Entscheidungsstichwort (Thema)

Abbruchkosten nach Grundstücksschenkung; Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei Versäumung der Revisionsbegründungsfrist

 

Leitsatz (NV)

1. Wird die Frist zur Begründung der Revision versäumt, weil die Post ein am Freitag aufgegebenes Päckchen, das bei normalen Postlauf am folgenden Montag hätte eintreffen müssen, erst am Dienstag übermittelt, so ist dem Revisionskläger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

2. Übernimmt im Rahmen einer Erbauseinandersetzung über ein mit einem Einfamilienhaus bebauten Grundstück ein Miterbe das Grundstück mit der Maßgabe, anschließend das Einfamilienhaus abzureißen und statt dessen ein Zweifamilienhaus mit einer für den anderen Miterben vorgesehenen Einliegerwohnung zu errichten, so sind die Abbruchkosten und der Restwert des Einfamilienhauses den Herstellungskosten des Neubaus zuzurechnen (Anschluß an BFH-Urteil vom 7. 10. 1986 IX R 93/82, BFHE 148, 495, BStBl II 1987, 330).

 

Normenkette

FGO §§ 56, 120 Abs. 1 Sätze 1-2, § 121; EStG § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 7, § 7 Abs. 1 S. 4, Abs. 4 S. 3, § 21; EStDV § 11d

 

Verfahrensgang

FG Nürnberg

 

Tatbestand

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind zusammenveranlagte Eheleute. Die Eltern der Klägerin waren je zur Hälfte Miteigentümer eines Grundstücks, das mit einem 1953 errichteten Einfamilienhaus bebaut war. Nach dem Tod des Vaters erbten dessen Miteigentumsanteil die Klägerin und ihre Mutter je zur Hälfte. Mit notariellem Auseinandersetzungsvertrag vom 14. Januar 1977 übertrug die Mutter ihren Miteigentumsanteil an die Klägerin, so daß diese nunmehr Alleineigentümerin des Grundstücks wurde. Es wurde unter anderem vereinbart, daß das Einfamilienhaus durch die Klägerin abgerissen und statt dessen ein neues Wohngebäude mit einer abgeschlossenen Einliegerwohnung im Dachgeschoß errichtet werden sollte. An dieser Wohnung wurde der Mutter ein Wohnrecht als beschränkte persönliche Dienstbarkeit bestellt. Die Klägerin verpflichtete sich, die Wohnung in einem gut wohn- und heizbaren Zustand zu erhalten. Das anstelle des abgerissenen Altbaus neu errichtete Zweifamilienhaus wurde von den Beteiligten am 1. August 1977 bezogen.

In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1977 machten die Kläger die Abbruchkosten in Höhe von 24 000 DM als Herstellungskosten des Zweifamilienhauses geltend. Dem folgte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) zunächst mit dem unter Vorbehalt der Nachprüfung erlassenen Einkommensteuerbescheid. Im Rahmen einer Außenprüfung gelangte der Prüfer zu dem Ergebnis, daß die Klägerin den Miteigentumsanteil ihrer Mutter in Abbruchabsicht erworben habe und deshalb die Abbruchkosten und der Restwert des Einfamilienhauses zu 1/4 als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung, im übrigen aber als Herstellungskosten des Zweifamilienhauses zu behandeln seien. Dem folgte das FA im endgültigen Einkommensteuerbescheid 1977. Der Einspruch der Kläger, mit dem der Abzug der gesamten Abbruchkosten und des Restwerts des Einfamilienhauses in Höhe von unstreitig 6 000 DM als Werbungskosten begehrt wurde, blieb erfolglos.

Das Finanzgericht (FG) gab der von den Klägern erhobenen Klage statt. Es ging davon aus, daß die Klägerin den Miteigentumsanteil ihrer Mutter unentgeltlich erworben habe. Hinsichtlich des erbengemeinschaftlichen Hälfteanteil ergebe sich dies bereits aus dem Umstand, daß die Übertragung insoweit im Rahmen einer Erbauseinandersetzung erfolgt sei. Ein derartiger Erwerb sei immer unentgeltlich (Hinweis auf Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 7. Oktober 1980 VIII R 111/78, BFHE 132, 32, BStBl II 1981, 157). Der Restanteil sei deshalb unentgeltlich erworben, weil die von der Klägerin nach dem notariellen Vertrag zu erbringenden Leistungen jedenfalls keine nach kaufmännischen Gesichtspunkten ausgehandelte, am Wert des übertragenen Miteigentumsanteils ausgerichtete Gegenleistung darstellten. Die Vermutung, daß die Übertragung des Miteigentumsanteils durch die Mutter der Klägerin insoweit unentgeltlich erfolgt sei, sei somit nicht widerlegt. Die Rechtsprechung des BFH, insbesondere im Beschluß des Großen Senats vom 12. Juni 1978 GrS 1/77 (BFHE 125, 516, BStBl II 1978, 620), wonach bei Erwerb eines Gebäudes in Abbruchabsicht die Abbruchkosten und der Restwert des abgebrochenen Gebäudes den Herstellungskosten des neuen Gebäudes zuzurechnen seien, komme bei einem unentgeltlichen Erwerb nicht zum Tragen.

