Leitsatz (amtlich)

1. Es ist nicht ernstlich zweifelhaft, daß Einkünfte aus privaten Devisentermingeschäften auch dann weder Einkünfte aus Spekulationsgeschäften noch Einkünfte aus Leistungen sind, wenn sie von Personen bezogen werden, die nach § 53 Abs. 2 Nr. 1 BörsG termingeschäftsfähig sind (Anschluß an BFH-Urteil vom 8. Dezember 1981 VIII R 125/79, BFHE 135, 426, BStBl II 1982, 618).

2. Zur Frage von Devisentermingeschäften als gewerbliche Tätigkeit.

 

Normenkette

EStG 1971 § 2 Abs. 3 Nr. 7, § 22 Nr. 2, §§ 23, 22 Nr. 3, § 2 Abs. 3 Nr. 2, § 15

 

Verfahrensgang

FG Köln

 

Tatbestand

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Eheleute, die im Streitjahr 1973 zur Einkommensteuer zusammenveranlagt werden.

Der Kläger war Direktor der A-Bank.

In der zusammen mit der Klägerin abgegebenen Einkommensteuererklärung für 1973 erklärte er neben anderen Einkünften als "Sonstige Einkünfte" einen Betrag von ... DM, der aus Devisen- und Edelmetalltermingeschäften stammte.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) erfaßte im Einkommensteuerbescheid für 1973 die erklärten sonstigen Einkünfte und setzte die Einkommensteuer und die Nebensteuern für 1973 auf insgesamt ... DM fest. Gegen den Bescheid legten die Kläger mit der Begründung Einspruch ein, die Einkünfte aus den Termingeschäften seien nicht einkommensteuerpflichtig, und beantragten gleichzeitig die Aussetzung der Vollziehung des Bescheides. Das FA setzte durch Verfügung vom 20. Juli 1977 einen Teilbetrag von 687 299 DM gegen Sicherheitsleistung aus. Die restlichen Steuerbeträge von zusammen ... DM bezahlten die Kläger.

Im Januar 1979 beantragten die Kläger bei dem FA, die Vollziehung des Bescheides in Höhe der bezahlten Steuerbeträge abzüglich eines Betrages von ... DM, also in Höhe von ... DM, gegen Sicherheitsleistung aufzuheben. Daraufhin setzte das FA mit Verfügung vom 5. April 1979 die Vollziehung des Einkommensteuerbescheides für 1973 in Höhe von insgesamt ... DM bis einen Monat nach Bekanntgabe der Entscheidung über den Einspruch gegen Sicherheitsleistung aus, wobei es bestimmte, daß die von den Klägern bereits gegebenen Sicherheiten bestehenblieben. Zu den Sicherheiten gehörte die Abtretung einer künftigen Forderung gegen eine Bank. Auf dieses Konto überwies das FA daraufhin den Betrag von ... DM.

Im Juni 1979 erklärte sich das FA mit einer Änderung der Sicherheitsleistung in der Weise einverstanden, daß die Kläger von der abgetretenen Geldforderung Wertpapiere der in § 241 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) genannten Art kauften und an diesen bei der Bank deponierten Wertpapieren dem FA ein Pfandrecht bestellten, soweit dies zur Sicherung der ausgesetzten Steuerbeträge erforderlich war.

Mit Schriftsatz vom 13. November 1980 beantragten die Kläger die Freigabe der verpfändeten Wertpapiere, weil nach dem Beschluß des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 29. Juni 1976 VIII B 1/76 (BFHE 119, 273, BStBl II 1976, 644) ein Erfolg ihres Einspruchs zu erwarten sei.

Das FA lehnte den Antrag ab, die Beschwerde an die Oberfinanzdirektion (OFD) blieb erfolglos.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage mit dem Antrag auf Änderung des Aussetzungs- und Aufhebungsbescheides vom 5. April 1979 statt und verpflichtete das FA zur Änderung dieses Bescheides dahin gehend, daß die Vollziehung des von den Klägern bezahlten Betrags von ... DM ohne Sicherheitsleistung aufgehoben werde. Dazu wurde ausgeführt:

Das FA habe zu Unrecht eine Aufhebung der Anordnung über die Aussetzung der Vollziehung gegen Sicherheitsleistung abgelehnt, denn die Einnahmen des Klägers aus den Termingeschäften seien mit großer Wahrscheinlichkeit einkommensteuerfrei zu belassen. Bei diesen Termingeschäften handele es sich um verdeckte Differenzgeschäfte ohne Lieferverpflichtung, bei denen es den daran Beteiligten von Anfang an nur auf die Zahlung einer Kursdifferenz angekommen sei. Solche Geschäfte seien nach dem BFH-Urteil vom 8. Dezember 1981 VIII R 125/79 (BFHE 135, 426, BStBl II 1982, 618) weder nach § 22 Nr. 2, § 23 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 noch nach § 22 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) einkommensteuerpflichtig.

