Entscheidungsstichwort (Thema)

Bewertung, Vermögen-, Erbschaft-, Schenkungsteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Der Bundesfinanzhof hält an der Rechtsprechung fest, daß unrichtige Einheitswerte durch Wertfortschreibung mit Wirkung vom Fortschreibungszeitpunkt an berichtigt werden können.

Ist ein landwirtschaftlicher Betrieb (Saatzuchtbetrieb) bei der Einheitsbewertung unrichtig abgegrenzt worden, so ist das ein Fehler, der durch Wertfortschreibung beseitigt werden kann.

Ist bei der Einheitsbewertung eines Saatzuchtbetriebs ein Zuschlag zum Vergleichswert zu Unrecht unterblieben, so ist das ein Fehler, der durch Wertfortschreibung beseitigt werden kann.

Grenzen der Fehlerberichtigung durch Wertfortschreibung.

 

Normenkette

BewG §§ 22, 2, 37-38, 40-41

 

Tatbestand

Der Steuerpflichtige (Stpfl.) ist Getreidesaatzüchter. Sein Grundbesitz, um dessen Bewertung der Streit geht, ist zuletzt wie folgt bewertet worden:

Ein landwirtschaftlicher Betrieb zum 1. Januar 1937 mit 89.900 RM,

ein bebautes Grundstück (Bürohaus und Getreidespeicher) als Betriebsgrundstück zum 1. Januar 1937 mit 82.400 RM,

das Wohngebäude (Einfamilienhaus) des Stpfl. als Grundvermögen zum 1. Januar 1942 mit 16.000 RM und

ein unbebautes Grundstück als Grundvermögen zum 1. Januar 1936 mit 3.000 RM.

Bei einer Nachprüfung der Einheitsbewertung stellte die Aufsichtsbehörde (Oberfinanzdirektion) fest, daß diese Bewertungen fehlerhaft seien. Unter Berufung auf § 222 Abs. 1 Ziff. 3 der Reichsabgabenordnung (AO) ordnete sie an, den landwirtschaftlichen Betrieb (Ziff. 1 oben) und die drei Grundstücke (Ziff. 2 - 4 oben) zu einer einzigen wirtschaftlichen Einheit des landwirtschaftlichen Vermögens zusammenzufassen und den Einheitswert zum 1. Januar 1948 wie folgt festzustellen:

60,51 ha landwirtschaftlich genutzte Fläche a I 512 RM = ------------------------------------ 91.491 RM Zuschlag für 145.000 dz (im Durchschnitt der Jahre 1936 - 1939) Hochzuchtsaatgut a 5 RM = --------- 725.000 RM Zusammen --------------------------------------- 816.491 RM.Dieser Anordnung entsprechend führte das Finanzamt zum 1. Januar 1948 eine Art- und Wertfortschreibung durch, faßte den genannten Grundbesitz zu einer wirtschaftlichen Einheit des landwirtschaftlichen Vermögens (Saatzuchtbetrieb) zusammen und stellte den Einheitswert auf 817.500 RM fest.

