Entscheidungsstichwort (Thema)

Schenkung eines erbbaurechtbelasteten Grundstückes

 

Leitsatz (NV)

1. Die Schenkung eines erbbaurechtbelasteten Grundstückes umfaßt auch den Anspruch auf den Erbbauzins.

2. Zur Bewertung des Erbbauzinsanspruches.

3. Die Bewertung des Erbbauzinsanspruches gemäß § 13 Abs. 1, § 16 und § 92 BewG ist nicht verfassungswidrig.

 

Normenkette

ErbStG § 1 Abs. 1 Nr. 2, § 7 Abs. 1 Nr. 1, § 12; BewG § 13 Abs. 1, §§ 16, 92

 

Verfahrensgang

FG Köln

 

Nachgehend

BVerfG (Beschluss vom 24.08.1995; Aktenzeichen 1 BvR 713/87)

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) schloß am 3. Juni 1975 mit seinem 1973 geborenen Sohn einen notariell beurkundeten Vertrag, nach dessen Wortlaut er seinem Sohn ein mit . . . Wohnungen bebautes Grundstück schenkte. In dem Vertrag heißt es u. a., in dem Grundbuch des Grundstückes seien in Abteilung III unter Nr. 2 eine Grundschuld von . . . DM für die X-Bank (Bewilligung vom 12. März 1974/14. Mai 1974) und unter Nr. 3 eine Grundschuld über . . . DM für die Bausparkasse Y (Bewilligung vom 12. März 1974/14. Mai 1974) eingetragen. Die Belastung III/2 sei nicht valutiert. Die persönliche Verpflichtung des Erwerbers gegenüber der Gläubigerin aus der Belastung III/3 sei ausgeschlossen.

Das Grundstück war mit einem vorher (am selben Tag) für 99 Jahre bestellten Erbbaurecht zugunsten der Ehefrau des Klägers belastet.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) setzte Schenkungsteuer fest. Diese Steuer berechnete er nach dem Kapitalwert des Erbbauzinses.

Mit dem Einspruch begehrte der Kläger, die Steuer nach dem Einheitswert des Grund und Bodens zu berechnen. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.

Auf die Klage setzte das Finanzgericht (FG) die Steuer herab, berechnet nach dem Einheitswertanteil des Grund und Bodens.

Mit der Revision beantragt das FA, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage.

1. Das angefochtene Urteil verletzt § 12 Abs. 2 und 4 ErbStG und § 92 BewG.

a) Der geltend gemachte Steueranspruch folgt aus § 1 Abs. 1 Nr. 2 und § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG.

Durch die unentgeltliche Zuwendung des erbbaurechtbelasteten Grundstückes, d. h. des Grund und Bodens, wurde der Sohn auf Kosten des Klägers bereichert. Das Gebäude gehörte als Bestandteil des Erbbaurechtes (§ 12 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung über das Erbbaurecht - ErbbauV -) der erbbaurechtberechtigten Ehefrau des Klägers. Die Zuwendung an den Sohn beschränkte sich daher auf den Grund und Boden und den Erbbauzinsanspruch als Bestandteil (§ 96 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -, § 9 Abs. 2 Satz 2 ErbbauV), vermindert um die Belastung durch das Erbbaurecht. Trotzdem verblieb noch ein Wertüberschuß und damit eine Bereicherung des Sohnes des Klägers. Geht man davon aus, daß die Erbbaurechtbelastung und die dafür gewährte Gegenleistung in Form des Erbbauzinses gleichwertig waren und sich damit ausglichen, so entsprach die Bereicherung in ihrer Höhe dem Verkehrswert des Grund und Bodens. Nicht anders ist das Ergebnis, wenn man berücksichtigt, daß der Kapitalwert der Erbbaurechtbelastung angesichts seiner Dauer von 99 Jahren nicht geringer sein konnte als der Verkehrswert des Grund und Bodens. Dann verblieb eine Bereicherung des Sohnes, welche wertmäßig dem Kapitalwert des Erbbauzinsanspruches entsprach.

