Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Schadensersatz-Zahlungen, die der Geschäftsführer einer GmbH, der zugleich Gesellschafter ist, an die GmbH leistet, um den Zusammenbruch der GmbH abzuwenden, können nicht als Werbungskosten auf der Lohnsteuerkarte eingetragen werden.

 

Normenkette

EStG § 9; LStDV § 20; EStG § 41/1/1, § 40/1/1

 

Tatbestand

Streitig ist die Eintragung eines Betrages von 25.780 DM als Werbungskosten auf der Lohnsteuerkarte 1950.

Der Beschwerdeführer (Bf.) ist am Stammkapital einer GmbH, das mit Wirkung vom Währungsstichtage auf 33.000 DM festgestellt worden war, mit einem Geschäftsanteil von 10.750 DM beteiligt. Außerdem war er Geschäftsführer dieser Firma. Seit der Währungsreform bezog er als Geschäftsführer ein monatliches Gehalt von 610 DM, das dem Steuerabzug vom Arbeitslohn unterworfen worden ist. Im Jahre 1949 verschlechterte sich die wirtschaftliche Lage der Firma. Am 27. Dezember 1949 wurde eine außerordentliche Gesellschafterversammlung abgehalten. In der Niederschrift über diese Gesellschafterversammlung ist ausgeführt:

"Im Verlaufe der Gesellschafterversammlung wurde dargelegt, daß auf Grund einer vorläufigen übersicht unter Anlehnung an die nach Gesetz Nr. 64 erstellte Steuerüberleitungsbilanz ein Verlust von etwa 30.000 bis 40.000 DM erwartet wird, durch den das voraussichtliche Stammkapital von rund 35.000 DM aufgezehrt sein würde.

Bei dieser Situation, so erklärten die Gesellschafter A., B. und C. übereinstimmend, sei es nicht tragbar, dem Bf. die für seine Geschäftsführertätigkeit seinerzeit bewilligten Gehaltsbezüge zu belassen, insbesondere, da seine bisherige Tätigkeit solche Bezüge nicht rechtfertige. Außerdem habe der Bf. Werbungskosten und Autounkosten in einer Höhe von der Gesellschaft abgefordert, die ihm nicht bewilligt werden könnten, da sie nicht im Einklang mit den erzielten Ergebnissen stünden. Die Gesellschafter A., B. und C. beschlossen daher gegen die Stimme des Bf., ihn zur Rückzahlung der seit der Währungsreform bis einschließlich Dezember 1949 bezogenen

Geschäftsführergehälter in Höhe von brutto 11.590 DM und eines Teilbetrages der von ihm abgeforderten Werbungskosten in Höhe von ------------------------------- 7.000 DM sowie eines Teilbetrages der von ihm abgeforderten Autounkosten in Höhe von --------------------------------- 7.190 DM insgesamt ----------------------------------------------- 25.780 DM zu verpflichten. Es wurde dem Bf. auferlegt, die Rückzahlung baldmöglichst vorzunehmen.

Es wurde festgestellt, daß durch eine derartige Rückzahlungsverpflichtung des Bf., die in Kürze zu realisieren wäre, auch die Liquidität der Gesellschaft erheblich gefördert werden würde."

Der Bf. hat die Forderung der Gesellschaft anerkannt. Er bringt vor, daß er einen Zivilprozeß, in dem möglicherweise von der Gesellschaft noch weitergehende Schadensersatzansprüche wegen seiner Geschäftsführertätigkeit geltend gemacht würden, vermeiden wollte. Außerdem hätte er geglaubt, daß durch das Anerkenntnis die Voraussetzungen für eine weitere besoldete Geschäftsführertätigkeit bei der Firma geschaffen würden. Im Mai 1950 zahlte er den Betrag von 25.780 DM bei der Gesellschaft ein.

Mit Schreiben vom 5. Juni 1950 beantragte er, die 25.780 DM als Werbungskosten auf der Lohnsteuerkarte 1950 einzutragen.

