Leitsatz (amtlich)

Gewährt eine Personengesellschaft einem persönlich haftenden Gesellschafter-Geschäftsführer eine Ruhegeldzusage, so stellt diese zusammen mit der ihm gleichzeitig gegebenen Versorgungszusage an seine Witwe eine nicht trennbare rechtliche und wirtschaftliche Einheit dar. 2. Der Kapitalwert der Versorgungszusage gegenüber der Witwe kann bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens der Personengesellschaft nicht als Schuld abgezogen werden.

 

Normenkette

BewG 1965 §§ 2, 95, 97 Abs. 1 Nr. 5, § 103

 

Verfahrensgang

FG Münster

 

Tatbestand

Umstritten ist, ob bei der Feststellung des Einheitswerts des gewerblichen Betriebs der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin) auf den 1. Januar 1969 und 1. Januar 1970 der Kapitalwert der Rentenverpflichtung gegenüber der Witwe eines persönlich haftenden Gesellschafters als Betriebsschuld (§ 103 des Bewertungsgesetzes i. d. F. vom 10. Dezember 1965 - BewG 1965 -) abgezogen werden kann. Die Klägerin, eine Kommanditgesellschaft, betrieb in den Streitjahren ein Metallwerk. Nach dem Gesellschaftsvertrag erhalten die geschäftsführenden persönlich haftenden Gesellschafter, die aus Alters- oder Invaliditätsgründen in den Ruhestand treten, eine monatliche Rente. Diese Rente wird nach dem Ableben eines geschäftsführenden Gesellschafters mit 75 v. H. an die Witwe und etwaige versorgungsberechtigte Kinder (Zuschlag je Kind 10 v. H. des Witwengeldes) weitergezahlt. Die Höhe der Rente bemißt sich nach einem bestimmten Vomhundertsatz des letzten Jahresbruttogehalts, das die Klägerin für die geschäftsführende Tätigkeit zahlte.

Danach erhielt die Witwe des verstorbenen geschäftsführenden Gesellschafters eine monatliche Rente, die ihr im Rahmen der Gewinnverteilung vorweg zugerechnet wurde, während der Gesellschaftsanteil ihres Ehemannes im Wege der Erbfolge auf den Sohn überging. Die Rentenzahlungen betrugen im Jahre 1969 ... DM und 1970 ... DM. In den Vermögensaufstellungen zur Ermittlung der Einheitswerte des gewerblichen Betriebs setzte die Klägerin die Kapitalwerte der Rentenverpflichtungen zum 1. Januar 1969 und zum 1. Januar 1970 als Betriebsschuld an.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) erkannte nach einer Betriebsprüfung bei der Feststellung des Einheitswerts des Betriebsvermögens der Klägerin zum 1. Januar 1969 und zum 1. Januar 1970 die zugunsten der Witwe eingegangene Rentenverpflichtung nicht als Schuldposten an. Er vertrat die Auffassung, der Rentenanspruch beruhe auf den Versorgungsansprüchen ihres Ehemannes als ehemaligem Mitunternehmer der Gesellschaft. Die Ansprüche der Witwe könnten daher bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens nicht anders behandelt werden als die Ansprüche des Gesellschafters selbst. Diese seien aber in keinem Falle als Betriebsschulden abzugsfähig, sondern nur bei der Aufteilung des Einheitswerts auf die Mitunternehmer entsprechend zu berücksichtigen. Er rechnete deshalb von den festgestellten Einheitswerten zum 1. Januar 1969 ... DM und zum 1. Januar 1970 ... DM der Witwe als Mitunternehmerin zu.

Der Einspruch hiergegen war erfolglos.

Das Finanzgericht (FG) hat der Klage mit den in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1979, 536 abgedruckten Gründen stattgegeben.

Hiergegen richtet sich die Revision des FA. Es rügt Verletzung des § 103 BewG 1965. Das FA ist der Auffassung, die Witwenrente habe ihre Ursache im Gesellschaftsverhältnis. Sie beruhe deshalb auf der gleichen Rechtsgrundlage wie die Versorgungszusage an deren Ehemann, der Gesellschafter-Geschäftsführer der KG gewesen sei. Ein betrieblicher Anlaß für die Zahlung der Witwenrente sei nicht gegeben, da die Personengesellschaft weder eine rechtliche noch eine sittliche Verpflichtung habe, Witwen früherer Gesellschafter zu versorgen. Anlaß für die Verpflichtung seien vielmehr außerbetriebliche Erwägungen der in der Personengesellschaft zusammengeschlossenen Gesellschafter.

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Der Bundesminister der Finanzen (BMF) ist dem Verfahren beigetreten. Er vertritt die Auffassung, daß die Klägerin den Kapitalwert der Rentenverpflichtung gegenüber der Witwe des Gesellschafter-Geschäftsführers nicht als Betriebsschuld abziehen kann.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.

