Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur inhaltlichen Bestimmtheit von Feststellungsbescheiden

 

Leitsatz (NV)

Aus dem Gesamtinhalt des Feststellungsbescheids muß klar und eindeutig erkennbar sein, für welche Personen die Besteuerungsgrundlagen festgestellt werden und wie hoch diese sind. Dabei ist eine dem Bescheid beigefügte Anlage, die rechtlicher Bestandteil des Bescheids ist, zur Auslegung des Bescheids heranzuziehen.

 

Normenkette

AO 1977 § 119 Abs. 1, § 122 Abs. 1, § 124 Abs. 1, § 179 Abs. 2 S. 1, § 180 Abs. 1-2

 

Verfahrensgang

FG Köln

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) war als persönlich haftende Gesellschafterin, ihre Mutter, die Beigeladene, als alleinige Kommanditistin an der Firma X-KG (KG) beteiligt. Die KG betrieb auf eigenem Werksgelände die Herstellung von Steinrohr- und Steinzeugartikeln.

Durch Vertrag vom 17. November 1970 wurde zwischen der KG und den Firmen A und B vereinbart, daß die KG zum 31. März 1971 ihre Produktion einstellen und dafür eine Nettoprämie in Höhe von . . . DM erhalten sollte. Entsprechend der Vereinbarung wurde der Betrieb stillgelegt. Die Betriebsräume wurden an verschiedene Unternehmer vermietet. Zuvor hatten die Klägerin und die Beigeladene mündlich vereinbart, daß die Beigeladene ihre Konten ausgleichen und fortan nicht mehr am Betriebsergebnis teilhaben sollte. Nach Abrechnung ihres Kapitalkontos erhielt die Beigeladene im Laufe des Jahres 1971 ein Sparbuch über . . . DM. Den Restbetrag ihres Kapitals schenkte die Beigeladene der Klägerin. Die Beigeladene blieb noch als Kommanditistin und Prokuristin im Handelsregister eingetragen. Sie war jedoch nicht mehr im Betrieb tätig und hatte auf ihre laufenden Gewinnansprüche sowie ihren Anteil an den stillen Reserven verzichtet.

In der Erklärung zur einheitlichen und gesonderten Feststellung des Gewinns der KG für das Jahr 1971 wurde der Gewinn einschließlich der Stillegungsprämie in vollem Umfang der Klägerin zugerechnet. Dementsprechend erließ der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) am 29. März 1974 einen nach § 100 Abs. 2 der Reichsabgabenordnung (AO) vorläufigen Feststellungsbescheid 1971.

Nach einer im Jahre 1975 durchgeführten Außenprüfung vertrat der Prüfer die Ansicht, daß die KG am 1. Januar 1971 ertragsteuerlich aufgelöst und der Betrieb als Einzelunternehmen der Klägerin weitergeführt wurde. Das FA folgte der Auffassung des Prüfers und erließ am 2. Februar 1976 einen geänderten Feststellungsbescheid 1971, mit dem die Einkünfte aus Gewerbebetrieb auf null DM festgestellt wurden. Der an die KG zu Händen der Klägerin gerichtete Bescheid enthielt folgende Erläuterung: ,,Die KG hatte 1971 keine Einkünfte. Das Unternehmen wurde als Einzelunternehmen geführt. Die Feststellung ist endgültig n. § 225 RAO".

Am 22. August 1978 erließ das FA einen nach § 174 Abs. 4 der Abgabenordnung (AO 1977) berichtigten Gewinnfeststellungsbescheid 1971 und setzte den Gewinn aus Gewerbebetrieb auf . . . DM fest. In dem geänderten Gewinnfeststellungsbescheid 1971, der an die KG zu Händen der Klägerin gerichtet ist, ist auf Seite 3 unter ,,D. Feststellungsbeteiligte" lediglich die Klägerin aufgeführt. In der Anlage ESt 1, 2, 3 B ist in der Spalte 1 sowohl die Klägerin als auch die Beigeladene aufgeführt. Den Gewinn rechnete das FA allein der Klägerin zu.

Mit der nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage macht die Klägerin geltend, der angefochtene Feststellungsbescheid sei formell fehlerhaft, da er nicht zweifels- und widerspruchsfrei erkennen lasse, für wen er seinem Inhalt nach bestimmt sei. Die Anlage ESt 1, 2, 3 B sei nicht zum förmlichen Bestandteil des Feststellungsbescheides erklärt worden.

