Leitsatz (amtlich)

1. Der Gesellschaftsteuerpflicht nach § 3 KapVStG für Gesellschafterdarlehen steht die Steuerbegünstigung des § 7c EStG zur Förderung des Wohnungsbaus nicht entgegen.

2. Die Gesellschafterdarlehen nach § 7c EStG sind insoweit gesellschaftsteuerpflichtig, als nach der Auffassung eines vorsichtigen Kaufmanns Eigenkapital geboten wäre.

 

Normenkette

KapVStG § 3

 

Tatbestand

Streitig ist, ob und in welcher Höhe Darlehen des Gesellschafters einer Kapitalgesellschaft zur Förderung des Wohnungsbaus im Sinne von § 7c des Einkommensteuergesetzes (EStG) der Gesellschaftsteuer gemäß § 3 des Kapitalverkehrsteuergesetzes (KapVStG) unterliegen.

Gegenstand und Zweck des Unternehmens der steuerpflichtigen Wohnungsbau-GmbH ist der Bau und die Verwaltung von Wohnungen. Am Stammkapital von 20 000 DM, das mit 1/4 eingezahlt ist, sind eine bergrechtliche Gewerkschaft zu 3/4, drei leitende Angestellte der Gewerkschaft zu 1/4 beteiligt. Die Gewerkschaft hat der GmbH sehr hohe unverzinsliche Darlehen zur Förderung des Wohnungsbaus im Sinne von § 7c EStG und § 15 Ziffer 1 der Körperschaftsteuer-Durchführungsverordnung (KStDV) gewährt. Die GmbH beabsichtigt, ihre Bautätigkeit mit Hilfe von weiteren § 7 c-Darlehen unter Heranziehung von Landesbaudarlehen und Hypothekenkrediten fortzusetzen.

Das Finanzamt hat die gesamten Gesellschafterdarlehen zur Steuer gemäß § 3 KapVStG herangezogen. Der Einspruch blieb erfolglos. Auf die Berufung hat das Finanzgericht die Darlehen in Höhe von 30 % der Gestehungskosten als Ersatz einer durch die Sachlage gebotenen Kapitalzuführung im Sinne von § 3 KapVStG angesehen und für steuerpflichtig erklärt.

Hiergegen wendet sich die Rechtsbeschwerde (Rb.) des Vorstehers des Finanzamts, die fordert, die Darlehen in voller Höhe zu versteuern.

Zutreffend ist das Finanzgericht davon ausgegangen, daß die Heranziehung der sogenannten § 7 c-Darlehen zur Gesellschaftsteuer nicht gegen Sinn und Zweck des § 7 c EStG verstößt. Es hat sich dabei auf das -- nicht zur Veröffentlichung freigegebene--Urteil des erkennenden Senats II 4/51 vom 20. Februar 1951, Betrieb 1951 S. 931, berufen. In diesem Urteil heißt es: "Wenn der Gesetzgeber aus wirtschaftspolitischen Gründen für bestimmte Fälle Steuererleichterungen oder Befreiungen für eine Steuerart anordnet, so kann daraus nicht der Schluß gezogen werden, daß die gleichen Befreiungen oder Erleichterungen ohne besondere gesetzliche Bestimmung auch für andere Steuerarten gelten. Für andere Steuerarten müßten vielmehr entsprechende gesetzliche Bestimmungen geschaffen werden, und es geht nicht an, daß die Rechtsprechung ohne solche gesetzliche Bestimmungen die Steuerfreiheit anerkennt. Damit würde sie sich an Stelle des Gesetzgebers setzen und Recht schaffen, anstatt das bestehende Recht auszulegen."

 

Entscheidungsgründe

Der Senat hält an der vorstehenden Rechtsauffassung fest. Mit ihr stimmt die Stellungnahme des Bundesministers der Finanzen in dem Erlaß vom 17. November 1949 zur Auslegung des § 7c EStG überein (Ministerialblatt des Bundesministeriums der Finanzen -- MinBlFin. -- 1949 S. 8); danach bleibt die Frage der Gesellschaftsteuerpflicht durch § 7c EStG unberührt.

Es kann demnach die Freistellung der § 7 c-Darlehen von der Gesellschaftsteuer auch nicht etwa durch erweiternde Auslegung gesetzlicher Befreiungs- oder Vergünstigungsvorschriften hergeleitet werden. Das Finanzgericht hat daher mit Recht abgelehnt, die in § 7c Absatz 1 Ziffer 1 KapVStG in Verbindung mit § 12 der Kapitalverkehrsteuer-Durchführungsbestimmungen (KapVStDB) und dem Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz vom 29. Februar 1940 (Reichsgesetzblatt -- RGBl. -- 1940 I S. 438. Reichssteuerblatt -- RStBl. -- 1940 S. 309) vorgesehenen Steuerbefreiungen für gemeinnützige Wohnungsunternehmen auf die steuerpflichtige GmbH auszudehnen.

