Leitsatz (amtlich)

1. Eine nach § 19 BBauG erforderliche Genehmigung betrifft nur die Teilung (§ 19 Abs. 1 und § 19 Abs. 2 Nr. 2) oder die Auflassung (§ 19 Abs. 2 Nr. 1) und nicht den Kaufvertrag über ein Grundstück als Verpflichtungsgeschäft.

2. Die Steuerbefreiung nach Art. 1 Nr. 4 Buchst. a des Bayer. Gesetzes über die Grunderwerbsteuerbefreiung für den sozialen Wohnungsbau (GrESWG) i. d. F. vom 12. November 1958 (GVBl 330) setzt voraus, daß die Grundsteuervergünstigung tatsächlich gewährt worden ist; sie fordert jedoch nicht, daß die genannte Voraussetzung schon im Zeitpunkt des Erwerbes vorliegt.

 

Normenkette

BBauG § 19 Abs. 1, 2 Nrn. 1-2; Bayer. GrESWG 1958 Art. 1 Nr. 4 Buchst. a

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) erwarb mit notariell beurkundetem Vertrag vom 15. November 1963 zusammen mit seiner Ehefrau je zur unabgeteilten Hälfte als Ersterwerber die Hälfte eines Doppelhauses. Die Auflassung wurde am 16. Juni 1964 erklärt. Zu diesem Zweck mußte vorher das einheitliche Grundstück, auf welchem das gesamte Doppelhaus stand, aufgeteilt und neu vermessen werden. Die Genehmigung nach § 19 des Bundesbaugesetzes (BBauG) wurde am 22. Januar 1964 erteilt. Das bereits im Sommer 1960 bezugsfertig gewordene Haus hat der Kläger mit seiner Familie am 20. Januar 1964 bezogen. Auf Antrag des Klägers erteilte die Stadt X am 28. Dezember 1964 den Bescheid, daß das Haus mit Ausnahme des ohne genehmigten Bauplan ausgebauten Dachgeschosses als steuerbegünstigte Wohnung nach §§ 82, 83 II. WoBauG anerkannt werde. Dementsprechend gewährte der Beklagte und Revisionskläger (FA) mit Wirkung ab 1. Januar 1964 Grundsteuervergünstigung nach dem II. WoBauG.

Das FA setzte mit Bescheid vom 8. Februar 1965 für die anteilige Gegenleistung (91 400 DM) die Grunderwerbsteuer auf 6 398 DM fest. Das Erworbene Gebäude sei im Erwerbszeitpunkt (Kaufvertrag vom 15. November 1963) nicht grundsteuerbegünstigt gewesen. Für die beantragte Steuerbefreiung gemäß Art. 1 Nr. 4a des Bayerischen Gesetzes über die Grunderwerbsteuerbefreiung für den sozialen Wohnungsbau (GrESWG) i. d. F. vom 12. November 1958 (GVBl 330) sei deshalb kein Raum. Der Einspruch ist erfolglos geblieben; die Berufung - Klage - führte zur Aufhebung des Steuerbescheides und der Einspruchsentscheidung "insoweit, als die Grunderwerbsteuer aus der Gegenleistung errechnet worden ist, die auf die grundsteuerbegünstigte Wohnfläche entfällt". Nach der Rechtsauffassung des FG waren im Zeitpunkt der Genehmigung des Erwerbsvorganges nach dem Bundesbaugesetz (22. Januar 1964) die Voraussetzungen für eine Grundsteuerbegünstigung gegeben. Mit der Genehmigung entstehe auch die Grunderwerbsteuerschuld (§ 3 Abs. 5 Nr. 5 Buchst. b StAnpG).

