Entscheidungsstichwort (Thema)

Gewerblicher Grundstückshandel bei Verkauf eines Mehrfamilienhauses?

 

Leitsatz (NV)

Werden in fünf Jahren nicht mehr als drei Mehrfamilienhäuser veräußert, so kann die Nachhaltigkeit der Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr nicht allein aus der Kürze der Zeitspanne zwischen Ankauf und Verkauf hergeleitet werden.

 

Normenkette

EStG § 15

 

Verfahrensgang

FG Düsseldorf

 

Tatbestand

Am 27. November 1976 erwarben die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) drei Grundstücke in X, A-Straße 2, 4 und 6, die mit einem Vierfamilienhaus (Nr. 6) und zwei Achtfamilienhäusern (Nr. 2 und 4) bebaut waren, zu einem Kaufpreis von insgesamt ... DM.

Am 4. Dezember 1976 erwarben die Kläger weitere drei bebaute Grundstücke in X, B- Straße 3, 5 und 7 zu einem Kaufpreis von insgesamt ... DM.

Bereits am 21. Dezember 1976 wurde der Kaufvertrag hinsichtlich des Grundstücks B-Straße 5 wieder rückgängig gemacht. Der Gesamtkaufpreis für die drei Grundstücke B- Straße ermäßigte sich dadurch um ... DM.

Am 14. April 1977 wurde auch der Kaufvertrag hinsichtlich des Grundstücks B-Straße 3 rückgängig gemacht und der Gesamtkaufpreis um weitere ... DM gemindert.

Die beiden Grundstücke B-Straße 3 und 5 wurden im Anschluß hieran von der Veräußerin an fremde Erwerber verkauft, nachdem sich die Erwerber bereit erklärt hatten, an die minderjährige Tochter der Kläger zu 1. jeweils einen Betrag in Höhe von ... DM (für B-Straße 5) und ... DM (für B-Straße 3) zu zahlen.

Mit Vertrag vom 25. April 1977 veräußerten die Kläger das Grundstück A-Straße 6 zu einem Kaufpreis in Höhe von ... DM. Außerdem erhielt der Kläger zu 1. eine außerhalb des notariellen Kaufvertrags vereinbarte Zahlung in Höhe von ... DM als Ausgleich für erbrachte Arbeitsleistungen.

Am 29. April 1977 setzten sich die Kläger mit notariell beurkundetem Vertrag auseinander. Die verbliebenen Grundstücke wurden in der Weise geteilt, daß die Kläger zu 1. die Grundstücke A-Straße 2 und 4 und die Kläger zu 2. das Grundstück B-Straße 7 erhielten.

Aufgrund einer Steuerfahndungsprüfung gelangte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -- FA --) zu der Auffassung, die Kläger hätten im Rahmen einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) gewerblichen Grundstückshandel betrieben und erließ für die Streitjahre 1976 und 1977 Gewinnfeststellungsbescheide und Gewerbesteuermeßbescheide. Nach Auffassung des FA ergab sich der gewerbliche Grundstückshandel daraus, daß die Kläger in GbR die Grundstücke B-Straße 3 und 5 sowie das Grundstück A-Straße 6 veräußert hätten. Außerdem hätten die Kläger zu 1. in den Jahren 1979 bis 1980 drei, die Kläger zu 2. in den Jahren 1978 bis 1981 vier weitere Grundstücke veräußert. Mithin seien mehr als vier Grundstücke verkauft worden, die vom Bundesfinanzhof (BFH) aufgestellte Grenze zur Gewerblichkeit mithin überschritten.

Gegen diese Bescheide erhoben die Kläger nach erfolglosen Einsprüchen Klagen, mit denen sie geltend machten, zwischen ihnen habe keine GbR bestanden. Vielmehr hätten sie die streitigen Grundstücke in Bruchteilseigentum erworben, um sie zur langfristigen Kapitalanlage zu nutzen.

Das FA führte in den Klageerwiderungen aus, es werde nicht mehr an der Auffassung festgehalten, daß die von den Klägern zu 1. und 2. außerhalb der GbR veräußerten Grundstücke bei der Beurteilung, ob die Kläger einen gewerblichen Grundstückshandel betrieben hätten, miteinzubeziehen seien. Die vom BFH aufgestellte "Drei-Objekt-Grenze" sei aber nur auf Ein- und Zweifamilienhäuser sowie Eigentumswohnungen, nicht dagegen auf Mehrfamilienhäuser anwendbar (Schreiben des Bundesministers der Finanzen -- BMF -- vom 20. Dezember 1990, BStBl I 1990, 884 Tz. 9). Im Streitfall habe es sich bei dem Haus in der B-Straße 3 um ein Siebenfamilienhaus und bei dem Haus A-Straße 6 um ein Vierfamilienhaus gehandelt.

