Leitsatz (amtlich)

1. Der Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KraftStG 1972 war verwirklicht, sobald das Kfz nach den verkehrsrechtlichen Vorschriften zum Verkehr auf öffentlichen Straßen zugelassen worden war, nicht erst, wenn mit ihm eine öffentliche Straße tatsächlich befahren wurde.

2. Wurde das zugelassene Fahrzeug nicht ausschließlich in einem landwirtschaftlichen Betrieb, sondern auch anderweitig (z. B. in einem gewerblichen Betrieb) verwendet, so war sein Halten nicht steuerfrei, selbst wenn bei der anderweitigen Verwendung des Fahrzeugs öffentliche Straßen nicht benutzt wurden. Soweit dem BFH-Urteil vom 27. April 1962 II 173/61 U (BFHE 75, 32, BStBl III 1962, 281) etwas anderes zu entnehmen sein sollte, hält der erkennende Senat daran nicht fest.

2. Zur Wirkung der Verjährung von Kraftfahrzeugsteueransprüchen.

 

Normenkette

KraftStG 1972 § 1 Abs. 1 Nrn. 1, 3, § 2 Nr. 6 Buchst. a, § 13 Abs. 1; KraftStG 1979 § 1 Abs. 1 Nrn. 1, 3, § 3 Nr. 7 Buchst. a, §§ 6, 11 Abs. 1, § 12 Abs. 2 Nr. 2, 2. Alt; StVZO § 18 Abs. 1; AO § 144 Abs. 1 S. 2, § 145 Abs. 1, § 146a Abs. 3, §§ 147, 148 S. 1; StAnpG § 3 Abs. 1; AO 1977 § 173 Abs. 1 Nr. 1, § § 228 ff., §§ 229, 231-232; EGAO 1977 Art. 97 § 9; EGAO 1977 § 10 Abs. 1

 

Verfahrensgang

Niedersächsisches FG

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) betreibt eine Landwirtschaft und ein Gewerbe (Campingplatz und Pferdepension). Für ihn war am 6. März 1972 eine Zugmaschine (zulässiges Gesamtgewicht 3 200 kg) zum Verkehr auf öffentlichen Straßen zugelassen worden. Er hatte damals geltend gemacht, das Halten der Zugmaschine sei von der Steuer befreit gemäß § 2 Nr. 6 des Kraftfahrzeugsteuergesetzes i. d. F. vom 1. Dezember 1972 - KraftStG 1972 - (BGBl I 1972, 2209, BStBl I 1972, 551), da er das Fahrzeug "ausschließlich in land- oder forstwirtschaftlichen Betrieben verwenden ... werde". Daraufhin hatte ihm der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) eine "Bescheinigung über Kraftfahrzeugsteuerbefreiung" erteilt.

Im Jahre 1976 prüfte das FA den gewerblichen Betrieb des Klägers. Dabei stellte es fest, daß der Kläger die Zugmaschine nicht nur in seinem landwirtschaftlichen, sondern auch in seinem gewerblichen Betrieb verwendete, z. B. zum Lockern des Bodens auf den Reitplätzen und zum Heranschaffen von Stroh. Es setzte daraufhin durch Bescheid vom 21. Februar 1978 die Kraftfahrzeugsteuer auf 362,50 DM fest (bei jährlicher Entrichtung der Steuer) und forderte für die Vergangenheit (6. März 1972 bis 5. März 1978) 2 175 DM Kraftfahrzeugsteuer nach.

Der Kläger hat nach erfolglos gebliebenem Einspruchsverfahren Klage erhoben. Während des finanzgerichtlichen Verfahrens hat das FA den angefochtenen Bescheid insofern geändert, als es durch Berichtigungsbescheid vom 7. September 1979 die Kraftfahrzeugsteuer erst für die Zeit ab 1. Januar 1973 nachgefordert hat. Der Kläger hat beantragt, den Berichtigungsbescheid zum Gegenstand des Verfahrens zu machen. Der Bescheid sei rechtswidrig und deshalb aufzuheben. Zwar habe er die Zugmaschine auch in seinem gewerblichen Betrieb verwendet; aber er habe dabei keine öffentlichen Straßen befahren, sondern lediglich die zwischen seinem Hof und einem benachbarten Hof verlaufende Gemeindestraße sowie einen öffentlichen Weg überquert. Das Halten und Nutzen eines Kfz nur auf eigenem Grundstück löse aber keine Zulassungspflicht aus, auch bedürfe es in solchem Falle keines Antrags auf Freistellung von der Kraftfahrzeugsteuer. Diese Auffassung habe der Bundesfinanzhof (BFH) vertreten in seinem Urteil vom 27. April 1962 II 173/61 U (BFHE 75, 32, BStBl III 1962, 281).

Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen. Der angefochtene Bescheid sei rechtmäßig. Da das Fahrzeug des Klägers zum Verkehr auf öffentlichen Straßen zugelassen worden sei und sein Halten keinen Befreiungstatbestand erfülle, schulde der Kläger die festgesetzte Steuer.