Die Sprungberufung des Stpfl., in der dieser die Zulässigkeit der Wertfortschreibung und die Höhe des Zuschlags bekämpfte, hatte Erfolg. Die Vorinstanz hob den Fortschreibungsbescheid ersatzlos auf. Die Entscheidung der Vorinstanz beruht im wesentlichen auf folgenden Erwägungen: Eine Berichtigung der Einheitswerte auf Grund des § 222 Abs. 1 Ziff. 3 AO sei schon deshalb unzulässig, weil diese Vorschrift die Berichtigung für die Steuern vom Vermögen ausschließe. Diese Einschränkung müsse entsprechend auch für die Feststellung der Einheitswerte gelten. Nunmehr werde die Art- und Wertfortschreibung auf § 225 a AO in Verbindung mit § 22 des Bewertungsgesetzes (BewG) und die dazu ergangene höchstrichterliche Rechtsprechung gestützt. Danach sei allerdings eine Wertfortschreibung dann zulässig, wenn der neue Einheitswert in einem bestimmten Ausmaß von dem Einheitswert des letzten Feststellungszeitpunkts abweiche, ohne daß es darauf ankomme, worauf diese Wertabweichung beruhe. Nach den vorliegenden Umständen handle es sich aber nicht um einen Einzelfall, in dem angeblich ein Fehler bei der Bewertung vorgekommen sei. Vielmehr solle eine allgemeine Wertfortschreibung sämtlicher im Oberfinanzdirektions-Bezirk vorhandener Saatzuchtbetriebe (vielleicht sogar auch noch von Betrieben in anderen Bezirken) nach Richtlinien, die erst mit Erlaß vom 11. Dezember 1943 herausgegeben worden seien, durchgeführt werden. Das sei unzulässig. Auch der Hinweis auf eine notwendige Angleichung an die Bewertung der Saatzuchtbetriebe im benachbarten Oberfinanzdirektions-Betrieb sei nicht stichhaltig, da auf den Oberfinanzdirektions-Bezirk abzustellen sei und zudem in anderen Oberfinanzdirektions-Bezirken ebenso verfahren worden sei wie im Streitfall. Auch die Behauptung, daß die Wertfortschreibung im Interesse des Lastenausgleichs zugelassen werden müsse, schlage nicht durch. Was für die Wertfortschreibung gesagt sei, müsse auch für die Artfortschreibung gelten, die in engem Zusammenhang mit der Anwendung der Richtlinien stehe. Erst die gesonderte Bewertung der Saatzuchtbetriebe als solcher habe die Zusammenfassung aller dazugehörigen Betriebsmittel und Grundstücke ermöglicht. Insofern bestimme auch der Begleiterlaß des Reichsministers der Finanzen vom 11. Dezember 1943 zu der zweifelhaften und auch heute sehr umstrittenen Rechtslage erstmals ausdrücklich, daß die Saatzuchtbetriebe als besondere wirtschaftliche Einheiten zu betrachten seien. Bevor diese Anschauung sich durchgesetzt habe, sei nach der damaligen Bewertung der Saatzuchtbtriebe als reines landwirtschaftliches Vermögen ohne Zuschläge die gesonderte Bewertung der einzelnen Grundstücke als landwirtschaftliches Vermögen bzw. als Grundvermögen durchaus folgerichtig gewesen.

 

Entscheidungsgründe

Der Bundesminister der Finanzen ist dem Verfahren beigetreten. Die Rechtsbeschwerde des Vorstehers des Finanzamts führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.

I. - Das Finanzamt hat die umstrittene Art- und Wertfortschreibung zum 1. Januar 1948 auf § 222 Abs. 1 Ziff. 3 AO (Aufdeckung eines Fehlers bei der Nachprüfung durch die Aufsichtsbehörde) gestützt. Dem kann nicht gefolgt werden. Die genannte Vorschrift regelt unter anderem die Frage, ob und inwieweit bestehende Einheitswerte auf den gleichen Zeitpunkt, auf den sie festgestellt worden sind, geändert werden können. Im bejahenden Falle tritt der berechtigte Einheitswert an die Stelle des bisherigen Einheitswerts, das heißt, er setzt den bisherigen Einheitswert völlig außer Kraft. Bei der Fortschreibung eines Einheitswerts ist das ganz anders. Das Wesentliche der Fortschreibung ist, daß ein bestehender Einheitswert auf einen späteren Zeitpunkt geändert werden soll. Bei der Fortschreibung behält der bisherige Einheitsbescheid seine Wirkung bei bis zu dem Zeitpunkt, von dem ab nach den maßgebenden Vorschriften der Fortschreibungsbescheid sich auswirkt. Im Streitfall hat das Finanzamt sachlich eine Art- und Wertfortschreibung zum 1. Januar 1948 vorgenommen, die nur auf § 225 a AO § 22 BewG gestützt werden kann.

