Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Frage der Abziehbarkeit von Ausgabekosten bei teilweiser Überpari-Emission

 

Leitsatz (NV)

1. Die Kosten der Ausgabe von Gesellschaftsanteilen sind Betriebsausgaben.

2. Diese Kosten sind bei der Ermittlung des Einkommens nur insoweit abzugsfähig, als sie gem. § 11 Nr. 1 Buchst. a des KStG 1965 aus dem Ausgabeaufgeld nicht gedeckt werden können.

3. Durch eine Verrechnung der Kosten einer Pari-Ausgabe mit dem bei einer Überpari-Emission erzielten Aufgeld wird der Grundsatz der Gleichbehandlung der Aktionäre nicht verletzt.

 

Normenkette

KStG 1965 § 11 Nr. 1 Buchst. a; HGB § 261 Nr. 4; AktG § 130 Abs. 2 Nr. 2, § 150 Abs. 2 Nr. 2

 

Tatbestand

In der ordentlichen Hauptversammlung wurde am 29. Juni 1965 die Erhöhung des Grundkapitals der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) von 70,125 Mio. DM auf 88 Mio. DM durch Ausgabe neuer, auf den Inhaber lautender Stammaktien im Nennwert von 17 875 000 DM zum Kurs von 100 beschlossen. Das gesetzliche Bezugsrecht der Altaktionäre wurde mit der Maßgabe ausgeschlossen, daß das mit der Ausgabe der jungen Aktien beauftragte Bankenkonsortium die Verpflichtung übernahm, den Altaktionären junge Aktien im Verhältnis 4:1 zum Nennwert anzubieten.

Nach dem Kapitalerhöhungsbeschluß waren unter Zugrundelegung der ausgegebenen alten Aktien den Altaktionären zur Erfüllung ihrer Ansprüche aus dem Bezugsrecht insgesamt nominal 17 531 300 DM junge Aktien zum Nennwert auszugeben. Da das Grundkapital um nominal 17 875 000 DM erhöht wurde, verblieb eine Spitze frei verwertbarer Aktien im Nennbetrag von 343 700 DM. Die Klägerin beauftragte das Konsortium, diese sog. Verwertungsaktien bestmöglich zu plazieren. Diese Aktien wurden daraufhin an Daueranleger zum Kurs von 400 v.H. veräußert. Das für die Verwertungsaktien erzielte Ausgabegeld betrug 1 031 100 DM.

Für die Kapitalerhöhung und die Ausgabe der jungen Aktien fielen Kosten im Betrag von insgesamt 1 072 374 DM an. Die Klägerin teilte die Kosten der Kapitalerhöhung und der Ausgabe der Aktien weitgehend nach dem Verursachungsprinzip auf die Bezugsaktien und auf die Verwertungsaktien auf. Das war für über 85 v.H. der Kosten durch unmittelbare Zurechnung möglich (z. B. Gesellschaftsteuer 2,5 v.H., Verkaufsprovision der Konsortialbanken für Verwertungsaktien und Übernahmeprovision für die Verwertungsaktien). Nur ein Restbetrag (z. B. Druck- und Versendungskosten der neuen Aktien, des Börseneinführungsprospektes, der Notariats- und Gerichtskosten usw.) wurden im Verhältnis der Nennbeträge der Aktien aufgeteilt. Auf die Verwertungsaktien entfielen nach dieser Rechnung Kosten im Gesamtbetrag von 58 079,80 DM. Das aus der Ausgabe der Verwertungsaktien erzielte Aufgeld (1 031 100 DM) stellte die Klägerin nach Kürzung um die darauf entfallenden Kapitalerhöhungskosten (58 079,89 DM) mit 973 021 DM in die gesetzliche Rücklage ein. Den von der Klägerin den Bezugsaktien zugerechneten Kostenanteil (1 014 295 DM) buchte die Klägerin gewinnmindernd als Aufwand.

