Entscheidungsstichwort (Thema)

Erbbaurecht begründet Nutzungsüberlassung i.S.v. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG

 

Leitsatz (NV)

Auch ein Erbbaurechtsverhältnis begründet eine (sonstige) Nutzungsüberlassung im Sinne von § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG (ständige Rechtsprechung).

 

Normenkette

EStG § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2

 

Verfahrensgang

FG Berlin (Urteil vom 21.03.2006; Aktenzeichen 7 K 4230/01; EFG 2006, 1236)

 

Tatbestand

I. Am Betrieb (Grundstückshandel und -vermietung) der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) --X-GmbH-- war im Streitjahr (1993) u.a. Herr Y. (Beigeladener) als atypisch stiller Gesellschafter beteiligt.

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob das seit 1980 mit einem Erbbaurecht (Laufzeit: 99 Jahre) belastete Grundstück …-Straße zum Sonderbetriebsvermögen des Beigeladenen gehörte. Das Grundstück, das sich im Eigentum eines weder mit der Klägerin noch mit dem Beigeladenen verbundenen Dritten befand und mit einem mehrgeschossigen Bürogebäude bebaut war, wurde vom Beigeladenen am 11. März 1991 gegen einen Kaufpreis in Höhe von 2 Mio. DM erworben. Im Anschluss hieran ist der Klägerin mit Kaufvertrag vom 23. November 1991 das Erbbaurecht von einer Schwestergesellschaft zum Preis von 9,5 Mio. DM übertragen worden. Das Grundstück wurde von der Klägerin für ihren Gewerbebetrieb (Grundstücksvermietung) genutzt und ist am 22. Oktober 1993 vom Beigeladenen an die Klägerin (Inhaberin des Erbbaurechts) zum Preis von 4,5 Mio. DM veräußert worden.

Während der Beigeladene das Grundstück als Privatvermögen behandelte, gelangte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) im Anschluss an eine Betriebsprüfung zu der Auffassung, dass das Grundstück bis zu seiner Veräußerung an die Klägerin zum Sonderbetriebsvermögen des Beigeladenen gehört habe. Demgemäß erfasste es in den Bescheiden vom 17. Juni 1999 zur Gewinnfeststellung 1993 und zur Festsetzung des einheitlichen Gewerbesteuermessbetrags sowie der Gewerbesteuer 1993 neben den Erbbauzinsen auch den Erlös aus der Veräußerung des Grundstücks an die Klägerin als Sonderbetriebseinnahmen des Beigeladenen. Zudem ergingen unter demselben Datum (u.a.) Bescheide zur Feststellung des Einheitswerts des Betriebsvermögens auf den 1. Januar 1992 und auf den 1. Januar 1993.

Die Einsprüche blieben ohne Erfolg. Die hiergegen erhobene Klage wurde vom Finanzgericht (FG) abgewiesen (vgl. im Einzelnen Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2006, 1236).

Mit der vom FG zugelassenen Revision macht die Klägerin geltend, dass das Erbbaurecht ohne Zustimmung des Grundstückseigentümers habe übertragen werden können. Die Klägerin habe deshalb das Grundstück …-Straße nicht aufgrund einer Überlassung durch den Beigeladenen, sondern kraft des erworbenen eigenen dinglichen Rechts und damit unabhängig vom Grundstückseigentum genutzt. Für den Beigeladenen bedeute dies, dass er ein belastetes Grundstück erworben habe und damit auch nicht in der Lage gewesen sei, der Klägerin die mit dem Erbbaurecht verbundene Nutzungsmöglichkeit zu verschaffen. Demgemäß habe das Grundstück auch nicht zum notwendigen Sonderbetriebsvermögen des Beigeladenen gehört. Zu berücksichtigen sei insoweit auch, dass die Klägerin das Grundstück vermietet und damit nicht für eigenbetriebliche Zwecke genutzt habe. Der Annahme gewillkürten Sonderbetriebsvermögens stehe entgegen, dass der Beigeladene das Grundstück als Privatvermögen ausgewiesen habe.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

