Leitsatz (amtlich)

Die Bestimmung des § 1 Abs. 3 Satz 1 der 3. KonjVO ist nicht durch eine gesetzliche Ermächtigung gedeckt, soweit sie die erhöhten Absetzungen nach § 7 b EStG für Gebäude ausschließt, für welché zwar die Baugenehmigung erst während des Ausschlußzeitraumes beantragt wurde, die jedoch bereits vor dem 9. Mai 1973 bestellt waren.

 

Normenkette

EStG § 51 Abs. 2 S. 2 Nr. 2; 3. KonjVO § 1 Abs. 3; GG Art. 80 Abs. 1 S. 2

 

Tatbestand

Der Kläger um Revisionsbeklagte (Kläger) hatte am 17. April 1973 einen Vertrag über die Errichtung eines Serienhauses abgeschlossen, für das die Baugenehmigung am 6. Juni 1973 beantragt wurde. Der Beklagte und Revisionskläger (FA) versagte bei der Einkommensteuerveranlagung für das Streitjahr 1974 unter Hinweis auf § 1 Abs. 3 der Dritten Verordnung über steuerliche Konjunkturmaßnahmen vom 7. Juni 1973 - 3. KonjVO - (BGBl I 530, BStBl I, 522) die erhöhten Absetzungen nach § 7 b EStG als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung. Der Einspruch blieb erfolglos.

Im Klageverfahren setzte das FG die Einkommensteuer unter Gewährung der beantragten Absetzungen herab und begründete diese Entscheidung wie folgt: Die Ausnahmevorschrift des § 1 Abs. 3 Satz 2 der 3. KonjVO sei nicht nur auf Fertighäuser, sondern analog auf Serienhäuser anzuwenden, zu deren Abnahme und Bezahlung sich ein Steuerpflichtiger vor Einreichung des Antrags auf Baugenehmigung und vor Beginn des Ausschlußzeitraumes durch Bestellung in obligo begeben habe. Auch in diesen Fällen habe das konjunkturpolitische Ziel, Nachfrage zu dämpfen, nicht mehr erreicht werden können. Die unterschiedliche Behandlung sei sachlich nicht gerechtfertigt und verstoße gegen Art. 3 GG. Dem könne nur durch eine verfassungskonforme Auslegung Rechnung getragen werden. Die Entscheidung ist in EFG 1976, 505 veröffentlicht.

Hiergegen richtet sich die vom FG wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassene Revision des FA, das beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen. Gerügt wird die unzutreffende Anwendung der Vorschrift des § 1 Abs. 3 der 3. KonjVO, die das FG gegen ihren eindeutigen Wortlaut ausgelegt habe. Durch eine derartige Ausdehnung der Ausnahmetatbestände, die sich auch auf sonstige Gebäude erstrecken müsse, gingen Sinn und Zweck der Verordnung über steuerliche Konjunkturmaßnahmen verloren. Ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz liege nicht vor.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Der BdF ist dem Verfahren beigetreten. Er hält eine analoge Anwendung der für Fertighäuser getroffenen Sonderregelung auf andere Serien- oder Typenhäuser nicht für zulässig. Der gesetzlichen Regelung liege die bautechnische Begriffsbestimmung für Fertighäuser zugrunde. Darunter fielen ein- oder zweistöckige Wohngebäude, die aus vorgefertigten Bauteilen von einem Fertighausunternehmen errichtet und in das Fertighausverzeichnis der Verwaltung aufgenommen würden (Hinweis auf BdF-Schreiben vom 12. Juli 1973 IV B 2 - S 1987 - 46/73, BStBl I, 562). Bei der erweiternden Auslegung von Ausnahmeregelungen sei ohnehin Zurückhaltung geboten. Die Ausnahmeregelung für Fertighäuser sei im ursprünglichen Gesetzesentwurf der Bundesregierung nicht vorgesehen gewesen, sondern erst nachträglich auf Anregung des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages eingefügt worden, weil Kaufverträge über Fertighäuser regelmäßig erhebliche Zeit vor dem Antrag auf Baugenehmigung abgeschlossen würden. Der Käufer eines Fertighauses übernehme durch den Abschluß des Kaufvertrages die Verpflichtung, ein nach seinen Vorstellungen zusammenzustellendes Gebäude abzunehmen. Das Fertighausunternehmen richte seine Produktion auf den Eingang der individuellen Bestellungen ein. Serienhäuser in Massivbauweise würden dagegen regelmäßig auch ohne vorherigen Verkauf auf Vorrat errichtet. Auch die rechtliche Abwicklung bei Mängelrügen sei häufig unterschiedlich ausgestaltet. Es handele sich hier um sachliche Unterschiede, die den Verordnungsgeber berechtigt hätten, unterschiedliche steuerliche Folgen anzuordnen, ohne willkürlich zu handeln.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

