Leitsatz (amtlich)

1. Der nationale Gesetzgeber war berechtigt, den Begriff „Ausfuhr” im Sinne des Art. 20. Abs. 2 VO (EWG) Nr. 19/62 für die ErstVOGetr 1963 dahin festzulegen, daß darunter eine Ausfuhr im Sinne des § 4 Abs. 2 Nr. 3 AWG vom 28. April 1961 zu verstehen ist.

2. Auf den Widerruf einer Erstattung in Form abschöpfungsfreier Einfuhr nach der ErstVOGetr 1963 sind nicht die Vorschriften der AO, sondern die des allgemeinen Verwaltungsrechts anzuwenden.

 

Normenkette

EWGV 19/62 Art. 20 Abs. 2; EWGV 92/62 vom 25. Juli 1962; DurchfG VO 19 vom 26. Juli 1962: §§ 8, 10 a; ErstVOGetr 1963 vom 30. Juli 1963: § 1 Abs. 1, § 4 Abs. 2, § 6 Abs. 1 Nr. 2, §§ 8-9; AWG vom 28. April 1961: § 4 Abs. 1 Nr. 1; AWG vom 28. April 1961: § 4 Abs. 1 Nr. 2; AWG vom 28. April 1961: § 4 Abs. 2 Nr. 3; AWV vom 22. August 1961: § 9; AWV vom 22. August 1961: § 10 Abs. 3

 

Tatbestand

I.

Auf Antrag der Klägerin erteilte die Beklagte, die Einfuhr- und Vorratsstelle für Getreide und Futtermittel, der Klägerin am 2. und 12. März 1964 zwei Erstattungszusagen nach der Dritten Verordnung zur Durchführung des Gesetzes zur Durchführung der Verordnung Nr. 19 (Getreide) des Rates der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft für das Getreidewirtschaftsjahr 1963/64 vom 30. Juli 1963 – ErstVOGetr 1963 – (BGBl I 1963, 543, BZBl 1963, 672). Diese Zusagen Nr. 9874 und Nr. 10020 berechtigten zur abschöpfungsfreien Einfuhr von Mais für die Ausfuhr von Maisgrieß; sie galten für insgesamt 6 000 t mit der Maßgabe, daß die Ausfuhr bis zum 30. Juni 1964 durchgeführt sein mußte.

Ende Juni 1964 verbrachte die Klägerin eine Restmenge von 1 132 609 kg Grieß auf Schuten in den Hamburger Freihafen. Bei dieser Verbringung erhielt sie in der Zeit vom 24. bis 27. Juni 1964 vom Zollamt (ZA) X formularmäßige Ausfuhrbescheinigungen, wie sie § 8 ErstVOGetr 1963 vorsieht.

Aufgrund dieser Ausfuhrbescheinigungen erteilte die Beklagte der Klägerin in der Zeit vom 25. Juni bis zum 29. Juni 1964 die bis zum 29. Juni 1964 gültigen Einfuhrgenehmigungen und die bis zum 9. Juli 1964 gültigen Einfuhrgenehmigungen zur abschöpfungsfreien Einfuhr von Mais gemäß § 4 ErstVOGetr 1963. Die Klägerin hat die Genehmigungen fristgemäß ausgenutzt.

Mit Schreiben vom 18. August 1964 teilte das ZA der Beklagten mit, gewisse in den Freihafen verbrachte Maisgrießmengen seien nicht von dort aus exportiert worden, sondern einige Tage später in das Hamburger Hafengebiet zurückgebracht und von dort aus nach dem Umschlag in Seeschiffe im Juli 1964 exportiert worden.