Unerheblich sei, ob der Kläger als Direktor der A-Bank nach § 53 Abs. 2 Nr. 1 des Börsengesetzes (BörsG) termingeschäftsfähig gewesen sei, weil auch bei Termingeschäftsfähigkeit des Klägers die Einnahmen aus den Termingeschäften nicht zu versteuern seien. Wenn auch eine Termingeschäftsfähigkeit die Termingeschäfte verbindlich gemacht hätte, so sei damit der Spielcharakter der Geschäfte nicht entfallen. Die Verbindlichkeit eines verdeckten Differenzgeschäfts mache dieses nicht zu einem Veräußerungsgeschäft i. S. des § 23 EStG, weil auch dann die Tatbestandsmerkmale "Anschaffung und Veräußerung" oder "Veräußerung und Erwerb" nicht gegeben seien.

Mit der Revision rügt das FA Verletzung formellen und materiellen Rechts und macht geltend:

Das FA sei zur Freigabe der Sicherheit nicht verpflichtet, weil nicht davon ausgegangen werden könne, daß im Verfahren zur Hauptsache mit großer Wahrscheinlichkeit zugunsten des Klägers entschieden werde. Es sei weiterhin umstritten, ob Einnahmen aus Termingeschäften von Personen, die gemäß § 53 Abs. 2 Nr. 1 BörsG termingeschäftsfähig sind, der Einkommensteuer unterlägen. Termingeschäfte, bei denen der Differenzeinwand nicht erhoben werden könne, seien keine Differenzgeschäfte mit Spielcharakter, sondern rechtlich selbständige Kaufverträge mit Lieferverpflichtungen. Zwar komme es in der Regel nicht zur sachenrechtlichen Übertragung von Wirtschaftsgütern. Zum Erlöschen der gegenseitigen Forderungen komme es aber durch Aufrechnung in Verbindung mit der Zahlung des Differenzbetrags. Lägen somit verbindliche Kaufverträge mit Lieferverpflichtungen vor, dann seien auch die Tatbestandsmerkmale "Anschaffung und Veräußerung" oder "Veräußerung und Erwerb" des § 23 EStG erfüllt.

Möglicherweise handele es sich bei den Termingeschäften des Klägers um eine gewerbliche Tätigkeit.

Auf die Frage einer Gefährdung des Steueranspruchs sei das FG trotz umfangreicher Ausführungen des FA nicht eingegangen.

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger äußern Bedenken gegen eine Zulässigkeit der Revision aus den Grundsätzen des BFH-Beschlusses vom 8. Dezember 1981 VIII R 73/80. Sie halten die Vorentscheidung für richtig.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist zulässig. Hinsichtlich des Begründungszwangs entspricht sie den Anforderungen des § 120 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Sie enthält - entgegen der Meinung der Kläger - auch eine Auseinandersetzung mit den Gründen der Vorentscheidung.

Die Revision ist auch begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).

Rechtlich zutreffend ist das FG davon ausgegangen, daß über die Rechtmäßigkeit der Anforderung einer Sicherheitsleistung nur im Zusammenhang mit der Aussetzung oder Aufhebung der Vollziehung zu entscheiden ist, weil die Anforderung der Sicherheitsleistung lediglich eine Nebenbestimmung der Aussetzung oder Aufhebung ist (vgl. BFH-Beschluß vom 20. Juni 1979 IV B 20/79, BFHE 128, 306, BStBl II 1979, 666, m. w. N.). Die Vorentscheidung ist jedoch insoweit fehlerhaft, als sie das öffentliche Interesse an der Anforderung einer Sicherheitsleistung bei der Aussetzung oder Aufhebung des angefochtenen Einkommensteuerbescheids für 1973 mit der Begründung verneint hat, es sei mit großer Wahrscheinlichkeit ein für die Kläger günstiger Ausgang des Rechtsbehelfsverfahrens im Verfahren zur Hauptsache zu erwarten. Wenn auch bei der Frage, ob die Einkünfte des Klägers aus den Devisen- und Edelmetall-Termingeschäften der Einkommensteuer unterliegen, keine ernstlichen Zweifel insoweit bestehen, als die umstrittenen Einkünfte nicht als Einkünfte aus Spekulationsgeschäften (§ 2 Abs. 3 Nr. 7, § 22 Nr. 2, § 23 EStG) oder als Einkünfte aus Leistungen (§ 2 Abs. 3 Nr. 7, § 22 Nr. 3 EStG) anzusehen sind, so fehlen doch ausreichende tatsächliche Feststellungen dafür, um auch ernstliche Zweifel daran verneinen zu können, daß sie nicht als Einkünfte aus Gewerbebetrieb (§ 2 Abs. 3 Nr. 2, § 15 [Abs. 1] Nr. 1 EStG) zur Einkommensteuer heranzuziehen sind.