Daß sein Sohn durch die Zuwendung bereichert wurde, räumt auch der Kläger ein. Er meint jedoch, ,,nur der - wirtschaftliche - Saldo zwischen Erbbauzinsanspruch und Erbbaulast ist zivilrechtlich und schenkungsteuerlich Gegenstand der Zuwendung und damit der Bereicherung. . . . Dann ergibt sich bereits zivilrechtlich als Bereicherung des Bedachten allein der Wert des Grund und Bodens".

Würde man diesem Gedanken des Klägers folgen, so würde das dazu führen, daß bei der Veranlagung zur Schenkungsteuer (nur) der auf den Grund und Boden entfallende Anteil am Einheitswert des Grundstückes und nicht der nach § 13 BewG zu bemessende Kapitalwert des Erbbauzinses angesetzt werden dürfte. Jedoch entspräche das nicht dem § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG; denn ,,zugewendet" hatte der Kläger seinem Sohn nicht nur den Grund und Boden, sondern als dessen Bestandteil auch den Anspruch auf den Erbbauzins.

Der Kläger wollte auch diese freigebige Zuwendung an seinen Sohn. Er kannte die vorgenannten Wertverhältnisse. Diese sind maßgebend. Denn der Wille zur Freigebigkeit ist nach objektiven Kriterien, nämlich nach dem Maßstab des allgemein Verkehrsüblichen, zu bestimmen (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 12. Juli 1979 II R 26/78, BFHE 128, 266, 269, BStBl II 1979, 631). Der Kläger kann sich also insbesondere nicht darauf berufen, er habe angenommen, der Erbbauzins sei - obwohl Bestandteil des zugewendeten Grundstückes - nicht Gegenstand der Zuwendung.

b) Die vorgenannte Zuwendung ist nach den steuerrechtlichen Vorschriften zu bewerten (§ 10 Abs. 1 ErbStG). Hierbei hat das FG § 12 Abs. 2 und 4 ErbStG und § 92 BewG nicht richtig angewendet.

Gemäß § 12 Abs. 2 ErbStG ist der zugewendete Grundbesitz mit dem Einheitswert anzusetzen, der nach dem Zweiten Teil des BewG festgestellt ist. Das bedeutet, daß auch für den Umfang des durch den Einheitswert erfaßten Grundbesitzes die Vorschriften des BewG maßgebend sind und somit wegen des § 92 Abs. 5 BewG der Anspruch auf den Erbbauzins nicht durch den Einheitswert erfaßt wird, sondern - nach Ermittlung gemäß § 12 Abs. 4 ErbStG - gesondert anzusetzen ist (vgl. die Senatsurteile vom 26. November 1986 II R 32/83, BFHE 148, 180, BStBl II 1987, 101, und II R 190/81, BFHE 148, 324, BStBl II 1987, 175). Die genannte Vorschrift verbietet, den Erbbauzinsanspruch nach den Grundsätzen über die steuerrechtliche Behandlung schwebender Geschäfte außer Ansatz zu lassen, wie es der Kläger begehrt.

Das FA hat den Kapitalwert dieses Erbbauzinsanspruches gemäß § 13 Abs. 1 BewG zutreffend mit dem Achtzehnfachen des Jahreswertes errechnet, denn das unmittelbar vor der Schenkung bestellte Erbbaurecht sollte 99 Jahre dauern. Aus dieser Laufzeit des Erbbaurechtes folgt zugleich, daß gemäß § 92 Abs. 2 BewG ein Einheitswert (Anteil für den Grund und Boden) nicht anzusetzen war.