II. - Sowohl der Reichsfinanzhof als auch der Bundesfinanzhof sind bei ihrer Rechtsprechung zu dem Ergebnis gekommen, daß Fehler, die bei der Einheitsbewertung unterlaufen sind, durch Fortschreibung mit Wirkung vom Fortschreibungszeitpunkt beseitigt werden können (ß 22 BewG). Auch gegenüber den Einwendungen des Stpfl., die sich auf das Gutachten eines Steuersachverständigen stützen, hält der Senat an dieser Rechtsprechung fest. Dabei hat der Senat aber stets zwei Vorbehalte gemacht: Einmal muß es sich um einen klarliegenden, einwandfrei feststellbaren Fehler handeln, und zweitens darf (wenn es sich um eine Wertfortschreibung handelt) die Wertfortschreibung nicht die allgemeine Fortschreibung sämtlicher oder nahezu sämtlicher wirtschaftlicher Einheiten oder Untereinheiten (im Fall der maßgebenden Entscheidung des Bundesfinanzhofs III 116/50 S vom 7. Mai 1951, Slg. Bd. 55 S. 299, Bundessteuerblatt 1951 III S. 116, handelt es sich um die gärtnerischen Betriebe) im Bezirk einer Oberfinanzdirektion zum Gegenstand haben. Unter diesem Gesichtspunkt ergibt die Nachprüfung der Rechtsbeschwerde folgendes:

Das Finanzamt geht davon aus, daß der landwirtschaftliche Betrieb (Saatzuchtbetrieb) des Stpfl. abweichend von der Feststellung auf den 1. Januar 1937 anders abzugrenzen ist, und daß Grundstücke, die anderen Vermögensarten (Betriebsvermögen und Grundvermögen) zugerechnet worden sind, in das landwirtschaftliche Vermögen einzubeziehen sind. Aus welchen Gründen dies zu geschehen hat, ob insoweit die bisherige Bewertung fehlerhaft gewesen ist, oder ob die tatsächlichen Verhältnisse, die eine Einbeziehung der betreffenden Grundstücke in die wirtschaftliche Einheit des Saatzuchtbetriebs erfordern, sich seit 1937 geändert haben, ist in keiner Weise festgestellt. Saatzuchtbetriebe waren, wenn es sich nicht um gewerbliche Betriebe handelte, bei der Einheitsbewertung 1935 in der Regel als landwirtschaftliche Betriebe zu bewerten. Das gilt auch heute noch. Ihre Abgrenzung bestimmt sich nach § 2 BewG in Verbindung mit den §§ 29 und 30 BewG. Unverständlich sind daher die Ausführungen der Vorinstanz, daß die gesonderte Bewertung der Saatzuchtbetriebe als solche erst die Zusammenfassung aller dazugehörigen Betriebsmittel und Grundstücke ermöglicht habe, und daß im Begleiterlaß zu den Saatzuchtrichtlinien vom 11. Dezember 1943 erstmals ausdrücklich bestimmt sei, daß Saatzuchtbetriebe als besondere wirtschaftliche Einheiten zu bewerten seien. Rechtsgrundlage für die Abgrenzung der Saatzuchtbetriebe sind nicht die Richtlinien vom 11. Dezember 1943, sondern die genannten Vorschriften des BewG. Im Streitfall muß daher zunächst geklärt werden, ob und inwiefern die genannten Grundstücke mit dem landwirtschaftlichen Betrieb (Saatzuchtbetrieb) zum 1. Januar 1948 eine wirtschaftliche Einheit bilden. Ist die Frage zu bejahen (sei es, daß die Nichteinbeziehung der genannten Grundstücke 1937 fehlerhaft unterblieben ist, sei es, daß die Verhältnisse des Betriebs sich seit 1937 geändert haben), so steht von dieser Seite her eine Wertfortschreibung des Einheitswerts nichts im Wege, das heißt die Wertfortschreibung muß als zulässig erachtet werden.