Aufgrund des Ermittlungsergebnisses einer daraufhin von der Oberfinanzdirektion (OFD) durchgeführten Außenwirtschaftsprüfung widerrief die Beklagte mit Verfügung vom 6. Mai 1965 die mit den oben genannten Einfuhrgenehmigungen bewilligte Abschöpfungsfreiheit für insgesamt 2 061 349 kg Mais mit der Begründung, es sei keine Ausfuhr durchgeführt worden. Es genüge nicht, Waren in den Freihafen zu verbringen, sondern die Ware müsse gemäß § 1 Abs. 1 ErstVOGetr 1963 i. V. mit § 4 Abs. 2 Nr. 3 des Außenwirtschaftsgesetzes (AWG) vom 28. April 1961 (BGBl I, 481, BZBl 1962, 404) aus dem deutschen Wirtschaftsgebiet verbracht worden sein. Deswegen habe sie das ZA aufgefordert, die Abschöpfung für den Mais nachzuerheben. Das ZA hat demgemäß durch Bescheid vom 24. August 1965 391 079,70 DM Abschöpfung für den Mais nacherhoben.

Der gegen den Widerruf der Abschöpfungsfreiheit eingelegte Einspruch blieb erfolglos. Die Berufung führte zur Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 27. Juli 1965 und des Widerrufsbescheids vom 6. Mai 1965.

II.

1. Mit ihrer Revision beantragt die Beklagte, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Klage abzuweisen und der Klägerin die gesamten Verfahrenskosten aufzuerlegen.

Rechtlicher Ausgangspunkt sei § 1 Abs. 1 ErstVOGetr 1963, der bestimme, daß Erstattungen nach Maßgabe dieser Verordnung nur gewährt würden für die Ausfuhr der erstattungsfähigen Güter im Sinne des § 4 Abs. 2 Nr. 3 AWG. „Ausfuhr” im Sinne der ErstVOGetr 1963 sei daher das Verbringen von Sachen aus dem Wirtschaftsgebiet (im Sinne des AWG) nach fremden Wirtschaftsgebieten. Das Verbringen von Waren in die Freihäfen erfülle also den Tatbestand der Ausfuhr nicht. Zweifel an dem Begriff der Ausfuhr seien angesichts des klaren Wortlautes des § 1 Abs. 1 ErstVOGetr 1963 nicht möglich. Die Zoll- und die Wirtschaftsgebietgrenzen fielen überwiegend zusammen, so daß die Ausgangszollstellen regelmäßig durchaus in der Lage seien, das Verbringen der Ware über die Wirtschaftsgrenze zu bestätigen. In Hamburg erfüllten nicht die ZÄ an der Zollgrenze zum Freihafen die Funktion der Ausgangszollstelle; als Ausgangszollstelle gelte vielmehr hier das Freihafenamt Hamburg (zu vgl. § 10 Abs. 3 der Verordnung zur Durchführung des Außenwirtschaftsgesetzes vom 22. August 1961 – AWV –, BGBl I, 1381, BZBl 1962, 422), mithin eine Landesbehörde, der bundesrechtliche Aufgaben übertragen worden seien. Das Freihafenamt sei ausdrücklich angewiesen worden, Ausfuhrbescheinigungen für Erstattungszwecke erst zu erteilen, wenn die Ware nach fremden Wirtschaftsgebieten ausgeführt worden seien und nicht schon, wenn die Ware in den Freihafen gelange.

§ 8 des Gesetzes zur Durchführung der Verordnung Nr. 19 (Getreide) des Rates der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft vom 26. Juli 1962 (DurchfG VO 19) – BGBl I 1962, 455, BZBl 1962, 643 – enthalte die Ermächtigung, durch Rechtsverordnung die Voraussetzungen, die Höhe und das Verfahren bei Erstattungen nach Art. 19 Abs. 2 und Art. 20 Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 19/62 vom 4. April 1962 (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften 1962 S. 933 – ABlEG 1962, 933 –, BZBl 1962, 618, 1964, 806) zu bestimmen. Der Verordnungsgeber sei damit ermächtigt, die Voraussetzungen für die Erstattung schlechthin und damit auch den Begriff „Ausfuhr” inhaltlich festzulegen.

Für den Ausfuhrbereich enthielten die Art. 19 und 20 der Verordnung (EWG) Nr. 19/62 lediglich einige Grundlinien und verzichteten im wesentlichen auf jede Sachregelung, vor allem auf jede inhaltliche Fixierung des Ausfuhrbegriffs als einer materiellen Anspruchsvoraussetzung für die Erstattung.

Die Ausfuhr sei keinesfalls nur oder in erster Linie ein zollrechtliches Phänomen und daher auch nicht vom Zollrecht her bestimmt, geschweige denn von den Schöpfern des Vertrages zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWGV) so gesehen worden. Selbst im Rahmen der Vorschriften über die geplante Zollunion könne ein einheitlicher Ausfuhrbegriff aus dem Zollrecht nicht hergeleitet werden, und zwar einfach deshalb nicht, weil es ein einheitliches Zollrecht mit gemeinsamen Rechtsbegriffen nicht gegeben habe. Der Ausfuhrbegriff könne insbesondere deshalb nicht an das Zollrecht der Art. 12 ff. des EWGV angelehnt werden, weil es hier um die Gewährung von Subventionen, also von Leistungen des Staates bei Ausfuhren gehe, während Gegenstand der Zollunion allein der Abbau von Abgaben bei der Durchführung von Ausfuhren sei.

Rechtserhebliche Bedenken gegen den Widerruf der bereits gewährten Abschöpfungsfreiheit könnten nicht geltend gemacht werden. Es könne hier auf sich beruhen, ob die Rücknahme dieser begünstigenden Maßnahme sich nach den Grundsätzen des Verwaltungsrechts oder nach der AO richte. Im ersteren Falle sei zu berücksichtigen, daß die Gewährung von Erstattungen Subventionen der öffentlichen Hand seien. Die Gewährung der Subvention könne widerrufen werden, wenn die Voraussetzungen für die Zahlung der Subvention objektiv nicht vorgelegen hätten. Auf eine Verschuldensprüfung komme es dabei gar nicht an.

Richte sich die Rücknehmbarkeit der gewährten Erstattungen indes nach der AO, dann käme allein § 94 AO in Betracht, der die Zurücknahme rechtsbestätigender Verfügungen über Zölle und Verbrauchsteuern regele, nicht jedoch § 96 AO, der rechtsbegründende Verfügungen betreffe und deshalb nicht anwendbar sei, wenn in einem Bescheid lediglich ein bereits entstandener Anspruch festgestellt werde, wie das bei Erstattungen der Fall sei.

Da eine Ausfuhr der Waren aus dem Wirtschaftsgebiet vom ZA X wegen mangelnder Zuständigkeit nicht habe bescheinigt werden können, habe das ZA die Ausfuhrbescheinigungen zu Recht zurückgenommen. Aus diesem Grunde sei aber auch der Revision ohne weiteres stattzugeben, da gültige Ausfuhrbescheinigungen nicht vorgelegen hätten.

Den vorgelegten Unterlagen sei nicht zu entnehmen gewesen, daß die Klägerin die Ware innerhalb der Gültigkeitsdauer der Erstattungszusage lediglich in den Freihafen verbracht hätte. Es wäre Sache der Klägerin gewesen, bei Vorlage der Ausfuhrbescheinigungen darauf hinzuweisen, daß die Ware noch nicht aus dem Wirtschaftsgebiet verbracht worden sei. Die Klägerin könne sich ferner nicht damit entlasten, sie habe eine Auskunft des ZA Y eingeholt. Selbst wenn das der Fall gewesen wäre, müßte sie sich wieder entgegenhalten lassen, daß sie sich ersichtlich an eine unzuständige Stelle gewandt habe, was voll und ganz zu ihren Lasten gehe. Den angeblichen Defekt der Klappbrücke könne die Klägerin nicht gegenüber der Beklagten ins Feld führen. Außerdem sei der Defekt schon monatelang vor dem 30. Juni 1964 bekannt gewesen. Die Klägerin habe sich also dementsprechend einrichten können.

2. Die Klägerin beantragt, die Revision der Beklagten kostenpflichtig zurückzuweisen.

Zur Begründung trägt sie vor, § 6 Abs. 1 Ziff. 2 ErstVOGetr 1963 schreibe vor, daß der Exporteur durch eine Ausfuhrbescheinigung nachweisen müsse, daß die Ware innerhalb der in der Erstattungszusage bestimmten Frist ausgeführt worden sei. Bezeichnenderweise fehle in dieser Vorschritt eine Verweisung auf den in § 4 Abs. 2 Nr. 3 AWG geprägten Ausfuhrbegriff. Da jedoch die Ausfuhrbescheinigung stets vom ZA zu erteilen sei (§ 8 Abs. 1 ErstVOGetr 1963) und das ZA regelmäßig nicht, oder jedenfalls nicht zwangsläufig, die Hoheitsgrenzen, sondern nur die Zollgrenzen der Bundesrepublik Deutschland (BRD) überwache und markiere, könne die Ausfuhrbescheinigung ihrem Wesen nach nichts anderes als das Überschreiten der Zollgrenze beweisen. Vergegenwärtige man sich die unmittelbare Verknüpfung zwischen Erstattungsgewährung und Abschöpfungserhebung, dann werde klar, daß für die Bestimmung des Ausfuhrzeitpunktes die gleichen Kriterien maßgebend sein müßten wie für die Bestimmung des Einfuhrzeitpunktes. Wenn also der Zeitpunkt der Einfuhr nach zollrechtlichen Kriterien bestimmt werde, wie es im Abschöpfungserhebungsgesetz (AbG) geschehen sei, dann müsse dies konsequenterweise auch bei der Bestimmung des Ausfuhrbegriffs der Fall sein.

Der Widerruf der gewährten Erstattung verstoße gegen Treu und Glauben. Aus den der Beklagten vorgelegten Ausfuhrbescheinigungen das ZA X sei zu ersehen gewesen, daß die Ware lediglich in Schuten verladen worden sei. Die Beklagte habe der Klägerin nach Prüfung der Ausfuhrbescheinigungen die beantragte Erstattung in Form abschöpfungsfreier Einfuhr von Mais in entsprechender Menge genehmigt. Außerdem habe die Beklagte die Ausfuhrbescheinigungen mit dem Stempelvermerk „Aus der Kaution entlassen” versehen. Die Notwendigkeit, den Maisgrieß zunächst in Hafenschuten zu verladen, beruhe auf einem nicht von der Klägerin zu vertretenden Umstand, nämlich auf einer durch Nachlässigkeit des zuständigen Beamten herbeigeführten Beschädigung der Klappbrücke, die beim Transport des Maisgrießes vom Herstellerbetrieb in das offene Fahrwasser der Elbe passiert werden müsse. Es erscheine unbillig, von der Klägerin angesichts dieser von ihr nicht zu vertretenden Umstände eine Nachzahlung von fast 400 000 DM an Abschöpfungen zu fordern. Die Klägerin sei ein mittleres Unternehmen, das durch eine nicht abwälzbare Nachzahlung in dieser Höhe empfindlich getroffen würde.

Die Entlassung aus der Kaution und die Erteilung der abschöpfungsfreien Einfuhrgenehmigungen stellten rechtsbegründende Verfügungen der Beklagten dar, die gemäß § 96 Abs. 1 AO nur unter bestimmten Voraussetzungen widerrufen werden dürften.

Die Klägerin habe im Zeitpunkt der Ausfuhr über gültige, rechtmäßig erteilte Ausfuhrbescheinigungen verfügt. Erst durch Bescheid vom 20. April 1965, also fast ein volles Jahr später, habe das ZA X die Ausfuhrbescheinigungen widerrufen, weil es sich mit der OFD und mit der Beklagten auf den Standpunkt gestellt habe, für das Verbringen der Ware aus dem Zollgebiet in den Freihafen hätten keine Ausfuhrbescheinigungen ausgestellt werden dürfen. Ausfuhrbescheinigungen könnten nur richtig oder falsch sein. Die Beklagte übersehe, daß die Klägerin die Erteilung der Ausfuhrbescheinigungen durch das ZA X überhaupt nicht veranlaßt habe. Gemäß § 8 Abs. 2 ErstVOGetr 1963 sei der Antrag auf Erteilung der Ausfuhrbescheinigung bei der Versandzollstelle einzureichen. Das sei im vorliegenden Fall das ZA Y. Dieses ZA habe die von der Klägerin vorbereiteten und eingereichten Formulare der Ausfuhrbescheinigungen in der linken unteren Rubrik auch ordnungsgemäß ausgefüllt und abgestempelt. Nach der ihr obliegenden Prüfung (§ 8 Abs. 3 ErstVOGetr 1963) habe die Versandzollstelle den Antrag an die Ausgangszollstelle weitergeleitet, die daraufhin die Ausfuhrbescheinigung erteilt habe. Das ZA Y selbst habe also im vorliegenden Fall die Anträge an das ZA X als Ausgangszollstelle weitergeleitet und damit konkludent die der Klägerin zuvor gegebene Auskunft bestätigt, gegen diese Form der Ausfuhr sei nichts einzuwenden. § 79 AO sei nicht auf Verwaltungsakte beschränkt, sondern gelte für „Handlungen” örtlich unzuständiger Finanzämter (FÄ), also auch für ZÄ. Die Wirksamkeit und Gültigkeit der Ausfuhrbescheinigungen könnte also selbst dann nicht in Frage gestellt werden, wenn das ZA X wirklich für ihre Erteilung unzuständig gewesen sein sollte.

 

Entscheidungsgründe

III.

Die Revision kann keinen Erfolg haben.

Im Streitfalle geht es darum, ob die in den Einfuhrgenehmigungen in Form von abschöpfungsfreier Einfuhr gewährte Erstattung zu Recht widerrufen worden ist. Das Finanzgericht (FG) hat die Auffassung vertreten, daß die Widerrufsverfügung vom 6. Mai 1965 zu Unrecht ergangen sei, weil die Ware rechtzeitig innerhalb der in den Erstattungszusagen angegebenen Fristen ausgeführt worden sei. Sie sei vor Ablauf des 30. Juni 1964 über die Zollgrenze in den Freihafen Hamburg verbracht worden, wobei erkennbar gewesen sei, daß die Ware nach Dänemark bzw. Schweden gelangen sollte. Die Beklagte ist dagegen der Ansicht, daß es nicht genüge, daß die Ware innerhalb der vorgesehenen Frist über die Zollgrenze gegangen ist, sie müsse das deutsche Wirtschaftsgebiet verlassen haben.

Nach Art. 20 Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 19/62 kann, um die Ausfuhr nach dritten Ländern auf der Grundlage der Weltmarktpreise zu ermöglichen, der Unterschied zwischen diesen Preisen und den Preisen im ausführenden Mitgliedstaat unter den Voraussetzungen erstattet werden, die nach dem Verfahren des Art. 26 festgelegt werden. Diese Voraussetzungen wurden hinsichtlich der Erstattung für die Ausfuhr von Maisgrieß in der Verordnung (EWG) Nr. 92/62 vom 25. Juli 1962 (ABlEG 1962, 1906) mit späteren Änderungen festgelegt. Wenn die Mitgliedstaaten in Art. 20 Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 19/62 ermächtigt wurden, bei Ausfuhren nach dritten Ländern eine Erstattung zu gewähren, so müssen sie auch ermächtigt sein, die Voraussetzungen und Einzelheiten für die Erstattung zu bestimmen, soweit das nicht gemeinschaftsrechtlichen Normen vorbehalten ist und soweit erkenntlich ist, daß den einzelnen Mitgliedstaaten ein Entscheidungsspielraum verbleiben sollte. Weder in der Verordnung (EWG) Nr. 19/62 noch in der Verordnung (EWG) 92/62 nebst den späteren Änderungsverordnungen ist der Begriff „Ausfuhr nach dritten Ländern” näher erläutert, insbesondere ist nicht angegeben, ob die Ausfuhr mit dem Überschreiten der Zollgrenze, der Grenze des Wirtschaftsgebiets oder erst mit dem Abladen der Ware im Drittland als ausgeführt anzusehen ist oder welche Nachweise für die Ausfuhr zu erbringen sind. Es muß also davon ausgegangen werden, daß die Regelung insoweit den Mitgliedstaaten überlassen bleiben sollte. Demgemäß heißt es in § 8 DurchfG VO 19 in der hier maßgebenden Fassung zu Recht, daß die Bundesregierung durch Rechtsverordnung (RVO), die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, Bestimmungen über die Voraussetzungen, die Höhe und das Verfahren bei Erstattungen nach Art. 20 Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 19/62 erläßt.

In § 1 ErstVOGetr 1963 – ergangen auf Grund des § 8 DurchfG VO 19 – ist für den Begriff „Ausfuhr” verwiesen auf § 4 Abs. 2 Nr. 3 AWG. Dort ist der Begriff „Ausfuhr” definiert als das Verbringen von Sachen und Elektrizität aus dem Wirtschaftsgebiet – wozu auch der Freihafen Hamburg gehört – nach fremden Wirtschaftsgebieten (vgl. § 4 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 AWG). In § 6 ErstVOGetr 1963 ist bestimmt, daß eine Erstattung nur beantragen kann, wer u. a. durch eine Ausfuhrbescheinigung nachweist, daß die Ware innerhalb der in der Erstattungszusage bestimmten Frist ausgeführt worden sind. Diese Ausfuhrbescheinigung ist nach § 8 ErstVOGetr 1963 nach vorgeschriebenem Muster zu beantragen und wird von der Ausgangszollstelle erteilt.

Die Tatsache, daß die Ausfuhrbescheinigung von der Ausgangszollstelle erteilt wird, berechtigt nicht zu der Annahme, daß unter „Ausfuhr” im Sinne des Art. 20 Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 19/62 die Ausfuhr im Sinne des § 1 ZG zu verstehen ist. Bei der Ausfuhrüberwachung nach dem AWG wird die Zollstelle nicht in Erfüllung eigener Aufgaben auf Grund des ZG, sondern als Auftragsverwaltung tätig (vgl. § 9 AWV). Es läßt sich auch nicht behaupten, daß die Zollbeamten nicht in der Lage seien, die Ausfuhr aus dem Wirtschaftsgebiet zu überwachen; denn die Grenze des Wirtschaftsgebiets fällt zum größten Teil mit der Zollgrenze zusammen. Für die seewärtige Ausfuhr über den Freihafen Hamburg nimmt das Freihafenamt Hamburg diese Aufgabe wahr. Nach § 10 Abs. 3 Satz 3 AWV gilt für die seewärtige Ausfuhr über den Freihafen Hamburg das Freihafenamt Hamburg als Ausgangszollstelle. Mit der Bestätigung dieses Amtes in der Ausfuhrbescheinigung, daß die Ware aus dem freien Verkehr ausgeführt worden ist, wird gleichzeitig gesagt, daß die Ware das Freihafengebiet seewärts verlassen hat. Die ZÄ an der Zollgrenze zum Freihafen können dagegen nur bestätigen, daß die Ware die Grenze zum Freihafen überschritten hat. Die Tatsache, daß bei dem seewärtigen Ausgang aus dem Freihafen Hamburg die Ausfuhrbescheinigungen nicht von der letzten Zolldienststelle des Zollgebiets (§ 10 Abs. 2 AZO), sondern vom Freihafenamt Hamburg ausgestellt werden, spricht in besonderem Maße dafür, daß für den Begriff „Ausfuhr” im Sinne der ErstVOGetr 1963 nicht der Ausfuhrbegriff des ZG, sondern der des AWG maßgebend ist.

Der Auffassung des FG, es ergebe sich aus den Vorschriften des EWGV, daß der Begriff „Ausfuhr” der ErstVOGetr 1963 im Sinne des Zollrechts auszulegen sei, kann nicht gefolgt werden. Zunächst ist darauf hinzuweisen, daß im Zeitpunkt des Abschlusses des EWGV kein einheitliches Zollrecht in den einzelnen Mitgliedstaaten galt. Im übrigen befassen sich mehrere Artikel des EWGV mit der Ausfuhr von Waren, ohne daß diese Ausfuhren mit dem Zoll etwas zu tun haben, z. B. mit der Abschaffung der mengenmäßigen Beschränkungen bei der Ausfuhr zwischen den Mitgliedstaaten (Art. 34, 35 EWGV) und der Errichtung gemeinsamer Einrichtungen zur Stabilisierung der Ausfuhr (Art. 40 Abs. 3 Satz 1, a. a. O.).

Der Senat kommt daher zu dem Ergebnis, daß es für die Ausfuhr nach der ErstVOGetr 1963 nicht genügt, wenn die Ware vor dem maßgebenden Zeitpunkt lediglich in den Freihafen Hamburg verbracht worden ist, mögen auch nachprüfbare Anhaltspunkte dafür vorliegen, daß die Ware nach dem vorgesehenden Drittland verbracht werden soll. Die Ware muß vor dem maßgebenden Zeitpunkt den Freihafen Hamburg wieder seewärts mit Ziel Verbrauchsland verlassen haben.

Im Streitfalle sind die Ausfuhrbescheinigungen vom ZA X als Ausgangszollstelle ausgestellt worden. Die Ausfuhrbescheinigungen sind damit von einer sachlich nicht zuständigen Stelle erteilt worden. Es liegt nicht bloß eine örtliche Unzuständigkeit vor, denn es besteht, wie oben ausgeführt wurde, ein sachlicher Unterschied zwischen einer vom ZA X und einer vom Freihafenamt Hamburg ausgestellten Ausfuhrbescheinigung. Somit liegen im Streitfalle keine gültigen Ausfuhrbescheinigungen der zuständigen Ausgangszollstelle vor, wie sie § 6 Abs. 1 Nr. 2 ErstVOGetr 1963 für die Gewährung der Erstattung fordert. Dies hat die Vorinstanz verkannt.

Die in den Einfuhrgenehmigungen bewilligte Abschöpfungsfreiheit gründet sich auf die nicht gültigen Ausfuhrbescheinigungen, so daß die Bewilligung der Abschöpfungsfreiheit selbst fehlerhaft ist.

Es bleibt jedoch zu prüfen, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen die in den Einfuhrgenehmigungen bewilligte Abschöpfungsfreiheit für den eingeführten Mais als Form der Erstattung (vgl. § 4 Abs. 2 ErstVOGetr 1963 und Urteil des Bundesfinanzhofs BFH VII R 76/67 vom 13. Januar 1970, Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Bd. 98 S. 120 – BFH 98, 120 –, BStBl 1970, 256) widerrufen werden kann. Dabei ist zunächst zu klären, welches Recht auf die Zurücknahme von Erstattungsbescheiden anzuwenden ist. Für die Abschöpfungen als Instrument zur Ordnung des Agrarmarkts in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) ist ausdrücklich in § 2 AbG vom 25. Juli 1962 (BGBl I, 453, BZBl 1962, 650) gesagt, daß die für Zölle und Zollvergehen geltenden Vorschriften Anwendung finden, soweit sich aus den in § 1, a. a. O., bezeichneten Verordnungen nicht etwas anderes ergibt oder dieses Gesetz nicht etwas anderes bestimmt. In § 8 DurchfG VO 19 ist, wie schon ausgeführt, bestimmt, daß die Bundesregierung durch RVO Bestimmungen über die Voraussetzung, die Höhe und das Verfahren bei Erstattungen nach Art. 20 Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 19/62 erläßt. Die ErstVOGetr 1963 behandelt in § 9 nur den Fall, daß ausgeführtes Getreide wieder in den Geltungsbereich der ErstVO zurückgebracht wird. In diesem Fall ist der Erstattungsbetrag zurückzuzahlen. Im übrigen ist zur Zurücknahme von Erstattungsbescheiden nichts gesagt. Der Senat ist der Auffassung, daß aus § 10 a DurchfG VO 19 – eingefügt durch das Änderungsgesetz vom 19. Juli 1963 (BGBl I 1963, 493) –, wonach in öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten über Erstattungen der Finanzrechtsweg gegeben ist und gegen Bescheide, durch die erstattete Beträge zurückgefordert werden, das Einspruchsverfahren nach der AO stattfindet, nicht gefolgert werden kann, daß auf Erstattungen auch die sachlichen Vorschriften der AO über den Steueranspruch anwendbar sind. Denn bei den Erstattungen, um die es hier geht, handelt es sich nicht um die Rückgewähr erhobener Abgaben (wie in den §§ 150 ff. AO), sondern um eine Art von Subvention für die Ausfuhr von Waren. Der Senat kommt daher zu dem Ergebnis, daß mangels einer gesetzlichen Verweisung auf das Abgaben- oder Außenwirtschaftsrecht, auf Verwaltungsakte in Sachen der Ausfuhr-Erstattungen das allgemeine Verwaltungsrecht anzuwenden ist (vgl. dazu Wapenhensch in Deutsche Außenwirtschafts-Rundschau 1966 S. 161 – DAR 1966, 161 –, Laumann in DAR 1966, 121, 162 sowie Bastein in Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern 1967 S. 104 – ZfZ 1967, 104 –).

