Entscheidungsstichwort (Thema)

Gegenstand des Erwerbsvorgangs bei mehreren Verträgen / Grundstück mit noch zu errichtendem Fertighaus

 

Leitsatz (NV)

1. Allgemeine Grundsätze zum Gegenstand des Erwerbvorgangs, wenn sich die Verpflichtung zur Übereignung des Grundstücks und zur Errichtung des Gebäudes aus zwei oder mehreren Verträgen ergeben.

2. Auch bei Abschluß von Verträgen über den Ausbau eines Kellers und die Errichtung eines Fertighauses nach Abschluß des Grundstücksvertrages kann ein objektiver enger sachlicher Zusammenhang zwischen den Verträgen bestehen.

3. Ein enger sachlicher Zusammenhang zwischen den Verträgen kann auch bestehen, wenn auf der Veräußererseite Personen auftreten, die nicht personell, wirtschaftlich oder gesellschaftsrechtlich miteinander verbunden sind.

 

Normenkette

GrEStG 1983 § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 8 Abs. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 1

 

Tatbestand

I. Die Kläger - ein Ehepaar - erwarben durch notariell beurkundeten Vertrag vom . . . 1987 je einen viertel Miteigentumsanteil an einem (noch zu bildenden Trenn-)Grundstück in . . . verbunden mit dem Sondereigentum an einer noch zu bildenden und zu errichtenden Eigentumswohnung. Veräußerer waren die Herren A, B und C. Der Kaufpreis betrug 202 734 DM. Die Erwerber verpflichteten sich zur Übernahme anteiliger Abriß-, Teilungs- und Vermessungskosten. Am . . . 1984 beauftragten die Kläger schriftlich die Firma X mit der Errichtung einer Doppelhaushälfte in Fertigbauweise. Der Auftrag war von der Fachberaterin D unterzeichnet. Am . . . 1985 nahm die Firma X den Auftrag an. Der Gesamtpreis betrug 191 490,50 DM. Am . . . 1985 schlossen die Kläger mit der Y-GmbH (GmbH) einen schriftlichen Vertrag über die Errichtung des Kellers für 58 539 DM. Herr A war Mitveräußerer des Grundstücks, Fachberater der X und Verkäufer der Y-GmbH. Im Kaufvertrag vom . . . 1987 verpflichteten sich die Veräußerer, vor der Eigentumsumschreibung das Grundstück in der Weise aufzuteilen, daß jeder Miteigentumsanteil mit dem Sondereigentum an einer abgeschlossenen Wohnung und mit einem Sondernutzungsrecht an einer bestimmten (Teil-)Fläche verbunden war. Die geplante Eigentumswohnung (Doppelhaushälfte) sollte durch die Kläger im Zusammenwirken mit den Veräußerern und den (künftigen) Käufern der anderen Eigentumswohnung (Doppelhaushälfte) errichtet werden.

Das beklagte Finanzamt (FA) setzte gegen jeden der Kläger Grunderwerbsteuer in Höhe von je 4 567 DM fest. Es sah die drei Verträge als einheitliches Vertragswerk an, gerichtet auf den Erwerb des bebauten Grundstücks. Es zog dementsprechend die Aufwendungen der Kläger für die Errichtung des Hauses in die Gegenleistung mit ein. Die Bescheide ergingen hinsichtlich der Nebenleistungen aus dem Grundstückskaufvertrag vorläufig.

Hiergegen richtete sich die Klage. Mit dieser machten die Kläger geltend, daß nur die Aufwendungen für das Grundstück Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer seien. Zwischen dem Erwerb des Grundstücks und den folgenden Verträgen bestünde kein Zusammenhang. Es habe keine Verpflichtung bestanden, auf dem Grundstück ein X-Haus und einen Keller der Y-GmbH zu errichten. Sie hätten nicht gewußt, daß Herr A Fachberater der X gewesen sei.