Wie schon erwähnt, setzt die Wertfortschreibung eines Einheitswerts keine änderung der Verhältnisse voraus. Es genügt, wenn ein klarliegender, einwandfrei feststellbarer Fehler vorliegt. Im Streitfall ist als Einheitswert für den Saatzuchtbetrieb lediglich der Vergleichswert angesetzt worden. Das ist derjenige Wert, der sich aus der Vervielfachung der gesamten landwirtschaftlichen Fläche des Betriebs mit dem für den Betrieb maßgebenden Hektarsatz ergibt. Die Frage der Anbringung eines Zuschlags (§§ 37 und 40 BewG) ist nach den Akten nicht geprüft worden. Der Bundesminister der Finanzen hat zu dieser Frage folgendes ausgeführt:

"Es handelt sich um einen Getreidesaatzuchtbetrieb. Ohne Zweifel liegt der nach § 31 BewG zugrundezulegende Ertragswert eines solchen Saatzuchtbetriebs bedeutend über dem Vergleichswert eines gewöhnlichen landwirtschaftlichen Betriebs, bei dem die übliche Ertragsfähigkeit zugrunde gelegt worden ist. Dies drückt sich im Streitfall in einem Zuschlag von 725.000 Mark bei einem Einheitswert von 191.300 Mark (89.900 RM + 82.400 RM + 16.000 RM + 300 RM) aus. Selbst wenn man diesen Zuschlag als überhöht ansehen sollte, wird auch bei einem geringen Zuschlag ein Mehrwert verbleiben, der den Normalwert des Betriebs übersteigt. Aber schon eine Erhöhung des Einheitswerts auf den doppelten Vergleichswert wäre von so ausschlaggebender Bedeutung, daß die Nichtvornahme einer solchen Erhöhung zu einer unrichtigen Bewertung führen müßte, wenn man nicht den Standpunkt vertreten will, daß der Einheitswert eines landwirtschaftlichen Betriebs gar keine Beziehung zu dem tatsächlichen Ertragswert haben soll. Die Unterlassung einer so bedeutenden Werterhöhung durch Vernachlässigung eines Zuschlags führt somit zu einem Wert, der in keinem Verhältnis mehr zu den tatsächlichen Gegebenheiten steht.

Um die überleitung des nach regelmäßigen und durchschnittlichen Verhältnissen ermittelten Vergleichswerts zu dem anzusetzenden Einheitswert zu finden, hat der Gesetzgeber in den §§ 37 und 40 BewG die Vornahme von Ab- und Zuschlägen vorgesehen, damit den besonderen, im § 31 BewG noch nicht berücksichtigten tatsächlichen Verhältnissen Rechnung getragen werden soll. Es liegt im Wesen einer vergleichenden Bewertung, daß von regelmäßigen Verhältnissen ausgegangen werden muß. Die im einzelnen Falle abweichenden Verhältnisse müssen daher besondere Berücksichtigung finden. Das Vorgehen hierbei kann der Gesetzgeber wegen der Mannigfaltigkeit nicht im einzelnen gesetzlich regeln. Er muß dies der Einzelbewertung überlassen. Liegen jedoch besondere Fälle mit Abweichung vor, so besteht für das Finanzamt ein Zwang, entsprechende Ab- oder Zuschläge vorzunehmen. Das ergibt sich aus § 37 Satz 2 BewG, wonach in besonderen Fällen dieser Ab- oder Zuschlag vorzusehen "ist". § 40 BewG macht die Ab- und Zuschläge noch von den beiden Bedingungen abhängig, daß eine wesentliche Abweichung vorliegen und die Abweichung zu einer wesentlichen Minderung oder Steigerung der Ertragsfähigkeit führen muß. Maßstab für die Höhe der Minderung oder Steigerung ist die Ertragsfähigkeit.