Im allgemeinen Verwaltungsrecht ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) bei der Zurücknahme fehlerhafter begünstigender Verwaltungsakte in jedem Einzelfall zu prüfen, ob das schutzwürdige Interesse des Begünstigten an der Aufrechterhaltung oder das öffentliche Interesse an der Beseitigung des Verwaltungsakts überwiegt (vgl. Eyermann-Fröhler, Verwaltungsgerichtsordnung, Kommentar, 4 Aufl., Rdnr. 38, Anhang § 42). Im Streitfall führt das zu dem Ergebnis, daß die gewährte Erstattung nicht zurückgefordert werden kann. Gemäß § 8 Abs. 3 ErstVOGetr 1963 prüft die Versandzollstelle die Angaben des Antragstellers im Antrag auf Erteilung der Ausfuhrbescheinigung, auch wohin die Ware ausgeführt werden soll (Verbrauchsland), während die Ausgangszollstelle die Ausfuhr der Waren aus dem freien Verkehr bescheinigt. Das ZA X konnte aus den Angaben der Klägerin in den Ausfuhrbescheinigungen erkennen, daß die Ware über den Freihafen ausgeführt wird. Es war daher fehlerhaft, wenn das ZA die Ausfuhr der Ware selbst bescheinigt hat, anstatt die Vordrucke an das Freihafenamt Hamburg weiterzuleiten. Weiter mußte die Beklagte aus den ihr vorgelegten Ausfuhrbescheinigungen ersehen, daß die Ware mit dem Schiff, also über den Freihafen Hamburg, nach Skandinavien verbracht werden sollte, daß also das Freihafenamt Hamburg und nicht das ZA X für die Abgabe der Bestätigung zuständig war. Trotzdem hat die Beklagte die Einfuhrgenehmigungen zur abschöpfungsfreien Einfuhr ausgestellt, und zwar ohne Vorbehalt des Widerrufs. Die Klägerin hat auf Grund dieser Einfuhrgenehmigungen die Waren fristgerecht eingeführt. Erst mit Verfügung vom 6. Mai 1965 ist die Abschöpfungsfreiheit für die hier in Rede stehende Menge widerrufen worden. Aus den Ausführungen der Vorinstanz muß gefolgert werden, daß eine entsprechende Menge Waren auch tatsächlich in das fremde Wirtschaftsgebiet ausgeführt worden ist. Es ist nicht ersichtlich, daß die Klägerin insoweit unrichtige Angaben gemacht hätte. Der Senat ist unter diesen Umständen und mit Rücksicht auf die Höhe des zurückgeforderten Betrages der Auffassung, daß das schutzwürdige Interesse der Klägerin an der Aufrechterhaltung des begünstigenden Verwaltungsakts das öffentliche Interesse an der Beseitigung des Verwaltungsakts überwiegt. Der Grundsatz der Rechtssicherheit muß in einem solchen Falle dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung vorgehen. Durch das vorausgegangene Verhalten der Verwaltung ist bei der Klägerin in erhöhtem Maße ein Vertrauenstatbestand begründet worden, der die spätere Zurückforderung der gewährten Erstattung als mit dem allgemeinen Rechtsempfinden nicht vereinbar erscheinen läßt. Die Berufung der Beklagten auf das Urteil des BVerwG VII C 71.63 vom 26. Februar 1965 (Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts Bd. 20 S. 295) geht fehl. Aus diesem Urteil kann im Hinblick auf den dort gegebenen Sachverhalt nicht geschlossen werden, daß in allen Fällen eine Erstattung zurückgefordert werden kann, wenn die Voraussetzungen für ihre Gewährung nicht vorgelegen haben.

Nach allem war daher die Revision mit der Kostenfolge des § 135 Abs. 2 FGO als unbegründet zurückzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 514782

BFHE 1970, 281

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