Mit der Revision beantragt das Finanzamt die Aufhebung des angefochtenen Urteils, das FG gehe - unrichtig - davon aus, daß der vom FA zugrunde gelegte Vorgang zu seiner grunderwerbsteuerrechtlichen Wirksamkeit der Genehmigung nach dem Bundesbaugesetz bedürfe. Im Gegensatz zum früheren Rechtszustand fordere § 19 BBauG nur die Genehmigung der Auflassung oder der Teilung, nicht aber des kausalen Verpflichtungsgeschäftes, an das die Grunderwerbsteuer anknüpfe. Für die Grunderwerbsteuerbefreiung komme es auf die Verhältnisse im Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld an. Der Kläger habe erst am 23. Juni 1964 den Antrag auf Anerkennung als steuerbegünstigte Wohnung nach den §§ 82, 83 II. WoBauG gestellt. Vor dem 1. Januar 1964 sei für das erworbene Eigenheim ausweislich der Einheitswertakten eine Grundsteuervergünstigung nach § 92 Abs. 2 II. WoBauG nicht gewährt worden.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist nicht begründet.

Der Erwerb des Miteigentumsanteils an dem Grundstück ist in dem vom FG entschiedenen Umfang steuerfrei nach Art. 1 Nr. 4 Buchst. a GrESWG. Diese Vorschrift befreit u. a. den ersten Erwerb eines Eigenheimes von der Grunderwerbsteuer, sofern das Gebäude nach § 92 Abs. 2 II. WoBauG grundsteuerbegünstigt ist. Voraussetzung ist außerdem, daß das Eigentum an dem Gebäude spätestens binnen fünf Jahren nach der Bezugsfertigkeit auf den Erwerber übergegangen ist. Diese Voraussetzung gilt als erfüllt, wenn innerhalb dieses Zeitraums die Auflassung erklärt und die Umschreibung des Eigentums im Grundbuch beantragt worden ist.

1. Der Kläger hat mit dem Kaufvertrag vom 15. November 1963 zu einem halben Anteil von dem Bauherrn ein Grundstück mit einem Gebäude erworben, das in dem Bescheid der Stadt X vom 28. Dezember 1964 als Familienheim bezeichnet und als grundsteuerbegünstigt nach den §§ 82 und 83 II. WoBauG anerkannt worden ist. Der Begriff des Familienheimes nach § 7 Abs. 1 II. WoBauG umfaßt auch denjenigen des Eigenheimes nach § 9 Abs. 1 II. WoBauG. Die Grundsteuervergünstigung ist ab 1. Januar 1964 gewährt worden. Am 16. Juni 1964 wurde die Auflassung erklärt sowie der Antrag und die Bewilligung auf Umschreibung des Grundstücks im Grundbuch notariell beurkundet. Mangels gegenteiliger Feststellungen des FG geht der BFH davon aus, daß Antrag und Bewilligung bis zum Ablauf der Fünfjahresfrist des Art. 1 Nr. 4 GrESWG (Sommer 1965) beim Grundbuchamt eingereicht worden sind.

2. Das FA macht geltend, das errichtete Gebäude sei im Zeitpunkt des Erwerbes nicht grundsteuerbegünstigt gewesen. Deshalb greife die Vorschrift des Art. 1 Nr. 4 Buchst. a GrESWG nicht ein. Dieser Einwand ist nicht berechtigt.

a) Allerdings trifft es zu, daß das errichtete Gebäude im Zeitpunkt des Erwerbes nicht grundsteuerbegünstigt war. Erwerb im Sinne des Art. 1 Nr. 4 Buchst. a GrESWG ist derjenige Rechtsvorgang, welcher - falls man die Steuerbefreiung außer Betracht läßt - die Grunderwerbsteuerpflicht auslösen würde (vgl. dazu das Urteil vom 21. Dezember 1961 II 146/61 U, BFHE 74, 431, BStBl III 1962, 162). Das ist hier der Kaufvertrag vom 15. November 1963. Er bedurfte keiner Genehmigung. Das FA weist zu Recht darauf hin, daß eine nach § 19 BBauG erforderliche Genehmigung nur die Teilung (§ 19 Abs. 1 und § 19 Abs. 2 Nr. 2) oder die Auflassung (§ 19 Abs. 2 Nr. 1) und nicht den Kaufvertrag betrifft (vgl. dazu das Urteil des BFH vom 30. April 1971 III R 89/70, BFHE 102, 541, 545, BStBl II 1971, 670, 672). Die Frage, ob eine verzögerte Genehmigung nach § 19 BBauG unter Umständen die grunderwerbsteuerrechtliche Frist für die Bebauung eines Grundstückes verlängern kann, ist hier nicht zu entscheiden.

