Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Arbeitsverhältnissen zwischen Ehegatten kann die steuerrechtliche Anerkennung nicht etwa deshalb versagt werden, weil der mitarbeitende Ehegatte infolge Fehlens eines über- und Unterordnungsverhältnisses im Betrieb nicht die gleiche soziale Stellung wie ein fremder Arbeitnehmer hat. Die Anerkennung setzt jedoch von vornherein klare und eindeutige Vereinbarungen über das Arbeitsverhältnis und seinen Vollzug entsprechend diesen Vereinbarungen voraus.

 

Normenkette

EStG § 4 Abs. 4, §§ 26, 26a/1/2

 

Tatbestand

Streitig ist allein die Frage, ob ein Arbeitsverhältnis zwischen dem Bg. und seiner Ehefrau steuerlich anzuerkennen ist.

Die Ehefrau des Bg. hat in dem Betrieb ihres Ehemannes seit Eröffnung der Firma im Jahre 1954 gearbeitet. Sie hat im Jahre 1956 ein Gehalt von monatlich 650 DM ausgezahlt erhalten. Lohn- und Kirchensteuer sowie die Abgabe "Notopfer Berlin" sind einbehalten worden. Die Gehaltszahlung und der Steuerabzug wurden verbucht. Der Bg. hat im Jahre 1956 die an die Ehefrau gezahlte Vergütung in Höhe von 7.800 DM bei der Ermittlung seines Gewinns aus Gewerbebetrieb als Betriebsausgabe gemäß § 4 Abs. 4 EStG behandelt. Das Finanzamt hat bei der Veranlagung und im Einspruchsverfahren den Abzug des genannten Betrages nicht zugelassen. Arbeitsverträge zwischen Ehegatten könnten schon deshalb nicht anerkannt werden, weil die Ehefrau in dem Betrieb ihres Ehemannes nicht wie eine fremde Arbeitskraft tätig sei. Im übrigen ergebe sich dies hier auch daraus, daß die Lohnsteuerabzugsbeträge von dem Bg. nicht an das Finanzamt abgeführt worden seien.

Die Berufung hatte Erfolg. Das Finanzgericht führte im wesentlichen aus: Das Arbeitsverhältnis zwischen dem Bg. und seiner Ehefrau sei steuerlich anzuerkennen. Unstreitig habe die Ehefrau in dem Betrieb ihres Ehemannes in vollem Umfange gearbeitet. Sie habe eine fremde Arbeitskraft ersetzt und sämtliche Arbeiten verrichtet, die sonst einer fremden Hilfe aufgetragen würden. Sie habe ein Gehalt bezogen, das ihr tatsächlich ausgezahlt worden sei. Die Ehefrau habe über die Gehaltsbeträge auch tatsächlich verfügt. Sie hätten auch nicht als Haushaltsgeld Verwendung gefunden. Auch erscheine die Höhe des Gehalts im Hinblick auf den Umfang und die Nachhaltigkeit der Arbeitsleistungen als angemessen. Daß Sozialversicherungsbeiträge für die Ehefrau nicht einbehalten worden seien, stehe der Anerkennung des Arbeitsverhältnisses schon deshalb nicht entgegen, weil die Ehefrauen gemäß § 175 der Reichsversicherungsordnung nicht sozialversicherungspflichtig seien. Im übrigen sei die Ehefrau des Bg. bereits freiwillig weiterversichert; die Beträge hierfür begleiche sie aus ihren eigenen Mitteln. Daß die einbehaltenen Abzugsbeträge für Lohn- und Kirchensteuer und Abgabe "Notpfer Berlin" an das Finanzamt nicht abgeführt worden seien, sei im Hinblick auf das Arbeitsverhältnis zwischen den Ehegatten unbedenklich. Die Abführung dieser Beträge betreffe lediglich den Arbeitgeber als solchen, nicht aber das Verhältnis von Arbeitnehmer zu Arbeitgeber. Schließlich seien auch die Anforderungen an die von der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs geforderten Voraussetzungen insoweit erfüllt, als nach den Umständen des Einzelfalles das sogenannte Unterordnungsverhältnis in sozialer Hinsicht zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer vorliege. Es könne jedoch das Gehalt nicht in der vereinbarten Höhe, sondern nur in Höhe der tatsächlichen Zahlung als Betriebsausgabe abgezogen werden. Der Bg. ermittle seinen Gewinn nach der sogenannten überschußrechnung. Daher könnten die einbehaltenen, jedoch nicht abgeführten Abzugsbeträge nicht als Betriebsausgabe berücksichtigt werden. Auf dieser Grundlage sei die Einkommensteuer nach Steuerklasse I im Wege der getrennten Veranlagung für den Bg. und dessen Ehefrau festzusetzen.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. des Vorstehers des Finanzamts, mit der im wesentlichen die bisherigen Einwendungen wiederholt werden, kann keinen Erfolg haben.