Die Nichtvornahme der Ab- und Zuschläge führt somit nach dem Grundgedanken des Ertragswerts sowie den ausdrücklichen Vorschriften des BewG zu einem unrichtigen Einheitswert. Das gilt auch dann, wenn der Reichsminister der Finanzen von der in § 40 Ziff. 4 BewG vorgesehenen Befugnis, über die Ab- und Zuschläge nähere Bestimmungen zu erlassen, keinen oder erst später Gebrauch macht. Der Erlaß der Bestimmungen hat nämlich keine konstitutive Wirkung, sondern soll nur zur Erleichterung, Klarstellung und gleichmäßigen Behandlung dienen. Es wäre eine völlige Verkennung der Bedeutung von Ab- und Zuschlägen, wenn diese erst mit dem Erlaß von Bestimmungen oder Richtlinien des Reichsministers der Finanzen oder der Oberfinanzdirektionen zur Entstehung kämen. Ein Vergleich in dieser Beziehung mit dem Urteil des Bundesfinanzhofs III 116/50 S vom 7. Mai 1951 (Slg. Bd. 55 S. 301, Bundessteuerblatt 1951 III S. 116), wo veraltete Richtlinien angewandt worden waren, kann daher nicht gezogen werden.

Anders wäre der Sachverhalt zu beurteilen, wenn das Finanzamt bei der Bewertung anstatt des fehlenden Zuschlags einen nach den Richtlinien des Reichsministers der Finanzen zu geringen Zuschlag gemacht hätte. In einem solchen Fall wäre nur dann ein Bewertungsfehler anzunehmen, wenn die Berechnung des Finanzamts erkennbar nicht mit dem Gesetz in Einklang gestanden hätte. Dieser Fall ist jedoch nicht gegeben.

Nach dem Vorbringen des Stpfl. entsteht der Eindruck, als ob Zuschläge am Vergleichswert für Saatzuchtbetriebe erst 1943 eingeführt worden seien. Das ist ein Irrtum! Mit dem Vorgehen bei der zahlenmäßigen Ermittlung dieser Zuschläge hatte sich unter anderem das frühere Landesfinanzamt Magdeburg befaßt. Hierüber liegen amtliche Verlautbarungen aus dem Anfang des Jahres 1939 vor. Nach dem Magdeburger Vorgehen wird aus dem durchschnittlichen Jahresabsatz an Originalsaatgut (Hochzuchtsaatgut) der Mehrgewinn ermittelt, der durch Verkauf von höherwertigem Hochzuchtsaatgut an Stelle der in einem gewöhnlichen landwirtschaftlichen Betrieb anfallenden Erzeugnisse erzielt wird. Dieser mit 18 vervielfachte Mehrgewinn ist der Zuschlag zum Vergleichswert. Ein Beispiel zeigt die Ermittlung:

Durchschnittlicher Jahresabsatz 50.000 dz, Mehrverdienst 0,40 RM für 1 dz; mithin Gesamt-Mehrgewinn 20.000 RM; Zuschlag zum Vergleichswert 20.000 RM X 18 = 360.000 RM.

Bei dem Magdeburger Vorgehen mußten für die Bemessung eines Zuschlags Umstände verschiedener Art zahlenmäßig beurteilt und gegebenenfalls ausgehandelt werden. Hierbei waren Meinungsverschiedenheiten und langwierige Erörterungen nicht zu umgehen. Deshalb wandten sich die Steuerpflichtigen über einen ihrer Steuerberater 1942 an das Reichsministerium der Finanzen mit dem Ersuchen, einfachere Grundsätze für die Bewertung der Saatzuchtbetriebe herauszubringen. Dies geschah schließlich mit dem im Berufungsverfahren wiederholt genannten Erlaß des Reichsministers der Finanzen vom 11. Dezember 1943 S 3114 - 25 III, mit dem die Richtlinien für die Bewertung der Saatzuchtbetriebe (LandwSaatBew 1943) den Oberfinanzpräsidenten übersandt wurden."