Die Klagen hatten Erfolg.

Hiergegen richten sich die vom Finanzgericht (FG) zugelassenen Revisionen des FA, mit denen die Verletzung materiellen Rechts gerügt wird.

Das FA beantragt, unter Aufhebung der finanzgerichtlichen Urteile die Klagen abzuweisen.

Die Kläger beantragen, die Revisionen als unbegründet zurückzuweisen.

Die Beteiligten haben übereinstimmend auf mündliche Verhandlung verzichtet (§ 90 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --).

 

Entscheidungsgründe

Der Senat hat die Verfahren wegen Gewinnfeststellung und wegen der Gewerbesteuermeßbeträge zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung miteinander verbunden (§ 73 Abs. 1 FGO).

Die Revisionen sind unbegründet.

Nach den für den Senat bindenden tatsächlichen Feststellungen des FG haben die Kläger in den Streitjahren keinen gewerblichen Gewinn aus der Veräußerung des streitigen Grundbesitzes erzielt.

Nach § 1 der Gewerbesteuer-Durchführungsverordnung in der für das Streitjahr geltenden Fassung -- jetzt § 15 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) -- ist Voraussetzung für die Annahme eines Gewerbebetriebs eine selbständige nachhaltige Tätigkeit, die mit Gewinnerzielungsabsicht unternommen wird, sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt und weder als Ausübung von Land- und Forstwirtschaft noch als Tätigkeit i. S. des § 18 EStG anzusehen ist. Hinzukommen muß, daß die Tätigkeit den Rahmen einer privaten Vermögensverwaltung überschreitet.

Werden von den Mitgliedern einer Personengesellschaft oder Personengemeinschaft Grundstücke veräußert, ist nach der Rechtsprechung des BFH darauf abzustellen, ob die Gesellschaft oder Gemeinschaft die oben genannten Voraussetzungen erfüllt hat (BFH-Urteile vom 20. November 1990 VIII R 15/87, BFHE 163, 66, BStBl II 1991, 345, und vom 25. April 1991 IV R 111/90, BFHE 165, 188, BStBl II 1992, 283; vom 10. November 1992 VIII R 100/90, BFH/NV 1993, 538). Denn bei Personengesellschaften oder wirtschaftlich vergleichbaren Gemeinschaften knüpft die Besteuerung daran an, ob die Gesellschafter oder Gemeinschafter in ihrer gesellschaftsrechtlichen oder gemeinschaftsrechtlichen Verbundenheit den zu Einkünften aus Gewerbebetrieb führenden Sachverhalt verwirklichen (Beschlüsse des Großen Senats des BFH vom 25. Juni 1984 GrS 4/82, BFHE 141, 405, 425, 439, BStBl II 1984, 751, 768, und vom 25. Februar 1991 GrS 7/89, BFHE 163, 1, 17, 22, 23, BStBl II 1991, 691, 699).

Bei Anwendung dieser Grundsätze kann nicht davon ausgegangen werden, daß die Kläger in ihrer gesellschaftsrechtlichen oder gemeinschaftsrechtlichen Verbundenheit das Tatbestandsmerkmal der Nachhaltigkeit erfüllt haben.

Nachhaltig ist eine Tätigkeit, die subjektiv von der Absicht getragen ist, sie zu wiederholen und daraus ständig oder befristet eine Erwerbsquelle zu machen und die objektiv -- jedenfalls in der Regel -- tatsächlich wiederholt wird (BFH-Urteil vom 21. August 1985 I R 60/80, BFHE 145, 33, BStBl II 1986, 88). Wird bebauter Grundbesitz verkauft, so geht die Rechtsprechung des BFH in ständiger Rechtsprechung davon aus, daß die Voraussetzung der Nachhaltigkeit erst bei Veräußerung von mehr als drei Objekten erfüllt ist (BFH-Urteile vom 12. Juli 1991 III R 47/88, BFHE 165, 498, BStBl II 1992, 143, und vom 30. Juni 1993 XI R 38, 39/91, BFH/NV 1994, 20, m. w. N.). Im Streitfall haben die Kläger ein Mehrfamilienhaus verkauft und hinsichtlich zweier Häuser den Kaufvertrag rückgängig gemacht. Selbst wenn man die beiden letzteren Vorgänge wegen der dabei geleisteten Ausgleichszahlungen in die Berechnung einbeziehen wollte, würde es sich um weniger als vier Objekte handeln, wenn man unter "Objekten" im Sinne der einschlägigen Rechtsprechung auch Mehrfamilienhäuser versteht.

