Entscheidungsstichwort (Thema)

Darlehensverlust als Werbungskosten bei Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit

 

Leitsatz (NV)

Der (wirtschaftliche) Verlust eines Darlehens, das ein Arbeitnehmer seinem Arbeitgeber gewährt hat, kann auch bei Vereinbarung einer normalen Zinshöhe als Werbungskosten berücksichtigt werden, wenn der Arbeitnehmer das Risiko des Darlehensverlustes aus beruflichen Gründen bewußt auf sich genommen hat. Notwendige Bedingung für die Annahme beruflicher Gründe ist, daß ein Außenstehender -- insbesondere eine Bank -- das Darlehen mit Rücksicht auf die Gefährdung der Darlehensforderung nicht gewährt hätte. Ob bei Erfüllung dieser Bedingung im konkreten Einzelfall berufliche Gründe anzunehmen sind, ist durch Abwägung aller Umstände zu entscheiden. Der Arbeitnehmer trägt insoweit die Feststellungslast.

 

Normenkette

EStG § 9 Abs. 1

 

Verfahrensgang

FG Rheinland-Pfalz

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war seit Anfang des Jahres 1989 -- ohne Gesellschafter zu sein -- Geschäftsführer der X- GmbH (im folgenden: GmbH). Alleingesellschafterin war die Y-GmbH & Co. KG (im folgenden: KG), deren Geschäfte ebenfalls der Kläger führte. Auch an dieser KG, die über 100 Einzelhändler als Kommanditisten hatte, war der Kläger nicht als Gesellschafter beteiligt. Dasselbe gilt für deren Komplementär-GmbH.

Die KG befaßte sich mit dem Einkauf für ihre Kommanditisten, während die GmbH der Standortsicherung einzelner Geschäfte dienen sollte, ohne für die KG existenznotwendig zu sein. Aus seiner Geschäftsführertätigkeit bezog der Kläger in den Jahren 1986 bis 1990 folgende Bruttolöhne von ca.:

82 000 DM

95 000 DM

135 000 DM

172 000 DM

157 000 DM.

Davon entfielen auf die Geschäftsführertätigkeit für die GmbH 42 000 DM im Jahre 1989 und 43 100 DM im Jahre 1990.

Die GmbH benötigte im Jahre 1989 die Zuführung fremden Kapitals. Die Hausbanken verweigerten sich. Lediglich die Z-Bank war bereit, bei Übernahme einer persönlichen Haftung durch den Kläger 300 000 DM zur Verfügung zu stellen. In der Folgezeit nahm der Kläger persönlich bei der Bank einen Kredit von 300 000 DM auf und stellte diesen Betrag der GmbH mit Vertrag vom 7. August 1989 darlehensweise zur Verfügung. Nach dem Vertrag sollte das Darlehen bei unbestimmter Laufzeit mit 9,25 v. H. zuzüglich einer Kreditprovision von 1,5 v. H. verzinst werden. Der Zinssatz sollte etwaigen Veränderungen bei der Refinanzierung angepaßt werden können.

Im November 1990 wurde festgestellt, daß die GmbH trotz der Zuführung neuen Kapitals überschuldet war. Daraufhin einigte sich eine Gläubigerversammlung auf einen Schuldenerlaß. Der Kläger verzichtete dabei auf die Rückzahlung des Darlehens. Die Banken und weitere Gläubiger verzichteten auf Forderungen in Höhe von 3 330 000 DM. Nachdem die KG bereits im Januar 1991 in Konkurs gefallen war, mußte auch die GmbH Anfang Juli 1991 Konkurs anmelden.

Der Kläger machte in Höhe seines Forderungsverzichtes Werbungskosten bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) versagte den Werbungskostenabzug.

Die dagegen erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) mit Urteil vom 29. Juni 1992 unter Bezugnahme auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 19. Oktober 1982 VIII R 97/79 (BFHE 137, 418, BStBl II 1983, 295) ab. Auf die Revision des Klägers wurde das Urteil aufgehoben und an das FG zurückverwiesen. Der BFH begründete seine Entscheidung damit, daß er mit Urteil vom 7. Mai 1993 VI R 38/91 (BFHE 171, 275, BStBl II 1993, 663) die frühere Rechtsprechung aufgegeben und nunmehr entschieden habe, daß der Verlust eines Dar lehens, welches der Arbeitnehmer seinem Arbeitgeber gewährt habe, auch dann zum Abzug als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit führen könne, wenn eine normale Zinshöhe vereinbart worden sei.

Das FG wies die Klage mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte 1996, 648 veröffentlichten Gründen erneut ab. Es entschied, der Einsatz des Darlehens sei nicht beruflich, sondern privat veranlaßt. Nicht erwerbsbezogene Vermögenseinbußen führten zum Ausschluß vom Werbungskostenabzug.