Demgegenüber ist der Stpfl. der Auffassung, daß bei Pflanzenzuchtbetrieben für einen Zuschlag kein Raum sei, weil mit dem Zuschlag zum Vergleichswert der persönliche Leistung des Züchters erfaßt werde, die bei der Bewertung landwirtschaftlicher Betriebe auszuscheiden habe. Die Pflanzenzucht falle nicht unter die Sonderkulturen wie Hopfenbau, Spargelbau und Weidenpflanzungen. Diese Sonderkulturen hätten eine intensivere Ausnutzung des Bodens des betreffenden landwirtschaftlichen Betriebs zur Folge und steigerten damit die Ertragsfähigkeit des Betriebs. Durch die Pflanzenzucht, die in Zuchtgärten betrieben werde, werde jedoch die Ertragsfähigkeit des landwirtschaftlichen Betriebs als solchem nicht gesteigert. Zwischen den Einnahmen des Züchters aus Lizenzen und Hochzuchtverkäufen ihrerseits und dem Pflanzenzuchtbetrieb als solchem, insbesondere dem Zuchtgarten, bestehe kein unmittelbarer Zusammenhang. Wenn Sorten eines Züchters im praktischen Anbau keinen Anklang fänden, so blieben auch die Züchtereinnahmen trotz intensivster Arbeit eines Zuchtbetriebs aus. Wenn aber die Landwirtschaft seine Sorten bevorzuge, so müßten die großen Mengen des dann benötigten Hochzuchtsaatguts fast ausschließlich von fremden Betrieben mit Hilfe von Vermehrungsverträgen erzeugt werden, so daß die eigene Fläche in bezug auf Hochzuchteinnahmen eine durchaus untergeordnete Rolle spiele. Die Größe und Beschaffenheit des Zuchtbetriebs habe auf diese Lizenzeinnahmen usw. keinen Einfluß. Von einer nachhaltig gesteigerten Ertragsfähigkeit des Betriebs auf Grund des Zuchtgartens als solchen könne daher nicht gesprochen werden.