Während des finanzgerichtlichen Verfahrens hat das FA der Beigeladenen eine Ausfertigung des angefochtenen Gewinnfeststellungsbescheides mit Anlage übersandt, in der als Beteiligte unter ,,D" auch die Beigeladene aufgeführt ist.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Zur Begründung führte es aus: Der angefochtene Feststellungsbescheid sei wegen fehlerhafter Adressierung nicht ordnungsgemäß erlassen worden. In einem einheitlichen Gewinnfeststellungsbescheid müßten sich die betroffenen Gesellschafter eindeutig aus dem Gesamtinhalt des Bescheides entnehmen lassen, da ein solcher Bescheid die Einkommensteuer der Gesellschafter betreffe und sich gegen die Gesellschafter richte. Da die Beigeladene für den fraglichen Zeitraum noch als Mitunternehmerin anzusehen sei, sei sie notwendigerweise am einheitlichen Gewinnfeststellungsverfahren beteiligt. Folglich hätte der Bescheid auch an die Beigeladene gerichtet werden müssen, was jedoch nicht mit der hinreichenden Klarheit und Eindeutigkeit geschehen sei. Die Beigeladene sei im Anschriftenfeld des Bescheides nicht als Adressatin aufgeführt. Die Beigeladene sei zwar in der dem Bescheid beigefügten Anlage ESt 1, 2, 3 B als Mitunternehmerin ohne Gewinnzurechnung ausgewiesen, im Teil D des Bescheides unter ,,Feststellungsbeteiligte" sei jedoch nur die Klägerin angeführt. Damit sei es aber zumindest unklar, ob das FA die Beigeladene lediglich als zivilrechtliche Mitunternehmerin angesehen habe oder ob das FA die Beigeladene auch als am Verfahren der Gewinnfeststellung Beteiligte ansprechen wollte. Die Tatsache, daß im Teil D nur die Klägerin, nicht aber die Beigeladene, als Feststellungsbeteiligte genannt werde, lasse darauf schließen, daß das FA die Beigeladene wegen der fehlenden Gewinnzurechnung nicht als Verfahrensbeteiligte angesehen habe.

Mit seiner Revision rügt das FA unrichtige Anwendung der §§ 119, 122 und 125 AO 1977 durch das FG. Zur Begründung führt es aus: Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) müsse aus dem Gesamtinhalt eines Feststellungsbescheides erkennbar sein, für welche Personen Besteuerungsgrundlagen festgestellt worden seien. Dabei seien die Anlagen zu einem Bescheid als dessen Bestandteil zur Auslegung heranzuziehen. Im Streitfall werde die erforderliche Bestimmtheit des angefochtenen Feststellungsbescheides durch die dem Bescheid beigefügte - und durch Verweisung im Bescheid zum Bestandteil der Feststellung gewordene - Anlage ESt 1, 2, 3 B erreicht. In dieser Anlage würden sowohl die Klägerin wie auch die Beigeladene mit Namen, Anschrift und Beteiligungsverhältnis an den Einkünften der KG aufgeführt.

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Der angegriffene Feststellungsbescheid ist nicht wegen unrichtiger Bezeichnung der Steuerschuldner unwirksam.

a) Ein Feststellungsbescheid ist ein Verwaltungsakt im Sinne des § 118 AO 1977 und muß als solcher inhaltlich hinreichend bestimmt sein (§ 119 Abs. 1 AO 1977). Er ist demjenigen bekanntzugeben, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen ist (§ 122 Abs. 1 Satz 1 AO 1977), und wird im Zeitpunkt der Bekanntgabe wirksam (§ 124 Abs. 1 Satz 1 AO 1977). Aus dem Verwaltungsakt muß sich klar ergeben, gegen wen er sich richtet, gegen wen oder für wen er seine Wirkungen entfaltet. Unwirksam ist ein Feststellungsbescheid nur dann, wenn er infolge seiner Unvollständigkeit inhaltlich nicht mehr hinreichend bestimmt ist (vgl. Urteil des BFH vom 13. Dezember 1983 VIII R 90/81, BFHE 140, 526, 530, BStBl II 1984, 474).

