Entscheidungsstichwort (Thema)

Umsatzsteuer Sonstiges Berufsrecht Verfahrensrecht/Abgabenordnung

 

Leitsatz (amtlich)

Bei Versteigerungen verfallener Pfandsachen, die ein Pfandleiher im eigenen Namen durchführen läßt, ist das volle vereinnahmte Entgelt umsatzsteuerpflichtig.

 

Normenkette

UStG § 1 Ziff. 1, § 2/1, § 4 Ziff. 8, § 4 Ziff. 6; UStDB § 3; UStG § 3/3; ZPO §§ 704, 794

 

Tatbestand

Der Bf. betreibt ein Pfandleihgeschäft. Er gewährt gegen Verpfändung beweglicher Gegenstände bare Darlehen. Wird das Pfand nicht innerhalb der vereinbarten Zeit eingelöst, so verwertet er das Pfand dadurch, daß er es durch einen Gerichtsvollzieher öffentlich versteigern läßt. Auf diese Weise befriedigt sich der Bf. wegen der Darlehnsforderung, der Zinsforderung und des Anspruchs auf Erstattung der Unkosten. Etwaige Mehrerlöse stehen grundsätzlich den Pfandgebern (Verpfändern) zu.

Bei einer Betriebsprüfung stellte sich heraus, daß der Bf. nur die Mehrerlöse der Umsatzsteuer unterworfen hatte. Das Finanzamt hielt ihn dagegen mit den vollen bei den Versteigerungen erzielten Erlösen für steuerpflichtig. Es rechnete daher den erklärten Umsätzen die festgestellten Unterschiedsbeträge hinzu.

Einspruch und Berufung blieben erfolglos. In der Vorentscheidung wird an Hand des für den Bf. verbindlichen Landesgesetzes über das Pfandleihgewerbe, nach dem der Bf. unstreitig verfahren ist, dargelegt, daß der Bf. durch die Versteigerungen der verfallenen Pfänder im eigenen Namen steuerbare Lieferungen an die Ersteigerer bewirkt habe; die Umsätze seien auch steuerpflichtig, weil weder § 4 Ziff. 8 UStG noch § 4 Ziff. 6 UStG zur Anwendung komme.

Mit der Rb. rügt der Bf. fehlerhafte Rechtsanwendung: Aus dem oben angegebenen Landesgesetz könne nicht hergeleitet werden, daß ein konzessionierter Pfandleiher bei der Versteigerung der Pfandsachen eigene Lieferungen bewirke. Der Gesetzgeber beschränke die Einnahme des Pfandleihers auf die Darlehnssumme, die Zinsen und die Kosten, während ein etwaiger Mehrerlös ungeschmälert dem Verpfänder zugute kommen solle. "Von innen her und nach dem wirtschaftlichen Ergebnis" sei nicht der Pfandleiher, sondern der Verpfänder der Lieferer; Pfandleiher und Gerichtsvollzieher seien seine Organe. Die "Decknamensliste" (Nummernverzeichnis) könne in den Augen Drittbeteiligter nur den Eindruck erwecken, daß die hinter den Nummern stehenden Verpfänder die Lieferer seien. Entscheidend sei, daß "verständige" Ersteigerer, auch aus einfachen Bevölkerungskreisen, auf Grund aller Begleitumstände wüßten, daß die Pfandleiher nur als Vermittler handelten. Im Rahmen des Pfandleihunternehmens würden nur "fremde Umsätze", nicht "eigene Umsätze" getätigt. Außerdem müsse die Befreiungsvorschrift des § 4 Ziff. 5 UStG zum Zuge kommen, weil trotz der einschränkenden Worte "Versteigerung im Wege der Zwangsvollstreckung" der tragende Gedanke dieser Vorschrift nicht der "Zwang", sondern die "gerichtliche oder durch Gerichtsvollzieher erfolgende Versteigerung" sei. Die Versteigerung freiwillig verpfändeter Sachen durch Gerichtsvollzieher verlaufe im übrigen genau so wie eine Versteigerung im Wege der Zwangsvollstreckung.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. kann keinen Erfolg haben.

