Leitsatz (amtlich)

Rückstellungen eines Steinbruchunternehmens für die Verpflichtung, ausgebeutete gepachtete Flächen nach Ablauf der Pachtverträge zu rekultivieren, sind keine Dauerschulden.

 

Normenkette

GewStG § 12 Abs. 2 Nr. 1

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine KG, betreibt u. a. zwei Steinbrüche in den Gemeinden N und K. Das Gelände, auf dem sich die Steinbrüche befinden, ist von den Gemeinden gepachtet. Die Pachtverträge enthalten auch Vereinbarungen über den Zustand, in dem die Klägerin die ausgebeuteten Flächen nach Ablauf der Verträge zurückgeben muß, bzw. die Maßnahmen, die die Klägerin auf ihre Kosten von der Forstverwaltung durchführen lassen muß.

Für die auf den entsprechenden Vertragsbestimmungen beruhenden Rekultivierungsverpflichtungen hat die Klägerin in ihren Steuerbilanzen Rückstellungen gebildet; die Rückstellungen wurden auch als Betriebsschulden gemäß § 103 Abs. 1 BewG bei der Feststellung des Einheitswertes des gewerblichen Betriebes zum 1. Januar 1966 und zum 1. Januar 1968 abgezogen. In den berichtigten Gewerbesteuermeßbescheiden für 1966 bis 1968 vom 12. Februar 1971 hat der Beklagte und Revisionskläger (FA) diese Rückstellungen als Dauerschulden gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 1 GewStG dem Gewerbekapital hinzugerechnet. Der hiergegen eingelegte Einspruch wurde zurückgewiesen. Das Finanzgericht (FG) gab der Klage durch Urteil vom 19. Juli 1974 III 175/72, das in EFG 1974, 539, veröffentlicht ist, statt.

Dagegen richtet sich die Revision, mit der das FA Verletzung des § 12 Abs. 2 Nr. 1 GewStG rügt. Es trägt im wesentlichen vor, die Annahme der Vorinstanz, daß die Rekultivierungsverpflichtungen erst durch und in Höhe des Abbaus konkretisiert würden, treffe nicht zu. Der Abbau des Minerals habe mit der Verpflichtung zur Rekultivierung unmittelbar nichts zu tun. Die Vereinbarung über die Rekultivierung beruhe auf dem freien Willen der Parteien und beeinflusse die Höhe des Pachtzinses. Die vertragliche Regelung, nicht der Abbau sei die Ursache der Verbindlichkeit. Dies werde deutlich, wenn man annehme, daß ein Unternehmer, der ein Mineralvorkommen gepachtet habe, vom Vertrage zurücktrete, bevor er das Vorkommen voll ausgebeutet habe. Der Pächter müsse dann, falls er keinen Nachfolger finde, die vollen Kosten zahlen, da die Verbindlichkeit bei vorzeitiger Beendigung der Pacht in jedem Stadium der Ausbeute gleich hoch sei. - Im übrigen werde die Rekultivierungsverpflichtung auch nicht - wie der BFH dies bei laufenden Verbindlichkeiten voraussetze - der Eigenart des Betriebes entsprechend laufend getilgt, sondern erst nach der Ausbeute des Mineralvorkommens erfüllt. Dies könne unter Umständen Jahrzehnte dauern. Die Voraussetzungen für die Annahme einer Dauerschuld seien mithin gegeben. Dementsprechend habe auch der BFH im Urteil vom 26. November 1957 I 230/56 U (BFHE 66, 97, BStBl III 1958, 39) Rückstellungen für derartige Verbindlichkeiten zu den Dauerschulden gerechnet, wenn ihre Erfüllung zu einer Verstärkung des Betriebsvermögens führe. Dieses Urteil werde von Lenski/Steinberg (Kommentar zum Gewerbesteuergesetz, 4. Aufl., § 12 Anm. 27, 28) als weiterhin gültig angesehen. Dem sei beizupflichten. Die Rekultivierungsverpflichtung sei vergleichbar der Verpflichtung eines Pächters, der den übernommenen Betrieb mit gleichem Warenbestand zurückzugeben habe. Die Rückgabeverpflichtung stelle aber nach der Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 30. November 1965 I 70/60 S, BFHE 84, 138, BStBl III 1966, 51) eine Dauerschuld dar.

Das FA beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

1. Der Auffassung der Klägerin, es handle sich bei den vereinbarten Rekultivierungsverpflichtungen nicht um echte Verbindlichkeiten i. S. des § 12 Abs 2 Nr. 1 GewStG, kann allerdings nicht beigepflichtet werden. Dabei kann offenbleiben, ob die Ausführungen der Vorinstanz, mit denen diese der Annahme eines Wertberichtigungspostens entgegengetreten ist, zutreffend sind. Denn im Verfahren über den Gewerbesteuermeßbescheid besteht für die Frage, ob Verbindlichkeiten vorliegen, eine Bindung an die Feststellung im Einheitswertverfahren (BFH-Urteile vom 29. Oktober 1974 I R 103/73, BFHE 114, 105, BStBl II 1975, 114, und vom 3. Juli 1968 I 196/65, BFHE 93, 159, BStBl II 1968, 717). Im Streitfall sind die den Rückstellungen zugrunde liegenden Rekultivierungsverpflichtungen in der streitigen Höhe bei der Einheitsbewertung des Betriebes als Betriebsschulden abgezogen worden; an diese auf tatsächlichem Gebiet liegende Feststellung des FG ist der Senat gebunden (§ 118 Abs. 2 FGO).