Nach § 179 Abs. 2 Satz 1 AO 1977 richtet sich der Feststellungsbescheid gegen den Steuerpflichtigen, dem der Gegenstand der Feststellung (z. B. der Gewinn) zuzurechnen ist. Als Adressaten eines Bescheides über die einheitliche und gesonderte Gewinnfeststellung (§ 180 Abs. 1 und 2 AO 1977) sind dabei alle am Gewinn beteiligten Personen anzusehen (vgl. BFH-Urteile vom 23. Mai 1973 I R 121/71, BFHE 110, 1, BStBl II 1973, 746, und vom 30. März 1978 IV R 72/74, BFHE 125, 116, BStBl II 1978, 503). Seinem Inhalt nach richtet sich ein Bescheid, mit dem für die Gesellschafter einer Personengesellschaft der Gewinn einheitlich und gesondert festgestellt wird, stets gegen die Gesellschafter (Mitunternehmer), weil er für die Gesellschafter die Besteuerungsgrundlagen für deren Einkommensteuerveranlagung feststellt. Ohne Bedeutung ist dabei, ob im Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides die Personengesellschaft noch besteht oder bereits erloschen ist (vgl. BFH-Urteile vom 12. August 1976 IV R 105/76, BFHE 120, 129, BStBl II 1977, 221; vom 27. April 1978 IV R 187/74, BFHE 126, 114, BStBl II 1979, 89, und BFH-Beschluß vom 6. November 1980 IV R 52/77, BFHE 132, 9, BStBl II 1981, 186). Für die Wirksamkeit eines solchen Bescheides kommt es darauf an, daß sich aus seinem gesamten Inhalt ergibt, für welche Personen der Gewinn festgestellt wird und wie hoch der Gewinnanteil der einzelnen Gesellschafter ist (vgl. BFH-Urteile vom 28. März 1979 I R 219/78, BFHE 128, 14, BStBl II 1979, 718, und vom 8. Juli 1982 IV R 20/78, BFHE 136, 252, BStBl II 1982, 700). So ist ein einheitlicher Gewinnfeststellungsbescheid, der im Anschriftenfeld eine nicht mehr bestehende Personengesellschaft nennt, nicht unrichtig adressiert, wenn sich aus dem Bescheid die weiteren Angaben über die Gesellschafter entnehmen lassen (BFHE 120, 129, BStBl II 1977, 221, und BFHE 126, 114, BStBl II 1979, 89). Die Angabe der Gesellschaft ist lediglich als Sammelbezeichnung für die Gesellschafter zu sehen und bedeutet nicht etwa die Bezeichnung eines falschen Steuerschuldners (vgl. BFH-Urteil vom 26. September 1974 IV R 24/71, BFHE 114, 156, BStBl II 1975, 311). Entscheidend ist nur, daß aus dem Gesamtinhalt des Bescheids klar und eindeutig erkennbar ist, für welche Personen die Besteuerungsgrundlagen festgestellt werden und wie hoch diese sind (vgl. BFH-Urteil vom 6. Dezember 1983 VIII R 203/81, BFHE 140, 22, BStBl II 1984, 318). Die genaue Anschrift der Gesellschafter braucht dabei nicht angegeben zu werden; es genügt, wenn aus dem Bescheid zweifelsfrei zu entnehmen ist, wer mit den im Bescheid genannten Personen gemeint ist (BFHE 132, 9, BStBl II 1981, 186).

b) Der angefochtene Gewinnfeststellungsbescheid genügt diesen Anforderungen. Aus dem Gesamtinhalt des Gewinnfeststellungsbescheids geht zweifelsfrei hervor, daß er sich sowohl gegen die Klägerin als auch gegen die Beigeladene richtet. Zwar sind im Adressenfeld nur die KG und die Klägerin aufgeführt. Aus der dem Bescheid beigefügten Anlage (ESt 1, 2, 3, B), die rechtlicher Bestandteil des Bescheides ist, ergibt sich jedoch mit hinreichender Deutlichkeit, für welche Gesellschafter der Bescheid bestimmt ist und wie der festgestellte Betrag sich auf diese verteilt. In dieser Anlage sind die beiden Gesellschafter der KG - die Klägerin als persönlich haftende Gesellschafterin und die Beigeladene als Kommanditistin - namentlich unter Angabe ihres Wohnortes und ihrer (persönlichen) Steuernummern genannt. Zugleich ist auch der Betrag der ihnen zugerechneten Besteuerungsgrundlagen - wenn auch mit einem Gewinnbetrag von null DM bei der Kommanditistin - aufgeführt. Dadurch sind die Klägerin und die Beigeladene als Adressaten des Gewinnfeststellungsbescheides hinreichend gekennzeichnet. Daß auf Seite 3 des Bescheids unter ,,D. Feststellungsbeteiligte" nur die Klägerin aufgeführt ist, beeinträchtigt nicht seinen Regelungsinhalt und macht den Bescheid nicht in sich widersprüchlich. Mit der Benennung der Klägerin und der Beigeladenen in der - zur Auslegung des Bescheids heranzuziehenden - Anlage kommt, auch für einen Dritten erkennbar, klar und unmißverständlich zum Ausdruck, daß der Feststellungsbescheid für diese beiden Personen Rechtswirkungen entfalten sollte. Aus der fehlenden Auflistung der Beigeladenen im Teil D des Bescheides und aus dem Umstand, daß der Beigeladenen in der Anlage nur ein Gewinnanteil von null DM zugerechnet wurde, kann demgegenüber nicht geschlossen werden, daß das FA die Beigeladene nur mehr zivilrechtlich, nicht jedoch auch steuerrechtlich, als Mitunternehmerin und damit als Feststellungsbeteiligte ansehen wollte.

