Normenkette

EStG § 9 Abs. 1 Sätze 1, 3 Nr. 7

 

Verfahrensgang

FG Düsseldorf

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) wurde im Veranlagungszeitraum 1973 mit ihrem Ehemann (Kläger und Revisionsbeklagter - Kläger -) zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Die Klägerin erzielte Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung aus den ihr gehörenden Gebäuden in A, B-Straße.

Ende der sechziger Jahre plante die Stadt A, die B-Straße, die eine dem öffentlichen Durchgangsverkehr gewidmete Geschäftsstraße war, in einen Fußgängerbereich umzugestalten. Die Stadt entschloß sich, die B-Straße zu untertunneln und im Unterführungsbereich 200 öffentliche Einstellplätze für PKW zu errichten. Die Errichtung der Einstellplätze wurde nach Verhandlungen mit dem Innenministerium des Landes Nordrhein-Westfalen davon abhängig gemacht, daß sich neben dem Land und der Stadt auch die Grundstücksanlieger an den Finanzierungskosten beteiligten. Maßgebend war die Vorstellung, daß die geplante Baumaßnahme nicht nur der Behebung einer allgemeinen Parkraumnot dienen, sondern auch den erheblich angestiegenen Bedarf an Stellplätzen für diejenigen PKW-Benutzer decken sollte, die nur kurzzeitig die Geschäfte in der Innenstadt besuchen wollten. Nach den Erhebungen der Stadt bestand für diesen Innenstadtbereich ein Bedarf von 852 Stellplätzen gegenüber 140 vorhandenen Stellplätzen. Aus diesem Grunde wandte sich die Stadt unter Berufung auf die noch nicht in Kraft getretene Vorschrift des § 64 Abs. 4 der Bauordnung für das Land Nordrhein-Westfalen - BauO NW - (i. d. F. des Gesetzes zur Änderung der BauO NW vom 2. Dezember 1969, Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Nordrhein-Westfalen - GV NW - 860, 865, und der Bekanntmachung der Neufassung der BauO NW vom 27. Januar 1970, GV NW 96, 109) an die Eigentümer der an der B-Straße und angrenzenden Straße liegenden Grundstücke mit der Aufforderung, sich an der geplanten Baumaßnahme finanziell zu beteiligen. Dabei wies die Stadt darauf hin, daß sämtliche Hauseigentümer aufgrund einer noch zu erlassenden, bereits in Vorbereitung befindlichen Satzung nach Maßgabe des § 64 BauO NW zur Zahlung herangezogen und die sich jetzt beteiligenden Eigentümer nur Vorausleistungen erbringen würden. Darauf bildete sich zur Aufbringung der Beteiligung eine Interessengemeinschaft. Diese Interessengemeinschaft traf mit der Stadt A eine Vereinbarung, wonach sich jeder Interessent mit einem bestimmten Geldbetrag an der Baumaßnahme beteiligen konnte, um die zuvor für jedes Grundstück einzeln ermittelten Stellplatzverpflichtungen nach der BauO NW abzulösen. Hierfür wurde ein Ablösungsverhältnis festgelegt, demzufolge ein Grundstückseigentümer, der einen Kostenanteil von 5 000 DM je herzustellendem Einstellplatz übernahm, von der Verpflichtung zur Schaffung von je zwei Stellplätzen befreit wurde. Die Stadt erklärte ausdrücklich, daß die Zahlungen zur Abwendung einer Heranziehung nach § 64 Abs. 7 BauO NW erfolgten oder erfolgen sollten. Die Einstellplätze sollten von einem beauftragten Unternehmen als öffentliche Parkeinrichtung betrieben und jedermann gegen eine entsprechende Parkgebühr zur Nutzung überlassen werden. Als besonderen Vorteil erhielten jedoch diejenigen Anlieger, die sich an der Baumaßnahme mit mindestens 25 000 DM beteiligten, das Recht eingeräumt, einen von fünf herzustellenden Einstellplätzen ohne besondere Parkgebühr jedoch gegen Entrichtung einer Gebührenpauschale zur Deckung der Unterhaltskosten zu benutzen. Hierfür wurden keine bestimmten Einstellplätze zur ausschließlichen Benutzung durch die jeweils Berechtigten bereitgehalten. Die Berechtigten waren vielmehr wie jeder andere Benutzer auf irgendeinen gerade freien Einstellplatz angewiesen.

