Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer Gewerbesteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Fotomodelle, die nur von Fall zu Fall und vorübergehend zu Werbeaufnahmen für die Bekleidungsindustrie herangezogen werden, sind gewerblich tätig.

 

Normenkette

EStG § 15/1; GewStG § 2/1

 

Tatbestand

Streitig ist bei der Festsetzung des Gewerbesteuermeßbetrags für die Erhebungszeiträume 1956 bis 1960 die Gewerbesteuerpflicht der Revisionsklägerin (Stpfl.), die in den Streitjahren als Fotomodell für Werbezwecke, hauptsächlich für Werbeaufnahmen der Bekleidungsindustrie tätig war.

Die Stpfl. arbeitete für mehrere Fotografen, die ihrerseits die Aufträge zu den Werbeaufnahmen von zahlreichen Industriefirmen und auch von Modeverlagen erhielten. Die Stpfl. wurde von Fall zu Fall von den Fotografen auf Grund mündlicher Abmachungen für bestimmte Werbeaufnahmen verpflichtet, wobei der Fotograf bei der Wahl der Stpfl. als Fotomodell häufig die Wünsche des Auftraggebers erfüllte. Für die Werbeaufnahmen wurden von den auftraggebenden Firmen nur die Modelloberkleider oder z. B. auch nur ein Pullover dem Fotografen zu treuen Händen überlassen, während die übrigen passenden Bekleidungsstücke, wie z. B. Schuhe, Handschuhe, zum Teil auch Röcke, Strümpfe, Schals und den passenden Schmuck die Stpfl. selbst beschaffen mußte. Sie hatte auch die Kosten ihrer Frisur zu tragen. Die Aufnahmetätigkeit beanspruchte meist einige Stunden, manchmal bis zu 12 Stunden. Das Entgelt für ihre Tätigkeit erhielt die Stpfl. teils von den Fotografen, teils von der auftraggebenden Firma. Schriftliche Arbeitsverträge wurden für die Aufnahmearbeiten nicht abgeschlossen. Es war der Stpfl. überlassen, ob sie das Angebot eines Fotografen annehmen wollte. Eine besondere Ausbildung für ihren Beruf hat die Stpfl. nicht erhalten. Es gibt auch keine derartigen Ausbildungsstätten in der Bundesrepublik.

Das FA zog die Stpfl. zur Gewerbesteuer mit der Begründung heran, daß sie weder Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit im Sinne des § 19 EStG noch aus freiberuflicher Tätigkeit im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG beziehe.

Hiergegen wendete sich die Stpfl. mit der Sprungberufung, mit der sie ausführte, sie sei als Fotomodell für Werbezwecke Arbeitnehmerin des jeweiligen Fotografen, der die Aufnahmen mache. Wenn auch die Tätigkeiten relativ kurz bemessen seien, so schließe dies doch ihre Weisungsgebundenheit und ihre Eingliederung in den Betrieb des Fotografen für die Zeit der Zusammenarbeit nicht aus. Würde man aber ihre Arbeit als selbständig beurteilen, so falle sie unter die selbständig ausgeübte künstlerische Tätigkeit im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG. Künstlerische Tätigkeit sei jede schöpferische Arbeit, deren Ergebnis nach der Verkehrsauffassung dem Gebiete der Kunst zugerechnet werden müsse. In den Streitjahren habe sie zu der kleinen Spitzengruppe der besten deutschen Fotomodelle gehört. Ihre Tätigkeit sei mit der eines Schauspielers ohne weiteres vergleichbar. Im übrigen verstoße das FA hinsichtlich der Besteuerung der Streitjahre durch die nachträgliche Heranziehung gegen Treu und Glauben, weil es sie in Kenntnis ihrer Tätigkeit für diese Jahre nur zur Einkommensteuer und Umsatzsteuer veranlagt habe und sie daraus habe schließen können, sie sei von der Gewerbesteuer freigestellt.

Die Sprungberufung blieb ohne Erfolg. Das FG ließ sich im wesentlichen von folgenden Erwägungen leiten: Nach dem auf Grund der Beweiserhebungen und der Ausführungen der Beteiligten sich ergebenden Sachverhalt fehlten für die Annahme, die Stpfl. sei als Fotomodell für Werbezwecke nichtselbständig tätig gewesen, alle Voraussetzungen. Die Stpfl. und der Fotograf hätten bei der Gestaltung der Bilder in gegenseitiger Ergänzung zusammengewirkt, ohne daß der eine von beiden gegenüber dem anderen ein Weisungsrecht gehabt hätte oder die Stpfl. dabei in den Betrieb des Fotografen in irgendeiner Weise eingegliedert gewesen wäre.