Bei der Berechnung des Kapitalwertes des Erbbauzinses ist dessen Jahreswert nicht auf 1/18 des auf den Grund und Boden entfallenden Einheitswertanteils beschränkt. § 16 Abs. 2 BewG 1965, der eine entsprechende Regelung enthielt, ist durch Art. 2 Nr. 5 des Vermögensteuerreformgesetzes (VStRG) vom 17. April 1974 (BGBl I 1974, 949, BStBl I 1974, 233) mit Wirkung vom 1. Januar 1974 gestrichen worden. Ob nach dieser Gesetzesänderung der Beschluß des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 26. Januar 1971 2 BvL 2/68 (BStBl II 1971, 359) für den hier maßgebenden Rechtszustand überhaupt noch Bedeutung hat, mag offenbleiben. Jedenfalls betraf diese Entscheidung des BVerfG die Erbbauzinsverpflichtung des Erbbauberechtigten, nicht aber den Erbbauzinsanspruch des Erbbauverpflichteten, um den es hier geht.

Verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Auslegung des § 16 BewG bestehen entgegen der Auffassung des Klägers nicht. Die Gleichstellung des Erbbaurechtes mit der Vermietung, die grundsätzlich auf 30 Jahre beschränkt ist (§ 567 BGB), ist nicht die einzig mögliche Lösung, gegenüber der jede andere Regelung willkürlich wäre. Der dingliche Charakter des Erbbaurechtes gegenüber den bloß schuldrechtlichen Rechtsbeziehungen aufgrund eines Miet- oder Pachtvertrages rechtfertigt es, die Bestellung eines Erbbaurechtes als die Aufspaltung und teilweise Übertragung von Grundstückseigentumsrechten zu behandeln; denn nicht nur die vom Erbbauberechtigten zu errichtenden, sondern auch die bereits vorhandenen Gebäude werden gemäß § 12 Abs. 1 Sätze 1 und 2 ErbbauV Eigentum des Erbbauberechtigten. (Auch in seiner Rechtsprechung zur Grunderwerbsteuer hat der Senat die Bestellung von Erbbaurechten als die teilweise Übertragung von Grundstückseigentumsrechten angesehen, vgl. das Urteil vom 28. November 1967 II R 37/66, BFHE 91, 191, BStBl II 1968, 223, und das Urteil vom 5. Dezember 1979 II R 122/76, BFHE 129, 223, BStBl II 1980, 136). Bei dieser Betrachtungsweise ist der Anspruch auf den Erbbauzins einer Kaufpreisforderung ähnlich und muß daher als Vermögenswert des Erbbauverpflichteten berücksichtigt werden. Eine Kaufpreisforderung durch § 16 BewG (oder eine ähnliche Vorschrift) der Höhe nach zu beschränken, würde dem System des Bewertungsrechtes widersprechen.

Schließlich kann der Kläger auch nicht verlangen, daß die Erbbaulast als Verbindlichkeit abgezogen wird; denn diese Last ist bewertungsrechtlich bereits durch die Regelung des § 92 Abs. 2 und 3 BewG berücksichtigt: Der Grund und Boden als der erbbaurechtbelastete Gegenstand wird je nach der Dauer des Erbbaurechtes und damit nach der Höhe der Belastung im Erbschaftsteuerrecht der Zuwendung gar nicht oder nur teilweise zugerechnet. Es wäre daher systemwidrig, außerdem noch die Erbbaulast als Schuld abzuziehen. Behandelt das Gesetz die Bestellung eines Erbbaurechtes als die (einem Verkauf des Grundstückes ähnliche) Übertragung von Grundstückseigentumsrechten, dann ist es folgerichtig, den Einheitswert des Grund und Bodens (je nach der Dauer des Erbbaurechtes ganz oder teilweise) dem Erbbauberechtigten und den einer Kaufpreisforderung ähnlichen Erbbauzinsanspruch dem Erbbauverpflichteten zuzurechnen. Für einen Ansatz der Erbbaulast ist ebensowenig Raum wie für den Ansatz der Sachleistungsverpflichtung eines Grundstücksverkäufers nach der Erfüllung dieser Verpflichtung, d. h. nach der Übereignung des Grundstückes.

c) Der Kläger hält das Entscheidungsergebnis für verfassungswidrig. Die Berechnung der Steuer nach den vorstehend genannten Grundsätzen sei grob unbillig; denn er hätte - wie er meint - nur . . . DM Steuer zu zahlen brauchen, wenn ,,zunächst das Grundstück verschenkt und alsdann das Erbbaurecht bestellt" worden wäre. Daß bei der hier gewählten Rechtsgestaltung eine ,,um nahezu vierundzwanzigfach höhere Schenkungsteuer anfallen" solle, sei für ihn ,,absolut unverständlich". Er sieht darin eine Verletzung des Gleichheitssatzes.