Der Kläger rügt mit der Revision eine zu enge Auslegung des § 9 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) durch das FG.

Der Kläger beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Einkommensteuer auf 0 DM herabzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das FG hat ohne Rechtsverstoß entschieden, daß der Kläger den Verlust seiner Darlehensforderung gegenüber der GmbH nicht als Werbungskosten (§ 9 Abs. 1 EStG) bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit (§ 19 Abs. 1 EStG) abziehen kann.

1. Nach dem Senatsurteil in BFHE 171, 275, BStBl II 1993, 663 ist der (wirtschaftliche) Verlust der Forderung aus einem Darlehen, das ein Arbeitnehmer seinem Arbeitgeber gewährt hat, auch bei der Vereinbarung einer normalen Zinshöhe als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zu berücksichtigen, wenn der Darlehens nehmer das Risiko des Darlehensverlustes aus beruflichen Gründen bewußt auf sich genommen hat. Berufliche Gründe können nach diesem Urteil dann angenommen werden, wenn ein Außenstehender -- insbesondere eine Bank -- das Darlehen mit Rücksicht auf die Gefährdung der Darlehensforderung nicht gewährt hätte.

Die Aussage, daß berufliche Gründe dann angenommen werden können, wenn ein Außenstehender mit Rücksicht auf die Gefährdung der Darlehensforderung das Darlehen nicht gewährt hätte, bedeutet nicht, daß sie bei Vorliegen dieses Umstands auch stets angenommen werden müssen. Vielmehr ist das FG zutreffend davon ausgegangen, daß es sich bei diesem Merkmal um eine notwendige, aber noch nicht ohne weiteres hinreichende Bedingung für die Annahme von beruflichen Gründen handelt. Dementsprechend muß sich aus den Gesamtumständen des Einzelfalles ableiten lassen, daß das Risiko aus beruflichen und nicht aus sonstigen Gründen übernommen worden ist. Auf jeden Fall muß die negative Voraussetzung erfüllt sein, daß ein Außenstehender -- insbesondere eine Bank -- mit Rücksicht auf die Gefährdung der Darlehensforderung das Darlehen nicht gewährt hätte. Bleiben nach Würdigung aller Umstände Zweifel daran bestehen, ob das Darlehen aus beruflichen Gründen gewährt worden ist, so geht dies zu Lasten des Arbeitnehmers, der den Werbungskostenabzug begehrt. Denn im finanzgerichtlichen Verfahren trägt der Steuerpflichtige die Feststellungslast (objektive Beweislast) für solche Umstände, die sich steuermindernd auswirken (vgl. z. B. BFH-Urteil vom 24. Juni 1976 IV R 101/75, BFHE 119, 164, BStBl II 1976, 562).

2. Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den Streitfall ist die Entscheidung der Vorinstanz revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Auffassung des FG, daß der Kläger das Risiko des Forderungsverlustes nicht aus beruflichen Gründen eingegangen ist, ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles nachvollziehbar. Das FG hat festgestellt, daß nach dem eigenen Vortrag des Klägers die KG -- seine hauptsächliche Arbeitgeberin -- zum Zeitpunkt der Darlehenshingabe keinesfalls kreditbedürftig gewesen sei und der Kläger mithin ohne die Darlehenshingabe nicht arbeitslos gewesen wäre. Insoweit unterscheidet sich der Streitfall in einem gewichtigen Punkt von den Fallgestaltungen, in denen der Senat bisher einen Werbungskostenabzug anerkannt hat. Auch die Überlegung, daß der nicht arbeitslose Kläger das risikobehaftete Darlehen bereits im ersten Jahr seiner Tätigkeit für die GmbH gewährt hat und daß das Darlehen von 300 000 DM bei Jahresgehältern von 42 000 DM und 43 188 DM etwa das Siebenfache eines Jahresgehalts betrug, läßt die Ansicht des FG, daß nicht berufliche Gründe für die Übernahme des Risikos ausschlaggebend waren, als einleuchtend erscheinen.

Es ist unerheblich, daß das FG im Streitfall keine konkreten Anhaltspunkte für eine Risikoübernahme aus privaten Gründen festgestellt hat. Denn es ist -- wie dargelegt -- Sache des Steuerpflichtigen, der den Werbungskostenabzug begehrt, Umstände für eine ausschließlich berufliche Veranlassung in einer vernünftige Zweifel ausschließenden Weise darzulegen und nachzuweisen, und nicht Sache der Finanzbehörde oder des FG, private Gründe zu ermitteln.

 

Fundstellen

Haufe-Index 66307

BFH/NV 1997, 400

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