Entscheidungsstichwort (Thema)

Bewertung, Vermögen-, Erbschaft-, Schenkungsteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Mehrere Wohngrundstücke desselben Eigentümers, die nach ihrer baulichen Gestaltung und Einrichtung unabhängig voneinander veräußert werden können, bilden jedes für sich eine wirtschaftliche Einheit, auch wenn sie in Baublöcken zusammengefaßt sind und räumlich nebeneinander liegen.

 

Normenkette

BewG § 2/1, § 50/1, §§ 68, 70/1, § 70/2

 

Tatbestand

Die Bgin. hat auf einer Teilfläche eines von ihr im Jahre 1956 erworbenen Grundstücks im Jahre 1958 18 Mietwohngrundstücke errichtet. Das Finanzamt behandelte jedes dieser 18 Mietwohngrundstücke als eine selbständige wirtschaftliche Einheit. Es stellte im Wege der Nachfeststellung zum 1. Januar 1959 18 Einheitswerte fest, die es nach dem Vielfachen der Jahresrohmiete ermittelte, und führte auch für jedes Mietwohngrundstück eine Nachveranlagung des Grundsteuermeßbetrages auf diesen Stichtag durch.

Mit den Einsprüchen gegen diese Einheitswert- und Grundsteuermeßbescheide verlangte die Bgin., alle 18 Mietwohngrundstücke als eine wirtschaftliche Einheit zu behandeln. Die Einsprüche gegen die Einheitswertbescheide, die das Finanzamt zusammenfaßte, blieben ohne Erfolg. über die Einsprüche gegen die Grundsteuermeßbescheide wurde nicht entschieden. Auch im Berufungsverfahren wurde nur über die Einheitswertbescheide entschieden. Die Berufung war erfolgreich. Das Finanzgericht ist der Auffassung, daß die 18 Mietwohngrundstücke eine wirtschaftliche Einheit bilden. Das ergebe sich insbesondere aus ihrer Zweckbestimmung und wirtschaftlichen Zusammengehörigkeit. Die Brandmauern zwischen den einzelnen Häusern und die getrennten Versorgungsanschlüsse ließen zwar eine getrennte Veräußerung zu. Dieses trennende Moment trete aber nach seinem wirtschaftlichen Gewicht gegenüber den verbindenden Umständen zurück. Die Häuser würden gemeinschaftlich verwaltet. Der Wille der Bgin. sei nicht auf Veräußerung, sondern auf eine langjährige gemeinsame Verwaltung des gesamten Baublocks und die einheitliche Abrechnung der Steuern, Zinsen usw. für den gesamten Komplex gerichtet. Die Häuser seien zwar durch Grünanlagen baulich getrennt, im Sinne moderner städtebaulicher Gestaltung aber verbunden. Die über das Gelände führende Straße sei aus dem Grundstück heraus entwickelt worden, nicht um zu trennen, sondern um die Häuser an den Verkehr der Stadt anzuschließen. Der einheitliche Baustil lasse den Baukomplex als einheitliches Ganzes erscheinen. Er hebe sich auch von seiner Umgebung als Einheit ab.

Mit der Rb. trägt der Vorsteher des Finanzamts vor, das Finanzgericht habe zu Unrecht die Berufung für zulässig erklärt. Es liege keine steuerliche Beschwer der Bgin. vor. Wegen der arbeitsmäßigen Mehrbelastung, die der Bgin. durch die Feststellung von 18 getrennten Einheitswerten erwachse, sei auch nicht nach Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes (GG) der Rechtsweg zulässig. Das Finanzgericht habe ferner zu Unrecht angenommen, daß die 18 Mietwohngrundstücke eine wirtschaftliche Einheit bildeten. Nach der ständigen Rechtsprechung seien die wirtschaftliche Unabhängigkeit und die selbständige Verwertbarkeit wesentliche Merkmale für die Abgrenzung der wirtschaftlichen Einheit. Der Reichsfinanzhof habe die Zusammenfassung räumlich getrennt liegenden Grundbesitzes abgelehnt. Er habe sogar nebeneinander liegende Gebäude dann als besondere wirtschaftliche Einheiten angesehen, wenn sie ohne größere bauliche Aufwendungen voneinander getrennt werden könnten und das eine ohne die anderen verkauft werden könnte. Dem sei auch der Bundesfinanzhof im Urteil III 148/54 U vom 15. Oktober 1954 (BStBl 1955 III S. 2, Slg. Bd. 60 S. 1) gefolgt. Er habe entschieden, daß bei Doppel- und Reihenhäusern in der Regel jedes einzelne Haus als eine selbständige wirtschaftliche Einheit zu behandeln sei. Diese Rechtsprechung habe das Finanzgericht nicht beachtet. Die durch den Baublock führende Straße und die bauliche Gestaltung der einzelnen Hauseinheiten (Brandmauern, gesonderte Eingänge, getrennte Versorgungsanschlüsse) sprächen eindeutig für die wirtschaftliche Unabhängigkeit und selbständige Verwertbarkeit der einzelnen Hauseinheiten. Bei dieser eindeutigen Sachlage könne dem von der Bgin. vorgebrachten subjektiven Gesichtspunkte kein entscheidendes Gewicht beigemessen werden. Das Finanzgericht könne sich auch nicht auf das zur HGA ergangene Urteil des Bundesfinanzhofs III 3/59 U vom 19. August 1960 (BStBl 1960 III S. 471, Slg. Bd. 71 S. 596) berufen.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.