Den Ausführungen des Bundesministers der Finanzen tritt der Senat bei; er ist insbesondere auch der Auffassung, daß der Erlaß vom 11. Dezember 1943 mit den dazugehörigen Richtlinien keinerlei konstitutive Wirkung gehabt hat. Die Ausführungen des Stpfl. dagegen muß der Senat ablehnen. Bei der Einheitsbewertung der landwirtschaftlichen Betriebe handelt es sich um eine Vermögensbewertung. Diese Bewertung umfaßt bei landwirtschaftlichen Betrieben nicht nur den Grund und Boden, sondern auch Gebäude, stehende und umlaufende Betriebsmittel (mit Ausnahme eines etwaigen überbestandes an umlaufenden Betriebsmitteln), Nebenbetriebe und Sonderkulturen (ß 29 Abs. 1, Abs. 2 Ziff. 3 BewG). Der Wert eines landwirtschaftlichen Betriebs wird aber nicht durch Zusammenzählen der einzelnen Teile des Betriebs ermittelt. Vielmehr werden alle Wirtschaftsgüter, die den Betrieb bilden, in einem Gesamtwert (Ertragswert) erfaßt. Bei der Ermittlung des Ertragswerts werden hinsichtlich gewisser Ertragsbedingungen, vor allem hinsichtlich des Gebäudebestands sowie des Bestands an stehenden und umlaufenden Betriebsmitteln die in der betreffenden Gegend für die Bewirtschaftung als regelmäßig anzusehenden Verhältnisse unterstellt; außerdem wird als regelmäßig angesehen, daß Nebenbetriebe und Sonderkulturen nicht zu dem Betrieb gehören. Wenn bei einem Betrieb die tatsächlichen Verhältnisse von den unterstellten regelmäßigen Verhältnissen wesentlich abweichen, ist der hierdurch bedingten Minderung oder Steigerung der Ertragsfähigkeit durch Abschläge oder Zuschläge am Vergleichswert Rechnung zu tragen (§§ 37 und 40 BewG). Dies gilt auch für Saatzuchtbetriebe. Ist bei derartigen Betrieben festzustellen, daß sie im Vergleich mit anderen landwirtschaftlichen Betrieben ein Mehr an Gebäuden, stehenden Betriebsmitteln usw. haben, so rechtfertigt das einen Zuschlag zum Vergleichswert, wenn diese Abweichung zu einer wesentlichen Steigerung der Ertragsfähigkeit führt. Hierbei ist zu beachten, daß zu den stehenden Betriebsmitteln eines Saatzuchtbetriebs außer etwa vorhandenen besonderen Geräten und Maschinen vor allem die Sorten von Saatgut als Träger von Erbanlagen gehören, von denen anerkanntes Hochzuchtsaatgut oder gleichgestelltes Saatgut landwirtschaftlicher Kulturpflanzen in den Verkehr gebracht werden darf. Welchem Umstand der Saatzuchtbetriebe diese Sorten verdankt, ist für die Einheitsbewertung unerheblich. Bewertungsrechtlich genügt es, daß sie vorhanden sind. Es kommt nicht darauf an, ob die Träger der Erbanlagen auf der Züchtungsarbeit des Betriebsinhabers oder eines Betriebsangestellten beruhen oder ob sie von anderen Betrieben oder Pflanzenzüchtern übernommen worden sind. Die Vorinstanzen haben keine ausreichenden Feststellungen darüber getroffen, wie die tatsächlichen Verhältnisse im Betrieb des Stpfl. liegen. Das muß noch nachgeholt werden. Entgegen der Auffassung des Stpfl. ist grundsätzlich festzustellen, daß bei Saatzuchtbetrieben sehr wohl Zuschläge zum Vergleichswert in Betracht kommen können. Ob die Bemessung der Zuschläge bei Getreide in den Richtlinien mit 2,50 RM für 50 kg das Richtige trifft, kann dahingestellt bleiben. Hinzuzufügen ist noch, daß ein etwaiger überbestand an umlaufenden Betriebsmitteln (hierzu würde das in den Verkehr zu bringende Saatgut rechnen) nach § 29 Abs. 2 Ziff. 3 BewG nicht Teil des Saatzuchtbetriebs wäre, sondern dem sonstigen Vermögen des Stpfl. (ß 67 Ziff. 7 BewG) zuzurechnen wäre.

Zur Frage der Zulässigkeit der Wertfortschreibung hat der Bundesminister der Finanzen noch folgendes ausgeführt:

"Das Finanzgericht hat die Rechtmäßigkeit der Fortschreibung in Anlehnung an das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 7. März 1951 verneint. Der Bundesfinanzhof hat in diesem Urteil die berichtigende Fortschreibung der Einheitswerte sämtlicher oder doch nahezu sämtlicher wirtschaftlicher Einheiten oder Untereinheiten - hier der gärtnerischen Betriebe - einer Oberfinanzdirektion nicht zugelassen. Tatbestandsmäßig lag dem Urteil die Anweisung des zuständigen Oberfinanzpräsidenten zugrunde, sämtliche Einheitswerte der gärtnerischen Betriebe, die auf Grund veralteter und unrichtiger Bewertungsrichtlinien von 1931 festgestellt waren, zu überprüfen und im Falle der Unrichtigkeit fortzuschreiben. Dem Urteil dürfte der Gedanke zugrundeliegen, zu vermeiden, daß im Wege einer massenweisen Fortschreibung, die auf Grund einer früheren Anordnung festgestellten Werte allgemein durch eine neue Anordnung geändert werden, was im Ergebnis einer neuen Hauptfeststellung gleichkäme.