Nach § 2 Abs. 1 der Durchführungsbestimmungen zum Umsatzsteuergesetz liegt eine Lieferung vor, wenn der Unternehmer den Abnehmern befähigt, im eigenen Namen über einen Gegenstand zu verfügen (Verschaffung der Verfügungsmacht). Durch die Versteigerung erlangen die Ersteigerer die Verfügungsmacht über die verfallenen Pfandsachen. Die Verschaffung der Verfügungsmacht (Lieferung) setzt nicht voraus, daß der Lieferer Eigentümer des Liefergegenstandes ist. Die Lieferung der Pfandsachen an die Ersteigerer ist auch dem Bf. zuzurechnen. Denn der Bf. tritt bei den Versteigerungen durch den Gerichtsvollzieher den Ersteigerern gegenüber nicht im Namen der Verpfänder, sondern im eigenen Namen auf. Die Namen der Verpfänder werden den Ersteigerern nicht bekanntgegeben. Da Gewährleistungsansprüche gegen die Verpfänder nicht bestehen, haben die Ersteigerer auch kein Interesse daran, die Namen der Verpfänder zu erfahren. Rechtsbeziehungen sind daher nur zwischen dem Bf. und den Ersteigerern, nicht zwischen den Verpfändern und den Ersteigerern zustande gekommen.

Nummernverzeichnisse können bei Versteigerungen die namentliche Benennung der Auftraggeber (Verpfänder) nur ersetzen, wenn deren Personen (Name und Anschrift) für die Vertragspartner (Ersteigerer) aus einer offen ausgelegten Liste zu ersehen ist. Wie in der Vorentscheidung ausgeführt, werden die Nummern der Pfandsachen in der Bekanntgabe der Versteigerungen nur erwähnt, damit die Verpfänder die Pfandsachen noch bis zum Versteigerungstermin einlösen können. An diese tatsächliche Feststellung ist der Senat gebunden. Das Wissen der Ersteigerer, daß die Pfandleiher im Eigentum der Verpfänder befindliche Sachen versteigern lassen, hat das Finanzgericht zu Recht als unerheblich bezeichnet. Für die Annahme einer Vermittlungsleistung genügt es im Umsatzsteuerrecht nicht, daß die Zwischenperson die Stellung eines Vermittlers hat und daß der Erwerber weiß, daß der von ihm erworbene Gegenstand im Auftrage eines anderen veräußert wird. Die Versteigerungen im eigenen Namen durch den Bf. liegen auch im Rahmen des Unternehmens eines Pfandleihers, weil es sich um Geschäftsvorfälle und nicht um Vorgänge seines Privatlebens handelt.

Das Finanzgericht hat es weiter zu Recht abgelehnt, auf die Lieferungen die Befreiungsvorschrift des § 4 Ziff. 6 UStG anzuwenden. Diese Vorschrift ist nur bei Lieferungen auf Grund einer Versteigerung im Wege der Zwangsvollstreckung anwendbar. Die Zwangsvollstreckung, deren Begriff den Vorschriften des Zivilprozeßrechts zu entnehmen ist, erfordert einen vollstreckbaren Titel. Außer den Versteigerungen auf Grund vollstreckbarer Urteile (§ 704 der Zivilprozeßordnung - ZPO -), gerichtlichen Vergleichen im Güteverfahren und den übrigen in § 794 ZPO angeführten Vollstreckungstiteln kommen nur in Betracht die Versteigerungen gepfändeter Sachen durch einen Gerichtsvollzieher und die angeordneten Versteigerungen zur Vollziehung eines Arrestes oder einer einstweiligen Verfügung (vgl. Entscheidungen des Reichsfinanzhofs V A 304/21 vom 21. Februar 1922, Slg. Bd. 8 S. 275; V A 146/23 vom 28. Juni 1923, Slg. Bd. 12 S. 257; Entscheidung des Bundesfinanzhofs V 176/52 U vom 17. September 1953, Bundessteuerblatt 1953 III S. 314, Slg. Bd. 58 S. 60). Die Versteigerung freiwillig verpfändeter Sachen hat mit der Zwangsvollstreckung nichts zu tun. Die Ausdehnung der Umsatzsteuerfreiheit auf solche Geschäfte würde dem klaren Wortlaut des § 4 Ziff. 6 UStG widersprechen. Sie würde aber auch dem Sinn und Zweck dieser Befreiungsvorschrift zuwiderlaufen, durch die der besonderen Lage von Schuldner und Gläubiger bei Zwangsvollstreckungen Rechnung getragen werden soll. Zutreffend bemerkt das Finanzgericht, daß insbesondere die Lage des Zwangsvollstreckungsgläubigers nicht mit der eines Pfandleihers zu vergleichen ist, weil dieser sein Geschäftsrisiko bei Abschluß des Darlehnsvertrages beachten kann und auch zu beachten pflegt.

 

Fundstellen

Haufe-Index 410905

BStBl III 1963, 493

BFHE 1964, 475

BFHE 77, 475

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Finance Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge