Entscheidungsstichwort (Thema)

Wettbewerbsverbot; klare und eindeutige Vereinbarungen

 

Leitsatz (NV)

1. Bei unklaren schuldrechtlichen Vereinbarungen einer Kapitalgesellschaft mit ihrem beherrschenden Gesellschafter ist zu prüfen, ob die Unklarheit auf eine mangelnde Ernstlichkeit der Vereinbarung schließen läßt.

2. Vereinbaren Kapitalgesellschaft und deren Gesellschafter, daß der Gesellschafter neben seiner Tätigkeit als Geschäftsführer auch als Subunternehmer der Kapitalgesellschaft tätig werden darf, so ist dies grundsätzlich steuerlich anzuerkennen. Zu prüfen bleibt in einem solchen Fall aber auch, ob die Kapitalgesellschaft einem Gesellschaftsfremden die Subunternehmertätigkeiten übertragen hätte, die Tätigkeiten nicht doppelt in Form der Geschäftsführer- und Subunternehmervergütung entgolten wurden und die Subunternehmertätigkeiten tatsächlich als solche und in dem vereinbarten Umfang erbracht wurden.

 

Normenkette

KStG § 8 Abs. 3 S. 2

 

Verfahrensgang

FG Rheinland-Pfalz

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine GmbH, deren Unternehmensgegenstand die Ausführung von Maurer-, Putz- und Isolierarbeiten sowie die Durchführung von Maler- und Lackierarbeiten durch Auftragsvergabe an Subunternehmer ist. Gesellschafter der Klägerin war in den Streitjahren 1990 bis 1991 mit einem Geschäftsanteil von 99 v. H. des Stammkapitals der alleinvertretungsberechtigte Geschäftsführer W. Daneben war F mit einem Geschäftsanteil von 1 v. H. des Stammkapitals beteiligt. Nach § 5 Abs. 3 des Gesellschaftsvertrags konnte die Gesellschafterversammlung den Geschäftsführer von den Beschränkungen des § 181 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) befreien. In § 6 des Gesellschaftsvertrags ("Beschlüsse der Gesellschaft") heißt es in Absatz 1:

"Die Gesellschafter fassen ihre Beschlüsse in der Gesellschafterversammlung. Einer Gesellschafterversammlung bedarf es nicht, wenn sämtliche Gesellschafter schriftlich mit der zu treffenden Bestimmung oder mit der schriftlichen Abgabe der Stimmen sich einverstanden erklären."

Unter dem 11. Juli 1985 schloß die Klägerin mit W einen Geschäftsführervertrag mit Wirkung ab dem 1. Juli 1985. In § 1 Nr. 2 des Vertrags heißt es:

"Der Geschäftsführer hat seine Arbeitskraft in den Dienst der Gesellschaft zu stellen, soweit dies der Geschäftsumfang erforderlich macht. Die Firma gestattet Herrn W, weiterhin seine freiberufliche Tätigkeit als Bauingenieur auf eigene Rechnung auszuüben, soweit hierdurch die Belange der GmbH nicht beeinträchtigt werden."

In § 4 des Geschäftsführervertrags war ein monatliches Bruttogehalt von 3500 DM vereinbart, daneben eine Tantieme in Höhe von 30 v. H. des den Betrag von 20 000 DM übersteigenden jährlichen Gewinns der Klägerin lt. Steuerbilanz vor Abzug der Gewerbesteuer sowie der nicht abzugsfähigen Ausgaben und der Tantieme selbst. In § 5 ("Wettbewerbsverbot") heißt es:

"Herr W darf ohne Einwilligung der Gesellschafter weder unmittelbar noch mittelbar, gelegentlich oder nachhaltig unter eigenem oder fremdem Namen, für eigene oder fremde Rechnung auf Gebieten, die Gegenstand der Firma sind, tätig werden."

In vier aufeinanderfolgenden Ergänzungsvereinbarungen wurde zunächst der "Sokelbetrag" von 20 000 DM zur Ermittlung der Bemessungsgrundlage der Tantieme ersatzlos gestrichen (Vereinbarung vom 22. November 1985), das Geschäftsführergehalt mit Wirkung zum 1. Oktober 1985 auf 5500 DM brutto (8. Oktober 1985) und sodann mit Wirkung zum 1. Juli 1986 auf 6000 DM brutto angehoben (23. Juni 1986), schließlich das Bruttogehalt mit Wirkung vom 1. Januar 1989 auf 5000 DM gesenkt (2. Januar 1989).

Nach entsprechendem Entwurf vom Mai 1989 schloß die Klägerin als Auftraggeber unter dem 9. Juli desselben Jahres einen sog. Bauleitervertrag mit W als "Auftragnehmer" ab. In dem Vertrag sind u. a. folgende Regelungen getroffen:

"1. W wird für die Firma mit Wirkung ab 1. 7. 1989 als freier Mitarbeiter tätig.

2. Das Aufgabengebiet des W erstreckt sich auf die Planung und Überwachung sowie die Massenermittlung und Überprüfung der Rechnungslegung von Bauvorhaben, mit deren Durchführung die GmbH beauftragt ist.

3. W wird fallweise auf Anforderung des Auftraggebers tätig.

4. Bei der Wahrnehmung seiner Aufgaben unterliegt W keinerlei Weisungen des Auftraggebers. Bezüglich der Gestaltung der Arbeitszeit wird ihm freie Hand gelassen. Er hat jedoch den ihm nach diesem Vertrag obliegenden Pflichten den gebührenden Rang einzuräumen.

9. Die Nichtigkeit einer Bestimmung dieses Vertrages soll die Wirksamkeit des übrigen Vertragsinhaltes nicht berühren."

...

Mündliche Nebenabreden zu diesem Vertrag bestanden nicht. Spätere Änderungen oder Ergänzungen des Vertrags sollten nur wirksam sein, wenn sie schriftlich vereinbart werden.

Für die Ausarbeitung von Angeboten, das Aufmaß und die Abrechnung von Baustellen sowie das Prüfen von Rechnungen zahlte die Klägerin in den Streitjahren an das Ing.-Büro des Gesellschafter-Geschäftsführers insgesamt Beträge von 22 629 DM brutto (1990) und 62 244 DM brutto (1991). Als Rechtsgrund für die Zahlungen wurde auf den am 9. Juli 1989 abgeschlossenen Bauleitervertrag verwiesen. Den Zahlungen lagen Rechnungen für verschiedene Bauvorhaben zugrunde, die das Finanzgericht (FG) im einzelnen festgestellt hat.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -- FA --) ging zunächst von verdeckten Gewinnausschüttungen (vGA) an W in Höhe von 22 629 DM in 1990 und 62 244 DM in 1991 aus und erließ entsprechende Körperschaftsteuerbescheide 1990 und 1991 vom 29. April 1993 bzw. 21. Januar 1994, die Bescheide über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen gemäß § 47 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) zum 31. Dezember 1990 und zum 31. Dezember 1991 vom 29. April 1993 bzw. 21. Januar 1994, die Gewerbesteuermeßbescheide 1990 und 1991 vom 29. April 1993 bzw. 21. Januar 1994 und die Umsatzsteuerbescheide 1990 und 1991 vom 27. April 1993 bzw. 21. Januar 1994. Auf den Einspruch der Klägerin änderte das FA mit Einspruchsentscheidungen vom 16. August 1995 die Bescheide 1991 mit der Maßgabe, daß statt einer vGA in Höhe von 62 244 DM eine solche in Höhe von 28 044 DM angesetzt wurde.

Das FG hat der Klage stattgegeben. Sein Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 1996, 1123 veröffentlicht.

Gegen das Urteil hat das FA die vom FG zugelassene Revision eingelegt. Es rügt Verfahrensfehler und die Verletzung materiellen Rechts.

Es beantragt, das Urteil des FG Rheinland- Pfalz vom 22. April 1996 5 K 2401/95 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --).

1. a) Unter einer vGA i. S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG 1977 ist bei einer Kapitalgesellschaft eine Vermögensminderung (verhinderte Vermögensmehrung) zu verstehen, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlaßt ist, sich auf die Höhe des Einkommens auswirkt und in keinem Zusammenhang zu einer offenen Ausschüttung steht (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 2. Februar 1994 I R 78/92, BFHE 173, 412, BStBl II 1994, 479). Für den größten Teil der entschiedenen Fälle hat der BFH die Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis angenommen, wenn die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter einen Vermögensvorteil zuwendet, den sie bei der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einem Nichtgesellschafter nicht gewährt hätte (vgl. BFH-Urteil vom 16. März 1967 I 261/63, BFHE 89, 208, BStBl III 1967, 626). Ist allerdings der begünstigte Gesellschafter ein beherrschender, so kann eine vGA auch dann anzunehmen sein, wenn die Kapitalgesellschaft eine Leistung an ihn erbringt, für die es an einer klaren, im voraus getroffenen, zivilrechtlich wirksamen und tatsächlich durchgeführten Vereinbarung fehlt (vgl. BFH-Urteil vom 14. März 1990 I R 6/89, BFHE 160, 459, BStBl II 1990, 795).

b) Diese zuletzt genannte Rechtsprechung hat durch das BFH-Urteil vom 23. Oktober 1996 I R 71/95 (BFHE 181, 328) insoweit eine Änderung erfahren, als vor allem das Fehlen einer klaren, von vornherein abgeschlossenen und/oder zivilrechtlich wirksamen Vereinbarung mit dem beherrschenden Gesellschafter nicht mehr automatisch eine vGA nach sich zieht. Vielmehr muß das Fehlen einer solchen Vereinbarung mit dem beherrschenden Gesellschafter zusätzlich den Schluß erlauben, daß dieselbe nicht ernstlich gemeint sein könnte. Die Rechtsprechungsänderung geht zurück auf die Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 7. November 1995 2 BvR 802/90 (Der Betrieb -- DB -- 1995, 2572) und vom 15. August 1996 2 BvR 3027/95 (DB 1996, 2470). Danach ist es verfassungswidrig, das Fehlen einer klaren, von vornherein abgeschlossenen und/oder zivilrechtlich wirksamen Vereinbarung mit dem beherrschenden Gesellschafter wie ein gesetzliches Tatbestandsmerkmal zu behandeln. Zulässig ist es nur, aus dem Fehlen einer solchen Vereinbarung mit dem beherrschenden Gesellschafter indizielle Rückschlüsse zu ziehen. Dann aber kann die so entstehende indizielle Wirkung durch andere Rückschlüsse auch widerlegt werden.

c) Für den Streitfall bedeutet dies, daß aus den in der schriftlich getroffenen Vereinbarung enthaltenen Unklarheiten nicht zwingend auf eine vGA rückgeschlossen werden kann. Entscheidend ist vielmehr, daß sich aus dem Bauleitervertrag vom 9. Juli 1989 hinreichend deutlich die Absicht des W ergab, für die Klägerin nur entgeltlich tätig werden zu wollen. Für die im Vertrag umschriebene Tätigkeit als Bauleiter wurde ein zusätzliches Entgelt hinreichend deutlich vereinbart. Steuerlich gesehen kann keine Vereinbarung darüber gefordert werden, wo der Pflichtenkreis des W als Geschäftsführer endete und wo sein Recht zur Ausübung einer selbständigen Tätigkeit begann. Mit Rücksicht auf die bestehende Vertragsfreiheit hatten die Klägerin und W es in der Hand, sämtliche Tätigkeiten dem Geschäftsführervertrag zu unterwerfen oder aber einzelne Aufgaben aus dem Geschäftsführervertrag auszuklammern und sie einem gesonderten Bauleitervertrag zu unterwerfen. Allerdings darf das Ausklammern bestimmter Aufgaben aus dem Geschäftsführervertrag nicht dazu führen, daß die Tätigkeit eines Gesellschafter-Geschäftsführers doppelt entgolten wird. Auch ist das FA nicht gehindert, steuerlich gesehen nur eine einheitliche Rechtsbeziehung zwischen der Kapitalgesellschaft und ihrem Gesellschafter-Geschäftsführer anzunehmen. Jedoch greift der Vorwurf des FA nicht durch, das FG habe einen schlechthin unmöglichen Schluß gezogen und damit gegen die Denkgesetze verstoßen. Revisionsrechtlich ist es nicht zu beanstanden, daß das FG den Bauleitervertrag vom 9. Juli 1989 als ein ernstlich gemeintes Rechtsgeschäft beurteilt hat.

d) Das FG hätte dennoch der Frage nachgehen müssen, ob nicht durch die von der Klägerin an W geleisteten Zahlungen dessen Tätigkeiten doppelt entgolten wurden. Dies ist einmal unter dem Gesichtspunkt der Angemessenheit des von der Klägerin gezahlten Gesamtentgelts zu beurteilen. Insoweit mögen sich mit Rücksicht auf die relativ niedrige Grundvergütung des W als Geschäftsführer keine durchgreifenden Bedenken ergeben. Das FG hätte jedoch der Behauptung des FA nachgehen müssen, daß W Leistungen abrechnete, die nicht er erbracht hatte. Diese Behauptung bezieht sich einmal auf den in der Klageerwiderung vom 12. Dezember 1995 enthaltenen Vortrag des FA, die Abrechnungsunterlagen seien widersprüchlich bzw. nachgeschrieben worden und es seien Bauvorhaben abgerechnet worden, die bereits das Ing.-Büro ... betreut habe. Darüber hinaus hätte das FG prüfen müssen, ob die zusätzlich von W in Rechnung gestellten Leistungen durch den Vertrag vom 9. Juli 1989 abgedeckt waren. Außerdem muß es dem Maßstab des Handelns eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters entsprechen, daß die Klägerin Bauleitungsaufgaben an W als Subunternehmer übertrug und sie nicht durch eigenes Personal ausführen ließ.

2. Die insoweit fehlenden tatsächlichen Feststellungen nachzuholen, ist die Aufgabe des FG. Zu diesem Zweck war die Vorentscheidung aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen. Angesichts dieser Rechtslage kann der Senat dahinstehen lassen, ob die vom FA erhobene Rüge durchgreift, das FG habe § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO verletzt. Die vom FG getroffenen und von den Beteiligten nicht mit Verfahrensrügen angefochtenen Tatsachenfeststellungen erlauben eine Sachentscheidung, ohne daß dem FA Nachteile aus der Nichtentscheidung über die von ihm erhobene Verfahrensrüge entstehen können. Deshalb hat der Senat unmittelbar in der Sache selbst entschieden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 422226

BFH/NV 1997, 902

HFR 1998, 40

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