Im Rahmen einer Betriebsprüfung vertrat der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) die Auffassung, daß die gesamten, durch die Kapitalerhöhung verursachten Kosten mit dem Aufgeld zu verrechnen seien, weil die Ausgabe der Bezugsaktien und die Ausgabe der Verwertungsaktien Maßnahmen aufgrund eines einheitlichen Kapitalerhöhungsbeschlusses gewesen seien. Entsprechend hat das FA mit Körperschaftsteuerbescheid 1965 die Kosten der Kapitalerhöhung (973 021 DM) nicht als Betriebsausgaben anerkannt.

Einspruch und Klage gegen den Körperschaftsteuerbescheid blieben erfolglos.

Mit der Revision wendet sich die Klägerin gegen die Entscheidung des Finanzgerichts (FG) und beantragt, das Urteil des FG, die Einspruchsentscheidung und den Körperschaftsteuerbescheid 1965 aufzuheben und die bei der Kapitalerhöhung der Klägerin im Jahre 1965 auf die Überpari-Emission entfallenden Ausgabekosten bei der Einkommensermittlung als Betriebsausgaben abzuziehen, soweit das FA sie vom Aufgeld der Überpari-Emission gekürzt hat.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet, sie war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Die Kosten der Ausgabe der neuen Aktien sind bei der Ermittlung des Einkommens der Klägerin nur insoweit abzugsfähig, als sie gemäß § 11 Nr. 1 Buchst. a des Körperschaftsteuergesetzes i.d.F. vom 24. Mai 1965 - KStG 1965 - (BGBl I, 449, BStBl I 1965, 294) aus dem Ausgabeaufgeld nicht gedeckt werden konnten.

1. Nach § 11 Nr. 1 Buchst. a KStG 1965 sind bei Kapitalgesellschaften bei der Ermittlung des Einkommens abzuziehen

,,die Kosten der Ausgabe von Gesellschaftsanteilen, soweit die Kosten nicht aus dem Ausgabeaufgeld gedeckt werden können".

Die Vorschrift geht zurück auf den inhaltlich mit ihr übereinstimmenden § 15 Abs. 1 Nr. 4 KStG 1925, der während der Beratung des Entwurfs eines KStG eingefügt wurde (Reichstag III. Wahlperiode 1924/25 Nr. 1230, Bericht des 6. Ausschusses über den Entwurf eines KStG - Nr. 796 der Drucksachen - S. 11 f.). Die unterschiedliche körperschaftsteuerrechtliche Behandlung der Ausgabekosten bei Pari- und bei Überpari-Emissionen hatte ihren Grund in der damaligen handelsrechtlichen Lage (vgl. Thiel, Die körperschaftsteuerliche Behandlung von Gründungskosten, Der Betrieb - DB - 1960, 532). Nach § 261 Nr. 4 des Handelsgesetzbuches (HGB) durften die Kosten der Errichtung und Verwaltung nicht als Aktiva in die Bilanz eingesetzt werden. Nach § 262 Nr. 2 HGB war der Betrag in die gesetzliche Rücklage einzustellen, der bei der Errichtung der Gesellschaft oder bei der Erhöhung des Grundkapitals durch Ausgabe der Aktien für einen höheren als den Nennbetrag über diesen und über den Betrag der durch die Ausgabe der Aktien entstehenden Kosten hinaus erzielt wurde. Die Kosten der Ausgabe der neuen Aktien durften daher nicht aktiviert werden; sie durften aber mit dem Ausgabeaufgeld verrechnet werden und minderten dann nicht den Gewinn, sondern die Einlage (Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 18. Juli 1973 I R 88/71, BFHE 110, 129, BStBl II 1973, 790).

2. Die Kosten der Ausgabe von Gesellschaftsanteilen sind Betriebsausgaben (BFH-Entscheidung vom 21. Dezember 1977 I R 20/76, BFHE 124, 317, BStBl II 1978, 346); sie sind aber wegen § 11 Nr. 1a KStG 1965 nur beschränkt abzugsfähig.

a) Unter dem Begriff ,,Kosten der Ausgabe von Aktien" sind sämtliche Kosten zu fassen, die im Rahmen einer einheitlich durchgeführten Kapitalerhöhungsmaßnahme anfallen.

