Entscheidungsstichwort (Thema)

Steuerliche Förderungsgesetze

 

Leitsatz (amtlich)

Der die sofortige Fälligkeit gemäß § 179 LAG herbeiführenden Auflösung eines Betriebes ist nicht der Fall gleichzusetzen, daß eine zweigliedrige Gesamthandsgemeinschaft (Erbengemeinschaft, offene Handelsgesellschaft) aufgelöst und der bisher von ihr geführte Betrieb von dem einen der beiden Gesamthänder fortgeführt wird.

Geht bei Auflösung einer solchen zweigliedrigen Gesamthandsgemeinschaft deren bisheriges Betriebsvermögen durch Anwachsung auf den einen der beiden Gesamthänder über, so ist damit auch die Abgabeschuld im ganzen auf ihn übergegangen.

 

Normenkette

LAG §§ 179, 185 Abs. 1 S. 1

 

Tatbestand

Die Bgin. und ihr Bruder waren am Währungsstichtag in Erbengemeinschaft, und zwar zu gleichen Teilen, Eigentümer eines Hotelgrundstücks mit Einrichtung, in dem bis zur im Jahre 1945 erfolgten Beschlagnahme durch die Besatzungsmacht die Erblasserin das im Handelsregister eingetragene Hotel betrieben hatte. Die Miterben wurden anstelle der im Jahre 1947 verstorbenen Erblasserin im Jahre 1949 ins Handelsregister eingetragen. Nach Aufhebung der Beschlagnahme übertrug die Bgin. durch notariellen Vertrag im Jahre 1955 ihren Anteil an dem noch ungeteilten Nachlaß, der lediglich aus dem Anteil am Betriebsvermögen bestand, gegen eine Abfindung von 300.000 DM an ihren Bruder. Dieser nahm nach Renovierung des Gebäudes und der Hoteleinrichtung den Hotelbetrieb als nunmehriger Alleineigentümer wieder auf. Als er in Zahlungsschwierigkeiten geriet, erließ das Finanzamt im Dezember 1956 einen auf § 177 LAG gestützten Bescheid, der die Kreditgewinnabgabe (KGA) der Firma mit einem Zeitwert von insgesamt 76.000 DM sofort fällig stellte. Hiergegen legte der Bruder Einspruch ein. Im Februar 1958 erging gegen die Bgin. wegen der fällig gestellten KGA von 76.000 DM ein Haftungsbescheid, gegen den die Bgin. Sprungberufung einlegte. Die Erbengemeinschaft selbst könne trotz § 174 LAG nach den Grundsätzen des bürgerlichen Rechts nicht Schuldnerin der KGA sein. Es handle sich vielmehr um eine KGA-Schuld der Gemeinschafter, so daß eine Haftung ausscheide. Im April 1958 ersetzte das Finanzamt gemäß § 94 AO den Bescheid über die sofortige Fälligstellung in Höhe des Zeitwerts vom Dezember 1956 durch einen Bescheid über die sofortige Fälligkeit gemäß § 179 Abs. 1 LAG in Höhe des Ablösungswertes, den es sowohl der Bgin. als auch ihrem Bruder zustellte. Auch gegen diesen Bescheid ließ die Bgin. Einspruch einlegen.

Im Verfahren vor dem Finanzgericht gegen den Haftungsbescheid machte die Bgin. unter anderem ferner geltend, auch materiell sei der Haftungsbescheid nicht begründet. Durch die Veräußerung des Erbanteils sei nach § 185 LAG die Abgabeschuld mit befreiender Wirkung auf den Bruder übergegangen.

Das Finanzgericht hat der Sprungberufung stattgegeben und den Haftungsbescheid ersatzlos aufgehoben. Formelle Bedenken gegen den Haftungsbescheid bestünden nicht; die Heranziehung zur Haftung sei aber sachlich nicht begründet. Die Umwandlung der Gesellschaft in ein Einzelunternehmen sei ein Betriebsübergang im Sinne des § 185 LAG. Die KGA sei von der Gemeinschaft auf den Bruder der Bgin. übergegangen. Damit entfalle eine Haftung der Bgin.

