Leitsatz (amtlich)

Darlehnsaufnahme und -hingabe können im Rahmen der Gewinnermittlung durch Einnahmen-Ausgaben-Überschußrechnung keine Berücksichtigung finden.

 

Normenkette

EStG § 4 Abs. 3-4

 

Tatbestand

Die Revisionsbeklagten sind Eheleute. Der steuerpflichtige Ehemann (Steuerpflichtiger) betreibt eine gepachtete Gastwirtschaft und ermittelt seinen Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG; er hat eine aus Anlaß der Übernahme der Pachtung im Streitjahr (1963) an die Brauerei B. gezahlte und von dieser zu verzinsende Kaution als Betriebsausgabe gewinnmindernd behandelt. Der Revisionskläger (das FA) hat sie als Darlehen angesehen und den Gewinn demgemäß um diesen Betrag erhöht.

Das FG gab nach erfolglosem Einspruch der Klage der Revisionsbeklagten statt. Zur Begründung seiner in EFG 1967, 341 veröffentlichten Entscheidung führte es aus:

Bürgerlich-rechtlich sei die Zahlung einer verzinslichen Barkaution eine Darlehnsgewährung, die den Gegenforderungen des Gläubigers als Deckung diene. Demgemäß lasse die in Rechtsprechung und Schrifttum herrschende Meinung die Zahlung einer Kaution im Rahmen der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG nicht als Betriebsausgabe zum Abzug zu. Gleichwohl könne nicht übersehen werden, daß die Zahlung der Kaution allein durch den Betrieb des Steuerpflichtigen veranlaßt worden, der erlegte Betrag mit der Zahlung der Kaution aus der Verfügungsmacht des Steuerpflichtigen ausgeschieden und somit begrifflich gemäß § 4 Abs. 4 EStG eine Betriebsausgabe sei. Der Anspruch auf Rückgewähr der Kaution nach Beendigung der Geschäftsverbindung und Abwicklung der aus ihr erwachsenen gegenseitigen Ansprüche und Verbindlichkeiten ändere nichts daran, daß dem Steuerpflichtigen für die Zeit des Bestehens dieser Geschäftsverbindung die Verfügungsmacht über den erlegten Betrag genommen sei. Deshalb entspreche allein die Anerkennung der Zahlung als Betriebsausgabe auch im Rahmen der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG der Systematik des Gesetzes mit der Folge, daß der Rückfluß der Kaution als Betriebseinnahme zu behandeln sei.

Gegen diese Entscheidung wendet sich das FA mit der vom FG zugelassenen, form- und fristgerecht eingelegten Revision.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Wiederherstellung des Steuerbescheides vom 4. Dezember 1964.

Es kann für die Entscheidung dahingestellt bleiben, ob die Kaution, die durch Hingabe eines bestimmten, vom Empfänger zu verzinsenden Geldbetrages gestellt wird, bürgerlich-rechtlich als Sicherheitsleistung im Sinne des § 562 BGB, als Darlehen im Sinne des § 607 BGB oder - über den Rahmen des § 1205 BGB hinaus - als unregelmäßiges Pfand (mit Eigentumsübertragung an der Pfandsache) anzusehen ist. Denn in jedem der genannten Fälle verliert der Besteller der Kaution sein Eigentum an den erlegten Zahlungsmitteln und erhält er dafür einen Anspruch auf Rückgewähr des Hingegebenen, wenn und soweit nicht der Empfänger berechtigt ist, Befriedigung hinsichtlich seiner Gegenforderungen aus der Kaution zu suchen. Der Senat folgt deshalb bei seiner Entscheidung der vom FG vorgenommenen bürgerlich-rechtlichen Einordnung der Kaution.

Ebensowenig wie indes - trotz des bürgerlich-rechtlichen Eigentumsübergangs an den Zahlungsmitteln - der Darlehnsnehmer durch die Aufnahme des Darlehens eine Einnahme im Sinne von § 8 Abs. 1 EStG zu verzeichnen hat (siehe Kommentare zum Einkommensteuergesetz Blümich-Falk, 9. Aufl., Anm. 3 zu § 8; Hartmann-Böttcher-Grass, Anm. 2 zu § 8; Littmann, 8. Aufl., Anm. 15 zu § 2), ist die Hingabe des Darlehens durch den Darlehnsgläubiger (Darlehnsgeber) eine Betriebsausgabe im Sinne von § 4 Abs. 3 Satz 1, Abs. 4 EStG, selbst wenn die Hingabe des Darlehens durch den Betrieb veranlaßt war. Denn weder der Zufluß (im Falle der Darlehnsaufnahme) noch der Abfluß (im Falle der Darlehnshingabe) begründen wirtschaftlich einen endgültigen Geldzugang bzw. Geldabgang, der im Rahmen der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG gewinnerhöhend bzw. gewinnmindernd berücksichtigt werden kann. Soweit die Betriebsausgabe begrifflich durch das Moment der Ausgabe bestimmt wird, erfüllt auch die Darlehnshingabe diesen Begriff; soweit sie dagegen als sofort abziehbare, gewinnmindernde Aufwendung verstanden wird, fehlt es angesichts des Mangels der Endgültigkeit der Verausgabung des hingegebenen Betrages an einer Aufwendung im Sinne von § 4 Abs. 4 EStG (siehe auch Herrmann-Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, Anm. 62 zu § 4 EStG, Stichwort "Darlehen"; Hartmann-Böttcher-Grass, a. a. O., Anm. 30 zu §§ 4, 5, Stichwort "Darlehnsvorgänge"; Littmann, a. a. O., Anm. 736 ff. zu §§ 4, 5). Deshalb ist auch im vorliegenden Streitfall die sofortige Abzugsfähigkeit des zu Sicherheitszwecken als Kaution hingegebenen Geldbetrages beim Steuerpflichtigen nicht gegeben.

Die Frage, ob die Darlehnsforderung dem Betriebsvermögen oder dem Privatvermögen der Darlehnsgeber zuzurechnen ist, kann für die Entscheidung darum nicht weiterführen. Soweit der Bundesfinanzhof (BFH) bisher zur Behandlung von Darlehnsverlusten im Rahmen der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 und § 5 EStG sowie insbesondere nach § 4 Abs. 3 EStG Stellung genommen hat (vgl. insbesondere die BFH-Urteile IV 88/62 vom 8. Oktober 1964, HFR 1965, 23; I 53/63 vom 11. Januar 1966, BFH 85, 13, BStBl III 1966, 218), geben seine Ausführungen für die Entscheidung des vorliegenden Streitfalles ebenfalls nichts her; der Senat braucht daher auf sie nicht weiter einzugehen. Es trifft indes nicht zu, daß - wie das FG meint - der BFH im Urteil IV 88/62 (a. a. O) die betrieblich veranlaßte Darlehnshingabe bei der Gewinnermittlung durch Vermögensvergleich "ohne weiteres als Betriebsausgabe anerkannt" habe, abgesehen davon, daß dieses Urteil den vorliegenden Streitfall insofern nicht trifft, als dort die Abzugsfähigkeit des Verlustes einer Darlehnsforderung, nicht - wie hier - lediglich die Abzugsfähigkeit der Hingabe eines als Darlehen einzuordnenden Geldbetrages zur Beurteilung stand.

 

Fundstellen

Haufe-Index 68821

BStBl II 1970, 44

BFHE 1970, 76

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