Gegen das ihm am 30. Juni 1983 zugestellte FG-Urteil legte das FA am 26. Juli 1983 Revision ein. Die Revisionsbegründung ging nach Verlängerung der Begründungsfrist bis 3. Oktober 1983 am 4. Oktober 1983 beim BFH ein. Auf den Hinweis durch den Senatsvorsitzenden des früher zuständigen VIII. Senats des BFH, daß die Revisionsbegründung verspätet eingegangen sei, bat das FA um Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen unverschuldeter Versäumung der Begründungsfrist. Die Revisionsbegründung sei am Freitag, dem 30. September 1983, also vier Tage vor Fristablauf, als Päckchen zur Post gegeben worden. Nach der beigefügten Auskunft des Postamts X werde ein gewöhnliches Päckchen, das am Freitag, dem 30. September 1983, nachmittags, beim Postamt eingeliefert werde, dem Empfänger bei Regelbeförderung spätestens am Montag, dem 3. Oktober 1983, zugestellt. An dem vom üblichen Beförderungszeitraum abweichenden verspäteten Zugang treffe das FA kein Verschulden (Hinweis auf Beschluß des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom 5. Februar 1980 2 BvR 914/79, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung - HFR - 1980, 203). Das FA habe die Frist bis zum Ende ausnützen dürfen (Hinweis auf BVerfGE 45, 360, und 46, 404).

In der Sache selbst rügt das FA Verletzung des § 76 der Finanzgerichtsordnung (FGO) und der § 7 Abs. 1 Satz 4, Abs. 4 Satz 3, § 9 Abs. 1 Nr. 7 und § 21 a des Einkommensteuergesetzes (EStG).

 

Entscheidungsgründe

1. Die Revision ist zulässig.

Nach § 120 Abs. 1 Satz 1 FGO ist die Revision innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich beim FG einzulegen und spätestens innerhalb eines weiteren Monats zu begründen. Die Frist für die Revisionsbegründung kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag durch den Vorsitzenden des zuständigen Senats des BFH verlängert werden (§ 120 Abs. 1 Satz 2 FGO).

Im Streitfall ist die Revision innerhalb der Revisionsfrist beim FG eingegangen. Für die Versäumung der bis 3. Oktober 1983 verlängerten Revisionsbegründungsfrist ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß §§ 56, 121 FGO zu gewähren. Denn das FA hat die Revisionsbegründungsfrist als gesetzliche Frist (BFH-Beschluß vom 22. Mai 1970 III R 72/69, BFHE 99, 298, BStBl II 1970, 642) ohne Verschulden versäumt. Nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG (vgl. den Beschluß des BVerfG in HFR 1980, 203, Steuerrechtsprechung in Karteiform - StRK -, Finanzgerichtsordnung, § 56, Rechtsspruch 336) können Verzögerungen bei der Briefbeförderung oder -zustellung, die der Revisionskläger nicht zu vertreten hat, nicht als dessen Verschulden gewertet werden. In der Verantwortung des Revisionsklägers liegt nur, das zu befördernde Schriftstück den postalischen Bestimmungen entsprechend und so rechtzeitig zur Post zu geben, daß es nach den organisatorischen und betrieblichen Vorkehrungen der Deutschen Bundespost bei regelmäßigem Betriebsablauf den Empfänger fristgerecht erreicht. Dem hat das FA mit der Aufgabe der Sendung am Nachmittag des Freitags, den 30. September 1983, noch genügt. Denn die Sendung hätte nach der Auskunft des Postamts bei normalem Postlauf fristgerecht beim BFH eintreffen müssen. Aus dieser Auskunft ergibt sich nicht, daß die vom FA gewählte Versendung als Päckchen zu einer längeren Postlaufzeit als des 3. Oktober 1983 geführt hätte. Die Fristversäumung ist auch nicht deshalb verschuldet, weil die Frist im Anschluß an ein Wochenende ausgelaufen ist. Das FA durfte die ihm eingeräumte Frist voll ausnutzen und brauchte wegen des bevorstehenden Wochenendes nicht mit einer Verzögerung der Zustellung bis Dienstag, den 4. Oktober 1983, zu rechnen (vgl. außer den vom FA genannten Entscheidungen des BVerfG auch den Beschluß des Bundesverwaltungsgerichts - BVerwG - vom 15. November 1979 2 B 64/78, StRK, Finanzgerichtsordnung, § 56, Rechtsspruch 339).

2. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des FG-Urteils und Klageabweisung.

Der Restwert des Hauses in Form der AfaA und die Abbruchkosten sind hier keine Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung. Nach gefestigter neuerer BFH-Rechtsprechung, welcher der erkennende Senat beigetreten ist, kann Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung nur abziehen, wer den Tatbestand dieser Einkunftsart verwirklicht. Können oder sollen Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung nicht erzielt werden, sind die im Zusammenhang mit dem Mietobjekt stehenden Aufwendungen keine Werbungskosten. Dies gilt entsprechend den Ausführungen des Senats im zur Veröffentlichung bestimmten Urteil vom 7. Oktober 1986 IX R 93/82 (ein retuschierter Abdruck liegt bei) auch dann, wenn bei Schenkung eines bebauten Grundstücks - hier unter der Auflage der Wohnrechtsbestellung - bereits feststeht, daß das vorhandene Haus vom Beschenkten alsbald abgerissen werden soll.

So liegt der Fall nach dem eigenen Vorbringen der Kläger auch hier. Die Klägerin und ihre Mutter hatten schon im Auseinandersetzungsvertrag vereinbart, daß das Einfamilienhaus abgerissen und das Zweifamilienhaus entsprechend der bereits erteilten Baugenehmigung errichtet werden sollte.

Wie im Urteil vom 7. Oktober 1986 IX R 93/82 ausgeführt, können der Restwert des Hauses in Form der AfaA und die Abbruchkosten auch bei einem unentgeltlichen Einzelerwerb in Abbruchabsicht keine sofort abziehbaren Werbungskosten, sondern nur Herstellungskosten des neuen Wirtschaftsguts sein. Diese Rechtsauffassung hat das FA in dem angefochtenen Einkommensteuerbescheid zugrunde gelegt.

 

Fundstellen

Haufe-Index 61667

BFH/NV 1988, 26

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