Entscheidungsstichwort (Thema)

Scheinrenditen aus Schneeballsystem; Ausfall der Kapitalforderung; laufende Verluste des typisch stillen Gesellschafters

 

Leitsatz (NV)

1. Stellt eine Vielzahl von Kapitalanlegern einem Unternehmer gegen hohe Erfolgsbeteiligung auf einem Sammelkonto Geldbeträge zur Verfügung, die der gegenüber den Anlegern nicht weisungsabhängige Unternehmer zu nicht näher bezeichneten Börsentermingeschäften verwenden soll, so können die betreffenden Rechtsverhältnisse typische stille Gesellschaften i. S. von §20 Abs. 1 Nr. 4 EStG darstellen.

2. Hat der Anleger (typische stille Gesellschafter) die Wahl zwischen sofortiger Auszahlung und Wiederanlage der ihm in den Büchern des Unternehmers gutgeschriebenen "Gewinnanteile" und entscheidet er sich im subjektiv eigenen Interesse für die Wiederanlage, so kann die darin liegende Schuldumschaffung (Novation) zu einem Zufluß der "Gewinnanteile" führen. Das gilt auch dann, wenn ein Anspruch des gutgläubigen Anlegers auf die ihm gutgeschriebenen "Gewinnanteile" gar nicht bestand, weil der Unternehmer die "Gewinne" nur vorspiegelte.

3. Zufluß im Fall der Novation setzt voraus, daß der Unternehmer bei entsprechender Wahl des Anlegers zur Auszahlung der gutgeschriebenen "Renditen" fähig gewesen wäre. Zahlungsfähigkeit in diesem Sinne bedeutet das Imstandesein des Schuldners, seine sofort zu erfüllenden Verbindlichkeiten im wesentlichen tilgen zu können (Anschluß an Senatsurteil vom 22. Mai 1973 VIII R 97/70, BFHE 109, 573, BStBl II 1973, 815).

4. Ein Zufluß i. S. des §11 Abs. 1 EStG wird nicht dadurch in Frage gestellt, daß die im Wege der Novation wiederangelegten "Renditen" zu einem späteren Zeitpunkt uneinbringlich werden.

5. Erklärt der Unternehmer gegenüber dem gutgläubigen Anleger, daß der diesem gutgeschriebene und wiederangelegte Betrag auf dessen (vermeintlichen) Anspruch auf Gewinnbeteiligung geleistet werde, so ist die betreffende Geldsumme als Kapitalertrag und nicht als Kapitalrückzahlung zu qualifizieren (Anschluß an Senatsurteil vom 10. Juni 1975 VIII R 71/71, BFHE 116, 333, BStBl II 1975, 847).

6. Die Berücksichtigung eines auf den typischen stillen Gesellschafter entfallenden Verlustanteils als Werbungskosten setzt voraus, daß der Verlustanteil im Jahresabschluß des Unternehmens festgestellt oder vom FA geschätzt worden und im Streitjahr von der Kapitaleinlage des stillen Gesellschafters abgebucht worden ist (Anschluß an das Senatsurteil vom 28. Mai 1997 VIII R 25/96, BFHE 183, 407, BStBl II 1997, 724).

7. Dem Senat ist es im vorliegenden Fall verwehrt, zu prüfen, ob die Voraussetzungen für einen Steuererlaß aus persönlichen Billigkeitsgründen (vgl. §§227 und 163 AO 1977) vorliegen. Es ist vielmehr Aufgabe des FA, eine dahingehende Entscheidung nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffen.

 

Normenkette

EStG § 8 Abs. 1, § 11 Abs. 1 S. 1, § 20 Abs. 1 Nrn. 4, 7; AO 1977 § 39 Abs. 1, 2 Nr. 1, § 41 Abs. 1; BGB § 366 Abs. 1, § 705; HGB n.F. § 230 ff.; HGB § 335

 

Fundstellen

Haufe-Index 67090

BFH/NV 1998, 958

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