Leitsatz (amtlich)

Der Wert einer entgeltlich erworbenen Güterfernverkehrsgenehmigung, die im Einheitswert des Betriebsvermögens enthalten ist, ist im Rahmen der Anteilsbewertung nicht in die Ermittlung des Vermögenswertes einzubeziehen (entschieden für die Stichtage 31.Dezember 1966 und 31.Dezember 1967).

 

Orientierungssatz

1. Ein Geschäftswert ist im Rahmen der Anteilsbewertung auch dann nicht in die Ermittlung des Vermögenswertes einzubeziehen, wenn er bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens anzusetzen sein sollte.

2. Sind eine GmbH und ihr einziger Auftraggeber eng miteinander verbunden (hier: Auftraggeber der Ehemann der Alleingesellschafterin, der zugleich der Geschäftsführer der GmbH war), so spricht dies grundsätzlich gegen einen Abschlag nach Abschn. 79 Abs. 3 VStR bei der Ermittlung des gemeinen Werts der GmbH-Anteile nach dem sog. Stuttgarter Verfahren. Ob die Abhängigkeit eines Güterfernverkehrsunternehmens von einem einzigen Auftraggeber unter Umständen einen Abschlag rechtfertigen könnte, bräuchte im Streitfall nicht abschließend geprüft zu werden.

 

Normenkette

BewG 1965 § 11 Abs. 2 S. 2; VStR 1966 Abschn. 79 Abs. 3

 

Tatbestand

Das beklagte Finanzamt (FA) stellte durch Bescheide vom 12.August 1970 den gemeinen Wert der Anteile an der Klägerin zu 1, einer GmbH, auf den 31.Dezember 1966 und auf den 31.Dezember 1967 fest. Den gemeinen Wert schätzte das FA unter Anwendung des sog. Stuttgarter Verfahrens jeweils in Höhe von 80 v.H. der Summe aus dem Vermögenswert und dem Dreifachen des Ertragshundertsatzes.

Die Klägerin zu 1 und die Klägerin zu 2, die Alleingesellschafterin der Klägerin zu 1, legten Einspruch ein und reichten nachträglich Erklärungen zur Berechnung der gemeinen Werte der Anteile ein, in denen sie eine Kürzung des Vermögenswertes durch Nichtberücksichtigung des Wertes der Fernverkehrsgenehmigung und einen dreißigprozentigen Abschlag von dem errechneten gemeinen Wert wegen eines besonderen Umstandes begehrten. Diesen sahen sie darin, daß die Klägerin zu 1 ausschließlich für einen Betrieb des Ehemannes der Klägerin zu 2 tätig war, der zugleich Geschäftsführer der Klägerin zu 1 war.

Das FA folgte den Einwendungen der Kläger nicht. Aufgrund der inzwischen getroffenen Feststellungen einer Betriebsprüfung erhöhte es den gemeinen Wert durch die Einspruchsentscheidungen. Diese Erhöhungen ergaben sich aus einer Erhöhung des Vermögenswertes.

Mit ihrer Klage haben die Kläger ihr Begehren weiterverfolgt, den Wert der erworbenen Fernverkehrsgenehmigung bei der Errechnung des Vermögenswertes nicht anzusetzen und den gemeinen Wert um 30 v.H. zu ermäßigen.

Zur Begründung haben sie ausgeführt: Der Wert der Fernverkehrsgenehmigung sei bei der Errechnung des Vermögenswertes nicht anzusetzen, da er firmenwertähnlichen Charakter habe. Er werde bereits über den Ertragshundertsatz ausreichend erfaßt.

Der Abschlag von 30 v.H. des gemeinen Wertes sei deshalb gerechtfertigt, weil die Klägerin zu 1 ihre Aufträge ausschließlich von einem Auftraggeber, dem Ehemann der Klägerin zu 2, erhalte, der gleichzeitig Geschäftsführer der Klägerin zu 1 sei.

Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen und die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.

Mit ihrer Revision haben die Kläger ihre Klagebegehren weiterverfolgt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist zum Teil begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Ermäßigung der festzustellenden gemeinen Werte der GmbH-Anteile.

Das FA hat den gemeinen Wert der Anteile unter Berücksichtigung des Vermögens und der Ertragsaussichten geschätzt (§ 11 Abs.2 Satz 2 des Bewertungsgesetzes --BewG--). Dabei hat es sich des sog. Stuttgarter Verfahrens in der Ausgestaltung der Abschn. 76 ff. der Vermögensteuer-Richtlinien 1966 (VStR 1966) bedient, von dem sowohl der III.Senat als auch der erkennende Senat gesagt haben, daß es ein wertvolles, die Einheitlichkeit der Bewertung gewährleistendes Hilfsmittel sei (vgl. u.a. die Urteile vom 7.Dezember 1977 II R 164/72, BFHE 124, 356, BStBl II 1978, 323, und vom 14.November 1980 III R 81/79, BFHE 132, 479, BStBl II 1981, 351). Hiervon ist auch das FG ausgegangen.