Das Finanzamt hat diesen Antrag abgelehnt. Die Sprungberufung wurde als unbegründet zurückgewiesen.

Mit der Rechtsbeschwerde (Rb.) begehrt der Bf. Aufhebung der Vorentscheidungen und Anerkennung des gezahlten Betrages als Werbungskosten. Er macht geltend: Die Ausgabe von 25.780 DM sei eine Schadensersatzleistung, die mit seiner Geschäftsführertätigkeit zusammenhänge. Nach den Urteilen des Reichsfinanzhofs vom 31. Januar 1931 (Steuer und Wirtschaft - StW - 1931 Teil II Nr. 189) und vom 19. August 1931 (StW 1931 Teil II Nr. 957) sei der gezahlte Betrag als Werbungskosten zu behandeln. Der Bf. habe außerdem im Zeitpunkte des Eingehens der Verpflichtung die Absicht gehabt, sich durch die Zahlung weitere Geschäftsführereinnahmen zu sichern. Der gezahlte Betrag stelle auch aus diesem Grunde Werbungskosten dar. Die Feststellung des Finanzgerichts, daß der Betrag in erster Linie aus gesellschaftsrechtlichen Erwägungen gezahlt worden sei, sei unzutreffend. Desgleichen sei die Annahme des Finanzgerichts, daß die Aufwendungen des Bf. nicht den Zweck gehabt hätten, seine Geschäftsführerstellung zu sichern und zu erhalten, weil er ja schon seit März 1950 als Produktionschef bei der Firma X. in Z. beschäftigt sei, unrichtig.

Der Vermögensverlust der GmbH betrage nach Aktivierung des Schadensersatzanspruches gegen den Bf. noch 20.188 DM oder rund 61 Prozent des Stammkapitals. Da der Bf. einen Geschäftsanteil von 10.750 DM habe, der vor der Anerkennung der Schadensersatzansprüche mit Null zu bewerten war, so sei nach Aktivierung der Schadensersatzansprüche der Anteil des Bf. rechnerisch mit etwa 4.200 DM zu bewerten. Man könne danach bestenfalls sagen, daß von der geleisteten Zahlung ein Betrag von 4.200 DM nicht abzugsfähig sei, weil sich insoweit für den Bf. ein Vermögenswert bei der Gesellschaft gebildet habe. Praktisch sei jedoch der Anteil des Bf. auch nach der Einzahlung genau so wenig wert gewesen wie vorher; denn niemand kaufe einen Geschäftsanteil, der nur rund 33 1/3 Prozent aller Stimmen vereinige, wenn er wisse, daß die anderen Stimmen infolge ihrer Verbundenheit miteinander ständig gegen ihn gerichtet seien, und wenn sich aus dem Status der Gesellschaft ergebe, daß in absehbarer Zeit kein Ertrag zu erwarten sei.

 

Entscheidungsgründe

Die Prüfung der Rb. ergibt:

Nach dem Aufbau des Einkommensteuergesetzes 1939 gibt es Werbungskosten nur bei den Einkünften der im § 2 Absatz 3 Ziff 4 bis 7 des Einkommensteuergesetzes (EStG) bezeichneten Art. Tatsächlich gemachte Aufwendungen können als Werbungskosten (ß 9 EStG) nur dann abgezogen werden, wenn die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:

Die Aufwendungen müssen den Einnahmen der in Frage kommenden Einkunftsart (ß 2 Absatz 3 Ziffer 4 bis 7 EStG) gegenüberstehen (ß 9 Satz 2 EStG). Es können also beispielsweise den Einnahmen aus Kapitalvermögen nur Aufwendungen gegenübergestellt werden, die das Kapitalvermögen betreffen. Den Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit können nur Aufwendungen gegenübergestellt werden, die das Dienst- oder Arbeitsverhältnis betreffen.