Die Tätigkeit der Stpfl. als selbständiges Fotomodell für Werbezwecke sei weder eine der in § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG aufgezählten Berufstätigkeiten noch stellen sie einen diesen ähnlichen Beruf dar. Auch fehle es an einem künstlerischen Charakter ihrer Tätigkeit. Die Begabung, durch eine vorteilhafte Stellung, durch einnehmende Posen oder durch einen gewinnenden oder interessanten Gesichtsausdruck einschließlich der dazugehörenden Schminke, Frisur etc. ein Bekleidungsstück in der günstigsten Weise zur Geltung zu bringen und zu offerieren, gehöre nicht in das Gebiet der Kunst, wie etwa die Tätigkeit des Schauspielers oder Solotänzers. Diesen beiden Berufsarten sei die im Bereich des Künstlerischen liegende seelisch-geistige Gestaltung einer selbständigen Rolle eigen, die sie darzustellen hätten. Hieran aber fehle es bei der Tätigkeit eines Fotomodells, die neben einer geeigneten Figur die vielen Frauen eigene Gabe, durch Mimik und Gesten vor der Kamera auf das Vorteilhafteste zu posieren, erfordere.

 

Entscheidungsgründe

Die nach dem Inkrafttreten der FGO (1. Januar 1966) als Revision zu behandelnde Rb., mit der die Stpfl. den Antrag auf Freistellung von der Gewerbesteuer wiederholt hat, ist nicht begründet.

I. - Die Stpfl. kann mit den von ihr erhobenen Verfahrensrügen nicht durchdringen. Das FG hat weder den Grundsatz der amtlichen Ermittlungspflicht (§ 76 FGO) noch den der freien Beweiswürdigung (§ 96 FGO) verletzt. So hat das FG sich nach eingehender schriftsätzlicher Vorbereitung durch die Beteiligten durch Vernehmung der Zeugen X und Y, beide Modefotografen von Beruf, mit denen die Stpfl. zusammengearbeitet hat, ein hinreichend klares Bild von der Berufstätigkeit der Stpfl. verschafft. Es kann nicht beanstandet werden, daß die Vorinstanz von der Vernehmung weiterer Zeugen oder der Begutachtung eines Sachverständigen abgesehen hat. Dies ist um so weniger der Fall, als das Gericht an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden ist (§ 76 Abs. 1 letzter Satz FGO). Aus dem Umstand, daß die Vorinstanz entgegen den Bekundungen der Zeugen das Vorliegen einer künstlerischen Tätigkeit verneint hat, kann nicht auf eine Verletzung des Grundsatzes der freien Beweiswürdigung (§ 96 FGO) geschlossen werden. Das Gericht entscheidet nach seiner freien, nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen überzeugung. Dies aber schließt ein, daß sich das Gericht kraft eigenen Sachverstands zu einer anderen, ja sogar entgegengesetzten Beurteilung bestimmter Lebensvorgänge, als der in der Beweisaufnahme von Zeugen und Sachverständigen abgegebenen, kommen darf. In diesem Zusammenhang weist die Vorinstanz im übrigen zutreffend darauf hin, daß sie der Veräußerung der als Zeugen vernommenen Fotografen und der schriftlichen äußerung des Z- Verlags in bezug auf den künstlerischen Charakter der Stpfl. schon deshalb keine Bedeutung beimessen könne, weil diese durch ihre enge berufliche Zusammenarbeit mit der Stpfl. nicht den notwendigen Abstand für eine objektive Wertung besäßen. Folgerichtig hat daher das FG diese Frage ohne Heranziehung von Gutachtern selbst beurteilt, zumal ein geeignetes Gutachtergremium für den Beruf des Fotomodells für Werbezwecke nicht zur Verfügung steht.