In diesem Zusammenhang ist auch das BFH-Urteil vom 28. März 1973 I R 100/71 (BFHE 109, 123, BStBl II 1973, 544) von Bedeutung. Nach dieser Entscheidung kann die Frage, gegen wen sich ein Berichtigungsbescheid richtet, jedenfalls dann mit Hilfe der Adresse des zugrunde liegenden Erstbescheids bestimmt werden, wenn in den Erläuterungen des Berichtigungsbescheids auf den Erstbescheid hingewiesen ist. Im Streitfall verweist der angegriffene Feststellungsbescheid auf den geänderten Feststellungsbescheid vom 2. Februar 1976 und dieser wiederum auf den vorläufigen Feststellungsbescheid vom 29. März 1974, in dem die Klägerin und die Beigeladene als Feststellungsbeteiligte aufgeführt sind. Hieraus ist die Absicht des FA erkennbar, auch die Beigeladene als am Verfahren der Gewinnfeststellung Beteiligte ansprechen zu wollen.

c) Der Feststellungsbescheid 1971 ist den Feststellungsbeteiligten auch wirksam bekanntgegeben worden.

Solange die Personengesellschaft besteht, braucht der Feststellungsbescheid im allgemeinen nur einem Gesellschafter bekanntgegeben zu werden; dies geschieht mit Wirkung für und gegen alle Gesellschafter (§ 183 Abs. 1 AO 1977). Ist jedoch die Personengesellschaft bereits voll beendet oder ist ein Gesellschafter aus der Personengesellschaft ausgeschieden, so genügt die Bekanntgabe an einen einzelnen Gesellschafter nicht mehr (§ 183 Abs. 2 AO 1977). In einem solchen Fall ist der Gewinnfeststellungsbescheid allen Betroffenen einzeln bekanntzugeben.

Im Streitfall war die Beigeladene im Zeitpunkt der Bekanntgabe des Gewinnfeststellungsbescheids (25. August 1978) bereits aus der KG ausgeschieden. Der Bescheid hätte daher, um wirksam zu werden, auch der - auch nach Kenntnis des FA - nicht mehr der Gesellschaft angehörenden Beteiligten gegenüber bekanntgegeben werden müssen. Der darin liegende Verfahrensmangel konnte jedoch vom FA noch im Klageverfahren beseitigt werden (vgl. BFH-Urteil vom 19. Mai 1983 IV R 125/82, BFHE 139, 1, 4, BStBl II 1984, 15). Nach der Feststellungen des FG hat das FA den Beigeladenen am 10. September 1981 eine Ausfertigung des angefochtenen Gewinnfeststellungsbescheides 1971 mit Anlage übersandt.

2. Da der Bescheid richtig adressiert ist, durfte sich die Vorentscheidung nicht darauf beschränken, den angefochtenen Feststellungsbescheid aus formellen Gründen ersatzlos aufzuheben. Sie mußte vielmehr zu der Frage Stellung nehmen, ob der Bescheid rechtswidrig ist. Da das FG insoweit noch keine Feststellungen getroffen hat, bedurfte es der Aufhebung seines Urteils und der Zurückverweisung an die Vorinstanz, der auch die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens übertragen wird (§ 143 Abs. 2 FGO).

 

Fundstellen

Haufe-Index 414490

BFH/NV 1986, 647

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