I. - Das Finanzgericht hat mit Recht die Berufung für zulässig erklärt. Die Zulässigkeit ergibt sich allerdings nicht, wie das Finanzgericht meint, aus Art. 19 Abs. 4 GG. Die Bgin. ist infolge der umfangreichen Verwaltungsarbeit, die durch die Aufteilung des Baublockes in 18 wirtschaftliche Einheiten entsteht, nicht im Sinne dieses Artikels "in ihren Rechten" verletzt. Die Berufung war aber nach § 231 Abs. 1 AO zulässig. Nach dieser Vorschrift kann der Steuerpflichtige einen Feststellungsbescheid der in den §§ 214, 215 AO bezeichneten Art, zu denen auch der Einheitswert eines Grundstückes gehört, nur deshalb anfechten, weil er sich durch die Höhe der in dem Bescheid getroffenen Feststellungen oder durch die Entscheidung über die Art des Gegenstandes oder über die Zurechnung des Gegenstandes beschwert fühlt. Sowohl die Höhe des Einheitswerts als auch die Art des Gegenstandes hängt von der richtigen Abgrenzung der wirtschaftlichen Einheit ab. Im Streitfalle hat allerdings die Aufteilung des Baublocks in 18 wirtschaftliche Einheiten keinen Einfluß auf die Art des Gegenstandes, weil es sich in jedem Falle um Mietwohngrundstücke handelt. Sie hat aber Auswirkungen auf die Höhe des Einheitswertes. Diese ergeben sich daraus, daß nach der Verordnung über die Bewertung bebauter Grundstücke im Gebiete des zuständigen Landesfinanzamts im Bezirk IV, zu dem die Stadtgemeinde gehört, in der die Grundstücke liegen, für Mietwohngrundstücke mit einer Jahresrohmiete bis zu 2.500 RM / DM ein höherer Vervielfältiger gilt als für Mietwohngrundstücke mit einer Jahresrohmiete von über 2.500 RM / DM. Bei einer Aufteilung des Baublocks in 18 wirtschaftliche Einheiten kommt dieser höhere Vervielfältiger bei drei wirtschaftlichen Einheiten, deren Jahresrohmiete unter 2.500 DM liegt, zur Anwendung, während bei einer Behandlung des Baublocks als eine wirtschaftliche Einheit für die ganze wirtschaftliche Einheit nur der niedrigere Vervielfältiger in Betracht kommt.

II. - Das Finanzgericht stützt seine Auffassung, daß es sich bei dem Baublock um eine wirtschaftliche Einheit handelt, auf den räumlichen Zusammenhang, den einheitlichen Baustil und den Willen der Bgin., den gesamten Komplex gemeinsam zu verwalten und die Steuern und Zinsen usw. einheitlich abzurechnen. Dagegen läßt es die trennenden Momente, die eine getrennte Veräußerung der einzelnen Mietwohngrundstücke zulassen, in ihrem wirtschaftlichen Gewicht gegenüber den verbindenden Umständen zurücktreten. Dieser Auffassung vermag der Senat nicht zu folgen. Es kann dabei dahingestellt bleiben, ob im Streitfalle tatsächlich ein räumlicher Zusammenhang des ganzen Baublocks besteht. Denn nach der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs (vgl. Urteil III 53/42 vom 29. Oktober 1942, RStBl 1943 S. 7) sind auch nebeneinander liegende Wohngebäude desselben Eigentümers nach der Verkehrsauffassung getrennte wirtschaftliche Einheiten, wenn sie durch Brandmauern und Trennwände voneinander getrennt sind, gesonderte Eingänge, gesonderte Hausnummern, eigene Wassermesser usw. haben. Dieser Auffassung hat sich auch der erkennende Senat in dem Urteil III 148/54 U vom 15. Oktober 1954 (a. a. O.) angeschlossen. Er hat dort ausgeführt: "Rechtsirrig ist demgemäß auch die vom Finanzamt geäußerte Auffassung, die aneinandergebauten, durch eine Brandmauer getrennten Wohngebäude des Bf. und seines Bruders müßten zu einer Einheit zusammengefaßt werden, wenn sie nur einem Eigentümer gehören würden. Bei Doppel- und Reihenhäusern ist in der Regel jedes einzelne Haus (wie es ja auch unabhängig von den Nachbarhäusern veräußert werden kann) als eine selbständige wirtschaftliche Einheit zu behandeln. Das wird nur dann nicht gelten können, wenn die Doppel- oder Reihenhäuser so angelegt oder in der Weise mit gemeinschaftlichen Einrichtungen (Kaminen usw.) versehen sind, daß eine Trennung und ein Verkauf der Einzelhäuser ohne vorherige wesentliche änderung nicht möglich ist." Der Senat sieht keine Veranlassung, von dieser Auffassung, die auch im Schrifttum gebilligt wird (vgl. Gürsching-Stenger, Kommentar zum Bewertungsgesetz und Vermögensteuergesetz, § 50 Anm. 4 S. 6 a), abzuweichen. Sie gilt nicht nur für die Doppel- oder Reihenhäuser, sondern auch für größere Baublöcke von Siedlungsgesellschaften, die räumlich aneinander grenzen. Auch bei diesen Baublöcken kommt es entscheidend darauf an, ob durch ihre bauliche Gestaltung eine Trennung der einzelnen Wohngebäude und ihre selbständige Veräußerung jederzeit möglich ist. Das ist hier unstreitig der Fall. Bei dieser Sachlage ist es unerheblich, daß der Wille der Bgin. nicht auf eine getrennte Veräußerung der einzelnen Wohngebäude gerichtet ist. Denn dieser Wille wäre nur dann zu beachten, wenn er in der tatsächlichen Gestaltung zum Ausdruck gekommen wäre (vgl. z. B. Urteile des Reichsfinanzhofs III A 62/29 vom 23. Juli 1931, Steuer und Wirtschaft - StuW - 1932 Nr. 63; III 53/42 vom 29. Oktober 1942, a. a. O.; Urteil des Bundesfinanzhofs III 148/54 U vom 15. Oktober 1954, a. a. O.). Es ist ferner unbeachtlich, aus welchen Gründen diese bauliche Gestaltung gewählt wurde. Schließlich spielt es keine Rolle, daß für das ganze Bauvorhaben nur ein Finanzierungsplan und eine Wirtschaftlichkeitsberechnung aufgestellt ist und für das ganze Gelände nur ein Grundbuchblatt gebildet ist. Die Bgin. beruft sich auch zu Unrecht auf das Urteil des Bundesfinanzhofs III 3/59 U vom 19. August 1960 (a. a. O.), das sich mit der Zusammenfassung mehrerer Grundstücke desselben Eigentümers zu einem Grundstück nach § 94 LAG für Zwecke der HGA befaßt. Diese Frage hat auf die bewertungsrechtliche Abgrenzung der wirtschaftlichen Einheiten keinen Einfluß.

Da die Vorentscheidung dies verkannt hat, war sie aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif. Das Finanzamt hat zwar die Einheitswerte für die 18 Mietwohngrundstücke richtig berechnet. Es hat aber die zu den einzelnen Mietwohngrundstücken gehörende Grundstücksfläche in der Weise ermittelt, daß es die Gesamtfläche durch 18 teilte. Dagegen bestehen Bedenken, weil schon die bebaute Fläche infolge der verschiedenen Größe der einzelnen Gebäude verschieden sein kann. Dies kann Auswirkungen auf die Höhe des nach § 92 Abs. 1 des Zweiten Wohnungsbaugesetzes vom 27. Juni 1956 erstarrten Grundsteuermeßbetrages für die einzelnen Grundstücke haben. Die Sache geht deshalb zur erneuten Entscheidung an das Finanzamt zurück. Dieses wird auch noch über die Einsprüche gegen die Grundsteuermeßbeträge zu entscheiden haben.

 

Fundstellen

Haufe-Index 411139

BStBl III 1964, 180

BFHE 1964, 465

BFHE 78, 465

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