1. das Urteil der Vorinstanz aufzuheben und die Bescheide vom 17. Juni 1999 zur Festsetzung des einheitlichen Gewerbesteuermessbetrags und der Gewerbesteuer 1993 sowie zur Gewinnfeststellung 1993 und zu den Feststellungen der Einheitswerte des Betriebsvermögens auf den 1. Januar 1992 sowie auf den 1. Januar 1993 --jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidungen vom 13. Juni 2001-- dahin zu ändern, dass das Grundstück …-Straße nicht als Sonderbetriebsvermögen des Beigeladenen angesetzt wird,

2. die Hinzuziehung des Bevollmächtigten zum Vorverfahren für notwendig zu erklären.

Das FA beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Der erkennende Senat hat mit Beschluss vom 6. November 2008 das Verfahren wegen Einheitsbewertung des Betriebsvermögens auf den 1. Januar 1992 und 1. Januar 1993 abgetrennt und an den insoweit zuständigen II. Senat abgegeben.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist, soweit sie die Gewinnfeststellung 1993 sowie die Gewerbesteuer 1993 betrifft, nicht begründet und deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat zutreffend entschieden, dass das Grundstück …-Straße bis zur Veräußerung an die Klägerin zum Sonderbetriebsvermögen des Beigeladenen gehörte und damit sowohl die Erbbauzinsansprüche als auch der Erlös aus der Grundstücksveräußerung als Sonderbetriebseinnahmen des Beigeladenen anzusetzen waren.

1. Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) gehören zu den gewerblichen Einkünften eines Mitunternehmers u.a. die Vergütungen (Sonderbetriebseinnahmen), die der Gesellschafter von der Personengesellschaft für die Überlassung von Wirtschaftsgütern bezogen hat. Das Wirtschaftsgut (z.B. Grundstück) ist --ungeachtet dessen, ob es von der Gesellschaft selbst (z.B. zum Zwecke der Produktion) oder durch Weitervermietung an Dritte genutzt wird-- dem notwendigen Sonderbetriebsvermögen des Mitunternehmers zuzurechnen (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 23. Mai 1991 IV R 94/90, BFHE 164, 540, BStBl II 1991, 800). Die Rechtsgrundlage hierfür ist vornehmlich in der Regelung des § 4 Abs. 1 EStG zu sehen (Beschluss des Großen Senats des BFH vom 3. Mai 1993 GrS 3/92, BFHE 171, 246, BStBl II 1993, 616, 622) mit der Folge, dass auch Grundstücke, die der Gesellschaft unentgeltlich oder teilentgeltlich überlassen werden, als Sonderbetriebsvermögen zu erfassen sind (BFH-Urteil vom 14. April 1988 IV R 160/84, BFH/NV 1989, 95). Folge hiervon ist des Weiteren, dass neben den Sondervergütungen auch Gewinne aus der Veräußerung des überlassenen Wirtschaftsguts --sei es an einen Dritten, sei es an einen Mitgesellschafter oder an die Gesellschaft (vgl. zu Letzterem Senatsurteil vom 24. Januar 2008 IV R 37/06, BFHE 220, 374)-- zu einem Ertrag im Sonderbetriebsvermögen führen. Die Geltung dieser Grundsätze ist nicht auf mitunternehmerschaftliche Beteiligungen an Außenpersonengesellschaften beschränkt. Sie sind gleichermaßen für atypisch stille Beteiligungen zu beachten (vgl. Schmidt/Wacker, 27. Aufl., § 15 Rz 358, m.w.N.) und bestimmen mithin nach § 7 des Gewerbesteuergesetzes 1991 (GewStG 1991; heute: § 7 Satz 1 GewStG 2002) auch den Gewerbeertrag mitunternehmerschaftlicher Innengesellschaften (vgl. --einschließlich der gewerbesteuerrechtlichen Schuldnerschaft des Inhabers des Handelsgeschäfts-- BFH-Urteil vom 31. August 1999 VIII R 22/98, BFH/NV 2000, 420, m.w.N.).