b) Der Bescheid der Stadt X, mit welchem das errichtete Gebäude als grundsteuerbegünstigt anerkannt worden ist, wurde erst am 28. Dezember 1964 und damit mehr als ein Jahr nach Abschluß des Kaufvertrages ohne erkennbare Rückwirkung ausgestellt. Die Grundsteuervergünstigung wurde durch das FA rückwirkend ab 1. Januar 1964 gewährt. Für den vorangegangenen Zeitraum, in welchem am 15. November 1963 der Kaufvertrag abgeschlossen wurde, galt sie demnach nicht. Daraus läßt sich aber nicht der Schluß ziehen, daß dem Kläger die Steuerbefreiung nach Art. 1 Nr. 4 Buchst. a GrESWG nicht zugute kommt. Diese Vorschrift setzt voraus, daß die Grundsteuervergünstigung tatsächlich gewährt worden ist (vgl. das Urteil vom 1. August 1967 II 238/65, BFHE 89, 551, BStBl III 1967, 710). Sie fordert jedoch nicht, daß die genannte Voraussetzung schon im Zeitpunkt des Erwerbes vorliegt; diese kann auch später verwirklicht werden. Das ergibt sich zwangsläufig aus der Bindung der Grundsteuer an den Einheitswert des Grundstückes (§§ 10 und 11 GrStG). Dieser wiederum richtet sich nach den Verhältnissen zu Beginn des Kalenderjahres (vgl. § 21 Abs. 2 BewG 1965). Wird ein Grundstück zwischen zwei solchen Stichtagen bebaut, so ist das errichtete Gebäude erst bei der Festsetzung des Einheitswertes am nächsten Stichtag zu berücksichtigen. Frühestens zu diesem Zeitpunkt kann die Grundsteuervergünstigung nach § 92 II. WoBauG zum Zuge kommen. Erwirbt jemand das bebaute Grundstück zwischen den beiden Stichtagen, so kann ihm die Grundsteuervergünstigung erst zum nächsten Stichtag tatsächlich gewährt werden. Es muß deshalb genügen, daß er - wie im vorliegenden Fall geschehen - sie zu diesem nächsten Stichtag beantragt und tatsächlich erhält.

Selbst die Anerkennung nach § 83 II. WoBauG braucht weder beim Erwerb des Grundstückes schon vorzuliegen, noch muß sie sich in jedem Fall auf diesen Zeitpunkt zurückbeziehen. Das ergibt sich daraus, daß der Erwerb auch ein Grundstück mit einem noch zu errichtenden Gebäude betreffen kann. In solchen Fällen kann zwar der Verkäufer dafür sorgen, daß das geplante Haus schon vor dem Erwerb als grundsteuerbegünstigt anerkannt wird (§ 83 Abs. 2 II. WoBauG). Erforderlich ist das jedoch für die Befreiung von der Grunderwerbsteuer nicht. Es genügt auch hier, wenn diese Anerkennung für den nächsten nach § 10 GrStG und § 21 Abs. 2 BewG 1965 maßgebenden Stichtag gilt und rechtzeitig zur Festsetzung des Steuermeßbetrages nach § 11 GrStG vorliegt.