Es ist mehrfach beanstandet worden, daß sich der Bundesfinanzhof in dem erwähnten Urteil nicht mit den Ausführungen im Schrifttum gegen die Gesellschaftsteuerpflicht der § 7 c-Darlehen auseinandergesetzt habe. Dieses hat insbesondere auf den steuerpolitischen Grund verwiesen, daß die Gesellschaftsteuerpflicht dem Sinn und Zweck des § 7 c EStG entgegenstehe. Dieser Auffassung stehen folgende Erwägungen entgegen. Die Vorschrift des § 7 c EStG gilt der Förderung des Wohnungsbaus. Sie läßt den Interessenten zahlreiche Wege offen, dieses Ziel unter voller Ausnützung der einkommensteuerlichen Begünstigung zu erreichen, ohne daß eine Kapitalverkehrsteuerpflicht entsteht. Wenn ein Unternehmen, um der Vergünstigung nach § 7 c EStG teilhaftig zu werden, zum Bau der Wohnungen mit begünstigten Mitteln als Rechtsträger eine besondere Kapitalgesellschaft (hier: GmbH) schafft, die ihm ganz oder teilweise gehört, so dient diese Art des Vorgehens nicht bloß der Förderung des Wohnungsbaus, sondern, mindestens im gleichen Maß dem Streben, dem Unternehmen über die GmbH wirtschaftlich das Eigentum an den Wohngebäuden, die mit den begünstigten Mitteln geschaffen sind, zu sichern. Entschließt sich das Unternehmen, dem die Wahl des einzuschlagenden Weges freisteht, für die Bildung einer eigenen Kapitalgesellschaft, so muß es in Kauf nehmen, daß die Vorteile seines Verhaltens durch die steuerlich vorgesehenen Belastungen verringert werden.

Die steuerpflichtige GmbH hat die Steuerfreiheit der Darlehen unter anderem mit deren Zweckgebundenheit begründet. Sie führt aus, die Darlehen seien der GmbH nicht gegeben, um ihr Kapital zuzuführen, über das sie frei verfügen könne, sondern nur zur Erfüllung eines bestimmten Zweckes nach Anweisung der Darlehnsgeberin Auch diese Begründung ist nicht stichhaltig. Nach dem Gesellschaftsvertrag sind Zweck und Gegenstand der GmbH der Bau und die Verwaltung von Wohnungen. Zu dem gleichen Zweck werden von der Gesellschafter-Gewerkschaft die Darlehen zur Verfügung gestellt. Zweck und Ziel der GmbH stimmen also völlig mit dem Interesse der Darlehnsgeberin überein. Eine Verwendung der Darlehen im Sinn des Gesellschaftszwecks, die durch das gemeinsame Interesse und die Zweckbestimmung herbeigeführt wird, kann die Steuerpflicht aber nicht beeinträchtigen; denn Mittel, die Kapitalgesellschaften aufnehmen, sind stets dazu bestimmt, für den Gesellschaftszweck verwendet zu werden. Auf die Frage, wie entsprechende Zuschüsse zu behandeln wären, braucht nicht eingegangen zu werden, da die Frage hier nicht streitig ist und die Entscheidung des vorliegenden Darlehnsfalls durch ihre Beantwortung nicht beeinflußt würde.

Daß eine GmbH, wie die Steuerpflichtige (Stpfl.), mit nur 5000 DM eigenen Mitteln keine Häuser bauen kann, bedarf keiner Erörterung. Kein gesellschaftsfremder Kapitalbesitzer würde einer solchen Gesellschaft Millionenbeträge an Darlehen, noch dazu ungesichert, gewähren. Somit ist mit dem Finanzgericht die grundsätzliche Gesellschaftsteuerpflicht derartiger Darlehen nach § 3 KapVStG zu bejahen. Die Entscheidung hängt, wie das Finanzgericht mit Recht bemerkt, lediglich davon ab, ob die Darlehen in voller Höhe oder nur zu einem Teilbetrag der Steuer zu unterwerfen sind. Gemäß § 3 KapVStG ist zu prüfen, inwieweit die Darlehnsgewährung durch die Gesellschafterin eine durch die Sachlage gebotene Kapitalzuführung ersetzt.