Unter Ausgabe ist die Emission der Aktien zu verstehen. Diese geschieht üblicherweise durch Zeichnung infolge einer Übernahmevereinbarung zwischen der AG und einem Bankenkonsortium (vgl. Steinrücke/Scholze, Das Konsortialgeschäft der Deutschen Banken, S. 147 ff.; Büschgen, Das kleine Börsenlexikon, 17. Aufl., 1987, Stichwort: ,,Emission von Aktien"). Wegen des im Aktiengesetz (AktG) zwingend vorgesehenen Bezugsrechts der Altaktionäre bei Kapitalerhöhungen (vgl. § 153 Abs. 1 AktG 1937 vom 30. Januar 1937, RGBl I, 107; § 186 AktG 1965 vom 6. September 1965, BGBl I, 1089) zeichnet ein aus mehreren Banken bestehendes Konsortium die ausgegebenen Aktien. Inhaltlich bestehen zwischen den Vertragspartnern weitgehende Handlungsspielräume. Die Übernahme kann zum Nennwert erfolgen (Pari-Emission) oder zu einem höheren Wert pro Aktie (Überpari-Emission). Der Vertrag zwischen der konsortialführenden Bank und der AG enthält üblicherweise weitere Bedingungen, so z. B. die Verpflichtung, den Altaktionären die Aktien zu einem bestimmten Bezugspreis anzubieten oder durch Wegfall der Bezugsberechtigung freiwerdenden Aktien (Baumbach/ Hueck, Aktiengesetz 1965, 13. Aufl., Anm. 11 zu § 186) oder die über die Bezugsverpflichtung hinausgehenden Aktien (sog. Verwertungsaktien, vgl. Blümich/Klein/Steinbring/Stutz, Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, 4. Aufl., Anm. 4 zu § 11) unter Wahrung der Interessen der AG an der Börse zu plazieren und den Mehrerlös abzüglich der Kosten der Ausgabe an die Gesellschaft abzuführen. Dieser Vertrag ist eine rechtliche Einheit. Seine Durchführung erfaßt den wirtschaftlichen Vorgang der Ausgabe aller neuen Aktien, auch wenn diese zum Teil zum Nennwert, zum Teil mit einem Aufgeld ausgegeben werden. Daran ändert sich nichts, wenn sich der Verwertungsvorgang über einen längeren Zeitraum erstreckt (Blümich/Klein/Steinbring/Stutz, a.a.O., Anm. 4 zu § 11).

b) Ausgabeaufgeld i.S. des § 11 Nr. 1a KStG 1965 ist die Differenz zwischen dem Nennbetrag der ausgegebenen Aktien und der Gegenleistung, die die Gesellschafter für den Erwerb der Aktien an die AG erbringen. Nach § 130 Abs. 2 Nr. 2 AktG 1937 kann die Gesellschaft den gesamten Mehrerlös oder den Mehrerlös vermindert um die Ausgabekosten in die gesetzliche Rücklage einstellen (vgl. Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Aktiengesellschaft, Handkommentar, 3. Aufl., Anm. 36 zu § 130 AktG 1937; ebenso Godin/Wilhelmi, Kommentar zum Gesetz über Aktiengesellschaft und Kommanditgesellschaft auf Aktien, 2. Aufl., Anm. 4 zu § 130 AktG).

