Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine einheitliche Feststellung der Einkünfte bei Errichtung von im Einzeleigentum der Bauherren stehenden Einfamilienhäusern im Rahmen einer Bauherrengemeinschaft

 

Leitsatz (NV)

1. Die Voraussetzungen für eine gesonderte und einheitliche Feststellung der Einkünfte nach § 180 Abs. 2 AO 1977 liegen nicht vor, wenn Bauherren im Rahmen einer Bauherrengemeinschaft jeweils ein in ihrem Alleineigentum stehendes Einfamilienhaus errichten (Anschluß an BFH-Urteil vom 27. April 1982 VIII R 131/80, BFHE 136, 42, BStBl II 1982, 636).

2. Dies gilt auch dann, wenn das Garagengrundstück und die Zugangsfläche zur öffentlichen Straße im Miteigentum aller bzw. mehrerer Bauherren stehen.

3. Ein sog. Nullbescheid kann den Regelungsinhalt eines negativen Feststellungsbescheids haben. Liegen die Voraussetzungen für den Erlaß eines negativen Feststellungsbescheids nicht vor, muß der Bescheid aufgehoben werden, damit über die streitige Rechtsfrage (im Streitfall die Frage der Einkunftserzielungsabsicht der Bauherren) bei der Einkommensteuerveranlagung der einzelnen Bauherren entschieden werden kann.

 

Normenkette

AO 1977 § 180 Abs. 2

 

Verfahrensgang

Hessisches FG

 

Tatbestand

Die acht Kläger hatten sich zu einer Bauherrengemeinschaft zusammengeschlossen und einen gemeinsamen Betreuer mit der Durchführung des Projekts beauftragt. Jeder der Kläger erwarb Alleineigentum an einer der zur Bebauung vorgesehenen und nebeneinander gelegenen Parzellen. Außerdem erwarben die Kläger Miteigentum zu je 1/8 an einem benachbarten, zur Bebauung mit 8 Garagen und 8 Kfz-Stellplätzen vorgesehenen Grundstück. Ferner erwarben die Kläger zu 1, 4 und 6, die Kläger zu 2, 7 und 8 und die Kläger zu 3 und 5 jeweils Miteigentum zu 1/3 bzw. 1/2 an je einer als Zugangsfläche von der Straße zum Haus ausgewiesenen Fläche. Jeder der 8 Kläger errichtete alsdann auf der von ihm erworbenen Fläche ein Einfamilienhaus und auf der zu Miteigentum erworbenen Fläche eine Garage.

Für die Streitjahre 1977 bis 1980 gaben die Kläger, vertreten durch den Betreuer, Erklärungen zur gesonderten und einheitlichen Feststellung der Einkünfte aus der Bauherrengemeinschaft ab, in denen jeweils Werbungskostenüberschüsse bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung erklärt wurden. Nach einer Außenprüfung stellte das FA sich auf den Standpunkt, mangels Einkünfteerzielungsabsicht käme die Feststellung negativer Einkünfte nicht in Betracht. Das FA erließ daraufhin gegen jeden Bauherrn gesondert einen Bescheid ,,für Bauherrengemeinschaft KNK", in dem unter Hinweis auf den Bericht über die Außenprüfung die Einkünfte aus der Bauherrengemeinschaft für die Streitjahre auf jeweils 0 DM festgestellt wurden. Das FG gab den zu gemeinsamer Verhandlung und Entscheidung verbundenen Klagen, mit denen die Aufhebung der ergangenen Bescheide begehrt wurde, statt. Das FG wertete die Nullbescheide als negative Feststellungsbescheide. Die Voraussetzungen für eine gesonderte Feststellung nach § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a oder § 180 Abs. 2 AO 1977 hätten jedoch nicht vorgelegen. Das FG hob deshalb die Bescheide auf.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist unbegründet.

1. Sowohl das FG als auch das FA sind übereinstimmend der Auffassung, daß negative Einkünfte der Kläger aus der Bauherrengemeinschaft nicht festgestellt werden können. Ausgehend von seinem Rechtsstandpunkt hat das FA gegen die Kläger Bescheide erlassen, mit denen zum Ausdruck gebracht wird, daß die Kläger aus ihrer Beteiligung an der Bauherrengemeinschaft keine negativen Einkünfte erzielt haben, die bei ihrer persönlichen Einkommensteuerveranlagung zu übernehmen wären. Dieser materielle Regelungsgehalt der Bescheide vom 12. März 1984 ergibt sich zwar nicht zwingend aus deren Regelungsteil, in dem die Einkünfte jeweils mit 0 DM festgestellt werden, wohl aber aus den Bescheiden insgesamt und dem ihnen zur Begründung jeweils beigefügten Betriebsprüfungsbericht, in dem die Auffassung vertreten wurde, mangels Einkünfteerzielungsabsicht komme eine Zurechnung von negativen Einkünften bei den Klägern nicht in Betracht (zur Deutung eines sog. Nullbescheids als negativer Feststellungsbescheid vgl. auch BFH-Urteil vom 28. November 1985 IV R 178/83, BFHE 145, 226, BStBl II 1986, 293). Damit haben die angefochtenen Bescheide einen anderen Regelungsinhalt als den, den das FG für zulässig hält. Das FG ist nämlich der Auffassung, daß schon mangels Beteiligung mehrerer am Gegenstand der Einkunftserzielung eine gesonderte und einheitliche Feststellung der Einkünfte entfällt. Ein negativer Feststellungsbescheid mit diesem Regelungsinhalt ließe, was das FG zutreffend erkannt hat, den Klägern die Möglichkeit, Werbungskostenüberschüsse aus der Beteiligung an der Bauherrengemeinschaft bei ihren persönlichen Einkommensteuerveranlagungen als negative Einkünfte geltend zu machen, soweit dies verfahrensrechtlich noch möglich ist. Demgegenüber wird durch einen negativen Feststellungsbescheid, mit dem aus sachlichen Gründen die gesonderte und einheitliche Feststellung negativer Einkünfte abgelehnt wird, bindend festgestellt, daß in den Einkommensteuerbescheiden der beteiligten Steuerpflichtigen keine Einkünfte aus dem fraglichen Rechtsverhältnis angesetzt werden dürfen (BFH-Beschluß vom 17. Januar 1985 IV B 65/84, BFHE 143, 10, BStBl II 1985, 299). Ausgehend von seiner Auslegung des § 180 Abs. 2 AO 1977 mußte das FG somit die Bescheide vom 12. März 1984 aufheben.

2. Der Senat schließt sich der Auffassung des FG an, daß die Voraussetzungen für eine gesonderte und einheitliche Feststellung auch nach dem hierfür allein in Betracht kommenden § 180 Abs. 2 AO 1977 nicht erfüllt sind.

a) Nach § 180 Abs. 2 AO 1977 in der Fassung vor seiner Neufassung durch das Steuerbereinigungsgesetz 1986 vom 19. Dezember 1985 (BGBl I, 2436, BStBl I 1985, 735) können die einkommensteuerpflichtigen und körperschaftsteuerpflichtigen Einkünfte ganz oder teilweise gesondert festgestellt werden, wenn an dem Gegenstand der Einkunftserzielung mehrere Personen beteiligt sind und die Einkünfte diesen Personen steuerlich zuzurechnen sind. Wie der BFH bereits im Urteil in BFHE 136, 42, BStBl II 1982, 636 entschieden hat, setzt eine gesonderte Feststellung nach § 180 Abs. 2 AO 1977 voraus, daß zwischen den Beteiligten in bezug auf den Gegenstand der Einkunftserzielung ein gemeinschaftsrechtliches oder gesellschaftsrechtliches Band besteht. Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt, wenn eine Einzelperson auf einem ihr gehörigen Grundstück ein Einfamilienhaus errichten läßt, und zwar auch dann nicht, wenn das Bauvorhaben von einem Dritten gleichzeitig für eine Vielzahl von Auftraggebern (Bauherren) räumlich benachbarter Einfamilienhäuser durchgeführt wird und den Aufträgen gleichartige oder gleiche Verträge zugrunde liegen.

b) Bei Anwendung dieser Rechtsgrundsätze sind auch im Streitfall die Voraussetzungen des § 180 Abs. 2 AO 1977 nicht erfüllt. Denn ebenso wie im Falle des Urteils in BHFE 136, 42, BStBl II 1982, 636 haben auch im Streitfall die Mitglieder der Bauherrengemeinschaft ein ihnen jeweils individuell zuzurechnendes Einfamilienhaus errichtet. Hinsichtlich dieses Einfamilienhauses fehlt es an einem gesellschaftsrechtlichen oder gemeinschaftsrechtlichen Band, das eine Beteiligung auch der übrigen Bauherren begründen könnte. Ein solches Band wurde auch nicht durch den Bauherrengemeinschaftsvertrag begründet. Dieser Vertrag erfaßte nur die Planungs- und Bauphase und hat nicht zu einer gemeinschafts- oder gesellschaftsrechtlichen Bindung in bezug auf die errichteten Einfamilienhäuser geführt.

c) Unerheblich ist es, daß die Kläger Miteigentümer des Garagengrundstücks und - zum Teil - der Zugangsfläche sind. Es kann dahinstehen, ob die Voraussetzungen für eine gesonderte und einheitliche Feststellung der Einkünfte insoweit vorlagen. Denn durch das Gemeinschaftseigentum sind nicht auch die Einfamilienhäuser zu einem gemeinschaftlichen Gegenstand der Einkünfteerzielung geworden. Das FA hätte demnach einen umfassenden, auch die Einfamilienhäuser einbeziehenden Feststellungsbescheid auch dann nicht erlassen dürfen, wenn hinsichtlich dieser Grundstücke als solcher ein Feststellungsbescheid zulässig gewesen wäre.

3. Lagen somit die Voraussetzungen des § 180 Abs. 2 AO 1977 nicht vor, so durfte das FA die angefochtenen Bescheide nicht erlassen. Der Regelungsinhalt dieser Bescheide geht dahin, daß die Kläger aus ihrem jeweiligen Einfamilienhaus nebst Garage bzw. Zuweg Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in den Streitjahren nicht erzielt haben. Diese Entscheidung kann mangels Vorliegens der Voraussetzungen für eine gesonderte Feststellung nur im Einkommensteuerveranlagungsverfahren der Kläger getroffen werden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 414780

BFH/NV 1987, 141

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