Entscheidungsstichwort (Thema)

Kiesausbeuteverträge

 

Leitsatz (NV)

Es bestehen keine ernstlichen Zweifel, daß Einnahmen aus Kiesausbeuteverträgen auch dann zu Einkünften aus Vermietung und Verpachtung führen, wenn die Verträge in die Form von ,,Kauf-"verträgen verkleidet werden und im Anschluß daran jeweils ein Darlehensvertrag über die nach einer Anzahlung verbleibende Restkaufpreissumme abgeschlossen wird.

 

Normenkette

EStG § 21 Abs. 1 Nr. 1; AO 1977 § 361 Abs. 2 S. 2

 

Verfahrensgang

FG Düsseldorf

 

Tatbestand

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Eheleute. Der Kläger ist Eigentümer eines ruhenden landwirtschaftlichen Betriebs. Im Jahr 1972 entwickelte er Pläne zur Auskiesung des ihm gehörenden Grundstücks A. Er teilte das Grundstück rechnerisch in vier Teilflächen auf, die einzeln und zeitlich nacheinander über einen Zeitraum von neun Jahren einer Firma zur Auskiesung überlassen wurden. Für jeden einzelnen Teil schloß der Kläger Kaufverträge über eine bestimmte Menge Kies ab. Der Kaufpreis richtete sich nach der Menge des vorher rechnerisch ermittelten Kiesvorkommens. Im Anschluß an diese Kaufverträge wurde jeweils ein Darlehensvertrag über die nach einer Anzahlung verbleibende Restkaufpreissumme abgeschlossen, die in gleichmäßigen Raten zu tilgen und jeweils mit 4 v. H. zu verzinsen war.

In ihren Einkommensteuererklärungen 1979 bis 1983 setzten die Kläger die aus den Darlehensverträgen erhaltenen Zinsleistungen als Einnahmen aus Kapitalvermögen an. Die darüber hinausgehenden Geldzahlungen aufgrund der ,,Kiesausbeuteverträge" sahen sie als ertragsteuerlich unbeachtliche Vermögensumschichtung an.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) erfaßte die Einnahmen in den für die Streitjahre geänderten Einkommensteuerbescheiden vom 28. November 1985 bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung.

Die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage ist beim Finanzgericht (FG) anhängig.

Das FA hat den bei ihm gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung der Einkommensteuerbescheide 1979 bis 1983 abgelehnt. Nach Zurückweisung der Beschwerde haben die Kläger Klage erhoben, der das FG stattgegeben hat.

Das FG führte aus, daß die geänderten Einkommensteuerbescheide der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung entsprächen. Es sei aber nicht zu verkennen, daß im Schrifttum beachtliche Gegenargumente angeführt würden (Hinweis auf Kobbe-Keuk, Der Betrieb - DB - 1985, 144 ff., und Borggreve, DB 1985, 1661). Die Meinungen des Schrifttums seien ernstlich zu erwägen. Daraus folge der ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Steuerbescheide. Eine herrschende Lehre oder eine ständige Rechtsprechung seien weder für sich allein noch zusammen geeignet, eine Frage außerhalb jeden ernstlichen Zweifels zu stellen; anderenfalls könnte es niemals dazu kommen, daß von der herrschenden Lehre abgewichen würde. Dabei brauchten die für die Unrechtmäßigkeit des Steuerbescheids sprechenden Gesichtspunkte nicht zu überwiegen.

Mit seiner vom FG zugelassenen Revision rügt das FA, daß die Gegenargumente im Schrifttum im Hinblick auf die ständige Rechtsprechung nicht geeignet seien, ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen geänderten Einkommensteuerbescheide zu begründen.

Es beantragt sinngemäß, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist begründet. Es bestehen bei der in diesem Verfahren gebotenen summarischen Prüfung keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Einkommensteuerbescheide für 1979 bis 1983 insoweit, als die Einnahmen aus den Kiesausbeuteverträgen bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung nach § 21 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) erfaßt wurden (§ 361 Abs. 2 Satz 2 der Abgabenordnung - AO 1977 -). Die Vorentscheidung war infolgedessen aufzuheben und die Klage abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Die Finanzbehörde, die den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat, soll die Vollziehung aussetzen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte (§ 361 Abs. 2 Satz 2 AO 1977). Dies hat das FG rechtsfehlerhaft bejaht. Die Beurteilung der Kiesausbeuteverträge als Pachtverträge entspricht - wie auch das FG zutreffend erkannt hat - sowohl bürgerlich-rechtlich wie einkommensteuerrechtlich der ständigen Rechtsprechung (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 14. Oktober 1982 IV R 19/79, BFHE 137, 255, 260, BStBl II 1983, 203, 206, und vom 25. Juni 1985 IX R 60/82, BFH/NV 1985, 74, Nr. 72). Der erkennende Senat hat in der Entscheidung IX R 60/82 ausgeführt, daß er die in der steuerrechtlichen Literatur erhobenen Einwendungen, einkommensteuerrechtlich müsse bei der Beurteilung der Substanzausbeuteverträge als Pacht vom bürgerlichen Recht abgewichen werden, nicht teile. Die Rechtsprechung unterliegt auch unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten keinen Bedenken (vgl. dazu Bundesverfassungsgericht - BVerfG -, Beschluß vom 10. Februar 1987 1 BvR 482/86, Betriebs-Berater - BB - 1987, 598); die Rechtsprechung des BFH ist im übrigen bereits 1978 Gegenstand verfassungsrechtlicher Prüfung gewesen (vgl. BVerfG-Beschluß vom 24. Februar 1978 1 BvR 114/75, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1978, 251). Werden aber - wie im vorliegenden Fall - gegen die Rechtsprechung keine neuen Gesichtspunkte geltend gemacht, so kommt eine Aussetzung der Vollziehung nicht in Betracht (Tipke / Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 69 FGO, Tz. 5 S. 21).

 

Fundstellen

Haufe-Index 415213

BFH/NV 1987, 640

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