Die Finanzverwaltung vertritt die Auffassung, daß die Drei-Objekt-Grenze für Mehrfamilienhäuser, gewerblich genutzte Grundstücke u. ä. nicht gilt (BMF-Schreiben vom 20. Dezember 1990, BStBl I 1990, 884 unter II. 1 a = Tz. 9; a. A. z. B. Fischer in Finanz- Rundschau 1995, 803 m. w. N.). Der BFH hat die Frage bisher offengelassen. Zwar hat der XI. Senat in seinem Vorlagebeschluß vom 2. September 1992 XI R 21/91 (BFHE 171, 31, BStBl II 1993, 668 unter A. 1.) die Auffassung vertreten, daß es auf Wert, Größe und insbesondere die Nutzungsart des jeweiligen Grundbesitzes nicht ankommen könne. Der Große Senat hat in seinem auf die Vorlage des XI. Senats ergangenen Beschluß vom 3. Juli 1995 GrS 1/93 (BFHE 178, 86, BStBl II 1995, 617) zu der Frage jedoch nicht Stellung genommen. Schließlich trifft nach Auffassung des Senats auch das BFH-Urteil in BFH/NV 1994, 20 (unter 2.) hierzu keine eindeutige Aussage.

Auch der Streitfall gibt keinen Anlaß, die Frage zu entscheiden. Unterstellt man nämlich, daß die Drei-Objekt-Grenze für Mehrfamilienhäuser nicht gilt, so gilt beim Verkauf maximal dreier Mehrfamilienhäuser auch nicht die von der Rechtsprechung an die Veräußerung von mindestens vier Objekten geknüpfte Vermutung, daß das Tatbestandsmerkmal der Nachhaltigkeit erfüllt sei. Die Nachhaltigkeit der Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr müßte sich demnach anderweitig manifestieren. Sie läßt sich indessen entgegen der vom FA geäußerten Auffassung nicht aus der Kürze der Zeitspanne zwischen Ankauf und Verkauf herleiten. Davon geht auch das Gesetz in der Vorschrift des § 23 EStG aus, die bestimmt, daß Verkäufe, die innerhalb einer bestimmten Zeitspanne nach der Anschaffung vorgenommen werden, bei Fehlen der Nachhaltigkeit zu sonstigen (aber nicht zu gewerblichen) Einkünften führen. Auch der Umstand, daß die Kläger die zwischen ihnen bestehende Gesellschaft oder Gemeinschaft schon bald wieder aufgelöst haben, sagt nichts über ihre Absicht aus, sich nachhaltig gemeinsam als Grundstückshändler zu betätigen.

Zu den Voraussetzungen, unter denen die Veräußerung nur eines einzigen Grundstücks dem Erfordernis einer nachhaltigen Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr genügt, hat der Senat in seinem Urteil vom 8. Juli 1982 IV R 20/78 (BFHE 136, 252, BStBl II 1982, 700) Stellung genommen. Er hat dort insbesondere darauf abgestellt, ob der Veräußerer neben dem Verkauf weitere verkaufsfördernde Maßnahmen durchgeführt hat (vgl. auch Senatsurteil vom 4. März 1993 IV R 28/92, BFH/NV 1993, 728).

Wenn man diese (im Zusammenhang mit der Veräußerung unbebauten Grundbesitzes aufgestellten) Grundsätze auf den Streitfall anwenden wollte, könnte man als verkaufsfördernde Maßnahmen allenfalls die vom Kläger zu 1. durchgeführten Renovierungsarbeiten ansehen. Diese Arbeiten haben die Kläger jedoch nicht gemeinsam im Rahmen der zwischen ihnen bestehenden Gesellschaft oder Gemeinschaft durchgeführt. Auch die hierfür geleisteten Zahlungen der Erwerber sind nach den Feststellungen des FG nur an den Kläger zu 1. und seine minderjährige Tochter geflossen.

Nach der Entscheidung des Großen Senats in BFHE 178, 86, BStBl II 1995, 617 können die streitigen Geschäfte bei der Einkommensteuerfestsetzung der Kläger zu 1. und 2. berücksichtigt werden, sofern die entsprechenden Veranlagungen verfahrensrechtlich noch geändert werden können. Da die zwischen den Klägern bestehende Gesellschaft oder Gemeinschaft selbst keine Einkünfte aus Gewerbebetrieb bezogen hat, sind die hier streitigen Geschäfte nicht nur zur Beantwortung der Frage, ob sich die Kläger zu 1. und 2. -- jeweils für sich -- nachhaltig als Grundstückshändler betätigt haben, heranzuziehen. Vielmehr sind -- wenn diese Frage zu bejahen ist -- auch die durch diese Geschäfte erzielten Gewinne anteilig bei der Steuerfestsetzung der Kläger zu 1. und 2. der Einkommensteuer zu unterwerfen (Beschluß in BFHE 178, 86, BStBl II 1995, 617 unter C IV. 1.).

 

Fundstellen

Haufe-Index 421168

BFH/NV 1996, 535

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