Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Das übergangsgeld, das auf Grund der §§ 62 bis 64 BAT gezahlt wird, ist Teil des steuerpflichtigen Arbeitslohns. Es fällt nicht unter die Befreiungsvorschriften des § 3 Ziff. 9 oder 10 EStG (ß 6 Ziff. 7 und 8 LStDV 1962).

 

Normenkette

EStG § 19 Nr. 2, § 19/1, § 3/9, § 3 Ziff. 10; LStDV § 6 Ziff. 7; LStDV § 6 Ziff. 8

 

Tatbestand

Der Bf. war bis zum 31. Juli 1963 Angestellter der Bezirksregierung in X. Er schied wegen Erreichens der Altersgrenze aus und erhielt beim Ausscheiden nach den §§ 62 bis 64 des Bundesangestelltentarifvertrages (BAT) für die Zeit vom 1. August bis zum 30. November 1963 ein übergangsgeld von 6.364 DM. Davon wurden ihm 800 DM an Lohnsteuer einbehalten. Der Bf. hielt das übergangsgeld nach § 3 Ziff. 10 EStG für steuerfrei, weil es einer Beihilfe gleichzuachten sei. Es könne nicht darauf ankommen, daß die Gewährung des übergangsgeldes in dem BAT geregelt sei. Der Bf. beantragte die Erstattung der einbehaltenen Lohnsteuer. Das Finanzamt lehnte den Antrag ab.

Der Einspruch und die Berufung blieben erfolglos. Das Finanzgericht führte aus: Nach § 19 EStG gehörten zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit auch die Bezüge aus früheren Dienstverhältnissen. Entsprechend seien nach § 2 Abs. 1 LStDV zum Arbeitslohn alle Einnahmen zu rechnen, die einem Arbeitnehmer aus einem gegenwärtigen oder früheren Dienstverhältnis zugeflossen seien. Wenn auch das übergangsgeld dem Angestellten nach dem Ausscheiden für eine gewisse Zeit die bisherigen Bezüge sichern solle, so werde es doch mit Rücksicht auf die frühere Dienstleistung gezahlt. Nach § 3 Ziff. 10 EStG 1963 und entsprechend § 6 Ziff. 8 LStDV 1962 seien übergangsgelder nur steuerfrei, wenn sie auf Grund gesetzlicher Vorschriften gezahlt würden. Während die frühere Tarifordnung A für Gefolgschaftsmitglieder im öffentlichen Dienst (Angestellte) - TO. A - als Gesetz gegolten habe, sei der BAT eine arbeitsrechtliche Regelung zwischen den Tarifparteien. Es sei nicht anzunehmen, daß der Gesetzgeber bei dem Inkrafttreten des BAT nur versehentlich § 3 Ziff. 10 EStG nicht entsprechend geändert habe.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb., mit der der Bf. unrichtige Rechtsanwendung rügt, ist nicht begründet.

Entschädigungen wegen Entlassung aus einem Dienstverhältnis sind gemäß § 3 Ziff. 9 und 10 EStG 1963 (ß 6 Ziff. 7 und 8 LStDV) von der Einkommensteuer (Lohnsteuer) nur freigestellt, soweit sie ihre Grundlage in den Vorschriften über den sozialen Kündigungsschutz haben oder auf einem Gesetz beruhen. Für das Streitjahr 1963 kommen im Zusammenhang mit dem sozialen Kündigungsschutz lediglich Entschädigungen in Betracht, die auf Grund von §§ 7 und 8 des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG) oder von § 74 Ziff. 7 des Betriebsverfassungsgesetzes gezahlt werden. Das hier streitige übergangsgeld ist aber auf Grund von §§ 62 bis 64 BAT gezahlt worden. Im Rahmen des sozialen Kündigungsschutzes werden Entschädigungen gewährt, wenn ein Arbeitnehmer gezwungen wird, auf seinen Anspruch auf Weiterbeschäftigung zu verzichten (Urteile des Bundesfinanzhofs IV 205/51 U vom 17. Juli 1952, BStBl 1952 III S. 217, Slg. Bd. 56 S. 560; IV 26/54 U vom 28. Juli 1955, BStBl 1955 III S. 296, Slg. Bd. 61 S. 256). Der Bf. hatte aber keinen Anspruch auf Weiterbeschäftigung, sondern mußte wegen Erreichens der Altersgrenze ausscheiden. Das streitige übergangsgeld hatte seine Grundlage also in dem bisherigen Arbeitsverhältnis und war ein Teil der aus dem Arbeitsverhältnis geschuldeten vertraglichen Bezüge.

Es beruht auch nicht auf einem Gesetz, sondern auf dem BAT, d. h., einer tarifvertraglichen Vereinbarung. Es ist dem Bf. zuzugeben, daß die ähnlichen übergangsgelder, die früher auf Grund der TO. A, die dem BAT voranging, gezahlt wurden, in § 3 Ziff. 10 EStG steuerfrei gestellt waren. Da die TO. A eine Rechtsverordnung war, beruhten die nach ihren Bestimmungen gezahlten übergangsgelder auf einer gesetzlichen Vorschrift. Deshalb war auch noch in Abschn. 12 Abs. 9 der Lohnsteuer-Richtlinien (LStR) 1960 für die damals auslaufenden übergangsgelder nach § 16 TO. A und die entsprechenden Abkehrgelder nach § 21 der Tarifordnung B für Gefolgschaftsmitglieder im öffentlichen Dienst (Arbeiter) - TO. B - die Steuerfreiheit klargestellt.

Für übergangsgelder nach dem BAT kommt aber, wie das Finanzgericht zutreffend ausführt, die Steuerfreiheit nicht mehr in Betracht, weil eine gesetzliche Grundlage für die Steuerbefreiung fehlte. Auch im Schrifttum werden solche Abfindungen als lohnsteuerpflichtige Einkünfte angesehen (vgl. öftering-Görbing, Anm. 8 d zu § 6 LStDV; Hartz-Over, Die Lohnsteuer, Stichwörter "Beamte" und "Abkehrgelder"). Steuergerichte dürfen, wenn der Gesetzgeber bestimmte Bezüge bewußt nicht freigestellt hat, nicht von sich aus die Steuerfreiheit aussprechen, auch wenn für die Steuerfreiheit vielleicht gute Gründe angeführt werden können. Bei der Entscheidung über die Steuerfreiheit geht es um eine steuer- und sozialpolitische Entscheidung des Gesetzgebers, die nach Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland die Steuergerichte bindet, sofern die Entscheidung kein Grundrecht der Bürger verletzt und darum verfassungsrechtlich einwandfrei ist. Eine solche Verfassungsverletzung ist nicht festzustellen. Der Gesetzgeber hat die Grenzen seines politischen Ermessens nicht überschritten, wenn er übergangsgelder der streitigen Art nicht mehr steuerfrei stellte.

 

Fundstellen

Haufe-Index 411795

BStBl III 1966, 102

BFHE 1966, 283

BFHE 84, 283

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