Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Verteilung unangemessener Gewinnanteile bei einer Familienpersonengesellschaft

 

Leitsatz (NV)

Führt bei einer Familienpersonengesellschaft die erforderliche Angemessenheitsprüfung zu einer Minderung von Gewinnanteilen, so ist die Differenz den übrigen Gesellschaftern zuzurechnen, sofern nicht auch bei ihnen Begrenzungen zu beachten sind (Anschluß an BFH-Beschluß vom 29. Mai 1972 GrS 4/71, BFHE 106, 504, BStBl II 1973, 5, unter IV. 2. d) bb) ).

 

Normenkette

EStG § 15 Abs. 1 Nr. 2

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine GmbH & Co. KG. Ursprünglich hatte sie nur zwei Gesellschafter, nämlich die Firma . . . GmbH (im folgenden: GmbH) als geschäftsführende Komplementärin und X als Kommanditisten. Alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der GmbH war der Beigeladene zu 1. Der Kommanditist X war der Schwiegervater des Beigeladenen zu 1.

Im Jahre 1972 traten drei weitere Kommanditisten in die Gesellschaft ein:

- der Beigeladene zu 1 mit einer Einlage von 40 000 DM,

- seine Ehefrau Y mit einer Einlage von 20 000 DM und

- die Tochter Z mit einer Einlage von 10 000 DM.

Im Jahre 1973 wurden die Kommanditeinlagen der Gesellschafter X und Z auf je 20 000 DM erhöht; der Beigeladene zu 1 übertrug seinen Kommanditanteil in Höhe von 40 000 DM zu je 1/2 auf seine beiden minderjährigen Söhne V (geboren 1960) und W (geboren 1958). Er selbst schied aus der Gesellschaft aus.

Im Jahre 1975 verstarb der Gesellschafter X. Sein Geschäftsanteil ging im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf seine Tochter, die Kommanditistin Y über. Ihr Geschäftsanteil erhöhte sich damit auf 40 000 DM.

Mit notariellem Vertrag vom 28. Januar 1976 übertrug die Kommanditistin Z ihren Geschäftsanteil in Höhe von 20 000 DM sowie ihre laufenden Guthaben in Höhe von ca. 18 000 DM durch Schenkung je zur Hälfte auf ihre Brüder. Deren Kommanditanteile erhöhten sich damit auf je 30 000 DM. Durch Beschluß der Gesellschafterversammlung vom 5. April 1977 wurde Z wieder als Kommanditistin mit einem Geschäftsanteil von 30 000 DM in die Gesellschaft aufgenommen. Das Kapital für diesen Geschäftsanteil erhielt sie durch eine gleich hohe Schenkung des Mitgesellschafters W. Zugleich wurde einer Erhöhung der Komplementäreinlage um 25 000 DM auf 30 000 DM zugestimmt.

In den Streitjahren 1975 bis 1977 führte der Beigeladene zu 1 in seiner Eigenschaft als Gesellschafter-Geschäftsführer der GmbH die Geschäfte der Klägerin. Die Bruttogehälter des Beigeladenen zu 1 für seine Geschäftsführertätigkeit betrugen in den Streitjahren 1975 . . . DM, 1976 . . . DM und 1977 . . . DM. In allen drei Streitjahren verzichtete der Beigeladene zu 1 mit Zustimmung der Gesellschafter der Klägerin auf die für ihn vorgesehene Tantieme.

Die erklärten Gewinne der Klägerin beliefen sich in den Streitjahren auf . . . DM; in den drei Vorjahren war ein Gewinn in Höhe von . . . DM erzielt worden.

Die Gesellschafterin Y und der Beigeladene zu 1 verbürgten sich in den Streitjahren zeitweise mit ihrem Privatvermögen für Bankkredite, die das Unternehmen zur Vorfinanzierung von Bauprojekten aufnehmen mußte. Bürgschaften wurden wie folgt übernommen: Am 6. August, 8. November, 21. Dezember und 26. Dezember 1976 jeweils über . . . DM sowie am 9. Dezember 1976 über . . . DM. Hierfür zahlte die Klägerin dem Beigeladenen zu 1 eine Vergütung in Höhe von 2 v. H. der Bürgschaftsbeträge für jedes angefangene Jahr; weiterhin übernahmen die Kommanditisten im Innenverhältnis gesamtschuldnerisch die Haftung für eine eventuelle Inanspruchnahme des Beigeladenen zu 1 aus Bürgschaften für die Klägerin.

In den Streitjahren erbrachte der Beigeladene zu 1 Ingenieurleistungen für die Klägerin. Diese Tätigkeit honorierte die Klägerin mit . . . DM.

Außer dem Beigeladenen zu 1 waren die Kommanditisten Z in der Zeit vom 1. Januar bis 31. Dezember 1977 als Buchhalterin und der Kommanditist W in der Zeit vom 1. August 1976 bis 31. Juli 1977 als Auszubildender für die Klägerin tätig.

Nach Prüfung kam die Großbetriebsprüfungsstelle zu dem Ergebnis, daß der Beigeladene zu 1 Mitunternehmer der Klägerin sei und daß der gesellschaftsvertragliche Gewinnanspruch der Kommanditisten Z, V und W unangemessen und deshalb entsprechend der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zu der Gewinnverteilung bei schenkweiser Aufnahme in eine Familiengesellschaft zu begrenzen sei. Die Gewinnanteile der vorbezeichneten Gesellschafter wurden deshalb gemindert und die Differenz dem Beigeladenen zu 1 als Gewinn der Klägerin zugerechnet.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) folgte der Rechtsauffassung der Großbetriebsprüfungsstelle und erließ entsprechende Feststellungsbescheide für die Streitjahre sowie einen entsprechend geänderten Bescheid über die Feststellung des Einheitswerts des gewerblichen Betriebs auf den 1. Januar 1977.

Der Einspruch der Klägerin blieb ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt.

Mit der Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts (§§ 15 Abs. 1 Nr. 2, 12 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes - EStG -; § 8 Abs. 3 des Körperschaftsteuergesetzes - KStG -; § 3 des Bewertungsgesetzes - BewG -).

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet; sie führt gemäß § 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.

1. Das FG hat zu Recht entschieden, daß der Beigeladene zu 1 nicht Mitunternehmer der Klägerin war.

a) Mitunternehmer ist, wer als Gesellschafter einer Personengesellschaft oder als Teilhaber einer einer Personengesellschaft wirtschaftlich vergleichbaren Gemeinschaft Mitunternehmerrisiko trägt und Mitunternehmerinitiative entfalten kann (ständige Rechtsprechung; vgl. Urteil des BFH vom 20. November 1990 VIII R 10/87, BFHE 163, 336). Während Mitunternehmerinitiative die Teilnahme an unternehmerischen Entscheidungen bedeutet, wie sie z. B. einem Gesellschafter in der Gesellschafterversammlung oder als Geschäftsführer, Prokurist oder leitendem Angestellten obliegen, ist Mitunternehmerrisiko bei gesellschaftsrechtlicher Teilhabe am Erfolg oder Mißerfolg eines Unternehmens gegeben. Dieses Risiko wird regelmäßig durch Beteiligung an Gewinn und Verlust sowie an den stillen Reserven des Gesellschaftsvermögens (einschließlich des Geschäftswerts) begründet (BFH-Urteile vom 14. August 1986 IV R 22/85, BFH/NV 1988, 291; vom 4. Juli 1989 VIII R 139/85, BFH/NV 1990, 160, und BFH-Urteil in BFHE 163, 336; vgl. ferner Schmidt, Einkommensteuergesetz, Kommentar, 10. Aufl., 1991, § 15 Anm. 51 b).

b) Bei dem Beigeladenen zu 1 liegen diese Voraussetzungen nicht vor. Er war nicht Gesellschafter der Klägerin. Er war auch weder am Gewinn noch am Verlust noch an den stillen Reserven beteiligt. Die im Gesellschaftsvertrag nach Maßgabe eines Beschlusses der Gesellschafterversammlung vorgesehene Tantiemeregelung wurde nicht realisiert. Zudem wäre der Bezug einer Tantieme (in üblicher Höhe) nicht von ausschlaggebender Bedeutung (vgl. BFH-Urteil vom 23. August 1990 IV R 58/89, BFH/NV 1991, 661). Die gelegentliche Übernahme von Bürgschaften zugunsten der Klägerin vollzog sich im Rahmen eines entsprechenden entgeltlichen Rechtsgeschäftes; mit dieser Verpflichtung hat der nur als Geschäftsführer der GmbH tätige Beigeladene zu 1 nicht das einem Mitunternehmer vergleichbare Risiko übernommen. Im übrigen hatten sich die Kommanditisten im Innenverhältnis gesamtschuldnerisch zur Freistellung des Beigeladenen zu 1 verpflichtet. In gleicher Weise können die Entgelte für die von dem Beigeladenen zu 1 der Klägerin gegenüber erbrachten Architekten- und Bauingenieurleistungen kein Mitunternehmerrisiko begründen; auch diese Beträge sind Entgelt für wie unter Fremden erbrachte Leistungen, die auf einem gegenseitigen Vertrag beruhen.

2. Dagegen ist die vom FG gebilligte Gewinnverteilung nicht bedenkenfrei.

a) In einer Familienpersonengesellschaft sind den ohne Gegenleistung (schenkweise) aufgenommenen nahen Angehörigen Gewinnanteile nur in angemessener Höhe zuzurechnen, sofern diese Gesellschafter keine oder nur eine Tätigkeit von untergeordneter Bedeutung in der Gesellschaft ausüben (vgl. Beschluß des BFH vom 29. Mai 1972 GrS 4/71, BFHE 106, 504, BStBl II 1973, 5; BFH-Urteile vom 29. März 1973 IV R 56/70, BFHE 109, 328, BStBl II 1973, 650, und vom 26. Juni 1974 I R 206/67, BFHE 113, 103, BStBl II 1974, 676; vgl. ferner Schmidt, a. a. O., § 15 Anm. 133).

b) Diese Grundsätze gelten auch, wenn eine durch den Vater (oder andere nahe Familienangehörige) beherrschte GmbH Komplementärin ist (vgl. BFH-Urteil vom 5. Juni 1986 IV R 53/82, BFHE 147, 139, BStBl II 1986, 798).

Dagegen ist die Angemessenheit der Gewinnanteile irrelevant, soweit an der Familiengesellschaft familienfremde Gesellschafter beteiligt sind. Die Besonderheiten der Familiengesellschaft haben ihre Ursache in der gemeinsamen Gestaltung der wirtschaftlichen Interessen innerhalb des Familienverbundes. Soweit familienfremde Gesellschafter beteiligt sind, greift der natürliche Interessengegensatz, der einer Angemessenheitsprüfung entgegensteht.

Die Angemessenheitsprüfung bei Familienpersonengesellschaften verstößt nicht gegen Art. 6 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG). Im Unterschied zu einer die Gewerbesteuerpflicht begründenden Vermutung der einheitlichen Ausübung von Stimmrechten (dazu vgl. Beschluß des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom 12. März 1985 1 BvR 571/81 u. a., BVerfGE 69, 188, BStBl II 1985, 475) führt die bei Familienpersonengesellschaften notwendige Angemessenheitsprüfung lediglich zu einer den wirtschaftlichen Gegebenheiten entsprechenden Gewinnverteilung innerhalb des Familienverbundes. Es entspricht ständiger Rechtsprechung, daß Verträge unter nahen Angehörigen wegen des fehlenden Interessengegensatzes besonderen Anforderungen genügen müssen.

c) Führt die Angemessenheitsprüfung zu einer Minderung der den Kindern zuzurechnenden Gewinnanteile, so sind diese den übrigen Gesellschaftern zuzurechnen, sofern nicht auch bei ihnen Begrenzungen zu beachten sind (BFH-Beschluß in BFHE 106, 504, BStBl II 1973, 5, unter IV. 2. d) bb); Urteil des Niedersächsischen FG vom 10. Juni 1981 VII 401/78, EFG 1982, 80). Die Richtigkeit dieses Verteilungsmodus zeigt sich vor allem, wenn - wie im Streitfall - der Schenker seine Anteile vollständig auf die Kinder überträgt. In diesem Fall können ihm die überschießenden Gewinnanteile nicht mehr zugerechnet werden. Andererseits kann es wegen der besonderen Interessenlage innerhalb der Familienpersonengesellschaft geboten sein, einem an der Anteilsübertragung nicht Beteiligten zusätzliche Gewinnanteile zuzurechnen. In den Fällen, in denen der Schenker beherrschender Gesellschafter-Geschäftsführer der GmbH ist, ist der übersteigende Anteil dementsprechend grundsätzlich nicht der GmbH zuzurechnen. Eine Zurechnung der unangemessenen Gewinnanteile bei der GmbH kann allenfalls dann notwendig werden, wenn die GmbH neben den Kinder-Kommanditisten alleinige Gesellschafterin der Familienpersonengesellschaft ist.

Mit dieser Auffassung setzt sich der Senat nicht zu dem Urteil vom 19. Juni 1990 VIII R 112/85 (BFH/NV 1991, 365) in Widerspruch; diese Entscheidung, nach der der unangemessene Gewinnanteil dem Zuwendenden zuzurechnen ist, betraf den besonderen Fall einer Unterbeteiligung.

d) Für den Streitfall bedeutet dies, daß der Gewinnanteil der Beigeladenen zu 2 nach den vom BFH für die Gewinnbeteiligung einer Komplementär-GmbH entwickelten Regeln (vgl. BFH-Urteile vom 15. November 1967 IV R 139/67, BFHE 90, 399, BStBl II 1968, 152; vom 25. April 1968 VI R 279/66, BFHE 93, 130, BStBl II 1968, 741; vom 24. Juli 1990 VIII R 290/84, BFH/NV 1991, 191) zu beurteilen ist und daß ein die Angemessenheit übersteigender Gewinnanteil der Beigeladenen zu 3 bis 5 möglicherweise der Kommanditistin Y zuzurechnen ist. Hierfür kann von Bedeutung sein, zu welchen Bedingungen sich die Anteilsübertragungen vor allem in den Feststellungszeiträumen 1976 und 1977 vollzogen haben und ob die Gewinnberichtigung zu Lasten der Kommanditistin verfahrensrechtlich zulässig ist. Der Senat kann hierüber auch im Grundsatz nicht entscheiden, weil die Kommanditistin Y bisher am Verfahren nicht beteiligt ist; das FG wird sie deshalb beiladen müssen (vgl. BFH-Urteil vom 19. Mai 1987 VIII R 382/83, BFH/NV 1988, 161, m. w. N.).

 

Fundstellen

Haufe-Index 418107

BFH/NV 1992, 452

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