Dieser Einwand des Klägers ist unbegründet.

Der Senat läßt offen, ob die Steuer nach dem Einheitswertanteil des Grund und Bodens . . . DM oder - wie das FA meint - . . . DM beträgt. Das angefochtene Urteil läßt nicht erkennen, ob das FG § 121 a BewG übersehen hat und den auf den Grund und Boden entfallenden Anteil am Einheitswert daher mit . . . DM statt mit . . . DM hätte ansetzen müssen. Jedenfalls wäre die Steuer bei der vom Kläger zum Vergleich genannten Schenkung des Grundstückes ohne vorherige Bestellung des Erbbaurechtes aus 140 v. H. des gesamten - also auch die Bebauung umfassenden - Einheitswerts des Grundstückes berechnet worden. Diesen Einheitswert hat das FG im vorliegenden Verfahren nicht festgestellt, weil er für die Entscheidung nicht erheblich war. Der Kläger hat aber nicht einmal behauptet, daß der (gemäß § 121 a BewG auf 140 v. H. erhöhte) Einheitswert des Grundstückes ungleich niedriger ist als der vom FA und vom BFH zugrunde gelegte Vermögenswert des Erbbauzinses, so daß sich hieraus grob unbillige Unterschiede in der Besteuerung ergeben würden. Zwar hätte die Steuer für die Schenkung des gesamten Grundstückes ganz oder teilweise dadurch vermieden werden können, daß die durch die Grundschuld gesicherte persönliche Verbindlichkeit von dem Sohn übernommen wurde und nicht - wie in dem Schenkungsvertrag vom 3. Juni 1975 vereinbart - bei dem Kläger verblieb. Eine solche oder ähnliche mögliche Gestaltung, auf welche der Prozeßbevollmächtigte des Klägers in der mündlichen Verhandlung hingewiesen hat, wäre aber im Rahmen der ,,groben Unbilligkeit" kein geeigneter Vergleichsfall. Daß die Schenkung eines Grundstückes verschieden besteuert wird, je nach dem, ob der Beschenkte auf dem Grundstück dinglich gesicherte Verbindlichkeiten übernimmt oder nicht übernimmt, ist weder grob unbillig noch gleichheitswidrig; denn die Bereicherung des Beschenkten ist in beiden Fällen verschieden hoch.

Überdies hat der Senat oben unter II. 1. b) ausgeführt, daß der Anspruch auf den Erbbauzins einer Kaufpreisforderung ähnlich sei. Auch hieraus ergibt sich, daß im Rahmen der groben Unbilligkeit und der Gleichheitswidrigkeit die Schenkung des Grundstückes ohne vorausgegangene Bestellung des Erbbaurechtes kein geeigneter Vergleichsfall für den hier zu beurteilenden Schenkungsvertrag vom 3. Juni 1975 ist. Auch wer die - nach dem Kapitalwert zu bemessende - Kaufpreisforderung aus einem Grundstückskaufvertrag verschenkt, kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, die unentgeltliche Zuwendung des - nach dem Einheitswert zu bemessenden - Grundstückes statt der Kaufpreisforderung an den Beschenkten hätte weniger Schenkungsteuer gekostet.

2. Der Senat entscheidet in der Sache selbst (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Das angefochtene Urteil ist aufzuheben und die Klage abzuweisen, da Fehler des FA bei der Berechnung der Steuer nicht ersichtlich und auch nicht geltend gemacht sind.

 

Fundstellen

Haufe-Index 415076

BFH/NV 1988, 568

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