1. Dem FG ist darin zu folgen, daß im Streitfall keine Einkünfte aus Spekulationsgeschäften (§ 22 Nr. 2, § 23 EStG) oder aus Leistungen (§ 22 Nr. 3 EStG) erzielt wurden.

a) Wie der Senat in seinem Urteil in BFHE 135, 426, BStBl II 1982, 618 entschieden hat, sind Einkünfte aus privaten Devisentermingeschäften in der Art von nicht auf Lieferung gerichteten Differenzgeschäften weder Einkünfte aus Spekulationsgeschäften noch aus Leistungen. Gleiches gilt für private Edelmetallgeschäfte. Bei einem Differenzgeschäft - offen oder verdeckt - fehlt es an den für die Tatbestandsverwirklichung des § 23 EStG erforderlichen Anschaffungs- und Veräußerungsgeschäften, wenn nur die Preisdifferenz gezahlt wird. Ein Differenzgeschäft enthält auch keine für die Tatbestandsverwirklichung des § 22 Nr. 3 EStG notwendige entgeltliche Leistung.

Ob sich an dieser Beurteilung etwas ändert, wenn ein privates Devisen- oder Edelmetall-Termingeschäft in der Art eines Differenzgeschäfts als Börsentermingeschäft den Vorschriften des BörsG unterliegt und nach § 58 BörsG von demjenigen der Differenz- und Spieleinwand nicht erhoben werden kann, für den das Geschäft nach den Vorschriften der §§ 53, 54, 57 BörsG verbindlich ist, bedarf im Streitfall keiner abschließenden Entscheidung für alle im BörsG aufgeführten Fälle mit Verbindlichkeit des Geschäfts, sondern nur für den Fall des § 53 BörsG.

Ist ein Warentermingeschäft ein offenes oder verdecktes Differenzgeschäft, dann enthält es auch bei einer Verbindlichkeit nach § 53 BörsG - Termingeschäftsfähigkeit beider Teile von vornherein - keine Anschaffungs- und Veräußerungsgeschäfte i. S. des § 23 EStG, wenn keine Waren geliefert werden und nur die Differenz gezahlt wird. Die Tatbestandsmerkmale des § 23 EStG "Anschaffung und Veräußerung" oder "Veräußerung und Erwerb" sind dann nicht gegeben. Der Ausschluß des Differenz- und Spieleinwands verändert nicht den Schuldinhalt des Differenzgeschäfts.

Ob ein Warentermingeschäft von der Art eines offenen oder verdeckten Differenzgeschäfts bei einer Verbindlichkeit nach § 54 Abs. 1 BörsG - Sicherheitsleistung für den Sicherheitsempfänger - oder bei einer Verbindlichkeit nach § 57 BörsG - effektive Leistungsbewirkung durch einen Teil im nachhinein, aber rückwirkend - den Tatbestand des § 23 EStG erfüllen kann, wenn die Leistung bewirkt oder aus der Sicherheit Befriedigung erlangt wird, kann offenbleiben, weil solche Sachverhalte im Streitfall nicht gegeben sind.

b) Den vorerwähnten Grundsätzen entspricht es, wenn das FG Tatbestandsverwirklichungen von § 22 Nr. 2, § 23 und von § 22 Nr. 3 EStG verneint hat. Die Termingeschäfte des Klägers waren verdeckte Differenzgeschäfte, bei denen Devisen oder Edelmetalle weder angeschafft noch veräußert wurden. Ob die Termingeschäfte wegen einer Termingeschäftsfähigkeit i. S. des § 53 Abs. 2 Nr. 1 BörsG für den Kläger verbindlich waren, ist in diesem Zusammenhang unerheblich, solange keine Liefergeschäfte erfolgten.

