Entscheidungsstichwort (Thema)

Abgrenzung des verarbeitenden Gewerbes gegenüber den übrigen Wirtschaftszweigen

 

Leitsatz (NV)

11. Die Abgrenzung des verarbeitenden Gewerbes - ausgenommen Baugewerbe - gegenüber den übrigen Wirtschaftszweigen ist entsprechend der Einordnung nach dem systematischen Verzeichnis vorzunehmen.

2. Ein Rückgriff auf die Einordnung nach dem systematischen Verzeichnis kann nur dann ausgeschlossen sein, wenn eine solche Einordnung im Einzelfall zu einem offensichtlich unzutreffenden Ergebnis führen würde.

 

Normenkette

BerlinFG § 19 Abs. 1 S. 4 Nr. 1a; BerlinFG § 19 Abs. 1 S. 4 Nr. 1aa

 

Tatbestand

Streitig ist, ob der Betrieb der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin) zum verarbeitenden Gewerbe gehört und deshalb die erhöhte Investitionszulage nach § 19 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 a, aa des Berlinförderungsgesetzes (BerlinFG) zu gewähren ist.

Die Klägerin ist Schaustellerin. Sie kauft Rohstoffe wie Früchte, Mandeln, Nüsse, Zucker usw. und verfeinert diese oder stellt aus ihnen besondere Süßwaren her. Die Endprodukte (z. B. Popcorn, gebrannte Erd- und Haselnüsse, Zuckerwatte, Obst- und Fruchtspieße) bietet sie an Ort und Stelle - auf Volksfesten und ähnlichen Veranstaltungen - zum Verkauf an. Im Jahre 1981 erwarb sie zu diesem Zweck einen neuen ,,Produktions- und Verkaufsanhänger" (Wagen), in dem sich neben Schränken für die Aufbewahrung insbesondere auch die erforderlichen Einrichtungen für die Aufbereitung und ggf. weitere Verarbeitung der Rohstoffe sowie die Verkaufstheke befinden.

Der Betrieb der Klägerin fällt nach der Einordnung durch das Statistische Landesamt Berlin unter die Gewerbekennziffer 431 44 des systematischen Verzeichnisses der Wirtschaftszweige des Statistischen Bundesamt (Ausgabe 1979) - systematisches Verzeichnis - und ist mithin dem ,,Einzelhandel mit Süßwaren" zugeordnet.

Für die Anschaffung des Wagens beantragte die Klägerin die erhöhte Investitionszulage von 25 v. H. der Anschaffungskosten (161 431,50 DM).

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA - ) gewährte durch Bescheid vom 19. Mai 1982 nur eine Investitionszulage von 10 v. H. der Anschaffungskosten. Das FA vertrat die Auffassung, daß der Betrieb der Klägerin nicht zum verarbeitenden Gewerbe gehöre. Nach erfolglosem Einspruch machte die Klägerin mit der Klage vor allem geltend, der Wagen werde zum überwiegenden Teil in der Fertigung eingesetzt.

Eine während des Klageverfahrens von der Klägerin beim Statistischen Landesamt Berlin beantragte Zuordnung ihres Betriebes zum verarbeitenden Gewerbe wurde aus formellen Gründen abgelehnt.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Es ging davon aus, daß der Betrieb der Klägerin entgegen der Einordnung nach dem systematischen Verzeichnis nicht zum Handelsgewerbe zu rechnen sei, weil die Klägerin an den von ihr hergestellten Produkten, insbesondere den Fruchtspießen, eine nicht nur ,,handelsübliche Manipulation" vornehme.

Mit der Revision rügt das FA einen Verstoß gegen § 19 BerlinFG und Verfahrensfehler.

Es beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Klageabweisung.