Das Finanzgericht (FG) hat der Klage stattgegeben. Gegenstand des Erwerbsvorgangs seien die Miteigentumsanteile am unbebauten Grundstück gewesen. Es liege kein einheitlicher Vertrag i. S. von § 139 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) vor. Der Hauskaufvertrag sei nicht vom Abschluß und/oder dem Fortbestand des Grundstückskaufvertrags abhängig gewesen. Es bestehe kein rechtlicher Zusammenhang zwischen den Verträgen. Die Grundstücksveräußerer hätten die Miteigentumsanteile am Grundstück auch ohne den Hauskauf veräußert. Ein einheitlicher Vertrag i. S. von § 139 BGB liege auch dann nicht vor, wenn die Verträge miteinander ,,stehen oder fallen" sollten. Dies setze vielmehr voraus, daß die Vertragspartner des Erwerbers einen entsprechenden gemeinschaftlichen Willen hätten, dieser zum Ausdruck gekommen und vom Erwerber akzeptiert worden sei. Diese Voraussetzungen seien im Streitfall nicht gegeben. Selbst wenn man aber einen einheitlichen Vertrag i. S. von § 139 BGB annehme, führe dies noch nicht zwangsläufig auch zu einer einheitlichen Leistung. Einer Aufbauvereinbarung zwischen den Klägern und den Erwerbern der angrenzenden Doppelhaushälfte habe es nicht bedurft.Mit der Revision rügt das FA unrichtige Anwendung des § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 8 Abs. 1 und § 9 Abs. 1 Nr. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG 1983).

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Das FG hat den grunderwerbsteuerrechtlichen Begriff des Gegenstands des Erwerbsvorgangs verkannt.

Der notariell beurkundete Vertrag über den Erwerb der Miteigentumsanteile an dem Grundstück verbunden mit dem Sondereigentum ist ein (jeweils) der Grunderwerbsteuer unterliegender Rechtsvorgang i. S. von § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1983. Die Steuer dafür bemißt sich nach dem Wert der Gegenleistung (§ 8 Abs. 1 GrEStG 1983). Als Gegenleistung gelten bei einem Kauf der Kaufpreis einschließlich der vom Käufer übernommenen sonstigen Leistungen und der dem Verkäufer vorbehaltenen Nutzungen (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1983).

Zur Gegenleistung rechnet jede Leistung, die der Erwerber als Entgelt gewährt für den Erwerb des Grundstücks in dem Zustand, in dem es Gegenstand des Erwerbsvorgangs ist (ständige Rechtsprechung; vgl. Entscheidung des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 21. Dezember 1988 II B 47/88, BFHE 155, 419, BStBl II 1989, 333).

Das GrEStG bestimmt nicht, was unter der Gegenleistung begrifflich zu verstehen ist. Es entspricht ständiger Rechtsprechung, daß diese Begriffsbestimmung zwar von dem bürgerlich-rechtlichen Begriff der Gegenleistung ausgeht, sich aber darin nicht erschöpft (so z. B. Entscheidung des BFH vom 5. November 1980 II R 28/75, BFHE 132, 111, BStBl II 1981, 174).

Der Gegenstand des Erwerbsvorgangs wird zunächst durch das den Steuertatbestand erfüllende (zivilrechtliche) Verpflichtungsgeschäft bestimmt. Ist Gegenstand der kaufvertraglichen Übereignungsverpflichtung das Grundstück in bebautem Zustand, so ist das Grundstück in diesem Zustand auch grunderwerbsteuerrechtlich Gegenstand des Erwerbsvorgangs. Ergibt sich die Verpflichtung zur Übereignung des Grundstücks und zur Errichtung des Gebäudes zivilrechtlich zwar aus zwei (oder mehreren) an sich selbständigen Verträgen, sind diese Verträge jedoch aufgrund ihres rechtlichen Zusammenhangs zivilrechtlich als einheitlicher Vertrag anzusehen, so ist grunderwerbsteuerrechtlich Gegenstand des Erwerbsvorgangs das Grundstück in bebautem Zustand (vgl. z. B. BFH-Urteil vom 4. Mai 1983 II R 6/82, BFHE 138, 480, BStBl II 1983, 609). Die (zivilrechtliche) Verbindung der Verträge kann sich daraus ergeben, daß ihre Gültigkeit ausdrücklich voneinander abhängig ist (vgl. Entscheidung des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 24. November 1983 VII ZR 34/83 (KG), Neue Juristische Wochenschrift - NJW - 1984, 869). Ein rechtlicher Zusammenhang zwischen den Verträgen besteht aber auch dann, wenn die Vereinbarungen - ohne eine solche ausdrückliche Bestandsverknüpfung - nach dem Willen der Parteien derart voneinander abhängig sind, daß sie miteinander ,,stehen oder fallen" sollen. Auch wenn nur einer der Vertragspartner einen solchen Einheitswillen erkennen läßt und die andere Partei ihn anerkennt oder zumindest hinnimmt, kann ein einheitliches Vertragswerk vorliegen (vgl. BGH in NJW 1984, 869; für die Grunderwerbsteuer vgl. z. B. BFH-Entscheidungen vom 23. Juni 1982 II R 155/80, BFHE 136, 427, BStBl II 1982, 741, und vom 21. Dezember 1981 II R 124/79, BFHE 135, 217, BStBl II 1982, 330).