1. Zu Recht ist das FG davon ausgegangen, daß die Witwe des verstorbenen persönlich haftenden Gesellschafter-Geschäftsführers nicht in das Aufteilungsverfahren der einheitlichen Feststellung gemäß § 215 Abs. 1 der Reichsabgabenordnung (AO) - nunmehr: § 179 Abs. 2 Satz 2 der Abgabenordnung (AO 1977), § 19 Abs. 3 Nr. 2 BewG, § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO 1977, § 3 BewG - einbezogen werden durfte.

Die Witwe ist weder Unternehmerin gewesen noch erlangte sie durch den Erbfall eine einem Mitunternehmer gleichzuachtende Stellung in der Personengesellschaft. Vielmehr wurde sie durch den Übergang des Gesellschaftsanteils ihres Ehemannes im Wege der Erbfolge auf den Sohn von einer Beteiligung am Gesellschaftsvermögen ausgeschlossen. Sie besitzt nach den unangefochtenen Feststellungen des FG, insbesondere zu dem Gesellschaftsvertrag, an die der Senat gebunden ist (§ 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -), lediglich eine gewinnunabhängige Forderung gegenüber der Gesellschaft und trägt hinsichtlich ihres Rentenanspruchs nur das Risiko der Insolvenz der Gesellschaft.

2. Der Kapitalwert der streitigen Rentenverpflichtung kann bei der Einheitswertfeststellung des Betriebsvermögens der Klägerin nicht als Schuld abgezogen werden. Nach § 103 BewG in der für die Feststellungszeitpunkte 1. Januar 1969 und 1. Januar 1970 maßgebenden Fassung sind zur Ermittlung des Einheitswerts des gewerblichen Betriebs vom Rohvermögen diejenigen Schulden abzuziehen, die mit der Gesamtheit oder mit einzelnen Teilen des gewerblichen Betriebs in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ist dieser wirtschaftliche Zusammenhang dann gegeben, wenn die Entstehung der Schuld ursächlich und unmittelbar auf Vorgängen beruht, die das Betriebsvermögen betreffen. Eine Betriebsschuld ist somit jede Verbindlichkeit, die durch den Betrieb veranlaßt ist.

Vorweg stellt sich deshalb die Frage nach dem Umfang des Betriebsvermögens der KG.

Nach § 97 Abs. 1 Nr. 5 BewG gehören zum Betriebsvermögen einer KG alle Wirtschaftsgüter, die der Gesellschaft gehören, d. h. die im Gesamthandseigentum der Gesellschafter stehen. Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats ist Unternehmer des gewerblichen Betriebs der KG jedoch nicht die Gesellschaft als solche; es sind dies die Gesellschafter als Mitunternehmer. Wenn aber das Bewertungsrecht nicht die Gesellschaft als solche als Gewerbetreibende ansieht, sondern die Gesellschafter in ihrer Eigenschaft als Mitunternehmer, so ist es folgerichtig, daß der Umfang des Betriebsvermögens einer Personengesellschaft sowohl durch § 97 BewG als auch durch § 95 i. V. m. § 2 BewG bestimmt wird (vgl. BFH-Urteil vom 21. März 1978 III R 32/76, BFHE 125, 286, BStBl II 1978, 518 ).

Mit dieser Entscheidung löste sich der Senat von der in der Vergangenheit für die Rechtsfindung herangezogenen sogenannten Bilanzbündeltheorie und stellte allein auf den Sinnzusammenhang der bewertungsrechtlich vorgegebenen Rechtsnormen ab.

Der Senat unterzog diese seine Rechtsauffassung einer erneuten Prüfung und hält an ihr fest. Er verweist insoweit auf seine Entscheidungen vom 7. Dezember 1984 III R 35/79 (BStBl II 1985, 236) und III R 91/81 ( BStBl II 1985, 241 ).

Bewertungsrechtlich ist deshalb auch weiterhin die gesamte Tätigkeit der Personengesellschafter im Rahmen der Gesellschaft als selbständige Unternehmertätigkeit anzusehen. Im Verhältnis zwischen der Personengesellschaft und den Mitunternehmern entstehen dementsprechend - ebenso wie beim Betriebsvermögen und sonstigen Vermögen der Einzelpersonen - regelmäßig weder Forderungen noch Schulden. Die finanziellen Beziehungen der Gesellschafter zu der Personengesellschaft stehen zwar nicht außerhalb der Beteiligung der Gesellschaft; sie beeinflussen aber nur die Höhe der Beteiligung im Verhältnis der Gesellschafter untereinander und sind regelmäßig ohne Einfluß auf die Höhe des Betriebsvermögens (vgl. BFH-Urteil vom 3. Februar 1967 III 161/63, BFHE 88, 185, BStBl III 1967, 303 ). In dieser engen Verknüpfung mit den Beteiligungsverhältnissen ist im Streitfall die Ruhegeldzusage zu sehen, die dem persönlich haftenden Gesellschafter-Geschäftsführer nach dem Gesellschaftsvertrag gewährt wurde. Sie stellt zusammen mit der ihm gleichzeitig gegebenen Versorgungszusage an seine Witwe und etwaige versorgungsberechtigte Kinder eine nicht trennbare rechtliche und wirtschaftliche Einheit dar. Sie ist nach Entstehung und Zweckbestimmung allein begründet in der Gesellschafterstellung des durch die Zusage zunächst begünstigten Gesellschafter-Geschäftsführers. Bewertungsrechtlich ist damit ein einheitlicher Versorgungsanspruch der Berechtigten gegeben, der seine wirtschaftliche Veranlassung in den rechtlichen Beziehungen zwischen der KG und ihren Gesellschaftern hat (vgl. auch BFH-Urteil vom 11. Februar 1972 III R 5/70, BFHE 105, 155, BStBl II 1972, 480 ). Diese enge Beziehung, die ihre Grundlage im Gesellschaftsvertrag findet, wird bewertungsrechtlich durch den Tod des Gesellschafters nicht gelöst; sie behält diese vielmehr bis zur Erfüllung der nach dem Gesellschaftsvertrag zugesicherten Leistungen bei (vgl. BFH-Urteil vom 28. Januar 1972 III R 108/70, BFHE 104, 563, BStBl II 1972, 414 ).