Entsprechend dieser Vereinbarung zwischen Stadt und Interessengemeinschaft verpflichtete sich die Klägerin, einen Kostenanteil von 100 000 DM für die Errichtung von 20 Einstellplätzen zu übernehmen. In der Einkommensteuererklärung für 1973 machte die Klägerin zunächst nur 80 000 DM als sofort abziehbare Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend. Sie sah die übrigen 20 000 DM als Aufwand für den Erwerb des Rechts auf Benutzung von vier Einstellplätzen an. Im Einspruchsverfahren begehrte sie zusätzlich, daß der auf die vier eigengenutzten Einstellplätze entfallende Aufwand ab dem Zeitpunkt ihrer Nutzung im Jahre 1974 mit 3,3 v. H. jährlich abzuschreiben sei.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA - ) sah den Betrag von 80 000 DM als nachträgliche Gebäudeherstellungskosten an und ließ lediglich eine jährliche Absetzung für Abnutzung (AfA) von 1 600 DM (2 v. H. von 80 000 DM) zu. Der Einspruch hatte zum Teil Erfolg. Das FA gewährte nunmehr AfA aus einem Betrag von 100 000 DM.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage in seinem in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1980, 592 veröffentlichten Urteil im wesentlichen statt.

Es ging davon aus, die Aufwendungen der Klägerin seien in Höhe von 80 000 DM als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung sofort abziehbar.

Hiergegen richtet sich die Revision des FA.

Das FA rügt die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Es macht geltend:

Das FG habe dem FA das rechtliche Gehör versagt. Es habe außerdem einen unklaren Sachverhalt zur Grundlage seiner Entscheidung gemacht und gegen § 76 der Finanzgerichtsordnung (FGO) verstoßen.

Selbst wenn von den Schlußfolgerungen des FG ausgegangen werden könnte, wären die Ablösungszahlungen keine sofort abziehbaren Werbungskosten i. S. von § 9 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG), sondern sie führten zu nachträglichen Herstellungskosten der Gebäude.

Das FA beantragt unter Aufhebung der Vorentscheidung die Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung, hilfsweise, die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen die Zurückweisung der Revision.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO).

Die Zahlungen der Klägerin zur Schaffung von 20 Stellplätzen gehören nicht nach § 9 EStG - insbesondere nicht nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 EStG - zu den sofort abziehbaren Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung nach § 21 Abs. 1 Nr. 1 EStG.

1. Ohne Rechtsverstoß ist das FG davon ausgegangen, daß die Klägerin mit ihrer Zahlung ausschließlich eine ihr gegenüber der Stadt A obliegende öffentlichrechtliche Verpflichtung i. S. des § 64 Abs. 4 und 7 BauO NW erfüllt hat.

2. Das FG ist auch zutreffend davon ausgegangen, daß die von der Klägerin erbrachte Leistung keine nachträglichen Anschaffungskosten auf den Grund und Boden sind (vgl. hierzu Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 16. November 1982 VIII R 167/78, BFHE 137, 55, BStBl II 1983, 111).

3. Der Vorentscheidung kann allerdings nicht gefolgt werden, wenn dort ausgeführt wurde, daß die Aufwendungen zur Ablösung einer Verpflichtung zur Errichtung von Stellplätzen nach § 64 Abs. 4 und 7 BauO NW nicht zu den Herstellungskosten des Gebäudes gehören.

a) Schon die bis zur Einführung der Landesbauordnungen geltende Regelung in der Reichsgaragenordnung vom 17. Februar 1939 (in der Fassung des Erlasses vom 13. September 1944, RGBl I 1944, 356) rechnete die Herstellung von Garagen, aber auch die Ablösung der Stellplatzverpflichtungen, zu den Herstellungskosten des Gebäudes (vgl. BFH-Urteile vom 27. Mai 1964 IV 149/62 S, BFHE 80, 5, BStBl III 1964, 477, und vom 18. September 1964 VI 37/63 U, BFHE 81, 28, BStBl III 1965, 10).

b) Durch das Inkrafttreten der Bauordnungen der Länder hat sich hieran nichts geändert. Denn die Verpflichtung zur Errichtung von Stellplätzen steht grundsätzlich mit der Errichtung von baulichen Anlagen in Zusammenhang (§ 64 Abs. 2 BauO NW). Anknüpfungspunkt ist regelmäßig die Baugenehmigung. Daher ist sowohl der Aufwand für die errichteten Stellplätze als auch der Aufwand für die Ablösung dieser Stellplatzverpflichtungen den Herstellungskosten zuzurechnen (vgl. BFH-Urteil vom 16. November 1982 VIII R 175/79, BFHE 137, 314, BStBl II 1983, 212). In diesem Urteil hat der VIII. Senat des BFH die Erhebung der Abgabe wegen der Änderung der Gemeindeverhältnisse nach § 9 des Schleswig-Holsteinischen Kommunalabgabengesetzes vom 10. März 1970 zu den Herstellungskosten des Gebäudes gerechnet (vgl. dazu Urteil des Bundesverwaltungsgerichts - BVerwG - vom 30. November 1983 VII C 78.72, BVerwGE 44, 202, 206; Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 12. Oktober 1978 2 BvR 154/74, BVerfGE 49, 343, 357), wie dies zuvor schon für den Ansiedlungsbeitrag nach § 17 des Preußischen Ansiedlungsgesetzes geschehen ist (vgl. BFH-Urteil vom 11. März 1976 VIII R 212/73, BFHE 118, 437, BStBl II 1976, 449).