Gegenstand des Erwerbsvorgangs ist das Grundstück in bebautem Zustand schließlich auch dann, wenn die Verträge zwar nicht durch den Willen der Parteien rechtlich verknüpft sind, zwischen den Verträgen jedoch ein so enger sachlicher Zusammenhang besteht, daß der Erwerber bei objektiver Betrachtungsweise als einheitlichen Leistungsgegenstand (vgl. dazu BFH-Entscheidungen vom 29. Juni 1988 II R 258/85, BFHE 154, 149, BStBl II 1988, 898, und vom 18. September 1985 II B 24-29/85, BFHE 144, 280, BStBl II 1985, 627) das bebaute Grundstück erhält. Dies ist der Fall, wenn der Veräußerer aufgrund einer in bautechnischer und finanzieller Hinsicht ganz konkreten und bis (annähernd) zur Baureife gediehenen Vorplanung (vgl. dazu BFH-Entscheidungen in BFHE 144, 280, BStBl II 1985, 627, und in BFHE 138, 480, BStBl II 1983, 609) ein ganz bestimmtes Gebäude auf einem bestimmten Grundstück zu einem im wesentlichen feststehenden Preis anbietet und der Erwerber dieses Angebot als einheitliches annimmt oder nur insgesamt annehmen kann.

Diese Auslegung des grunderwerbsteuerrechtlichen Begriffs des Gegenstands des Erwerbsvorgangs ergibt sich aus folgenden Überlegungen: Zivilrechtlich ist für die Einheitlichkeit der Verträge der Parteiwille ausschlaggebend. Dies führt dazu, daß Vorgänge, die nach ihren gesamten Umständen in ihrem wirtschaftlichen Gehalt, dem wirtschaftlichen und rechtlichen Ergebnis für den Erwerber, aber auch dem Inhalt der zivilrechtlichen Beziehungen und ggf. der zivilrechtlichen Rechtsfolgen nur unwesentlich voneinander abweichen, im Hinblick auf den Willen der Parteien zur Einheitlichkeit der Verträge aber unterschiedlich zu beurteilen sind (vgl. beispielsweise die vom BGH entschiedenen Fälle vom 6. Dezember 1979 VII ZR 313/78, BGHZ 76, 43, 49, und vom 6. November 1980 V ZR 12/80, BGHZ 78, 346, die sich in den zugrunde liegenden Lebenssachverhalten nur geringfügig unterscheiden, bei denen die Frage der Einheitlichkeit aber entgegengesetzt zu beantworten war). Diese zivilrechtliche Differenzierung kann für die grunderwerbsteuerrechtliche Beurteilung nicht übernommen werden. Die Maßgeblichkeit des Willens der Beteiligten (zur Einheitlichkeit) auch für die grunderwerbsteuerrechtliche Beurteilung hätte zur Folge, daß die Höhe der Steuer im Einzelfall von einem Kriterium abhängt, dem nach dem inneren System und dem Zweck der Grunderwerbsteuer keine Bedeutung zukommt. Eine Steuerrechtsnorm ist jedoch so auszulegen, daß sie den zu beurteilenden Lebenssachverhalt nach den Kriterien erfaßt, die dem Besteuerungszweck des betreffenden Steuergesetzes entsprechen. Bei der Auslegung des grunderwerbsteuerrechtlichen Begriffs des Gegenstandes des Erwerbsvorgangs tritt daher für die Beantwortung der Frage, ob ein Zusammenhang zwischen mehreren Verträgen besteht und ein einheitlicher Leistungsgegenstand vorliegt, das für die zivilrechtliche Beurteilung maßgebliche subjektive Moment zurück und kommt dem objektiven Zusammenhang ausschlaggebende Bedeutung zu.

Soweit der Senat bisher insoweit ausschließlich auf die zivilrechtliche Betrachtungsweise abgestellt hat (vgl. z. B. Urteil vom 25. Juli 1979 II R 105/77, BFHE 128, 544, BStBl II 1980, 11), hält er daran nicht fest.

Die für die Frage nach dem Gegenstand des Erwerbsvorgangs gebotene objektive Betrachtungsweise hat - wie sich bereits aus dem Wortlaut ergibt - in erster Linie auf den Erwerber abzustellen. Entscheidend ist daher, ob dieser bei objektiver Betrachtungsweise ein unbebautes Grundstück oder als einheitlichen Leistungsgegenstand ein bebautes Grundstück erhält.

Auf der Veräußererseite können auch mehrere Personen als Vertragspartner auftreten (vgl. BFH-Urteil vom 23. Juni 1982 II R 155/80, BFHE 136, 427, BStBl II 1982, 741). Es ist dabei nicht ausschlaggebend, daß der Grundstücksübereignungsanspruch und der Anspruch auf Errichtung des Gebäudes sich zivilrechtlich gegen verschiedene Personen richten. Entscheidend ist vielmehr, daß (auch) der den Grundstücksübereignungsanspruch begründende Vertrag in ein Vertragsgeflecht mit einbezogen ist, das unter Berücksichtigung aller Umstände darauf gerichtet ist, dem Erwerber als einheitlichen Leistungsgegenstand das Grundstück in bebautem Zustand zu verschaffen (vgl. Entscheidung in BFHE 155, 419, BStBl II 1989, 333).

Der Gegenstand des Erwerbsvorgangs ist nach den dargelegten Grundsätzen im Einzelfall unter Heranziehung aller relevanten Umstände zu bestimmen. Für eine derartige Abwägung aller Umstände des Einzelfalls enthalten die Entscheidungen des Senats vom 18. Oktober 1989 II R 85/87 und II R 143/87, BFHE 158, 483, BStBl II 1990, 181, 183 beispielgebende Hinweise.

Im Gegensatz zu den diesen Entscheidungen des Senats zugrunde liegenden Sachverhalten erfolgte im Streitfall der Abschluß der zur Errichtung des Fertighauses notwendigen Verträge zeitlich erst kurz nach dem Abschluß des Grundstückskaufvertrags. Allein dadurch wird ein objektiver enger sachlicher Zusammenhang mit dem Grundstückskaufvertrag jedoch noch nicht ausgeschlossen. Ein solcher kann dann bestehen, wenn die Kläger (spätestens) mit dem Abschluß des Grundstückskaufvertrags in ihrer Entscheidung über das ,,Ob" und ,,Wie" einer Bebauung nicht mehr frei waren. Eine derartige Einschränkung der sonst für einen Grundstückserwerber bestehenden Entscheidungsfreiheit kann sich aus vorherigen Absprachen oder auch aus faktischen Zwängen ergeben. Hierzu enthält die Entscheidung des FG keine ausreichenden Feststellungen. Die vom FG getroffenen Feststellungen, der Hauskauf sei nicht vom Abschluß des Grundstückskaufs abhängig gewesen und die Grundstückseigentümer hätten die Miteigentumsanteile am Grundstück auch ohne Hauskauf veräußert, schließen das Bestehen einer solchen Bindung der Kläger jedenfalls nicht notwendigerweise aus.

Die Entscheidung des FG geht von anderen Rechtsgrundsätzen aus. Sie ist daher aufzuheben. Die Sache ist jedoch nicht spruchreif. Das FG hat nicht alle Umstände festgestellt, die im Rahmen der gebotenen Gesamtwürdigung zu berücksichtigen sind. Die Sache ist daher zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.

Das FG wird bei seiner Entscheidung zu berücksichtigen haben, daß nach Auffassung des Senats der geforderte enge sachliche Zusammenhang zwischen den Verträgen auch bestehen kann, wenn auf der Veräußererseite mehrere Personen auftreten, die nicht personell, wirtschaftlich oder gesellschaftsrechtlich miteinander eng verbunden sind. Die Verflechtung der Verträge kann sich beispielsweise aus der Stellung des Projektanbieters ergeben, wenn dieser auf Grund vertraglicher Beziehungen zu den auf der Veräußererseite auftretenden Personen zu einer Vorplanung in der Lage ist, die ihm ein konkret ausgestaltetes Angebot ermöglicht, und er ein wirtschaftliches Interesse am Abschluß aller Verträge besitzt (vgl. Urteil vom 18. Oktober 1989 II R 143/87). Zu berücksichtigen wird das FG auch haben, daß es nicht ausschlaggebend sein muß, wenn sich die Erwerber - wenn auch ggf. unter Hinnahme von Rechtsnachteilen - allein von den Verträgen über das Fertighaus wieder hätten lösen können (vgl. Urteil vom 18. Oktober 1989 II R 85/87). Der Senat weist darüberhinaus darauf hin, daß ein paralleler Geschehensablauf beim Erwerb der angrenzenden Doppelhaushälfte ein starkes Indiz dafür sein kann, daß Gegenstand des Erwerbsvorgangs das bebaute Grundstück ist.

 

Fundstellen

Haufe-Index 416811

BFH/NV 1991, 342

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