2. Die bisherigen tatsächlichen Feststellungen des FG reichen nicht aus, um im Streitfall auch Einkünfte aus Gewerbebetrieb (§ 15 [Abs. 1] Nr. 1 EStG) mit großer Wahrscheinlichkeit ausschließen zu können.

a) Einkünfte aus Devisen- und Edelmetall-Termingeschäften in der Art von offenen oder verdeckten Differenzgeschäften können als Einkünfte aus Gewerbebetrieb anzusehen sein. Zwar werden Termingeschäfte als spekulative Geschäfte vorwiegend im privaten Bereich getätigt (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs - RFH - vom 12. Dezember 1935 VI A 858/35, RStBl 1936, 694). Wie im BFH-Urteil vom 5. März 1981 IV R 94/76 (BFHE 133, 379, BStBl II 1981, 658) ausgeführt wurde, können sie aber auch betrieblich veranlaßt sein. Mit spekulativen Termingeschäften kann auch ohne einen bereits vorhandenen Gewerbebetrieb eine gewerbliche Tätigkeit i. S. des § 15 (Abs. 1) Nr. 1 EStG ausgeübt werden, wenn allein diese Tätigkeit alle Merkmale einer gewerblichen Tätigkeit erfüllt, wie sie in § 1 der Gewerbesteuer-Durchführungsverordnung (GewStDV) aufgeführt sind, und wenn die zu beurteilende Tätigkeit den Rahmen einer privaten Vermögensverwaltung überschreitet.

aa) Das Vorliegen der für Annahme einer gewerblichen Tätigkeit nach § 1 GewStDV notwendigen Merkmale läßt sich bei spekulativen Warentermingeschäften nicht schon mit der Begründung ausschließen, angesichts des Spielcharakters solcher Geschäfte finde keine Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr statt. Wenn im BFH-Urteil vom 16. September 1970 I R 133/68 (BFHE 100, 199, BStBl II 1970, 865) bei nachhaltigen Spielverträgen zur Teilnahme am Lottospiel eine Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr verneint wurde, so gilt dies nicht für den Abschluß von spekulativen Termingeschäften in der Form von Börsentermingeschäften. Anders als reine Glücksspiele können spekulative Termingeschäfte erfolgversprechender sein, weil bei diesen Geschäften nicht nur erlernbare kaufmännische Abwicklungstechniken ausgenutzt, sondern auch aus dem Marktgeschehen gewonnene Kenntnisse und Erfahrungen im Warentermingeschäft eingesetzt werden können.

bb) Für die Abgrenzung zwischen gewerblicher Tätigkeit und privater Vermögensverwaltung bei spekulativen Termingeschäften, bei denen die nach § 1 GewStDV erforderlichen Merkmale gegeben sind, lassen sich die für Wertpapiergeschäfte maßgebenden Grundsätze heranziehen. Ebenso wie im BFH-Urteil vom 4. März 1980 VIII R 150/76 (BFHE 130, 157, BStBl II 1980, 389) für Wertpapiergeschäfte ausgesprochen, läßt sich auch bei spekulativen Termingeschäften die Gewerblichkeit nur bei Vorliegen besonderer Umstände, wie Unterhalten eines Büros oder einer Organisation zur Durchführung von Geschäften, regelmäßiger Besuch von Börsen, Ausnutzen eines bestimmten Marktes unter Einsatz beruflicher Erfahrungen oder andere bei einer privaten Vermögensverwaltung ungewöhnliche Verhaltensweisen begründen.

b) Ob bei Anwendung dieser Grundsätze auf den Streitfall gewerbliche Einkünfte des Klägers nicht in Betracht kommen und damit auch unter diesem Gesichtspunkt ein Klageerfolg in der Hauptsache sehr wahrscheinlich ist, läßt sich mangels ausreichender tatsächlicher Feststellungen nicht abschließend beurteilen.

3. Die Vorentscheidung, die auf anderen Rechtsüberlegungen beruht, war aufzuheben. Der Senat kann nicht selbst entscheiden, weil das FG keine Feststellungen im Hinblick auf die Möglichkeit einer gewerblichen Tätigkeit des Klägers getroffen hat. Das FG wird diese Feststellung nachholen und prüfen müssen, ob sich dann auch gewerbliche Einkünfte des Klägers ausschließen lassen.

4. Der Senat konnte durch Urteil entscheiden, da auf mündliche Verhandlung verzichtet ist und ein solcher Verzicht nicht widerrufen werden kann (vgl. BFH-Urteil vom 4. April 1974 V R 161/72, BFHE 112, 316, BStBl II 1974, 532).

 

Fundstellen

Haufe-Index 74865

BStBl II 1984, 132

BFHE 1984, 82

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