Die Besonderheit des Streitfalles liegt darin, daß die Witwe des Gesellschafter-Geschäftsführers zu keinem Zeitpunkt (Mit-)Gesellschafterin der KG geworden ist. Das FG ist unter Hinweis auf das BFH-Urteil vom 2. Juli 1971 III R 72/70 (BFHE 103, 1, BStBl II 1971, 678 ) der Ansicht, dieser Sachverhalt rechtfertige den Schuldabzug bei der KG. Der erkennende Senat vermag dieser Auffassung nicht zu folgen. Zwar bewirkt dieser Umstand, daß die Witwe H als insoweit versorgungsberechtigte Dritte nicht wie ein Mitunternehmer in die Gewinnverteilung der Gesellschaft mit einbezogen werden kann (s. oben unter 1.), er hebt jedoch den rechtlich und wirtschaftlich einheitlichen Vorgang bei der Begründung des Rentenversprechens nicht auf.

Auch soweit das FG seine Auffassung auf die BFH-Urteile vom 31. Oktober 1969 III R 145/66 (BFHE 97, 561, BStBl II 197 0, 197); vom 12. November 1971 III R 87/68 (BFHE 104, 246, BStBl II 1972, 210 ); vom 28. Januar 1972 III R 108/70 (BFHE 104, 563, BStBl II 1972, 414 ); vom 13. Oktober 1972 I R 234/70 (BFHE 107, 375, BStBl II 1973, 116 ) stützt, vermag der erkennende Senat diese nicht zu teilen. Den Streitsachen lag ein anderer Sachverhalt zugrunde, der mit dem im Streitfall nicht zu vergleichen ist. Der BFH hatte sich dort u. a. damit zu befassen, ob darlehensweise gegebene Geldbeträge oder abgetretene Darlehensforderungen von Kommanditisten oder Ehegatten eines Gesellschafters bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens einer Personengesellschaft als Schuld abgezogen werden können (bzw. im Urteil in BFHE 107, 375, BStBl II 1973, 116 einkommensteuerrechtlich als Darlehensschuld der Gesellschaft anzuerkennen sind), und gewährte den Schuldabzug. Der BFH kam bei den gegebenen Sachverhalten deswegen zu diesem Ergebnis, weil, anders als in dem zur Entscheidung stehenden Fall, die personelle Verbindung zwischen den Darlehen an die Personengesellschaft und den Gesellschaftern gelöst war (vgl. Urteil in BFHE 104, 563, BStBl II 1972, 414 ). Wäre er bei seiner rechtlichen Würdigung dazu gekommen - wie es der Streitfall erfordert -, das Schuldverhältnis als Ganzes dem Betriebsvermögen der Gesellschaft zuzuordnen, so hätte er den Schuldabzug versagt (vgl. Urteil in BFHE 97, 561, BStBl II 197 0, 197).

Die Rentenzahlungen werden im Streitfall bürgerlich-rechtlich aufgrund des Gesellschaftsvertrags von der Gesellschaft geleistet. Nach den Rechtsausführungen des Senats ist bewertungsrechtlich deren Kapitalwert den Gesellschaftern als Mitunternehmer im Verhältnis der jeweiligen Beteiligungsquoten zuzurechnen (vgl. auch BFH-Urteil vom 23. Januar 1953 III 14/52 U, BFHE 57, 177, BStBl III 1953, 70 ). Die Rentenverpflichtung gegenüber der Witwe des Gesellschafter-Geschäftsführers ist, da sie nicht wirtschaftlich mit dem Betrieb im Zusammenhang steht, als Schuld der Privatsphäre der beteiligten Gesellschafter zuzuordnen. Diese können anteilsmäßig die Verpflichtung zur Zahlung einer Rente bei ihrem Gesamtvermögen als Schuld berücksichtigen (§ 118 BewG).

Das FG ist von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen. Seine Entscheidung war daher aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Die Klage ist abzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 426107

BStBl II 1985, 239

BFHE 1985, 97

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