2. Die streitigen Verbindlichkeiten haben jedoch keinen Dauerschuldcharakter. Sie gehören zum laufenden Geschäftsbetrieb und verstärken deshalb das Betriebskapital nur vorübergehend.

Die Verpflichtung zur Rekultivierung des ausgebeuteten Geländes trifft die Klägerin in ähnlicher Weise wie ein Erdölleitungsunternehmen die Verpflichtung, nach Auslaufen der Gestattungsverträge Rohrleitungen zu entfernen und die Grundstücke wiederherzustellen. Für eine derartige Verpflichtung hat der erkennende Senat aber entschieden, daß sie schon ihrer Art nach keine Dauerschuld sein kann (Urteil I R 103/73). Er hat dabei Bezug genommen auf frühere Entscheidungen, in denen der BFH laufende Verbindlichkeiten angenommen hat, so das Urteil des IV. Senats vom 13. März 1964 IV 385/62 S (BFHE 79, 311, BStBl III 1964, 344) betreffend Rückstellungen für drohende Haftpflicht- und Gewährleistungsverpflichtungen bei einem Heizungsbauunternehmen und die Urteile des erkennenden Senats vom 12. Juni 1968 I 278/63 (BFHE 93, 154, BStBl II 1968, 715) betreffend Schadensrückstellungen im Sachversicherungsgeschäft und vom 14. November 1968 I 51/65 (BFHE 94, 574, BStBl II 1969, 266) betreffend Bergschäden-Rückstellungen. Im Urteil I R 103/73 hat der Senat auch ausgeführt, daß der - die Rekultivierungsverpflichtung eines Kiesbauunternehmens betreffende - Urteilsfall I 230/56 U die für den Dauerschuldcharakter sprechende Besonderheit aufgewiesen habe, daß die Steuerpflichtige ihren Verpflichtungen nicht in vollem Umfang nachgekommen sei; soweit dem Urteil indes entnommen werden könnte, daß Rückstellungen stets ohne Rücksicht auf den Charakter und die Laufzeit der zugrunde liegenden Verbindlichkeit Dauerschulden seien, werde an ihm nicht festgehalten.

Auch im Streitfall ist der Zusammenhang mit dem laufenden Geschäftsbetrieb gegeben. Denn - wirtschaftlich gesehen - besteht eine Beziehung zwischen dem Mineralabbau, seiner Beendigung und der Rekultivierung (ohne Abbau bedarf es der Rekultivierung nicht). Dieser Zusammenhang rechtfertigt bereits die Annahme, daß die den streitigen Rückstellungen zugrunde liegenden Verbindlichkeiten im laufenden Geschäftsbetrieb entstanden sind (vgl. BFH-Urteil I R 103/73). Im Gegensatz zur Auffassung des FA kommt es nicht darauf an, ob der Fall eintreten kann, daß der Umfang der Verpflichtung und die abgebaute Mineralmenge nicht mehr im gleichen Verhältnis stehen. Tatsächlich stehen Mineralabbau und Rekultivierungsverpflichtung in engerer wirtschaftlicher Beziehung als die Nutzung einer Erdölleitung zu deren Beseitigung. Denn im Regelfall kann bei wirtschaftlicher Betrachtung davon ausgegangen werden, daß sich die Verbindlichkeit entsprechend dem fortschreitenden Abbau vergrößert.

3. Ebenso wie im Urteilsfall I R 103/73 können auch hier keine Dauerschulden aus dem Gesichtspunkt der in Abwicklung befindlichen Verbindlichkeiten angenommen werden. Der Vertrag mit der Gemeinde K sieht die Rekultivierung durch die Forstverwaltung vor; die Kosten dafür sollen nach Ablauf des Vertrages ermittelt werden. Auch die Vereinbarungen mit der Gemeinde N gehen davon aus, daß die Rekultivierung erst nach Beendigung des Pachtverhältnisses und nach Absprache der im einzelnen erforderlichen Maßnahmen vorzunehmen ist. Am Bewertungsstichtag waren die Pachtverhältnisse noch nicht beendet. Die langfristige Abwicklung entspricht - wie das FG unbeanstandet ausgeführt hat - dem normalen laufenden Geschäftsgang eines Mineralabbauunternehmens.

4. Einwendungen gegen die rechnerische Ermittlung der Gewerbesteuermeßbeträge für die Streitjahre sind nicht erhoben worden; Fehler sind insoweit auch nicht zu erkennen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 72104

BStBl II 1977, 9

BFHE 1977, 254

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