Mit der Rb. rügt der Vorsteher des Finanzamts die Anwendung des § 185 LAG auf den Fall des Ausscheidens eines Gesellschafters oder Gemeinschafters. Da die KGA-Rückstände infolge Sollminderung wegen der nachträglichen Fälligstellung mit dem Ablösungswert nach § 179 LAG und Zahlungen des anderen Gemeinschafters sich auf 30.000 DM verringert hätten, werde der Haftungsanspruch nur mehr in dieser Höhe geltend gemacht. Dementsprechend vermindere sich der Streitwert im Rechtsbeschwerdeverfahren. Die fälliggestellte KGA sei im übrigen durch Verfügung vom November 1960 wieder verrentet worden, und das Rechtsmittel sei damit in der Hauptsache erledigt.

Der Senat hat gemäß § 287 Nr. 2 AO den Bundesminister der Finanzen um Beitritt zum Verfahren ersucht. Der Bundesminister der Finanzen ist dem Verfahren beigetreten und hat zu den in Betracht kommenden Rechtsfragen Stellung genommen. Er hält die Inanspruchnahme der Bgin. im Grundsatz für gerechtfertigt mit der Einschränkung, daß die Fälligstellung nicht auf § 179 Abs. 1 LAG gestützt werden könne. Dagegen dürften die Voraussetzungen für die Fälligstellung der Abgabeschuld nach § 177 LAG vorgelegen haben.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. ist nicht begründet.

Eine Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache ist nicht eingetreten. Eine solche liegt nur vor, wenn der Streitpunkt des Prozesses weggefallen ist, wenn also etwa dem Rechtsmittelantrag in der Zwischenzeit stattgegeben worden wäre, oder aus sonstigen Gründen kein Anlaß mehr besteht, über die streitige Frage zu entscheiden. Derartiges ist hier nicht geschehen. Der Rechtsstreit geht darum, ob der Haftungsbescheid zu Recht ergangen ist bzw. ob das Finanzgericht den Haftungsbescheid zu Recht ersatzlos aufgehoben hat. Da der Vorsteher des Finanzamts gegen die Aufhebung Rb. eingelegt, diese aber nicht zurückgenommen und auch den Haftungsbescheid selbst nicht zurückgenommen hat, ist die Hauptsache des Rechtsstreits nicht erledigt, so daß über die Streitfrage entschieden werden muß.

Die Vorentscheidung ist zutreffend davon ausgegangen, daß Betriebsinhaber am 21. Juni 1948 die Erbengemeinschaft gewesen ist, die aus der Bgin. und ihrem Bruder bestanden hat. Beide hatten nach dem im Jahre 1947 eingetretenen Tode ihrer Mutter den Hotelbetrieb, der praktisch den gesamten Nachlaß darstellte und bereits seit 1945 von der Besatzungsmacht für eigene Zwecke beschlagnahmt war, zu gleichen Teilen geerbt. Da eine Erbauseinandersetzung nicht erfolgt war, gehörte der Nachlaß und damit der Hotelbetrieb am Währungsstichtag den Erben zur gesamten Hand. Diese Gesamthandsgemeinschaft ist von der Vorinstanz daher mit Recht als Betriebsinhaber und somit als Abgabeschuldner im Sinne des § 174 LAG angesehen worden.

Die Vorinstanz hat den übergang der Abgabeschuld gemäß § 185 Abs. 1 Satz 1 LAG mit Recht bejaht.