1. Nach dem Wortlaut des § 1 Abs. 3 der 3. KonjVO könnten die erhöhten Absetzungen im Streitfall nicht gewährt werden. Der erkennende Senat läßt offen, ob der in Satz 2 dieser Bestimmung verwandte Begriff des "Fertighauses" ausreichend bestimmt ist bzw. ob die Ausnahmeregelung für Fertighäuser im Wege einer verfassungskonformen Auslegung entsprechend auf Serienhäuser in Massivbauweise übertragen werden kann. Die Vorentscheidung wäre auch dann rechtlich nicht zu beanstanden, wenn dieser Teil der Bestimmung im Streitfall nicht anwendbar wäre.

§ 1 Abs. 3 Satz 1 der 3. KonjVO hält sich nicht in den Grenzen der Ermächtigung durch § 51 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 EStG, soweit die Bestimmung die 7 b-Absetzungen für solche Gebäude ausschließt, die vor dem 9. Mai 1973 bestellt waren (Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG). Ob ein derartiger Verstoß vorliegt, hat das Gericht selbständig zu prüfen und gegebenenfalls in eigener Zuständigkeit festzustellen (z. B. Beschluß des BVerfG vom 2. Juni 1964 2 BvL 23/62, BVerfGE 18, 52 [59], und Urteil des BFH vom 12. April 1972 I R 190/69, BFHE 105, 239, BStBl II 1972, 552 [533] mit weiteren Nachweisen). Der Verordnungsgeber darf die Grenzen der Ermächtigung auch dann nicht überschreiten, wenn die Verordnung, wie im Streitfall nach § 51 Abs. 2 Satz 3 EStG, der Zustimmung des Bundesrates und des Bundestages bedarf und durch diese gedeckt ist (BVerfG-Beschluß vom 12. November 1958 2 BvL 4/56 u. a. , BVerfGE 8, 274 [322]).

2. Nach § 51 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 EStG ist der Verordnungsgeber ermächtigt, bestimmte Absetzungen auszuschließen für bewegliche Wirtschaftsgüter und Gebäude, die in einem bestimmten Zeitraum bestellt werden oder mit deren Herstellung in diesem Zeitraum begonnen wird. Der Wortlaut dieser Ermächtigung ist nicht eindeutig. Inhalt und Bedeutung der Vorschrift sind daher unter Berücksichtigung des Sinnzusammenhanges, in den sie hineingestellt ist, ihres Regelungszieles und ihrer Entstehungsgeschichte im Wege der verfassungskonformen Auslegung zu ermitteln (z. B. BVerfG-Beschuß vom 19. Juni 1973 1 BvL 39/69 u. a. , BVerfGE 35, 263 [278], und BFH-Urteil vom 24. April 1975 I R 204/73, BFHE 115, 490, BStBl III 1975, 604). Diese Auslegung führt zu folgendem Ergebnis:

a) Der Gesetzgeber hat in der Vorschrift des § 51 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 EStG dem Tatbestandsmerkmal der "Bestellung" nicht nur für den Fall der Anschaffung oder Herstellung eines beweglichen Wirtschaftsgutes Bedeutung beigemessen, sondern auch für den Fall der Anschaffung oder Herstellung eines Gebäudes. Sinn und Zweck der Regelung geben keine Veranlassung, die Vorschrift abweichend von ihrem insoweit eindeutigen Wortlaut auszulegen. Die Ermächtigung sollte nach den erklärten Absichten des Gesetzgebers eine Dämpfung der Übernachfrage auf dem Bausektor durch den vorübergehenden Verzicht auf die Verwirklichung von Bauplänen ermöglichen. Nur unter dieser Voraussetzung hatte der Gesetzgeber den Verordnungsgeber ermächtigt, die erhöhten Absetzungen vorübergehend auszusetzen (§ 51 Abs. 2 Satz 1 EStG). Wirtschaftsgüter, die vor dem Ausschlußzeitraum bestellt wurden oder mit deren Herstellung der Steuerpflichtige vor Beginn dieses Zeitraumes begonnen hatte, sollten aus Gründen der Rechtssicherheit und des Vertauensschutzes nicht betroffen werden. Um das zu erreichen, war es sinnvoll, auch die vorherige Bestellung von Gebäuden in die Ausnahmeregelung einzubeziehen, soweit eine derartige Bestellung möglich ist. Bei welchen Gebäuden diese Möglichkeit besteht, braucht der Senat nicht abschließend zu entscheiden. Jedenfalls kann ein auf eigenem Grund und Boden in Massivbauweise schlüsselfertig zu errichtendes Serienhaus in diesem Sinne bestellt werden. Aus der fiktiven Bestimmung des Zeitpunktes des Beginns der Herstellung von Gebäuden in § 51 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 EStG läßt sich nicht die Schlußfolgerung ableiten, der Gesetzgeber habe bei Gebäuden ausschließlich auf diesen Zeitpunkt abstellen wollen, so daß offenbleiben kann, ob gegen eine derartige Regelung verfassungsrechtliche Bedenken bestehen würden. Die endgültige Fassung und die in der Stellungnahme des BdF geschilderte Entstehungsgeschichte von § 1 Abs. 3 der 3. KonjVO lassen im übrigen erkennen, daß der Verordnungsgeber selbst Bedenken hatte, in allen Fällen den Zeitpunkt der Einreichung des Bauantrages zugrunde zu legen.

b) Nun könnte es naheliegen, die Bestellung lediglich in solchen Fällen maßgebend sein zu lassen, in denen sich die Gebäudeerrichtung mit anschließender Übertragung des Eigentums i. S. der steuerrechtlichen Bewertungs- und Abschreibungsvorschriften als Anschaffungsvorgang darstellt und der Besteller nicht als Bauherr, sondern als Ersterwerber i. S. von § 7 b Abs. 3 EStG auftritt (zu der Frage, wann dies der Fall ist, vgl. etwa BFH-Urteil vom 15. März 1973 VIII R 150/70, BFHE 109, 257, BStBl II 1973, 593). Diese Auslegung ist aber nicht zwingend. Es ist ebenso denkbar, daß die Begriffe im Verhältnis einer zeitlichen Aufeinanderfolge zu verstehen sind, damit sichergestellt ist, daß solche Vorgänge nicht von den Einschränkungen erfaßt werden, bei denen - sei es durch Bestellung, sei es durch Einreichung eines Antrags auf Baugenehmigung - die endgültige Bauentscheidung vor Beginn des Ausschlußzeitraumes unwiderruflich getroffen war. Es mag im allgemeinen zutreffen, daß bei Herstellung eines Gebäudes eine derartige Bindung durch den Antrag auf Baugenehmigung eintritt. Der erkennende Senat vermag sich jedoch der Auffassung, daß begrifflich nur im steuerrechtlichen Sinne anzuschaffende Gebäude "bestellt" werden können, nicht anzuschließen (so jedoch das zu § 27 Abs. 15 UStG 1973 ergangene nicht rechtskräftige Urteil des FG Baden-Württemberg vom 17. Dezember 1974 I 114/74, EFG 1975, 187).