1. Der erkennende Senat folgt dem FG nicht, als es der Auffassung ist, die Berücksichtigung des Ansatzes des Wertes der erworbenen Güterfernverkehrsgenehmigungen bei der Ermittlung des Vermögenswertes entspreche der Systematik des Stuttgarter Verfahrens. Der erkennende Senat folgt vielmehr den Klägern, daß der Wert der erworbenen Güterfernverkehrsgenehmigungen bei der Ermittlung des Vermögenswertes unberücksichtigt bleiben muß und sich nur über die Berücksichtigung der Ertragsaussichten auf die Höhe des gemeinen Wertes der GmbH-Anteile auswirkt.

Nicht entscheidend ist, daß entgeltlich erworbene Güterfernverkehrsgenehmigungen bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens als immaterielle Einzelwirtschaftsgüter anzusetzen sind (vgl. hierzu die Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 30.Mai 1974 III R 75/73, BFHE 113, 50, 54, BStBl II 1974, 654, und vom 23.Juni 1978 III R 22/76, BFHE 125, 297, BStBl II 1978, 521). Denn dort ist --anders als bei der Schätzung des Anteilswertes gemäß § 11 Abs.2 Satz 2 BewG-- über den Ansatz von Einzelwirtschaftsgütern zu entscheiden, deren Summierung nach Abzug der Verbindlichkeiten zu dem Wert des Betriebsvermögens führt (vgl. hierzu das Urteil des BFH vom 17.Januar 1975 III R 69/73, BFHE 114, 543, 546, BStBl II 1975, 324).

Demgegenüber gebietet es die Anordnung des § 11 Abs.2 Satz 2 BewG, wonach die Ertragsaussichten bei der Schätzung der Anteilswerte zu berücksichtigen sind, die bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens berücksichtigten Positionen daraufhin zu überprüfen, ob sie als Konkretisierung der Ertragsaussichten anzusehen sind. Ist diese Frage zu bejahen, so sind diese Positionen bei der Ermittlung des Vermögenswertes nicht anzusetzen, da die Ertragsaussichten gesondert berücksichtigt werden. Die hiervon abweichende Auffassung des FG ist mit der Systematik des Stuttgarter Verfahrens nicht zu vereinbaren.

Die Nichtberücksichtigung der Ertragsaussichten bei der Ermittlung des Vermögenswertes betrifft vor allem den Geschäftswert, der als Differenzbetrag zwischen dem Ertragswert und dem Substanzwert definiert wird (vgl. das Urteil des BFH vom 5.August 1970 I R 180/66, BFHE 100, 89, BStBl II 1970, 804; Alder/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Aktiengesellschaft, 4.Aufl., § 153 Tz.129; Moxter, Grundsätze ordnungsmäßiger Unternehmensbewertung, 2.Aufl., S.42). Der Geschäftswert bringt danach die überdurchschnittliche Ertragskraft eines Unternehmens zum Ausdruck, die in der Bewertungsformel des Stuttgarter Verfahrens (vgl. Abschn.79 Abs.2 VStR 1966) durch

( 7X)

den mathematischen Ausdruck "3 (E - --) symbolisiert wird. Aus

( 100)"

allem folgt, daß ein Geschäftswert auch dann bei der Ermittlung des Vermögenswertes unberücksichtigt zu bleiben hat, wenn er bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens gemäß § 95 Abs.1 BewG anzusetzen sein sollte.

Die Nichtberücksichtigung des Geschäftswertes bei dem Ansatz des Vermögenswertes im Rahmen der Anteilsbewertung ist danach Ausdruck der gegenüber der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens anderen Methodik der Schätzung der Anteilswerte. Sie führt zu einheitlichen Ergebnissen bei der Schätzung der Anteilswerte ohne Rücksicht darauf, ob ein Geschäftswert im Einzelfall als Wirtschaftsgut i.S. des § 95 Abs.1 BewG zu behandeln ist oder nicht.

Für die Behandlung der Güterfernverkehrsgenehmigungen bei der Anteilsbewertung gilt (jedenfalls für den hier maßgebenden Stichtag) nichts anderes. Die Güterfernverkehrsgenehmigungen haben nach der Auffassung der Ertragsteuersenate firmenwertähnlichen Charakter insofern, als sie neben anderen Aussichten die Chance bieten, auf dem behördlich begrenzten Markt des Güterfernverkehrs Gewinne zu machen (vgl. das Urteil vom 18.Dezember 1970 VI R 99/67, BFHE 101, 100, BStBl II 1971, 237). Dieser Auffassung hat sich auch der III.Senat für das Bewertungsrecht angeschlossen (BFHE 113, 50, BStBl II 1974, 654; BFHE 125, 297, BStBl II 1978, 521). Er ist dabei von der Auffassung ausgegangen, daß die sog. "wirtschaftliche" Übertragbarkeit der Fernverkehrsgenehmigungen "von der öffentlich- rechtlichen Basis her" so starken Einschränkungen unterliegt, daß nicht davon ausgegangen werden könne, der mit den Genehmigungen verbundene wirtschaftliche Vorteil sei durch die allgemeine Verkehrsanschauung als selbständig bewertungsfähiges Wirtschaftsgut anerkannt worden.