Arbeitsverhältnissen zwischen Ehegatten kann die steuerrechtliche Anerkennung nicht schon mit der Begründung versagt werden, daß es nach der sogenannten Chef-Chefin-Theorie an einem über- und Unterordnungsverhältnis zwischen den Ehegatten fehle, der mitarbeitende Ehegatte daher auch nicht im Betrieb die gleiche soziale Stellung wie ein fremder Arbeitnehmer habe (vgl. die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 24. Januar 1962 1 BvR 232/60 und 1 BvL 32/57, BStBl 1962 I S. 506 und S. 492). Als Voraussetzung für die steuerrechtliche Anerkennung derartiger Arbeitsverhältnisse ist jedoch nach wie vor zu fordern, daß die diesen Rechtsverhältnissen zugrunde liegenden vertraglichen Vereinbarungen ebenso wie die zwischen nahen Familienangehörigen klare und eindeutige vertragliche Festlegungen enthalten und daß diese auch tatsächlich durchgeführt werden (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs IV 99/58 U vom 9. Juli 1959, BStBl 1959 III S. 329, Slg. Bd. 69 S. 175, und die dort aufgeführte Rechtsprechungsübersicht). Das Verlangen dieser Voraussetzung für die Anerkennung eines Arbeitsverhältnisses unter Ehegatten durch die bisherige Rechtsprechung ist auch durch den Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 14. April 1959 1 BvL 23/57, 1 BvL 34/57 (BStBl 1959 I S. 204) eindeutig gebilligt worden. Fehlt es hieran im Einzelfall, so ist in der Regel anzunehmen, daß der eine Ehegatte bei der Erzielung der Einkünfte des anderen gemäß § 26 a Abs. 1 Satz 2 EStG 1957 in einer allein auf den ehelichen Beziehungen beruhenden Weise mitgewirkt hat (vgl. den vorgenannten Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 14. April 1959).

Unter diesen rechtlichen Gesichtspunkten hat die Vorinstanz das Vorliegen eines steuerlich erheblichen Arbeitsverhältnisses zwischen dem Bg. und seiner Ehefrau zu Recht anerkannt. Die Ehefrau hat in vollem Umfang im Betrieb ihres Ehemannes mitgearbeitet. Sie hat nach den Feststellungen der Vorinstanz eine fremde Arbeitskraft ersetzt und sämtliche Arbeiten verrichtet, die sonst einer fremden Hilfe aufgetragen werden. Dem Arbeitsverhältnis der Ehefrau kann auch nicht etwa die steuerliche Anerkennung mit der Begründung versagt werden, daß es hier an einer klaren und eindeutigen Vereinbarung des Arbeitsverhältnisses und dessen tatsächlicher Durchführung fehle. Ein Arbeitsverhältnis zwischen Ehegatten bedarf nicht der Schriftform. Es kann auch mündlich oder stillschweigend vereinbart werden, wenn nur klare und eindeutige Vereinbarungen vorliegen und deren tatsächliche Durchführung gewährleistet ist. Daß im vorliegenden Fall zumindest eine stillschweigende Vereinbarung zwischen den Ehegatten über den Abschluß eines Arbeitsverhältnisses getroffen und auch durchgeführt worden ist, ergibt sich schon daraus, daß die Ehefrau ein Gehalt von 650 DM monatlich bezogen hat, das ihr tatsächlich unter Einbehaltung der Steuerabzugsbeträge auch ausgezahlt worden ist. Hierfür spricht ferner, daß sie über diese Beträge auch tatsächlich selbst verfügen konnte und verfügt hat. So hat die Vorinstanz ferner auf Grund für glaubwürdig gehaltener, vom Finanzamt unwidersprochen gebliebener Bekundungen der Ehefrau als erwiesen angesehen, daß die als Arbeitsvergütung gezahlten Beträge keine Verwendung im gemeinsamen Haushalt der Eheleute gefunden haben. Schließlich hat die Vorinstanz die Höhe des Gehalts im Hinblick auf den Umfang und die Nachhaltigkeit der Arbeitsleistungen zutreffend als angemessen angesehen.

Demgegenüber kann der Vorsteher des Finanzamts nicht mit dem Hinweis darauf durchdringen, daß die Ernsthaftigkeit der zwischen den Eheleuten getroffenen Vereinbarungen deshalb zweifelhaft sei, weil in den Jahren vor dem Streitjahr Vergütungen für die Tätigkeit der Ehefrau weder ausgezahlt noch gutgeschrieben worden seien. Im Rahmen der Abschnittsbesteuerung unterliegt der tatsächlichen und rechtlichen Beurteilung nur der streitige Veranlagungszeitraum 1956, für den die Vorinstanz nach den Umständen des Falles zu Recht Zweifel an der Ernsthaftigkeit der Vereinbarungen und ihrer tatsächlichen Durchführung ausschließt. Daß der Bg. für die Ehefrau keine Sozialversicherungsbeiträge einbehalten hat, ist schon deshalb unbedenklich, weil die Ehefrau sich aus den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln freiwillig weiterversichert hat. Daß der Bg. schließlich die einbehaltenen Steuerabzugsbeträge nicht an das Finanzamt abgeführt hat, ist, wie die Vorinstanz hierzu zutreffend ausgeführt hat, ohne Rückwirkung auf das zwischen den Ehegatten bestehende Arbeitsverhältnis. Diese Frage betrifft lediglich den Arbeitgeber als solchen, nicht aber das Verhältnis von Arbeitnehmer zu Arbeitgeber. Da somit das Arbeitsverhältnis zwischen den Ehegatten mit steuerrechtlicher Wirkung anzuerkennen, die Festsetzung der Einkommensteuer für den Bg. und seine Ehefrau auch sonst nicht zu beanstanden ist, war die Rb. des Vorstehers des Finanzamts als unbegründet zurückzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 410406

BStBl III 1962, 217

BFHE 1962, 584

BFHE 74, 584

StRK, EStG:26a (1957) R 64

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