Der vom Bf. in bezug genommenen Auffassung der Lastenausgleichsreferenten in der Referentenbesprechung vom Oktober 1959, bei Ausscheiden eines Gesellschafters aus einer zweigliedrigen OHG und Fortführung des Betriebes durch den anderen Gesellschafter trete gemäß § 179 LAG sofortige Fälligkeit der Abgabeschuld ein, diese gehe aber nicht kraft Gesetzes gemäß § 185 Abs. 1 Satz 1 LAG auf den Nachfolger über, sondern ihr übergang könne auf Antrag nur unter den Voraussetzungen des § 185 Abs. 1 Satz 2 LAG vom Finanzamt zugestanden werden, kann allein schon im Hinblick auf § 179 LAG nicht beigetreten werden. Die Auflösung einer Gesellschaft bedeutet nicht ohne weiteres auch die Auflösung des ihr gehörigen Betriebes; nur letztere führt zur sofortigen Fälligkeit gemäß § 179 LAG. Wie der Bundesminister der Finanzen in seiner Stellungnahme hierzu zutreffend ausführt, kann in der von der Zivilrechtsprechung auch bei vertraglichem Ausscheiden des vorletzten Gesellschafters und Fortführung des Betriebes durch den verbliebenen Gesellschafter aus §§ 142, 105 Abs. 2 HGB in Verbindung mit § 738 BGB im Interesse der Erhaltung des Betriebes hergeleiteten Zuwachsung gerade keine Auflösung des Betriebes im Sinne des § 179 LAG gesehen werden. Wird der Betrieb trotz Auflösung der Gesellschaft von dem verbliebenen Gesellschafter fortgeführt, dann ist § 179 LAG grundsätzlich nicht anwendbar. Entsprechendes gilt, wenn bei einer zweigliedrigen Erbengemeinschaft ein Miterbe durch übertragung seines Anteils am Nachlaß aus der Erbengemeinschaft ausscheidet und der den Erbteil übernehmende Miterbe den Betrieb fortführt; eine Auflösung des Betriebes im Sinne des § 179 LAG liegt dann ebenfalls nicht vor. Der auf § 179 LAG gestützte Bescheid über die sofortige Fälligkeit hätte daher nicht ergehen dürfen, denn die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen für den Eintritt der sofortigen Fälligkeit gemäß § 179 LAG waren nicht gegeben.

Die vom Bf. und von dem Bundesminister der Finanzen in seiner Stellungnahme geltend gemachten Bedenken gegen den übergang der Abgabeschuld vermag der Senat nicht zu teilen. Ist nach dem Inkrafttreten des LAG das dem Betrieb dienende Vermögen im ganzen oder in Teilen, die wirtschaftlich einem solchen Betrieb gleichgeachtet werden können, auf einen anderen übergegangen, so ist gemäß § 185 Abs. 1 Satz 1 LAG damit auch die Abgabeschuld im ganzen oder zu dem entsprechenden Teil auf den Nachfolger übergegangen. Ist nach dieser Bestimmung die Abgabeschuld auf den Nachfolger übergegangen, so ist der bisherige Betriebsinhaber von der Abgabeschuld frei geworden, und zwar frei auch von jeder Haftung (vgl. auch Kühne - Wolff, Die Gesetzgebung über den Lastenausgleich, § 185 Anm. 4). Die Bestimmung des § 185 Abs. 1 Satz 1 LAG nimmt sowohl gegenüber dem zivilen Recht als auch gegenüber dem allgemeinen Steuerrecht, auch sogar gegenüber der sonstigen Regelung im LAG, eine Sonderstellung ein. Im Zivilrecht ist die sogenannte befreiende Schuldübernahme grundsätzlich nur unter Mitwirkung des Gläubigers möglich (§§ 414 ff. BGB); in Fällen vertraglicher Vermögensübernahme gemäß § 419 BGB oder bei Geschäftsübernahme gemäß § 25 HGB ist kraft Gesetzes eine Haftung des übernehmers zusätzlich zur Fortdauer der Haftung des bisherigen Eigentümers vorgesehen (Schuldmitübernahme). Auch das Abgabenrecht kennt bei übereignung eines Unternehmens oder Betriebes im ganzen oder eines der Grundsteuer unterliegenden Steuergegenstandes regelmäßig nur die kumulative Schuldübernahme (ß 116 AO). Die im LAG hinsichtlich der Vermögensabgabe getroffene Regelung sieht in § 60 bei Veräußerung von Vermögen eine befreiende Schuldübernahme nur mit Genehmigung des Steuergläubigers und in § 61 eine (kumulative) Schuldmitübernahme des Beschenkten vor. Demgegenüber hat der Gesetzgeber in bewußter Abweichung von der sonstigen Regelung im Hinblick auf den objektsteuerähnlichen Charakter der KGA als einer mit dem Schicksal des Betriebes verbundenen Abgabeschuld durch § 185 LAG bei der KGA einen befreienden Schuldübergang kraft Gesetzes ohne Mitwirkung des Steuergläubigers festgelegt. Diese Bestimmung hat für die KGA als lex specialis gegenüber der allgemeinen Haftungsregelung in der AO zu gelten. Insoweit ist daher, wenn die Voraussetzungen des § 185 Abs. 1 Satz 1 LAG gegeben sind, für einen Haftungsbescheid an den bisherigen Betriebsinhaber oder Mitinhaber kein Raum.