II. - Auch in sachlicher Hinsicht kann die Revision keinen Erfolg haben.

Wie der VI. Senat in seinem Urteil VI 163/59 U vom 24. November 1961 (BFH 74, 487, BStBl III 1962, 183) ausgeführt hat, sind "Berufsfotomodelle", wenn sie nur von Fall zu Fall und vorübergehend zu Aufnahmen herangezogen werden, nicht Arbeitnehmer, weil sie nicht in den Betrieb des Fotografen eingegliedert werden. Der vorliegende Sachverhalt ist dem dieses Urteil fast gleichgelagert. Es bestehen daher keine rechtlichen Bedenken dagegen, daß die Vorinstanz die Annahme einer nichtselbständigen Tätigkeit der Stpfl. (§ 19 EStG) abgelehnt hat.

Ebensowenig aber stellt die Tätigkeit der Stpfl. eine der in § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG aufgezählten Berufstätigkeiten oder einen diesen ähnlichen Beruf dar. Auch kann bei ihrer Tätigkeit von einer in objektiver Hinsicht künstlerischen nicht die Rede sein. Für die Erfüllung dieser Voraussetzung ist es allerdings unerheblich, aus welcher Zielsetzung heraus der Künstler schafft und wozu das von ihm Geschaffene verwendet wird. Auch Leistungen, die dazu bestimmt sind, einen Nützlichkeitszweck zu erfüllen, können Gegenstand künstlerischen Schaffens sein. Eine künstlerisch gestaltete Leistung verliert allein dadurch, daß sie einem gewerblichen Zweck dient, z. B. dem Zweck, für ein bestimmtes Industrieprodukt zu werben, nicht die Eigenschaft einer künstlerischen Leistung. Allein entscheidend ist, ob der Schaffende schöpferische Leistung vollbringt, d. h. Leistungen, in denen sich seine individuelle Anschauungsweise und Gestaltungskraft widerspiegeln und die neben einer hinreichenden Beherrschung der Technik der betreffenden Kunstart eine gewisse künstlerische Gestaltungshöhe erreichen. Ob im Einzelfall schöpferische Leistungen vorliegen, und infolgedessen der Tätigkeit eines Fotomodells künstlerischer Rang zukommt, ist eine Frage, die tatsächliche Verhältnisse betrifft, über die das FG nach seiner freien überzeugung entscheidet (§ 96 FGO). Wenn das FG insoweit zu der überzeugung gelangt ist, daß die Tätigkeit des Fotomodells keine schöpferische Leistung darstellt, so ist das nicht zu beanstanden. Die Stpfl. kann sich in diesem Zusammenhang auch nicht darauf berufen, daß sie wie eine Schauspielerin tätig sei. Als Fotomodell hat sie nicht in genügendem Masse, wie etwa eine Schauspielerin, die Möglichkeit der Entfaltung und übermittlung ihrer Fähigkeiten.

Der Senat ist an diese in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden, weil, wie eingangs ausgeführt, in bezug auf diese zulässige und begründete Revisionsgründe nicht vorgebracht sind (§ 118 Abs. 2 FGO).

Die Stpfl. kann sich hinsichtlich der Heranziehung zur Gewerbesteuer auch nicht auf das in den früheren Einkommensteuer- und Umsatzsteuerveranlagungen vom FA geübte Verfahren berufen. Ist das FA in einer Veranlagung bei der Beurteilung eines Sachverhalts von einer falschen Rechtsauffassung ausgegangen, so ist es in einem späteren Jahr der Beurteilung des gleichen Sachverhalts in aller Regel auch nach dem Grundsatz von Treu und Glauben an die falsche Rechtsauffassung nicht gebunden (vgl. Urteil des BFH IV 111/59 U vom 27. Juni 1963, BFH 77, 586, BStBl III 1963, 534 und die dort aufgeführte Rechtsprechung). Ebensowenig liegt eine Bindung des FA an die frühere Handhabung aus anderen Gründen, so unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes etwa im Hinblick auf eine Zusage des FA vor.

Da die Tätigkeit der Stpfl. weder als Ausübung eines freien Berufs nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG noch als sonstige selbständige Arbeit nach § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG noch als eine solche nichtselbständiger Art anzusehen ist, muß die Stpfl. mit dieser selbständig ausgeübten Tätigkeit als einer gewerblichen im Sinne des § 15 EStG in Verbindung mit § 1 Abs. 1 GewStDV zur Gewerbesteuer herangezogen werden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 412621

BStBl III 1967, 618

BFHE 1967, 219

BFHE 89, 219

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