Mit seiner vom BFH zugelassenen Revision rügt der Kläger Verletzung des § 1 Abs. 1 Nr. 1 und des § 2 Nr. 6 Buchst. a KraftStG 1972. Er beantragt, das angefochtene Urteil und den Berichtigungsbescheid aufzuheben.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist nur zu einem geringen Teil begründet.

Unbegründet ist sie, soweit das FG stillschweigend davon ausgegangen ist, daß die "Bescheinigung über Kraftfahrzeugsteuerbefreiung" als Freistellungsbescheid zu beurteilen ist und daß das FA diesen Freistellungsbescheid mit Wirkung für die Vergangenheit zum Nachteil des Klägers ändern durfte. Hierzu war das FA befugt, weil ihm die Tatsache, daß der Kläger seine Zugmaschine auch in seinem gewerblichen Betrieb verwendete, erst nachträglich bekanntgeworden war und diese Tatsache "zu einer höheren Steuer" führt (§ 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung - AO 1977 -, Art. 97 § 9 des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung - EGAO 1977 -; BFH-Urteil vom 28. Januar 1976 II R 98/74, BFHE 118, 246, BStBl II 1976, 390). Höhere Steuer in diesem Sinn ist auch eine erstmalig festgesetzte Steuer., wenn - wie im vorliegenden Falle - das FA eine Steuer bisher deshalb nicht festgesetzt hat, weil es im Vertrauen auf die Richtigkeit der Angaben des Steuerpflichtigen einen gesetzlichen Befreiungstatbestand für erfüllt hielt.

Das Halten der bezeichneten Zugmaschine zum Verkehr auf öffentlichen Straßen unterliegt der Kraftfahrzeugsteuer gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 KraftStG 1972 (jetzt § 1 Abs. 1 Nr. 1 KraftStG 1979). Die Merkmale dieses Tatbestandes sind nicht erst verwirklicht, wenn - wie der Kläger meint - mit dem Fahrzeug eine öffentliche Straße tatsächlich befahren wird, sondern schon dann, wenn das Fahrzeug nach den verkehrsrechtlichen Vorschriften über das Zulassungsverfahren für Kfz (§§ 18 ff. der Straßenverkehrs-Zulassungsordnung - StVZO -) "zum Verkehr zugelassen" worden ist. Denn dadurch hat der Halter das Recht erlangt, das Fahrzeug "auf öffentlichen Straßen ... in Betrieb" zu setzen (§ 18 Abs. 1 StVZO). An dieses Recht knüpft das Gesetz die Steuer. Das ergibt sich aus dem Wortlaut der Vorschrift ("Halten zum ...") und ihrem Zusammenhang mit § 1 Abs. 1 Nr. 3 KraftStG 1972 (nur bei dem in dieser Vorschrift normierten Steuertatbestand der "widerrechtlichen Benutzung eines Kraftfahrzeugs auf öffentlichen Straßen" knüpft das Gesetz die Besteuerung an die Benutzung des Fahrzeugs). Die Entstehungsgeschichte der Vorschrift bestätigt dieses Auslegungsergebnis: Früher unterlag der Kraftfahrzeugsteuer "die Benutzung von Kraftfahrzeugen zum Befahren öffentlicher Wege" (§ 1 KraftStG vom 11. April 1933, RGBl I 1933, 195). Geändert wurde diese Bezeichnung des Steuergegenstandes in der neuen Fassung des KraftStG vom 23. März 1935 (RGBl I 1935, 407, RStBl 1935, 497). Sie lautete nunmehr: "Der Steuer unterliegt das Halten eines Kraftfahrzeugs zum Verkehr auf öffentlichen Straßen" (§ 1 Abs. 1 KraftStG 1935). Dadurch sollte zum Ausdruck gebracht werden, daß die Steuer anknüpft an das "Recht zur Benutzung des Fahrzeugs" und es nicht darauf ankommt, "ob und in welchem Umfang von diesem Recht tatsächlich im Einzelfall Gebrauch gemacht wird" (Gesetzesbegründung RStBl 1935, 500, mit Nachweisen auf die diese Entwicklung einleitende frühere Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs - RFH -; vgl. auch BFH-Urteil vom 27. Juni 1973 II R 179/71, BFHE 110, 213, 216, BStBl II 1973, 807, 809). Es ist sonach richtig, wenn das FG ausgeführt hat: "Soll ein Kraftfahrzeug ... nicht zum Verkehr auf öffentlichen Straßen benutzt werden, so braucht es nicht zugelassen zu werden und unterliegt dann auch nicht der Kraftfahrzeugsteuer (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 und § 2 Nr. 1 KraftStG). Wird es aber zum Betrieb auf öffentlichen Straßen zugelassen, so ist es nur bei Vorliegen eines der eng begrenzten Befreiungstatbestände des KraftStG von der Steuer" befreit. Demzufolge ist das Halten eines Fahrzeugs, das - wie im vorliegenden Falle - nicht ausschließlich in einem landwirtschaftlichen Betrieb, sondern auch anderweitig (in einem gewerblichen Betrieb) verwendet wird, nicht steuerfrei, selbst wenn bei der anderweitigen Verwendung des Fahrzeugs öffentliche Straßen nicht benutzt werden. Soweit aus dem vom Kläger angeführten Urteil in BFHE 75, 32, BStBl III 1962, 281 etwas anderes zu entnehmen sein sollte, hält der erkennende Senat daran nicht fest.