Der Bf. sowohl als auch der Bundesminister der Finanzen verneinen einen Vermögensübergang im Sinne des § 185 LAG, weil allein durch die übertragung des Anteils am Nachlaß weder ein Betrieb im ganzen noch in Teilen, die wirtschaftlich einem selbständigen Betrieb gleichgeachtet werden können, auf den Bruder der Bgin. übergegangen sein könne. Dieser Ansicht, die im wesentlichen damit begründet wird, es sei keine Vermögensübertragung erfolgt, vielmehr sei nur der Anteil des ausscheidenden Gesellschafters in der Hand des verbleibenden Gesellschafters angewachsen, kann nicht gefolgt werden. Eines Eingehens auf die vom Bundesminister der Finanzen besonders herausgestellte Frage, ob - wie dieser offensichtlich meint - die Erbengemeinschaft infolge ihres langen Bestandes und der Fortführung des Hotelbetriebes den Charakter einer offenen Handelsgesellschaft angenommen habe, oder ob sie eine reine Erbengemeinschaft geblieben sei, bedarf es im Streitfall nicht. Denn sowohl die Erbengemeinschaft als auch die OHG stellen - trotz erheblich unterschiedlicher Rechtsgestaltung im übrigen - Gemeinschaften zur gesamten Hand dar. Beiden Gesamthandsgemeinschaften ist das Anwachsungsprinzip eigen (vgl. unter anderem Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen - RGZ - Bd. 68 S. 410 (413 ff.), Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen - BGHZ - Bd. 32 S. 307 (315 ff.)), nur daß die Anwachsung bei der Erbengemeinschaft auf der Abtretung des Anteils am Nachlaß (ß 2033 BGB), bei der OHG dagegen auf dem Ausscheiden eines Gesellschafters (§§ 105 Abs. 2, 138 ff. HGB, § 738 BGB) beruht. Nach der Rechtsprechung der Zivilgerichte (vgl. auch die zuvor angeführten Entscheidungen des Reichsgerichts und des Bundesgerichtshofs) tritt eine Anwachsung auch dann ein, wenn bei einer zweigliedrigen Erbengemeinschaft der eine Miterbe seinen Anteil am Nachlaß an den anderen Miterben abtritt oder bei einer zweigliedrigen OHG der eine Gesellschafter ausscheidet und der andere das Geschäft mit Aktiven und Passiven fortführt. Denn das Anwachsungsprinzip setzt nicht den Fortbestand der Gesamthandsgemeinschaft voraus (vgl. auch BGHZ Bd. 32 S. 315). Das Wesen der Anwachsung selbst besteht sowohl bei der Erbengemeinschaft als auch bei der OHG im Normalfall darin, daß durch eine Art Gesamtrechtsnachfolge (vgl. auch Staudinger-Lehmann, Kommentar zum BGB, § 2033 Tz. 13, und Weipert in Kommentar der Reichsgerichtsräte zum HGB § 142 Anm. 15) der Anteil des Ausscheidenden am Gesamthandsvermögen dem Verbleibenden (uno actu) zuwächst, ohne daß es einzelner rechtsgeschäftlicher übertragungsakte bedarf. An dem Fortbestand des Gesamthandsvermögens selbst ändert sich trotz der durch Gesamtrechtsnachfolge eingetretenen internen Verschiebung insoweit nichts, es bleibt nach wie vor das Vermögen der gesamten Hand, nur der Grad der Beteiligung der Gesamthänder an ihrem gemeinschaftlichen Vermögen hat eine änderung erfahren. Tritt jedoch aus einer zweigliedrigen OHG ein Gesellschafter aus und führt der andere das Geschäft fort oder tritt bei einer zweigliedrigen Erbengemeinschaft der eine Miterbe seinen Anteil am Nachlaß an den anderen Miterben ab, dann tritt zwar auch - wie oben ausgeführt - Anwachsung ein, d. h. es bedarf auch in diesen Fällen keiner Einzelübertragungsakte; aber mit dem rechtswirksamen Ausscheiden bzw. mit der rechtswirksamen Anteilsabtretung wird gleichzeitig die Gemeinschaft zur gesamten Hand aufgelöst. Die Anwachsung bedeutet in diesen Fällen den übergang des Vermögens der gesamten Hand von dieser auf den übernehmer. Auch hier vollzieht sich der übergang durch Gesamtrechtsnachfolge uno actu (vgl. auch Gessler-Hefermehl-Hildebrandt-Schröder, Kommentar zum HGB, 2. Aufl., § 142 Tz. 13, mit weiteren Zitaten). War bisher Vermögensträger die Gesamthandsgemeinschaft, so ist nunmehr der übernehmer alleiniger Vermögensträger (Alleineigentümer) geworden. Der Betrieb, der bisher der Bgin. und ihrem Bruder zur gesamten Hand gehört hat, steht nunmehr dem Bruder der Bgin. allein zu. Dieser übergang des der Gesamthandsgemeinschaft gehörenden Vermögens auf den übernehmer in dessen Alleineigentum ist als ein Vermögensübergang im ganzen im Sinne des § 185 Abs. 1 Satz 1 LAG anzusehen.

Die Rechtsprechung des V. Senats, nach welcher das Ausscheiden des vorletzten Gesellschafters aus einer zweigliedrigen OHG keine Veräußerung des Betriebes im ganzen an den verbleibenden, den Betrieb fortführenden Gesellschafter darstellt (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs V 170/58 U vom 17. November 1960, BStBl 1961 III S. 86, Slg. Bd. 72 S. 231, und V 107/59 U vom 9. Februar 1961, BStBl 1961 III S. 174, Slg. Bd. 72 S. 478), steht dem nicht entgegen. Diese zur Umsatzsteuer ergangene Rechtsprechung betrifft im wesentlichen die Frage, ob eine - die Umsatzsteuer auslösende - Veräußerung, d. h. übereignung eines Unternehmens im ganzen, stattgefunden hat. Gegenstand der Umsatzbesteuerung ist die tatsächlich bewirkte Leistung, und zwar das Erfüllungsgeschäft, d. h. die bürgerlich-rechtlich zu verstehende übereignung der die bisherige Grundlage des Unternehmens bildenden Gegenstände (vgl. Plückebaum-Malitzky, Kommentar zum Umsatzsteuergesetz, 8. Aufl., Tz. 581/582). Bei einer Anwachsung fehlt es jedoch an der übereignung oder übertragung einzelner Gegenstände des betrieblichen Vermögens, weil dieses uno actu auf den übernehmer übergeht, ohne daß es einzelner übertragungsakte bedarf. Im Gegensatz zu § 116 AO und § 85 UStDB spricht aber § 185 Abs. 1 Satz 1 LAG nicht von einer Veräußerung oder übereignung im ganzen, sondern von dem übergehen des Vermögens im ganzen. § 185 Abs. 1 Satz 1 LAG umfaßt daher sowohl die Fälle des Vermögensübergangs durch Einzelübertragungsakte als auch die durch Gesamtrechtsnachfolge, und damit auch - wie im Streitfall - den Vermögensübergang durch Anwachsung.

Die Bedenken des Bundesministers der Finanzen, die Verneinung der Haftung des aus einer zweigliedrigen Gesellschaft ausgeschiedenen Gesellschafters würde den Gleichheitsgrundsatz insofern verletzen, als ein aus einer mehr als zweigliedrigen Gesellschaft ausgeschiedener Gesellschafter bei sonst gleichem Sachverhalt der Haftung unterläge, vermag der Senat allein schon darum nicht zu teilen, weil beide Sachverhalte keineswegs wesentlich gleich gelagert sind. Denn beim Ausscheiden aus einer zweigliedrigen Gesamthandsgemeinschaft erfolgt der übergang des Vermögens durch Gesamtrechtsnachfolge auf eine Einzelperson als Alleineigentümer, wohingegen beim Ausscheiden aus einer mehr als zweigliedrigen Gesamthandsgemeinschaft zwar auch ein übergang durch Gesamtrechtsnachfolge auf die verbleibenden Gesellschafter eintritt, das Eigentum aber doch immerhin bei der Gesamthandsgemeinschaft als solcher verbleibt.

Auch die weiteren Bedenken des Bundesministers der Finanzen, bei Verneinung der Haftung des Ausgeschiedenen in solchen Fällen wie dem Streitfall böte sich die Möglichkeit, sich der Abgabeschuld dadurch in rechtlich schwer angreifbarer Weise zu entziehen, daß der ausscheidende Gesellschafter sich seine Auseinandersetzungsforderung am Grundvermögen des Betriebes hoch absichern ließe, was in einem etwaigen späteren Konkurs des übernehmenden Gesellschafters zu einer vollen Befriedigung der Auseinandersetzungsforderung, gleichzeitig eventuell aber zu einem Leerausgehen des KGA-Gläubigers führen würde, sind nicht durchschlagend. Denn diese Bedenken beständen in gleichem Masse, wenn ein Einzelunternehmer seinen Betrieb im ganzen an einen anderen veräußerte und die Kaufpreisforderung entsprechend absichern ließe: Auch hier könnte der KGA-Gläubiger in einem etwaigen Konkurs des Erwerbers leer ausgehen, ohne daß aber infolge der Sonderregelung des § 185 Abs. 1 Satz 1 LAG eine Haftungsmöglichkeit des Betriebsveräußerers nach allgemeinen Haftungsgrundsätzen gegeben wäre, wenn man von etwaigen - in beiden Fällen gleichermaßen möglichen - konkursrechtlichen Behelfen (§§ 29 ff. der Konkursordnung) oder Behelfen nach dem Gesetz betreffend die Anfechtung von Rechtshandlungen eines Schuldners außerhalb des Konkursverfahrens absieht.

Da die Voraussetzungen des § 185 Abs. 1 Satz 1 LAG gegeben sind, ist mit der Abtretung des Anteils am Nachlaß die KGA-Schuld von der die Abgabe gemäß § 174 Satz 2 LAG schuldenden Gesamthandsgemeinschaft auf den Bruder der Bgin. als übernehmer kraft Gesetzes übergegangen. Dieser den Vorgänger befreiende Schuldübergang schließt insoweit jede Haftung des Vorgängers für die Abgabeschuld aus. Gegen die Bgin. als frühere mithaftende Abgabeschuldnerin durfte daher kein Haftungsbescheid erlassen werden. Die Vorinstanz hat sonach mit Recht den Haftungsbescheid ersatzlos aufgehoben.

 

Fundstellen

Haufe-Index 411140

BStBl III 1964, 340

BFHE 1964, 299

BFHE 79, 299

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