Hier liegt ein solcher Fall nicht vor. Das Landesfinanzamt hatte keinerlei Anordnungen darüber erlassen, wie bei Saatzuchtbetrieben die Höhe der Zuschläge am Vergleichswert ermittelt werden soll. Das Finanzamt hatte es entgegen den bindenden Vorschriften in §§ 37 und 40 BewG unterlassen, einen Zuschlag zu bemessen und am Vergleichswert anzubringen. Infolgedessen war im Widerspruch zu den gesetzlichen Vorschriften ein Einheitswert festgestellt worden, der von dem zutreffend anzusetzenden Einheitswert so stark abweicht, daß die Fortschreibungsgrenzen überschritten wurden. Die Abweichung blieb unentdeckt, bis sie durch eine Nachprüfung, hier im Rahmen einer Betriebsprüfung, aufgedeckt wurde.

Die Abweichungen, die sich bei einer Nachprüfung ergeben, können je nach den Verhältnissen des Einzelfalles entweder nur diesen betreffen und eine Wertfortschreibung erfordern, die als typische Einzelfortschreibung anzusehen ist. Die Abweichungen können sich aber auch in einer Mehrzahl von Einzelfällen in ähnlicher oder gleicher Weise wiederholen. Dies wird besonders durch Betriebsprüfungen immer wieder bestätigt. Auch dann handelt es sich aber noch um Abweichungen in Einzelfällen. Die etwa erforderlich werdenden Wertfortschreibungen sind also auch in solchen Fällen als Einzelfortschreibungen und nicht als Gruppenfortschreibungen anzusehen.

Dazu kommt, daß 20 Betriebe, die etwa für die Aufdeckung einer Abweichung in Betracht kommen, nur eine kleine Anzahl von Betrieben innerhalb des landwirtschaftlichen Vermögens in einem Oberfinanzbezirk darstellen. Es ist aus dem Urteil vom 7. Mai 1951 sowie auch aus den weiteren Urteilen des Bundesfinanzhofs III 224/51 U vom 19. September 1952 (Slg. Bd. 56 S. 741, Bundessteuerblatt III S. 284) und III 210/52 U vom 27. November 1953 (Slg. Bd. 58 S. 250, Bundessteuerblatt 1954 III S. 11) nicht zu erkennen, wo die Grenze zwischen Einzel- und Massenfortschreibung gezogen werden soll. Die Vornahme einer Fortschreibung im vorliegenden Falle würde jedoch auch schon wegen der Zahl der in Betracht kommenden Einheiten meines Erachtens noch keine vorweggenommene Hauptfeststellung bedeuten. Man wird die Nichtzulassung der Fortschreibung dann nicht ohne weiteres von der Zahl der Fälle eines Oberfinanzbezirks abhängig machen können, wenn diese Zahl gering ist und nur eine kleine Untergruppe einer Vermögensart umfaßt. Der Gedanke einer vorweggenommenen Hauptfeststellung kommt erst zum Tragen, wenn eine Vielzahl von Einheiten einer nicht unbedeutenden Grundstücksgruppe mit einem größeren Bezirk, der über die Grenzen eines Oberfinanzbezirks durchaus hinausgehen kann, zusammenfällt. Das wird man bei einer so kleinen Untergruppe mit etwa 20 Fällen in einem Oberfinanzbezirk nicht bejahen können."

Auch diesen Ausführungen tritt der Senat bei.

III. -

Da die Vorinstanz die Rechtslage verkannt hat, unterliegt ihre Entscheidung der Aufhebung. Die Sache geht zweckmäßig an das Finanzamt zurück, das zunächst im Wege einer Einspruchsentscheidung selbst die erforderlichen Feststellungen zu treffen und über die Fortschreibung zu entscheiden hat.

 

Fundstellen

Haufe-Index 408292

BStBl III 1955, 375

BFHE 1956, 453

BFHE 61, 453

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