Wie das Finanzgericht ausführt, hat die Fassung des § 3 KapVStG das Ergebnis der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs zu § 6 c KapVStG a. F. zugrunde gelegt (vgl. Begründung zum KapVStG 1934 zu § 3, RStBl. 1934 S. 1465/1466). Nach der Rechtsprechung sollten nur solche Fälle der Darlehnsgewährung durch Gesellschafter von der Gesellschaftsteuer betroffen werden, in denen die Zuführung von Gesellschaftskapital das wirtschaftlich Gebotene gewesen wäre. Der Reichsfinanzhof hat davor gewarnt, die Heranziehung von Gesellschafterdarlehen zur Steuer zu überspannen, und Rücksicht auf die Tatsache gefordert, daß unsere Wirtschaftsordnung auf Kredit aufgebaut ist. Es müsse unterschieden werden, ob die Hineingabe von Kapital in eine Gesellschaft der Bildung oder Verstärkung des Gesellschaftskapitals oder der bloßen Kreditgewährung diene (vgl. Urteil II A 420/31 vom 5. Januar 1932, Rechtsspr. 15, Kartei, KapVStG zu § 6 c a. F. Abt. II; ebenso in dem vom Finanzgericht angezogenen Urteil II A 250/26 vom 9. Juli 1926, Kartei, Rechtsspr. 87 KapVStG zu § 6 c a. F.). Der Reichsfinanzhof hat zwar bei seinen Erwägungen nicht an eine Aufteilung der Darlehen in einen steuerfreien und in einen steuerpflichtigen Teil gedacht, sondern mehr an die Frage, ob die Darlehen im ganzen steuerfrei oder steuerpflichtig sind. In der Praxis der Finanzämter wurde bereits unter der Geltung des alten Kapitalverkehrsteuergesetzes eine derartige Teilung vorgenommen. Die Auffassung des Reichsfinanzhofs ist davon beeinflußt, daß früher die Steuerpflicht der Darlehen weitgehend nach subjektiven Erwägungen beurteilt wurde. Seit der Fassung des § 3 KapVStG 1934 ist der objektive Tatbestand ausschlaggebend.

Eine durch die Sachlage gebotene Kapitalzuführung wird durch eine Darlehnsgewährung insoweit ersetzt, als ein verantwortungsbewußter, vorsichtiger Kaufmann, der alle Umstände, insbesondere die vorhandenen Risiken, verständnisvoll berücksichtigt, zur gedeihlichen Fortführung des Geschäftsbetriebs des Unternehmens Eigenmittel (Eigenkapital) für erforderlich ansieht. Die Finanzierung des Wohnungsbaus geht allerdings ihre eigenen Wege. Daher können nach Auffassung des Senats für den sozialen Wohnungsbau die bei der steuerlichen Beurteilung der Gesellschafterdarlehen sonst entwickelten Grundsätze nicht ohne weiteres angewendet werden. Wie das Finanzgericht ausgeführt hat, wird in der Wirtschaft der Wohnungsbau nicht bloß mit eigenen Mitteln finanziert, sondern in weitem Umfang mit Fremd kapital. Private Geldgeber, Pfandbriefinstitute, Sparkassen und Bausparkassen, die öffentliche Hand (Landesbaudarlehen) usw. sind mit Darlehen an der Aufbringung der Mittel für den Wohnungsbau beteiligt. Die Geldgeber müssen im Interesse der eigenen Sicherheit eine angemessene Beteiligung der Bauherren an den Gestehungskosten des Wohnungsbaus verlangen. Die Risiken des Wohnungsbaus sind infolge des starken Anstiegs der Baustoffpreise, der Bauarbeiterlöhne und der Zinsen außerordentlich gewachsen. Diesem Umstand muß durch entsprechende Selbstbeteiligung der Bauherren an den Gestehungskosten, im vorliegenden Fall der Wohnungsbaugesellschaft Rechnung getragen werden. Sonst sind die Gesellschaften nicht ausreichend gerüstet, die Gefahren eines Wirtschaftsumschwungs zu überstehen.

Das Maß der erforderlichen Selbstbeteiligung an der Finanzierung steht allerdings nicht für alle Fälle einheitlich fest. Diese Frage muß im Zweifel unter Umständen durch Zuziehung von Sachverständigengutachten geklärt werden.

Das Finanzgericht hat die Steuerpflicht nach der Wirtschaftsüblichkeit bemessen. Es hat festgestellt, daß nach den Erfahrungen der Finanzverwaltungen der norddeutschen Länder der Fremdgeldanteil bei der Wohnungsbaufinanzierung bis zu 65 bis 70 % ausmache, und hat daraus geschlossen, daß eine über 30 bis 35 % hinausgehende Darlehnsgewährung durch Gesellschafter keine durch die Sachlage gebotene Kapitalzuführung darstelle. Die Erwägung, daß in dieser Höhe eine Kapitalzuführung angenommen wird, bildet die Grundlage dafür, daß der übrige Teil des Darlehns als echtes Darlehen angesehen werden kann. Obgleich nach dem Gesetz für die Entscheidung nicht der Standpunkt der Verkehrsüblichkeit, sondern des nach der Sachlage Gebotenen entscheidend ist, trägt der Senat keine Bedenken, den vom Finanzgericht als üblich ermittelten Eigenkapitalanteil von 30 bis 35 % im Streitfall als Maßstab für das nach der Sachlage Gebotene anzuerkennen. Wenn das Finanzgericht nach eingehenden Erwägungen dazu gekommen ist 30 % des Gesellschafterdarlehns der Versteuerung zugrunde zu legen, so ist das nicht zu beanstanden.

Das Finanzgericht hat bei der Bemessung des üblichen Eigenkapitalanteils der GmbH an der Finanzierung der Gestehungskosten davon abgesehen, das Stammkapital zu berücksichtigen, und daher 30 % der Gesellschafterdarlehen bzw. der Gestehungskosten voll als durch die Sachlage gebotene Kapitalzuführung angesehen. Das Finanzgericht hat dies im Streitfall zutreffend damit begründet, daß die GmbH ihr -- noch dazu nur mit 5000 DM eingezahltes -- Stammkapital bereits für ihren inneren Geschäftsbetrieb benötige. Diesen Ausführungen tritt der Senat bei. Die sogenannten § 7 c-Gesellschaften besitzen meist nur das gesetzlich vorgeschriebene Mindestkapital. Dieses wird regelmäßig für die Berechnung des steuerpflichtigen Eigenkapitalanteils nicht in Frage kommen.

Die Einwendung des Finanzamts, daß die GmbH auf die Heranziehung von Fremdkapital verzichte, zwingt nicht zur Annahme, daß die Darlehen vollständig Eigenkapital der GmbH ersetzen. Ein Darlehen bleibt, wenn nicht Kapitalzuführung geboten ist, echtes Darlehen, auch wenn der Darlehnsgeber ein Gesellschafter ist. Es besteht somit kein Anlaß, über den vom Standpunkt eines vorsichtigen Kaufmanns gebotenen Anteil des Eigenkapitals an den Gestehungskosten hinaus Darlehnsgewährungen steuerlich als Eigenkapital zu behandeln.

Zu Unrecht beruft sich das Finanzamt auf die Zweckwillenstheorie des Reichsfinanzhofs (grundlegend das Urteil II A 666/31 vom 26. Oktober 1932, Slg. Bd. 32 S. 145, und zahlreiche folgende). Diese Lehre ist vom Reichsfinanzhof für die steuerliche Behandlung von Organverhältnissen entwickelt. Sie geht davon aus, daß die Absicht eines Unternehmens, eine Tochtergesellschaft zu gründen, auch den Willen in sich schließe, dieser Gesellschaft die für ihre Zwecke erforderlichen Mittel zu geben. Daher seien alle Leistungen an die Tochtergesellschaft steuerlich zu erfassen. Demgegenüber ist daran festzuhalten, daß die subjektive Betrachtungsweise, die in dieser Theorie zum Ausdruck kommt, gerade bei Gesellschafterdarlehen weitgehend zurückgedrängt ist. Auf der anderen Seite geht es nicht an, Organgesellschaften steuerlich bei der Darlehnsgewährung schlechter zu stellen, als andere Gesellschaften, wenn die Organgesellschaften bei der Heranziehung zur Gesellschaftsteuer sonst lediglich nach ihrer Rechtsform behandelt werden. Eine Schlechterstellung von Beteiligungsgesellschaften, zu denen die sogenannten § 7 c-Gesellschaften fast stets zählen, läßt sich somit aus dem Gesetz nicht rechtfertigen.

Auch die Berufung des Finanzamts auf die Grundsätze des Urteils des Reichsfinanzhofs II 175/38 vom 25. April 1939, wonach das Eigenkapital nicht nur das Anlagevermögen, sondern auch einen wesentlichen Teil des Umlaufsvermögens decken solle, geht am Problem vorbei. Wohnungsbaugesellschaften besitzen im wesentlichen Anlagegüter. Umlaufvermögen haben sie regelmäßig nur in beschränktem Umfang, nämlich für den inneren Betrieb. Es entspricht der nach der Auffassung der Wirtschaft gebotenen Finanzierungsform, daß die langfristige Anlage im Wohnungsbau langfristig, d. h. durch Eigenkapital oder durch Dauerdarlehen, gedeckt wird.

Eine Besteuerung der Darlehen nach § 2 Ziffer 2 KapVStG kommt ebenfalls nicht in Frage. Es läßt sich aus den Umständen nicht beweisen, daß die Darlehen auf Verpflichtungen aus dem Gesellschaftsverhältnis beruhen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 425846

BStBl III 1952, 181

BFHE 1953, 468

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