Der Kläger beruft sich in diesem Zusammenhang auch auf den zu § 1 Abs. 1 Nr. 3 KraftStG 1955 ergangenen BFH-Beschluß vom 14. Dezember 1960 II F 3/60 U (BFHE 72, 221, 224, BStBl III 1961, 83, 84) und die darin enthaltene Bemerkung: "Im übrigen stellt sich die Kraftfahrzeugsteuer zwar nicht rechtlich, wohl aber sachlich als Entgelt für die Be- und Abnutzung öffentlicher Straßen durch Kraftfahrzeuge und ihre Anhänger dar." Diese Bemerkung steht indes nicht in Widerspruch, sondern in Einklang mit der dargelegten Rechtsauffassung.

Die Kraftfahrzeugsteueransprüche waren - mit Ausnahme des am 6. März 1972 entstandenen Anspruchs - nicht verjährt. Entstanden waren sie jeweils mit Beginn des jährlichen Entrichtungszeitraums. Das folgte aus § 1 Abs. 1 Nr. 1 KraftStG 1972 i. V. m. § 3 Abs. 1 des Steueranpassungsgesetzes - StAnpG - (vgl. jetzt § 6 KraftStG 1979). Demzufolge begann für den am 6. März 1973 entstandenen Steueranspruch die fünfjährige Verjährungsfrist mit Ablauf des 31. Dezember 1973 (§ 144 Abs. 1 Satz 1, § 145 Abs. 1 der Reichsabgabenordnung - AO -, Art. 97 § 10 Abs. 1 EGAO 1977). Sie hätte geendet mit Ablauf des 31. Dezember 1978, wenn sie nicht unterbrochen worden wäre durch den mit einer Zahlungsaufforderung verbundenen Steuerbescheid vom 21. Februar 1978 (§ 147 AO). Entsprechendes gilt für die in den Jahren 1974 bis 1979 entstandenen Steueransprüche.

Der am 6. März 1972 entstandene Kraftfahrzeugsteueranspruch war mit Ablauf des 31. Dezember 1977 durch Verjährung erloschen (§ 144 Abs. 1, § 145 Abs. 1, § 148 AO). Der Ablauf dieser Verjährungsfrist war nicht etwa dadurch gehemmt worden, daß das FA im Jahre 1976 den gewerblichen Betrieb des Klägers geprüft hatte. Denn es ist nicht erkennbar, daß sich jene Betriebsprüfung auch auf den bezeichneten Kraftfahrzeugsteueranspruch erstreckt hätte (§ 146 a Abs. 3 AO; vgl. in diesem Zusammenhang die BFH-Urteile vom 10. Dezember 1971 III R 35/71, BFHE 104, 282, BStBl II 1972, 331; vom 26. März 1974 VII R 133/71, BFHE 112, 324, und vom 12. Juli 1978 II R 13/75, BFHE 126, 121, BStBl II 1979, 250, m. w. N.).

Begründet ist die Revision des Klägers nur insoweit, als das FG es für rechtmäßig erachtet hat, daß das FA die Kraftfahrzeugsteuer schon ab 1. Januar 1973 statt erst ab 6. März 1973 nachgefordert hat. Insoweit ist das Urteil des FG aufzuheben, weil es auf einer Verletzung des damals geltenden § 148 AO beruht (§ 155 der Finanzgerichtsordnung - FGO -, § 564 Abs. 1 der Zivilprozeßordnung - ZPO -). Gemäß dieser Vorschrift erlosch "durch die Vollendung der Verjährung" (d. h. mit Ablauf des 31. Dezember 1978) "der Anspruch". Anspruch in diesem Sinn war der am 6. März 1972 entstandene Anspruch auf die jeweils für die Dauer eines Jahres im voraus zu entrichtende Kraftfahrzeugsteuer (d. h. für die Zeit vom 6. März 1972 bis 5. März 1973, nicht nur für die Zeit vom 6. März bis 31. Dezember 1972).

Der erkennende Senat entscheidet in der Sache selbst. Der angefochtene Bescheid vom 7. September 1979 ist insoweit aufzuheben, als er die Nachforderung von Kraftfahrzeugsteuer auch für die Zeit vom 1. Januar bis 5. März 1973 betrifft, denn insoweit ist er aus den dargelegten Gründen rechtswidrig (§ 121, § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).

 

Fundstellen

Haufe-Index 74986

BStBl II 1984, 459

BFHE 1984, 480

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