Der VIII. Senat hat die Zurechnung dieser Aufwendungen zu den Herstellungskosten des Gebäudes daraus gefolgert, daß die Abgabe an die Bautätigkeit anknüpfe, weil sie vom Bauherrn erhoben und entsprechend der Zahl und Größe der Wohnungseinheiten bemessen werde. Auch das BVerwG hat die Abgabe mit der Begründung den Gebäudeherstellungskosten zugerechnet, die Abgabe treffe die Bauherren unabhängig vom Eigentum oder ihrem sonstigen Recht am Grundstück (Urteil in BVerwGE 44, 202, 206; Beschluß in BVerfGE 49, 343, 357). Der IX. Senat des BFH hält diese Erwägungen auch für die Beurteilung der hier in Frage stehenden Aufwendungen für die Ablösung der Verpflichtung zur Errichtung von Stellplätzen nach § 64 Abs. 7 BauO NW für maßgeblich. Denn auch hier knüpft die Verpflichtung zur Errichtung von Garagen oder von Stellplätzen grundsätzlich an die Errichtung von baulichen Anlagen an (§ 64 Abs. 2 BauO NW). Soweit die Errichtung der Garagen oder der Stellplätze bei der Errichtung von baulichen Anlagen nicht möglich ist und aus diesem Grunde die Verpflichtung nach § 64 Abs. 7 BauO NW abgelöst wird, sind diese Aufwendungen als Herstellungsnebenkosten den Herstellungskosten hinzuzurechnen. An dieser rechtlichen Qualifikation ändert sich nach Ansicht des Senats nichts dadurch, daß eine Verpflichtung bei bereits errichteten Anlagen (§ 64 Abs. 4 BauO NW) nach § 64 Abs. 7 BauO NW abgelöst wird. Der Senat läßt sich hierbei von folgenden Erwägungen leiten:

Aus dem Begriff der Herstellung folgt, daß Herstellungskosten auch nachträglich bei einem bereits vorhandenen Wirtschaftsgut anfallen können (vgl. Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, 19. Aufl., § 6 EStG Anm. 459 und 642). Aufwand, der zu den Herstellungskosten eines Gebäudes gehört, verliert diese Eigenschaft nicht dadurch, daß er erst zu einem Zeitpunkt anfällt, der nach dem Beginn der bestimmungsgemäßen Nutzung liegt, sofern es sich nicht um Erhaltungsaufwand handelt (vgl. Herrmann/Heuer/Raupach, a. a. O., § 6 EStG Anm. 479 und § 7 EStG Anm. 394).

Unerheblich ist, daß die Verpflichtung zur nachträglichen Herstellung von Stellplätzen und Garagen für Kfz auch für bereits errichtete bauliche Anlagen besteht und daß diese Verpflichtung abgelöst werden kann (§ 64 Abs. 4 und 7 BauO NW; vgl. dazu auch Gädtke/Temme, Kommentar zur Bauordnung für das Land Nordrhein-Westfalen, 6. Aufl., § 64 S. 398, 399). Die nachträgliche Herstellung der Stellplätze oder die Ablösung dieser Verpflichtung ändert nichts an dem Herstellungscharakter dieser Aufwendungen. Entgegen der Ansicht des FG kommt es auf einen engen zeitlichen Zusammenhang dieser Aufwendungen mit der Herstellung nicht an, um nachträgliche Herstellungskosten zu bejahen. Die Rechtsprechung hat es genügen lassen, wenn ein enger wirtschaftlicher Zusammenhang bestand und hat demzufolge z. B. Abbruchkosten und den Buchwert eines abgerissenen Gebäudes den Herstellungskosten zugerechnet (vgl. BFH-Beschluß vom 12. Juni 1978 GrS 1/77, BFHE 125, 516, BStBl II 1978, 620, 624 unter II. 2.). Ebenso wie bei den nachträglichen Anschaffungskosten ist das Merkmal des zeitlichen Zusammenhangs auch bei den Herstellungskosten nicht entscheidend (vgl. dazu Mathiak, Anschaffungs- und Herstellungskosten in Raupach, Werte und Wertermittlung im Steuerrecht, München, 1984 S. 121, 130, 131 und 139 letzter Absatz Satz 3).

c) Die rechtliche Zuordnung der Ablösungssumme zu den Herstellungskosten der Gebäude der Klägerin schließt eine Berücksichtigung als sofort abziehbare Werbungskosten nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG aus (vgl. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 EStG).

4. Unter diesen Umständen kommt es nicht mehr darauf an, ob die Verfahrensrügen des FA begründet sind oder nicht.

 

Fundstellen

Haufe-Index 75072

BStBl II 1984, 702

BFHE 1985, 237

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