Die mit einer Güterfernverkehrsgenehmigung verbundene Chance aber, auf einem beschränkten Markt Gewinne zu machen, bringt nach Auffassung des erkennenden Senats nichts anderes als die Gewinnaussichten des Unternehmens zum Ausdruck, die bei Anwendung des Stuttgarter Verfahrens außerhalb des Vermögenswertes zu berücksichtigen sind. Damit ist auch für die Güterfernverkehrsgenehmigung ihr Ausscheiden aus dem Vermögenswert gerechtfertigt.

Das FG hat sich für seine abweichende Auffassung auch auf die Behandlung des Brennrechts bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens gestützt, wonach Brennrechte nach der allgemeinen Verkehrsauffassung selbständige Wirtschaftsgüter auch dann sind, wenn sie nicht entgeltlich erworben wurden (vgl. das Urteil vom 9.Dezember 1983 III R 40/79, BFHE 140, 306, BStBl II 1984, 193). Es hat dabei jedoch übersehen, daß der III.Senat in seinem Urteil in BFHE 140, 306, 309, BStBl II 1984, 193 ausgeführt hat, Brennrechte seien mit den Güterfernverkehrsgenehmigungen deshalb nicht vergleichbar, weil die Brennrechte nach Art.4 des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über das Branntweinmonopol 1967 am Bewertungsstichtag einzeln veräußerungsfähig gewesen seien. Der Senat kann deshalb offenlassen, ob aus der allgemeinen Bewertungsfähigkeit der Brennrechte zwingend auf ihren Ansatz bei der Ermittlung des Vermögenswertes im Rahmen der Anteilsbewertung des Betriebsvermögens zu schließen ist.

Unerörtert bleiben kann, ob sich hinsichtlich der Behandlung der Güterfernverkehrsgenehmigungen bei der Anteilsbewertung dadurch etwas geändert hat, daß die Vorschriften über die Genehmigungserteilung (§ 10 des Güterkraftverkehrsgesetzes) durch das Zweite Gesetz zur Änderung des Güterkraftverkehrsgesetzes vom 9.Juli 1979 (BGBl I, 960) um die neuen Absätze 3 bis 5 ergänzt worden ist; denn die streitigen Feststellungen sind für Stichtage vor dieser Änderung erfolgt.

2. Nicht begründet sind die Einwendungen der Kläger gegen die Versagung eines Abschlages vom gemeinen Wert. Ob die Abhängigkeit des Güterfernverkehrsunternehmens von einem einzigen Auftraggeber unter Umständen einen Abschlag rechtfertigen könnte, braucht hier nicht abschließend geprüft zu werden. Gegen einen Abschlag könnte eingewendet werden, daß ohnehin nur die Ertragsaussichten der nächsten drei Jahre berücksichtigt werden. Im vorliegenden Fall kommt aber hinzu, daß die Klägerin zu 1 und ihr einziger Auftraggeber eng miteinander verbunden sind. Dies spricht grundsätzlich gegen einen Abschlag.

Ein wirtschaftliches Risiko, das durch einen Abschlag berücksichtigt werden könnte, ist im vorliegenden Fall nicht zu erkennen. Alleiniger Auftraggeber der Klägerin zu 1 ist der Ehemann ihrer Alleingesellschafterin. Dieser ist überdies noch Geschäftsführer der Klägerin zu 1.

Die Überlegung der Kläger, es müsse wertmindernd berücksichtigt werden, daß bei einem Verkauf der Anteile an eine fremde Person das Auftragsverhältnis nicht fortgesetzt werde, verkennt die Bedeutung des § 9 Abs.2 Satz 1 BewG. Der nach dieser Vorschrift zu berücksichtigende Preis im gewöhnlichen Geschäftsverkehr ist der Betrag, der beim Fortbestehen der Vorteile aus der engen wirtschaftlichen Verflechtung zwischen dem Fernverkehrsunternehmen und dem Auftraggeber gezahlt werden wird (vgl. das Urteil vom 17.Dezember 1982 III R 92/80, BFHE 137, 367, BStBl II 1983, 192).

3. Aus den zu 1. genannten Gründen ist das angefochtene Urteil aufzuheben.

 

Fundstellen

Haufe-Index 60975

BStBl II 1985, 608

BFHE 144, 268

BFHE 1986, 268

BB 1985, 2032-2033 (ST)

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