3. Nach den tatsächlichen Feststellungen des FG, an die der erkennende Senat gebunden ist (§ 118 Abs. 2 FGO), beschloß die Klägerin eine Kapitalerhöhung von 70,125 Mio. DM auf 88 Mio. DM. Sie übertrug die Durchführung einem Bankenkonsortium. In der Vereinbarung zwischen der Klägerin und dem Konsortium wurde dieses angewiesen, den Altaktionären die neuen Aktien zum Bezugsrecht 4:1 anzubieten und die frei verwertbaren Aktien bestmöglich zu plazieren. Die Durchführung dieses Vertrags führte zu einem Ausgabeaufgeld von 1 031 100 DM und zu Ausgabekosten von 1 072 374 DM. Aufgrund dieser von der Revisionsklägerin mit Rüge nicht angegriffenen Tatsachenfeststellungen hat das FG die Kosten zu Recht mit dem Ausgabeaufgeld saldiert. Denn die Kosten sind nicht auf die Pari- und die Überpari- Emission aufzuteilen, sondern stellen sich als Kosten einer einheitlichen Emission dar.

Der Senat verkennt nicht, daß es der Gesellschaft möglich gewesen wäre, durch zeitlich getrennte Kapitalerhöhungsbeschlüsse und Emissionen die Kosten der Pari-Emission als Betriebsausgaben abzusetzen und die Kosten der Überpari-Emission mit dem erzielten Aufgeld zu verrechnen; denn zwei Kapitalerhöhungsmaßnahmen müssen selbst dann, wenn sie eng aufeinanderfolgen, getrennt behandelt werden (ebenso Herrmann/Heuer/ Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, Anm. 41 zu § 9 KStG 1977). Daraus kann sich aber keine andere Beurteilung des Streitfalls ergeben, denn die für sie steuerlich günstigere Zweiteilung hat die Klägerin nicht gewählt.

4. Soweit die Klägerin vorträgt, daß der Verrechnung des Ausgabeaufgeldes mit den Kosten aktienrechtliche Vorschriften entgegenstehen, verkennt sie, daß im Gegensatz zu § 150 Abs. 2 Nr. 2 AktG 1965 nach § 130 Abs. 2 Nr. 2 AktG 1937 die Ausgabekosten handelsrechtlich mit dem Aufgeld saldiert werden durften (vgl. BFHE 110, 129, BStBl II 1973, 790; Adler/Düring/Schmaltz, a.a.O., Anm. 36 zu § 130 AktG 1937; Godin/Wilhelmi, a.a.O., Anm. 4 zu § 130 AktG; derselbe zum Rechtsstand ab 1. Januar 1966 in Kommentar zum Aktiengesetz 1965, 4. Aufl., Bd. I Anm. 4 zu § 150), während dies unter Geltung des AktG 1965 nicht mehr möglich ist. Das AktG 1965 ist jedoch erst zum 1. Januar 1966 in Kraft getreten und damit auf den Streitfall nicht anwendbar (§§ 29, 46 des Einführungsgesetzes zum Aktiengesetz vom 6. September 1965, BGBl I, 1185, § 410 AktG 1965).

5. Auch der Einwand der Klägerin, durch eine Verrechnung der Kosten einer Pari- Ausgabe mit dem bei einer Überpari- Emission erzielten Aufgeld würde der Grundsatz der Gleichbehandlung der Aktionäre verletzt, greift nicht durch. Aktionäre, die Aktien zum Nennwert erhalten haben, und Aktionäre, die wie im Streitfall zu 400 v.H. erworben haben, werden bei einer Dividendenausschüttung gleichbehandelt. Bemessungsgrundlage für die Zuteilung ist in beiden Fällen der Anteil an der AG. Der Erwerbspreis ist ohne Bedeutung. Der durch die Nichtabzugsfähigkeit der Ausgabekosten erhöhte Gewinn der Gesellschaft wird somit sachgerecht, d.h. anteilsmäßig, verteilt. Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluß vom 17. Dezember 1982 1 BvR 1075/81 (nicht veröffentlicht) eine Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen FG vom 5. August 1981 I 291/76 wegen möglichen Verstoßes des § 11 Nr. 1a KStG 1965 gegen Art. 3 des Grundgesetzes nicht zur Entscheidung angenommen (vgl. auch BFH- Urteil vom 14. Mai 1980 I R 138/77, BFHE 130, 509, 515, BStBl II 1980, 600).

 

Fundstellen

Haufe-Index 415810

BFH/NV 1989, 48

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