Die erhöhte Investitionszulage nach § 19 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 a, aa BerlinFG kann 1u. a. für Wirtschaftsgüter gewährt werden, die - von anderen, hier nicht streitigen Voraussetzungen abgesehen - zum Anlagevermögen eines Betriebs (einer Betriebstätte) des verarbeitenden Gewerbes - ausgenommen Baugewerbe - gehören und unmittelbar oder mittelbar der Fertigung dienen. Der Betrieb der Klägerin gehört entgegen der Auffassung der Vorinstanz nicht zum verarbeitenden Gewerbe im Sinne dieser Vorschrift.

1. Der Abgrenzung des verarbeitenden Gewerbes gegenüber den übrigen Wirtschaftszweigen ist nach inzwischen gefestigter Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) entsprechend der Einordnung nach dem systematischen Verzeichnis vorzunehmen (siehe insbesondere die Urteile vom 14. Januar 1975 VIII R 148/71, BFHE 115, 86, BStBl II 1975, 392; vom 8. April 1976 III R 161/73, BFHE 118, 516, BStBl II 1976, 410, und vom 2. Mai 1980 III R 130/78, BFHE 131, 261, BStBl II 1980, 732).

Es besteht kein Grund, für den vorliegenden Fall von dieser Rechtsprechung abzurücken. Das gilt auch angesichts des Umstandes, daß ein Antrag der Klägerin auf Umgruppierung zum verarbeitenden Gewerbe (Herstellung von Kakao- und Schokoladenerzeugnissen sowie Zuckerwaren - Nrn. 281 01 und 287 03 des systematischen Verzeichnisses) bereits aus formellen Gründen abgelehnt wurde. Ein Rückgriff auf die Einordnung nach dem systematischen Verzeichnis würde sich für das Investitionszulagenrecht nach Auffassung des Senats nur dann verbieten, wenn eine solche Einordnung im Einzelfall zu einem offensichtlich unzutreffenden Ergebnis führen würde. So liegen die Verhältnisse im Streitfall jedoch nicht.

2. Der Betrieb der Klägerin ist nach den Feststellungen des FG der Nummer 431 44 des systematischen Verzeichnisses und damit dem Handel zugeordnet worden.

Der Senat hält diese Zuordnung für sachgerecht. Nach der Vorbemerkung zur Abteilung 2 (verarbeitendes Gewerbe) des systematischen Verzeichnisses gehören zum ,,verarbeitenden Gewerbe" alle Institutionen, deren wirtschaftliche Tätigkeit überwiegend darin besteht, Erzeugnisse, gleich welcher Art, zu be- oder verarbeiten, und zwar in der Regel mit dem Ziel, dabei andere Produkte herzustellen. Die Tätigkeit kann auch darin bestehen, bestimmte Erzeugnisse lediglich zu veredeln, zu montieren oder zu reparieren. Demgegenüber liegt nach der Vorbemerkung zur Abteilung 4 (Handel) des systematischen Verzeichnisses - umgekehrt - der Schwerpunkt der wirtschaftlichen Tätigkeit einer Institution im Handel, wenn aus der Handelstätigkeit eine größere Wertschöpfung resultiert als aus einer zweiten oder aus mehreren sonstigen Tätigkeiten.

Im Streitfall spricht - allein schon im Hinblick auf das Preisgefüge, das bei Volksfesten und ähnlichen Veranstaltungen anzutreffen ist - sehr viel dafür, daß im Fall der Klägerin die größere Wertschöpfung auf deren Handelstätigkeit beruht.

3. Das FG ist von anderen Rechsgrundsätzen ausgegangen. Seine Entscheidung war daher aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Da die Zuordnung des Betriebs der Klägerin durch das Statistische Landesamt Berlin zum Handel noch als sachgerecht angesehen werden kann, legt sie der Senat auch für die investitionszulagenrechtliche Abgrenzung des verarbeitenden Gewerbes zugrunde - mit der Folge, daß der Klägerin die erhöhte Zulage gemäß § 19 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 a, aa BerlinFG nicht gewährt werden kann und daher die Klage abzuweisen war (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

 

Fundstellen

Haufe-Index 415876

BFH/NV 1989, 392

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