das FG dieser Frage nicht nachgegangen, da die den streitigen Säumniszuschlägen zugrunde liegenden Steuern erst ab 1977 fällig geworden sind. Im Streitfall hätte sich deshalb ein Vollstreckungsaufschub nach den Vorschriften der AO 1977 richten müssen und deshalb - wie ausgeführt - die Entstehung von Säumniszuschlägen nicht hindern können.

Die Verfahrensrüge des Klägers, das FG habe nicht ermittelt, in welcher Form Vollstreckungsaufschub gewährt wurde, kann schon deshalb keinen Erfolg haben, weil selbst ein mitgeteilter Vollstreckungsaufschub das Entstehen der streitigen Säumniszuschläge nicht verhindert hätte.

2. Die Mitteilung des FA in den Verfügungen über die Ablehnung der Stundungsanträge, das FA werde von der Erhebung von angefallenen Säumniszuschlägen absehen, wenn der Kläger die Steuern bis zu einem bestimmten Termin begleiche, hat das FG zutreffend als Zusicherung eines Erlasses, nicht aber als Hinausschieben der Fälligkeit gewertet. Das FA hätte nicht auf die Erhebung der ,,angefallenen" Saumniszuschläge abgestellt, von der es bei Erfüllen der gesetzten Bedingungen absehen wollte, wenn es die Fälligkeit der Steuern hätte verändern wollen. Denn dann wären überhaupt keine Säumniszuschläge entstanden, von deren Erhebung es hätte absehen können.

 

Fundstellen

Haufe-Index 416742

BFH/NV 1990, 546

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