Die Aufwendungen müssen mit den Einnahmen in einem Zusammenhange stehen, und zwar ist ein unmittelbarer Zusammenhang erforderlich. Bei Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit ist von der Rechtsprechung in manchen Fällen ein enger, mittelbarer Zusammenhang als ausreichend angesehen worden.

Die Aufwendungen müssen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen gemacht werden.

Die Aufwendungen dürfen keine Kosten der Lebenshaltung sein (ß 12 EStG).

Im vorliegenden Falle ist der Bf. als Gesellschafter mit etwa 1/3 am Stammkapital beteiligt. Wenn die GmbH einen Gewinn erzielt und Ausschüttungen an die Gesellschafter vornimmt, so sind die Ausschüttungen bei den Gesellschaftern Einkünfte aus Kapitalvermögen. Diesen Einkünften gegenüber können Aufwendungen nur dann als Werbungskosten anerkannt werden, wenn sie sich den Einkünften aus Kapitalvermögen gegenüber als Werbungskosten darstellen. Kapitalverluste, die bei der Gesellschaft eingetreten sind, sind bei einem Gesellschafter, der nach dem überschuß der Einnahmen über die Ausgaben besteuert wird, keine Werbungskosten, sondern Vermögensverluste, die sich bei der Berechnung des Einkommens nicht auswirken. Im übrigen könnten Werbungskosten, die den Einnahmen aus Kapitalvermögen gegenüberstehen, nicht bei der Lohnsteuer durch Eintragung eines steuerfreien Betrages auf der Lohnsteuerkarte berücksichtigt werden.

Der Bf. ist aber nicht nur Gesellschafter der GmbH sondern auch Geschäftsführer und damit Arbeitnehmer der GmbH. Bei der Berechnung des überschusses der Einnahmen über die Ausgaben aus nichtselbständiger Arbeit können dem Arbeitslohn nur solche Aufwendungen als Werbungskosten gegenübergestellt werden, die mit dem Arbeitslohn zusammenhängen. Das Finanzgericht hat den Zusammenhang zwischen dem Arbeitslohn und der Zahlung des Betrages von 25.780 DM verneint. Es hat festgestellt, daß es hauptsächlich Gründe der Beteiligung waren, die den Bf. veranlaßten, durch die Rückzahlung empfangener Gelder das Betriebskapital der Gesellschaft zu stärken. Die Zahlung des Bf. an die Gesellschaft bedeute eine Zuführung neuen Kapitals bei der Gesellschaft. Die Ursache der Zahlung liege in der schlechten Vermögenslage der GmbH und sei damit gesellschaftsrechtlicher Natur. Das Finanzgericht hat weiter festgestellt, daß der Bf. seit März 1950 als Produktionschef bei der Firma X. in Z. tätig ist, und daß er als Geschäftsführer bei der GmbH ausgeschieden ist. Es hat daraus gefolgert, daß die Zahlung des Betrages von 25.780 DM an die GmbH im Mai 1950 nicht mehr dazu gedient habe, die Geschäftsführerstellung bei dieser Firma zu sichern und zu erhalten. Diese tatsächlichen Feststellungen des Finanzgerichts lassen einen Rechtsirrtum oder einen Verstoß gegen den Inhalt der Akten nicht erkennen. Der Senat ist an diese Feststellungen gebunden. Der Aufwand von 25.780 DM stellt danach gegenüber dem Arbeitslohn keine Werbungskosten dar. Die Auffassung des Finanzgerichts, daß die Zahlung "an sich den Begriff der Werbungskosten erfüllt", ist rechtsirrig. Gleichwohl gelangt das Finanzgericht im Ergebnis zu Recht zu der Auffassung, daß der Betrag von 25.780 DM nicht als Werbungskosten auf der Lohnsteuerkarte 1950 eingetragen werden kann. Der Standpunkt des Senats deckt sich mit dem grundlegenden Urteil des Reichsfinanzhofs VI A 729/28 vom 20. Juni 1929 (Slg. Bd. 25 S. 255) und mit dem weiteren Urteil des Reichsfinanzhofs VI A 924/32 vom 14. März 1933 (Slg. Bd. 33 S. 44 Reichssteuerblatt 1933 S. 586). Wenn diese Urteile auch unter der Herrschaft des Einkommensteuergesetzes 1925 ergangen sind, so gelten die darin aufgestellten Rechtsgrundsätze doch auch für das Einkommensteuergesetz 1939.