2. Dem FG ist darin beizupflichten, dass die vorgenannten Rechtsgrundsätze nicht nur im Falle der entgeltlichen Überlassung von Grundstücken auf rein schuldrechtlicher Grundlage (Miete, Pacht), sondern auch dann zum Tragen kommen, wenn die Nutzungsberechtigung auf dem der Personengesellschaft zustehenden Erbbaurecht beruht.

a) Zwar weist die Klägerin zutreffend darauf hin, dass sie als Inhaberin des (erworbenen) Erbbaurechts Eigentümerin des auf dem überlassenen Grundstück errichteten Gebäude geworden ist (vgl. § 12 Abs. 1 und 2 der Verordnung über das Erbbaurecht --ErbbauV-- i.V.m. §§ 94, 95 des Bürgerlichen Gesetzbuches --BGB--); auch ist nicht nur in der Übertragung des Erbbaurechts, sondern auch in dessen Bestellung gegen Erbbauzins ein kaufähnliches Geschäft (Rechtskauf) zu sehen (MünchKommBGB/ von Oefele, 4. Aufl., § 11 ErbbauV Rz 7). Gleichzeitig führt das Erbbaurecht jedoch nach seinem zivilrechtlichen Inhalt zu einer dinglichen Belastung (§ 1 Abs. 1 ErbbauV) und begründet die --regelmäßig (vgl. MünchKommBGB/von Oefele, a.a.O., § 1 ErbbauV Rz 70)-- befristete Befugnis, das Grundstück gegen ein Entgelt in Form wiederkehrender Leistungen (Erbbauzins; §§ 9, 9a ErbbauV) fortwährend in bestimmter Weise zu nutzen, sowie die entsprechende ("verdinglichte") Verpflichtung des Grundstückseigentümers, diese Nutzung fortwährend zu dulden (vgl. BFH-Urteil vom 20. April 1988 X R 4/80, BFHE 153, 243, BStBl II 1988, 744 betreffend Umsatzsteuer).

b) Der BFH hat deshalb in ständiger Rechtsprechung u.a. angenommen, dass ein befristetes Erbbaurechtsverhältnis --sowohl bei rechtlicher als auch wirtschaftlicher Beurteilung im Einklang mit der Wertung des § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG-- den Grundsätzen über die Nichtbilanzierung schwebender Geschäfte untersteht (BFH-Urteile vom 20. Januar 1983 IV R 158/80, BFHE 138, 53, BStBl II 1983, 413; vom 4. September 1997 IV R 40/96, BFH/NV 1998, 569), die Begründung von Erbbaurechten nicht zur Aufgabe des Betriebs eines gewerblichen Grundstückshandels führt (BFH-Urteil vom 22. April 1998 XI R 28/97, BFHE 186, 210, BStBl II 1998, 665; ebenso zur Drei-Objekt-Grenze BFH-Urteil vom 12. Juli 2007 X R 4/04, BFHE 218, 331, BStBl II 2007, 885) und die Erbbaurechtsbestellung zugunsten einer Betriebsgesellschaft eine sachliche Verflechtung mit dem Besitzunternehmen und damit eine Betriebsaufspaltung zu begründen vermag (BFH-Urteil vom 19. März 2002 VIII R 57/99, BFHE 198, 137, BStBl II 2002, 662).

c) Aus den nämlichen Gründen hat der BFH das Erbbaurechtsverhältnis als sonstige Nutzungsüberlassung i.S. von § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG gewertet und die Erbbauzinsen sowie den entschädigungslosen Übergang des Gebäudes nach Beendigung des Erbbaurechts als Vergütungen für die Nutzungsüberlassung den Sonderbetriebseinnahmen des (mit dem Erbbaurecht belasteten) Mitunternehmers zugeordnet (BFH-Urteile vom 11. Dezember 2003 IV R 42/02, BFHE 204, 223, BStBl II 2004, 353; vom 7. April 1994 IV R 11/92, BFHE 174, 407, BStBl II 1994, 796; gl.A. --z.B.-- Schmidt/Wacker, a.a.O., § 15 Rz 514; Köster in Herrmann/Heuer/Raupach, § 15 EStG Rz 530; Reiß in Kirchhof, EStG, 8. Aufl., § 15 Rz 397).

Hiervon ist auch im Streitfall auszugehen. Anhaltspunkte dafür, dass vorliegend --abweichend vom Regelfall-- das wirtschaftliche Eigentum am belasteten Grundstück (Grund und Boden) von dem Grundstückseigentümer (hier: Beigeladener) auf die Klägerin übergegangen wäre, sind --auch unter Berücksichtigung des Revisionsvortrags-- nicht ersichtlich (vgl. BFH-Urteile in BFHE 174, 407, BStBl II 1994, 796, 797 f.; in BFHE 186, 210, BStBl II 1998, 665, jeweils m.w.N.; zum rechtlichen und wirtschaftlichen Eigentum am Gebäude s. BFH-Urteil in BFHE 204, 223, BStBl II 2004, 353). Hiernach ist es auch im Streitfall für die Qualifizierung des Grundstücks …-Straße als Sonderbetriebsvermögen des Beigeladenen ohne Bedeutung, dass das Erbbaurecht von der Klägerin erst erworben wurde (23. November 1991), nachdem das Eigentum an dem belasteten Grundstück auf den Beigeladenen übertragen worden war (11. März 1991). Nach den vorstehenden Erläuterungen ist in dem Erwerb des Erbbaurechts durch die Klägerin --gleich dem Fall der erstmaligen schuldrechtlichen Überlassung eines Grundstücks an eine Personengesellschaft-- die Neubegründung eines Nutzungsverhältnisses (i.S. von § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG) zwischen dem Beigeladenen und der Klägerin (bzw. atypisch stillen Gesellschaft) zu sehen.

3. Die Sache ist spruchreif. Die Vorinstanz konnte angesichts der Regelung des § 6 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 Buchst. a EStG offenlassen, ob das Grundstück …-Straße vor Erwerb des Erbbaurechts durch die Klägerin zum Privatvermögen oder zum Betriebsvermögen des Beigeladenen gehörte. Da das FG --für den erkennenden Senat bindend (§ 118 Abs. 2 FGO)-- festgestellt hat, dass der Teilwert des Grundstücks im Zeitpunkt des Erwerbs des Erbbaurechts durch die Klägerin (23. November 1991) die am 11. März 1991 angefallenen Anschaffungskosten des Beigeladenen (2 Mio. DM) nicht unterschritten hatte, bestimmten Letztere zugleich den Ansatz des belasteten Grundstücks im Sonderbetriebsvermögen. Auch im Übrigen hat die Klägerin gegen die Höhe der vom FA angesetzten Sonderbetriebseinnahmen keine Einwände erhoben. Rechtsfehler solcher Art sind auch den vorgelegten Akten nicht zu entnehmen.

4. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 135 Abs. 2 und 3 FGO. Da der Beigeladene weder Revision eingelegt noch Anträge gestellt hat, sind die Kosten des Rechtsmittels auch insoweit in vollem Umfang von der Klägerin zu tragen, als sie auf die einheitliche und gesonderte Gewinnfeststellung 1993 entfallen. Der Antrag, die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären (§ 139 Abs. 3 Satz 3 FGO), ist im Revisionsverfahren unzulässig. Die Entscheidung nach § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO gehört sachlich zum Kostenfestsetzungsverfahren; zuständig ist daher das Gericht des ersten Rechtszuges (Gräber/Stapperfend, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 139 Rz 121, m.w.N.).

 

Fundstellen

Haufe-Index 2136756

BFH/NV 2009, 730

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