c) Für die Fälle, in denen - wie hier - das errichtete Gebäude schon an mehreren Bewertungsstichtagen vor dem ersten Erwerb bezugsfertig gewesen war, müssen die gleichen Grundsätze gelten. Hier kommt zwar hinzu, daß schon der Voreigentümer - wie der Kläger unwidersprochen vorgetragen hat - die Grundsteuervergünstigung hätte in Anspruch nehmen können und dies nicht getan hat. Das schließt aber die Steuerbefreiung nach Art. 1 Nr. 4 Buchst. a GrESWG nicht aus. Will das Gesetz den Ersterwerb bestimmter Gebäude grunderwerbsteuerlich erleichtern, so kommt es nur darauf an, daß das Gebäude die tatsächlichen Voraussetzungen erfüllt und der erste Erwerber die damit verbundene Steuervergünstigung des § 92 II. WoBauG in Anspruch nimmt. Weder der Sinn und Zweck der genannten Befreiungsvorschrift noch ihr Wortlaut verlangen, daß der erste Erwerber hier von dem steuerlichen Verhalten des Voreigentümers abhängig ist, das in dessen Belieben steht. Hat aber der Veräußerer die Grundsteuervergünstigung nicht in Anspruch genommen, so kann der erste Erwerber wegen der Bindung an den Einheitswert nach den §§ 10 und 11 GrStG diese Vergünstigung erst zum nächsten Stichtag für die restliche Laufzeit des § 92 Abs. 1 II. WoBauG beantragen. Auf die Erhebung der Grundsteuer im Zeitpunkt des Erwerbes hat er keinen Einfluß. Aus diesen Folgen der Gesetzlichen Regelung der §§ 10 und 11 GrStG sowie des § 21 Abs. 2 BewG 1965 dürfen ihm keine Nachteile entstehen. Die Auswirkungen dieses Stichtagsprinzipes hat der BFH auch schon in seinem Urteil vom 1. August 1967 II 238/65 berücksichtigt. Nach dieser Entscheidung kann der Erwerber eines unbebauten Grundstückes auch dann die Steuerbefreiung nach Art. 1 Nr. 1 Buchst. a GrESWG beanspruchen, wenn er die Anerkennung nach § 83 II. WoBauG vor Ablauf der Frist des Art. 4 Abs. 1 GrESWG beantragt hat, der Anerkennungsbescheid aber zu spät ergeht und der Grundsteuermeßbetrag für den nächsten Bewertungsstichtag daher aus dem vollen Einheitswert des Grundstückes einschließlich Gebäude festgesetzt wird.

Konnte der Kläger die Grundsteuervergünstigung zu dem maßgebenden Stichtag vor dem Erwerb nicht oder zum mindesten nicht ohne Zustimmung des Veräußerers beantragen (§ 83 Abs. 1 Satz 2 II. WoBauG), so muß es genügen, daß er sie alsbald nach dem Erwerb für den nächsten möglichen Termin beantragte und erhielt. Das ist geschehen. Das FA hat ihm entsprechend den Grundsätzen des Urteils des BFH vom 6. September 1963 III 160/60 S (BFHE 77, 507, BStBl III 1963, 506) die Grundsteuervergünstigung ab 1. Januar 1964 gewährt.

3. Der Entscheidungssatz des angefochtenen Urteils läßt nicht erkennen, zu welchem Betrag der Steuerbescheid und die Einspruchsentscheidung aufgehoben werden (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).

Nach den vom FG in Bezug genommenen Urkunden beträgt die Wohnfläche und damit die anrechenbare Grundfläche (§ 42 Abs. 1 der zweiten Wohnungsbauverordnung) des erworbenen Gebäudes 132,80 qm (108,36 qm + 24,44 qm). Davon sind 24,44qm = 18,4 % nicht grundsteuerbegünstigt. Nach Art. 2 Abs. 2 GrESWG und § 8 Satz 2 der Durchführungsbestimmungen zum Gesetz über die Grunderwerbsteuerbefreiung für den sozialen Wohnungsbau vom 21. Dezember 1959 (GVBl 1959, 325) ist die Steuer von 18,4 % der Gesamtgegenleistung (91 400 DM) = 16 817,60DM zu berechnen. Sie beträgt:

504,50 DM (3 %)

672,65 DM (4 %)

1 177,15 DM.

 

Fundstellen

Haufe-Index 70696

BStBl II 1974, 38

BFHE 1974, 373

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