Der Bf. beruft sich zur Begründung seiner Auffassung, daß der Betrag von 25.780 DM als Werbungskosten zu behandeln sei, auf das Urteil des Reichsfinanzhofs VI A 2331/30 vom 21. Januar 1931 (StW 1931 Teil II Nr. 189). In diesem Urteil ist ausgesprochen, daß Schadensersatz, den der Vorstand einer Genossenschaft dieser für von ihm abgeschlossene Geschäfte leistet, als "Werbungskosten" anzusehen ist, wenn der Vorstand beim Abschluß angenommen hat, daß sie im Interesse der Gesellschaft lägen. Der in diesem Urteil behandelte Fall betrifft einen leitenden Angestellten der nicht am Unternehmen beteiligt ist. Das Urteil kann deshalb auf den hier zu entscheidenden Fall, in dem der Geschäftsführer am Kapital der GmbH beteiligt ist und Schadensersatz-Zahlungen leistet, um den Zusammenbruch des Unternehmens zu vermeiden, nicht übertragen werden.

Desgleichen ist der Hinweis des Bf. auf das Urteil des Reichsfinanzhofs VI A 1482/30 vom 19. August 1931 (StW 1931 Teil II Nr. 957) nicht durchschlagend. In diesem Urteil ist gesagt, daß Zahlungen eines Aufsichtsratsmitgliedes zur Abwendung von Regreßansprüchen als Werbungskosten für die Tätigkeit als Aufsichtsrat anzusehen sind. Die Bezüge eines Aufsichtsratsmitgliedes sind Einkünfte als selbständiger Arbeit (ß 18 Absatz 1 Ziffer 3 EStG 1950). Bei den Einkünften aus selbständiger Arbeit wird nach dem Einkommensteuergesetz 1939 der Gewinn der Besteuerung zugrunde gelegt. Bei Steuerpflichtigen, die nach dem Gewinn zur Einkommensteuer herangezogen werden, gibt es aber nach dem Einkommensteuergesetz 1939 - im Gegensatz zum Einkommensteuergesetz 1925 - keine Werbungskosten, sondern nur Betriebsausgaben. Die Auffassung des Bf. kann sonach auch auf dieses Urteil nicht gestützt werden.

Die Ausführungen des Bf., daß nach Aktivierung der Schadensersatzansprüche bei der GmbH der Geschäftsanteil des Bf. rechnungsmäßig noch mit 4.200 DM zu bewerten wäre, und daß man bestenfalls sagen könne, daß von der geleisteten Zahlung (25.780 DM) ein Betrag von 4.200 DM nicht abzugsfähig sei, laufen darauf hinaus, daß ein Bestandsvergleich durchgeführt werden soll. Bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit und bei den Einkünften aus Kapitalvermögen wird aber zur Ermittlung des Einkommens der überschuß der Einnahmen über die Ausgaben angesetzt. Ein Bestandsvergleich ist bei diesen Einkunftsarten ausgeschlossen.

Unerheblich ist auch, wie der Gesamtbetrag, dessen Abzug vom Bf. veranlagt wird, berechnet worden ist. Der Bf. weist darauf hin, daß dieser Betrag sich zusammensetzt aus Gehaltsrückzahlungen, aus Rückforderungen von Werbungskosten und Autospesen. Maßgebend allein ist, ob der zurückgezahlte Betrag insgesamt unter den Begriff der Werbungskosten gegenüber dem Arbeitslohn fällt. Dies ist aber zu verneinen.

Die Rb. muß danach als unbegründet zurückgewiesen werden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 407306

BStBl III 1952, 12

BFHE 1953, 27

BFHE 56, 27

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