aa) Der Begriff der Bestellung eines Wirtschaftsgutes ist in den Steuergesetzen nicht näher bestimmt. Der Wortsinn im Rahmen der Dritten Verordnung über steuerliche Konjunkturmaßnahmen ist nicht eindeutig. Eine Auslegung nach dem allgemeinen Sprachgebrauch zwingt nicht zu einer Beschränkung auf Anschaffungsvorgänge im engeren Sinne. Die Bestellung umfaßt danach vielmehr jedes Inauftraggeben zu dem Zweck, etwas zu erhalten, etwas zu schaffen, sich etwas zu beschaffen. Diese Auslegung wird bekräftigt durch die Bedeutung, die der Gesetzgeber dem Begriff im Rechtssinne beimißt. Im bürgerlichen Recht wird der Begriff des Bestellens nicht im Zusammenhang mit dem "Erwerb" aufgrund eines Kaufvertrages verwendet, der steuerrechtlich in der Regel zu einer Anschaffung, einem Ersterwerb i. S. von § 7 b Abs. 3 EStG führt, sondern im Zusammenhang mit dem "Erwerb" aufgrund eines Werkbzw. Werklieferungsvertrages (z. B. §§ 631 Abs. 1, 651 Abs. 1 BGB), der steuerrechtlich - soweit es um die Erstellung eines Gebäudes geht - in der Regel als Herstellungsvorgang gewertet wird, bei dem der "Besteller" Bauherr ist.

bb) Dieses Ergebnis der wörtlichen Interpretation wird gestützt durch die Auslegung nach dem Sinn und Zweck der Regelung. Die Ermächtigung in § 52 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 EStG und die darauf beruhende Dritte Verordnung über steuerliche Konjunkturmaßnahmen zielten darauf ab, bauwillige Steuerpflichtige zu bewegen, vorübergehend die Durchführung ihrer Baupläne hinauszuschieben, um so eine Dämpfung der überhitzten Nachfrage auf dem Bausektor zu erreichen. Angesichts dieser Zielsetzung wäre es sinnlos gewesen, in die Ausschlußregelung Fälle einzubeziehen, in denen die endgültige Entscheidung über die Gebäudeerstellung bereits unwiderruflich gefallen war.

Auch aus Gründen der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes war der Gesetzgeber verpflichtet, die Fälle auszunehmen, in denen sich der Steuerpflichtige bereits durch eine Bestellung gebunden hatte. Dies kommt besonders deutlich in der Begründung des Bundesrates zu der nachträglichen Einfügung einer Sonderregelung für Fertighäuser in § 1 Abs. 3 Satz 2 der 3. KonjVO zum Ausdruck, wonach nicht auf den Zeitpunkt des Bauantrages abgestellt werden könne, weil "der Steuerpflichtige sich hinsichtlich seines Hauses in obligo befinde, ohne die eingeplante Vergünstigung des § 7 b EStG in Anspruch nehmen zu können" (Bundesratsdrucksache 368/73).

Eine derartige Bindung tritt häufig erst durch den Beginn der Herstellung bzw. die gesetzliche Fiktion der Stellung des Bauantrages ein, häufig aber bereits durch die vorangegangene verbindliche Bestellung. Das zeigt sich besonders deutlich im Falle der Bestellung eines Serien- oder Typenhauses, das auf eigenem Grund und Boden des Bauherrn errichtet werden soll. Vom Zeitpunkt der Bestellung an befindet sich der Bauherr gemäß § 145 BGB "in obligo". Dem Antrag auf Baugenehmigung kommt nur noch eine untergeordnete Bedeutung zu.

Eine verfassungskonforme Auslegung der Ermächtigungsvorschrift des § 51 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 EStG läßt daher nur den Schluß zu, daß der Gesetzgeber bewußt und gewollt solche Erwerbsvorgänge von der Ermächtigung zum Erlaß einer Ausschlußregelung ausnehmen wollte, bei denen vor dem 9. Mai 1973 das Gebäude entweder bestellt oder der Bauantrag eingereicht war. Ob das Gebäude i. S. der einkommensteuerrechtlichen Bewertungs- und Abschreibungsvorschriften angeschafft oder hergestellt wird, ist i. S. der streitigen konjunkturpolitischen Regelung sachlich gleichbedeutend; die Begriffe sind in diesem Zusammenhang funktionsgleich.

3. Im Streitfall hat das FG die 7 b-Absetzungen nach diesen Grundsätzen zutreffend gewährt, da der Kläger das Gebäude vor Beginn des Ausschlußzeitraumes bestellt hatte. Die Bestellung bedurfte keiner notariellen Beurkundung, da sie nicht den Erwerb eines Grundstücks, sondern nur den Erwerb des Gebäudes umfaßte (§ 313 BGB).

 

Fundstellen

Haufe-Index 72380

BStBl II 1977, 635

BFHE 1978, 482

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Finance Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge